Schriften zum Pferdesport im Wandel der Zeit. Historischer Vergleich der Texte "Vom Zurückgehen" (1817) und "Das Rückwärtsrichten" (1997)


Mémoire de Maîtrise, 2004

96 Pages, Note: gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Textpragmatik der untersuchten Texte
2.1. Historische Einordnung des Textes »Vom Zurückgehen« 1817
2.1.1. Entwicklung der Rechtschreibung im 19. Jahrhundert

3. Textsorte
3.1. Zielgruppe des Textes »Vom Zurückgehen« 1817
3.2. Zielgruppe des Textes »Das Rückwärtsrichten« 1997

4. Frame-Script-Theorie und Gliederungsstrukturen
4.1. Gliederung und Gestaltung »Vom Zurückgehen« 1817
4.2. Gliederung und Gestaltung »Das Rückwärtsrichten« 1997

5. Textkohäsion
5.1. »Vom Zurückgehen« 1817
5.1.1. Rekurrenz
5.1.2. Bestimmter und unbestimmter Artikel
5.1.3. Explizite Textverknüpfung
5.2. »Das Rückwärtsrichten« 1997
5.2.1. Rekurrenz
5.2.2. Bestimmter und unbestimmter Artikel
5.2.3. Explizite Textverknüpfung

6. Syntax und Interpunktion
6.1. »Vom Zurückgehen« 1817
6.2. »Das Rückwärtsrichten « 1997

7. Zeilenkommentar und Wörterbuch
7.1. »Reitkunst« 1817
7.1.1. Titelei
7.1.2. Text »Vom Zurückgehen«
7.2. »Westernreiten Step by Step« 1997
7.2.1. Titelei
7.2.2. Text »Das Rückwärtsrichten«
7.2.3. Englisch im deutschen Wortschatz

8. Fachsprache und Fachwortschatz
8.1. »Vom Zurückgehen« 1817
8.2. »Das Rückwärtsrichten « 1997

9. Zusammenfassender Vergleich beider Texte
9.1. Textpragmatik
9.2. Historische Einordnung und Zielgruppe
9.3. Gliederung und Gestaltung
9.4. Textkohäsion
9.5. Syntax und Interpunktion
9.6. Fachsprache und Fachwortschatz

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang
11.1. Textmaterial »Reitkunst« 1817
11.1.1. Titelei
11.1.2. Text »Vom Zurückgehen«
11.2. Textmaterial »Westernreiten Step by Step« 1997
11.2.1. Titelei
11.2.2. Text »Das Rückwärtsrichten«
11.3. Grammatische Analyse »Vom Zurückgehen« 1817
11.3.1. Wortarten
11.3.2. Haupt- und Nebensätze
11.4. Grammatische Analyse »Das Rückwärtsrichten « 1997
11.4.1. Wortarten
11.4.2. Haupt und Nebensätze
11.5. Lesetestreihe

Hinweis zu den in der Arbeit verwendeten Anführungsstrichen:

»Beispiel« Zitate aus den beiden bearbeiteten Texten

„Beispiel“ Zitate aus anderen Quellen

‚Beispiel’ Stehende Begriffe, Hervorhebung von Wörtern oder Textteilen

1. Einleitung

In dieser Arbeit werden zwei in sich geschlossene Texte aus zwei Fachbüchern des Pferde-sports untersucht, analysiert und miteinander verglichen. Der eine Text, » Das Rückwärtsrichten « aus dem Kapitel » Das Aufsitzen « in dem Buch » Westernreiten Step by Step « von George Maschalani, ist von 1997 und damit der deutschen Gegenwartssprache zuzuordnen. Der andere Text, » Vom Zurückgehen « aus dem zehnten Kapitel des zweiten Teils des Buches » Reitkunst « von Fr. R. de la Guérinière, ist von 1817 und somit 180 Jahre älter. Dieses historische fachsprachliche Dokument wurde 1733 auf Französisch geschrieben, 1791 ins Deutsche übersetzt und die vorliegende Ausgabe erschien 1817 in Marburg.

Es wurden zur Untersuchung zwei kurze und in sich abgeschlossene Textabschnitte ausgewählt, um diese möglichst umfassend und detailliert auf ihre Strukturen untersuchen zu können. Da sprachwissenschaftliche sowie historische Merkmale und Auffälligkeiten zu einem großen Teil eng miteinander verflochten sind, werden bei der zweigleisigen Untersuchung auf den Ebenen der Sprachwissenschaft und der Geschichte sprachliche Phänomene eruiert, in ihren historischen Hintergrund eingeordnet und wenn möglich erklärt. Zudem wird die Wandlung der Textsorte ‚Fachtexte der Pferdesports’ in der Zeit von 1817 bis 1997 anhand der beiden Beispieltexte untersucht, wobei auch gestalterische, didaktische und soziale Komponenten mit einbezogen werden. Es werden bei der Bearbeitung der Texte sowohl qualitative als auch quantitative Methoden zur Anwendung kommen.

Die Untersuchung der beiden Texte verläuft von umfassenderen Kategorien hin zu immer kleineren Untersuchungseinheiten. Es wird begonnen mit der Textpragmatik und der Kontexteinordnung beider Texte. Darauf folgen die Textsorten- und Zielgruppenbestimmung und nachfolgend wird auf der Textebene die Gliederung, Gestaltung und Textkohäsion analysiert. Anschließend werden auf der orthographischen und Satzebene die Syntax und Interpunktion untersucht. Auf der Wortebene wird ein Zeilenkommentar erstellt, dem sich ein Abschnitt über Fachsprache und Fachwortschatz anschließt. Am Schluss der Arbeit steht der zusammenfassende Vergleich beider Texte in den untersuchten Kategorien.

Die Analysegrundlage dieser Arbeit sind zwei konkret vorliegende Texte. Dementsprechend können die Ergebnisse keine allgemein gültigen oder übertragbaren Aussagen bezüglich von Merkmalen, Typologien und Spezifika von Fachtexten des Pferdesports sein. Es ist vielmehr eine vergleichende detaillierte ‚Zweifallstudie’ mit dem Versuch, Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen den beiden Texten zu analysieren und mittels sprachhistorischer Untersuchung zugleich nach den Ursachen für beobachtete Veränderungen zu fragen. Dabei werden der sozialhistorische Kontext sowie die über die Zeit veränderten kommunikativen Ansprüche an Textsorten berücksichtigt.

Es wurden die beiden Texte » Vom Zurückgehen « und » Das Rückwärtsrichten « für die Untersuchung ausgewählt, weil beide Inhalt zweier bedeutender Fachbücher des Pferdesports ihrer Zeit sind. Zudem haben beide Texte das Thema ‚Rückwärtsrichten’, was einen direkten und unmittelbaren Vergleich ermöglicht. Die beiden Textautoren waren Pioniere für etwas in ihrer Zeit völlig Neues im Pferdesport und dokumentierten das als jeweils einer der ersten schriftlich in ihren Büchern:

Fr. R. de la Guérinière schuf als Erster eine folgerichtige, zusammenhängende und methodisch aufgebaute Reitlehre, die ihrem Wesen nach noch heute gilt und der modernen Dressurarbeit als Grundlage dient. Seine Reitlehre muss daher als Fundament aller weiteren Reitlehren angesehen werden. Er propagiert - im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen - den partnerschaftlichen Umgang mit dem Pferd: „Wenn ich sage, dass ein Reiter stark und herzhaft seyn müsse, so verlange ich nicht, dass dieses jene gewaltsame Stärke und Tollkühnheit seyn soll, womit einige Reiter sich brüsten und wodurch sie so viele Gefahren ausstehen, die ein Pferd zur Verzweifelung bringen und es in einer beständigen Furcht erhalten.“ [Guérinière, 1817, S. 108], und zweifelte eine effektive Praxis in der Reitkunst ohne eine vernünftige Theorie an: „Die Wissenschaften und Künste haben Grundsätze und Regeln, durch welche man Entdeckungen macht, die zu ihrer Vollkommenheit führen. Nur die Reitkunst allein scheint einer bloßen Uebung zu bedürfen. Indessen ist eine von richtigen Grundsätzen entblößte Praxis eine blos mechanische Ausübung, deren ganzer Nutzen in einer gezwungenen und ungewissen Ausführung besteht.“ [Guérinière, 1817, S. 103] Er ging sogar soweit zu behaupten, dass ohne Theorie jegliche reiterliche Praxis sinnlos sei: „Die Theorie aber ist es, die uns die Natur, die Anlagen und Fähigkeiten des Pferdes entdecken und verstehen läßt und uns so ermöglicht, seine Anmut und Ausstrahlung zu entfalten“ [Guérinière, 1817] und so formulierte, verfeinerte und erweiterte er die Richtlinien der Reitkunst zu einer Geisteswissenschaft.

Die Zeit von Fr. R. de la Guérinière war die Zeit des Spätbarocks. Er gilt als der einflussreichste Reitmeister der Geschichte und hinterließ eine Reitlehre, deren Grundsätze in den bedeutenden Reitschulen der Welt bis heute ihre Gültigkeit haben. Fr. R. de la Guérinière filtert gewissenhaft die Erfahrungen und Erkenntnisse seiner Vorgänger, übernimmt das Brauchbare aus der Vergangenheit, streicht alle Grobheiten dem Pferd gegenüber und ordnet dann die sich ihm so erschlossenen Grundlagen. Er kommentiert, interpretiert und präzisiert, wobei er immer seine praktischen Erfahrungen als Reitmeister mit einbezieht. Fr. R. de la Guérinière geht es darum, sein praktisches und theoretisches Wissen in eine methodische Folge zu bringen und so beschreibt er erstmals das System einer in sich geschlossenen Reitausbildung, eine logisch aufgebaute und umfassende Reitlehre. Von 1729 bis 1730 schrieb er sein Buch „Ecole de la Cavalerie“ (» Reitkunst «), aus dessen Inhalt der in dieser Arbeit untersuchte Textabschnitt » Vom Zurückgehen « stammt. Dieses Buch prägte die gesamte europäische Reiterei und wurde 1817 in Deutschland veröffentlicht. Es wurde zur ‚Bibel’ der Reiterei und von der Spanischen Hofreitschule Wien als ‚Heilige Schrift’ betrachtet, die sich bis heute der Bewahrung von Guérinière’s Prinzipien in Reinform widmet. Auch andere bedeutende Reitschulen der Welt stützen sich noch heute auf sein Lehrsystem, so zum Beispiel der Cadre Noir in Saumur, die Königliche Andalusische Reitschule in Jerez de la Frontera und das Reitinstitut Egon von Neindorf in Karlsruhe.

Die große Bedeutung, die Fr. R. de la Guérinière für den Reitsport hat, liegt unter anderem in seiner Erfindung des ‚Schulterherein’ begründet, einer Lektion, die noch heute zu jeder höherklassigen Dressur (M- und S-Dressur) gehört. Die heute gültige Beschreibung des Schulterhereins in den Richtlinien der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ist fast wörtlich mit der Guérinières identisch.

George Maschalani, der Autor des zeitgenössischen Buches »Westernreiten Step by Step«, aus dem der zweite untersuchte Textabschnitt »Das Rückwärtsrichten« stammt, ist hingegen ein Meister in einer ganz anderen Reitweise mit langer Tradition: Der Arbeitsreitweise der amerikanischen Cowboys, dem Westernreiten. Das Westernreiten ist eine in Deutschland noch relativ junge Reitweise.

Die Geschichte des Westernreitens beginnt mit der Eroberung des heutigen Amerika gegen Ende des 15. Jahrhunderts durch die spanischen und portugiesischen Konquistadoren, die sich Gold und Silber vom amerikanischen Kontinent versprechen. Die Eroberer bringen Kriegsausrüstung, lebendes Vieh und Pferde mit. In Folge dieser Entwicklung bleiben spanische Missionare auf dem eroberten Kontinent zurück, um die Urbevölkerung zum katholischen Glauben zu bekehren. So entstehen spanische Missionsstätten, die sich im Laufe der Zeit zu Zentren spanischer Bewirtschaftung mit Ackerbau und Viehzucht entwickeln und zu immer größeren Siedlungen werden (Santa Fé, Albuquerque, San Antonio, San Diego oder Tucson). Die mitgebrachten Pferde der Spanier sind notwendiges Mittel, um die scheinbar endlosen Entfernungen des unbesiedelten amerikanischen Kontinents zu überwinden und mit den Pferden wird auch der spanische Reitstil der Rancheros und Vaqueros in die eroberten Gebiete importiert und gepflegt. Dieser stellt die Grundlage für das heutige Westernreiten dar, und mit der Zeit entwickeln sich aus den spanischen Sätteln und Gebissen amerikanische Gebisse und die heutigen Westernsättel. Aus all diesen Veränderungen vom spanischen Vaquero hin zum amerikanischen Cowboy entsteht eine weitentwickelte Reitkultur, deren Grundlage eine jahrelange, solide Ausbildung von Pferd und Reiter ist und die in ihrer Bedeutung hinsichtlich Pferdezucht und Reitgrundlagen der europäischen Entwicklung und den Lehren des Fr. R. de la Guérinière durchaus gleichzusetzen ist.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts müssen dann verwilderte texanische Rinderherden zu den neu errichteten Eisenbahnstationen getrieben und von dort in den Osten der USA gebracht werden. Diese großen Viehtriebe prägen für etwa 30 Jahre das Geschehen des amerikanischen Westens und damit auch die Entwicklung des Westernreitens, das nun zweckbezogen auf die Arbeit am Rind ausgerichtet wird. Die Grundlage bleibt die spanische Reitweise, sie muss jedoch den großen Viehtrieben angepasst werden, und so entsteht eine Gebrauchsreitweise. Das Pferd wird zum Arbeitspartner des Menschen, dessen Wohlergehen nun von der Einsatzfähigkeit ihrer Pferde abhängt. Gemeinsame Strapazen wie Hitze, Durst, Müdigkeit und Anstrengung lassen ein Gefühl der Partnerschaft entstehen, aus dem ein hohes Maß an Respekt und Fairness gegenüber dem Partner Pferd resultiert.

Inzwischen ist das Westernpferd kein Arbeitspferd im traditionellen Sinn mehr, es ist zum Freizeit- und Sportpartner geworden im Gelände oder auf dem Turnier. Feste Regeln in den einzelnen Turnierdisziplinen und eine der Tradition entsprechende Kleidung und Ausrüstung zeichnen das Westernreiten heute aus. Für Turniere sind neben geprüften und anerkannten Richtern aus dem Inland immer noch auch amerikanische Richter vorgeschrieben.

George Maschalani machte das Westernreiten in Deutschland bekannt und brachte damit eine völlig neue Reitweise in deutsche Reitställe. „Besonders die Umsteiger vom „Englischreiten“ wollten den gewohnten Befehlston und das ewige Abteilungsreiten in der Reithalle hinter sich lassen. Sie suchen nach einer Alternative und sind beeindruckt von der Leichtigkeit des Westernreitens.“ [Maschalani, 1997, S. 3]. Obwohl George Maschalani professioneller Berufsreiter ist, schreibt er vor allem für die deutschen Um- oder Einsteiger in die neue Reitweise Westernreiten: „Mit der richtigen, gewissenhaften Einweisung ist jeder in der Lage, die Vorzüge dieser „etwas anderen“ Reitweise zu begreifen und zu genießen.“ [Maschalani, 1997, S. 2]. Nach einer aktuellen Studie der deutschen Reiterlichen Vereinigung bevorzugen inzwischen von insgesamt 1,24 Millionen Reitern in Deutschland rund 196.800 die Westernreitweise, damit sind ein Sechstel aller deutschen Reiter Anhänger des Westernreitsports [Deutsche Reiterliche Vereinigung, 2001].

Ziel der im Buch » Westernreiten Step by Step « beschriebenen Methode ist es, Körperkontrolle und Versammlung durch logische, pferdegerechte Hilfengebung zu erreichen. Damit wird es zu einem unentbehrlichen Ratgeber sowohl für Einsteiger in den Westernreitsport, die eine systematische Anleitung suchen, als auch für Ausbilder, die mit diesem Buch einen Leitfaden haben, nach dem sie ihre Schüler strukturiert fördern können. So wird das Buch auch in der Trainerausbildung oft als Unterrichtsgrundlage eingesetzt. George Maschalani hat als Erster versucht, eine Reitlehre zu entwickeln, die Schritt für Schritt den Neueinsteiger an das Westernreiten heranführt und ein solides Fundament des Wissens um Bewegungsabläufe und die passende Einwirkung vermittelt.

2. Textpragmatik der untersuchten Texte

Bei beiden untersuchten Texten ist das Medium die Schrift, also geschriebene Sprache, woraus eine schriftliche Kommunikationsform zwischen Verfasser und Rezipienten resultiert. Die Kommunikationsrichtung ist monologisch und der Kommunikationskontakt ist zeitlich und räumlich getrennt, so dass direkter Kontakt zwischen Verfasser und Rezipient nicht möglich ist. Das bedeutet, dass die Formulierungsstrategien und Ausdrucksweisen von besonderer Bedeutung sind, denn der Rezipient hat nicht die Möglichkeit der direkten Nachfrage und der Produzent kann nicht eingehen auf Verständnis- oder Umsetzungsprobleme. Die Textbildung ist nicht spontan, sondern gedanklich vorgeformt, und das Verhältnis der Kommunikationspartner ist gekennzeichnet durch eine für Fachtexte typische Asymmetrie: Der Produzent ist ein Fachmann und der Rezipient ist ein Nichtfachmann mit weniger Vorwissen. Zudem stehen nur einem Textproduzenten viele Textrezipienten gegenüber, über deren Anzahl keine genaue Aussage gemacht werden kann. Die Kommunikationspartner können nur insofern spezifiziert werden, als dass es sich um Pferdesportler handelt, also aktive Reiter, Ausbilder, Pferdehalter oder am Pferdesport Interessierte.

Der Handlungsbereich der beiden Werke ist öffentlich, also grundsätzlich für jeden Interessierten zugänglich.

Das Thema liegt außerhalb der beiden Kommunikationspartner (Verfasser und Rezipient). Es liegt eine deskriptive Themenentfaltung vor, das heißt, der Gesamtvorgang wird in seine wesentlichen Teilvorgänge aufgegliedert, diese werden in Raum und Zeit eingeordnet und nacheinander beschrieben. Das Thema bezeichnet einen als generalisierbar und wiederholbar dargestellten Vorgang.

2.1. Historische Einordnung des Textes »Vom Zurückgehen« 1817

Da textexterne Faktoren wie sozialhistorische Zusammenhänge, daraus resultierende Kommunikationssituationen und soziale Handlungsrahmen einen großen Einfluss auf Textproduktionen haben, werden die textexternen Umstände des Textes von 1817 im Folgenden kurz umrissen.

Die Anfänge der klassischen Reitkunst liegen im Griechenland Xenophons (430 - 355 vor Christus). Xenophon und seine Zeitgenossen waren jedoch nicht die Erfinder, sondern nur die Erben einer langwährenden reiterlichen Tradition. Später erweiterten die Ritter des Mittelalters die Methoden und Richtlinien der Reiterei, und das Reiten wurde eine notwendige Fertigkeit des Adels im 16. Jahrhundert. In der Zeit des Barock, als die Fürsten sich von den Schlachtfeldern in den Hintergrund zurückzogen, verlor die Waffenreiterei langsam an Bedeutung. Zu Beginn des Barockzeitalters, im 17. Jahrhundert, war die Reitkunst noch eine Gebrauchsreiterei, die stark an den Bedürfnissen der berittenen Kriegsführung und des berittenen Nahkampfes ausgerichtet war. Die Ausbildung von Pferd und Reiter war gründlich, hart, langwierig und lebensnotwendig; denn wer auf dem Schlachtfeld nicht gut genug war, überlebte nicht. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts bahnte sich dann eine Reform in der Pferdedressur an. Im ausgehenden Barock des 18. Jahrhunderts war die Reitkunst kein Kriegshandwerk mehr, sondern diente dem Vergnügen des Adels und wurde zu einer Kunstform erhoben, die durchaus vergleichbar war mit dem Studium der Künste und Wissenschaften. Erst dadurch wurde aus ‚bloßem Reiten’ Reitkunst. Dies war der Beginn der reinen Freizeitreiterei, wo das Reiten seine höchste Vollendung erlebte mit dem Hauptziel, die natürliche Anmut des Pferdes während einer möglichst langen Lebensdauer zur Entfaltung zu bringen. Die Reitkunst wurde von einer Reihe von großen Meistern betrieben, angefangen in Neapel (im 16. Jahrhundert der Mittelpunkt der abendländischen Reiterei) bis zum Höhepunkt in der Person des Franzosen Fr. R. de la Guérinière. Unter ihm wurde die Reitkunst eine Geisteswissenschaft, und er ist bekannt als der Vater der klassischen Reitkunst.

Fr. R. de la Guérinière wurde 1688 als Sohn eines Juristen geboren. 1715 wurde er von dem Grafen von Armagnac mit der Leitung einer Reitakademie in Paris betraut. Aus seinem früheren Leben ist nichts überliefert, außer dass er Schüler von Antoine de Vendeuil war, dieser wiederum ausgebildet bei Vernet de la Vallèe (1660 - 1689 Ecuyer de Roy) und Vernet Duplessis (1620 - 1696 Ecuyer ordinaire). 1730 wurde Fr. R. de la Guérinière königlicher Reitlehrer und Direktor der Académie des Tuileries (Royal Manège in den Tuilerien), also Oberstallmeister des Marstalls König Ludwigs XIV (1638 - 1715) in Paris. Schon zu diesem Zeitpunkt war er international hoch angesehen und leitete die Académie des Tuileries bis zu seinem Tode 1751. Guérinière lehnte als Erster in der Geschichte Zwangsmittel ab und setzte bei der Schulung des Pferdes auf das Verständnis von dessen körperlichen und psychologischen Gegebenheiten. Er befürwortete eine langsame, gründliche Ausbildung, die auf das Wesen jedes einzelnen Pferdes einging, lehnte quälerische Reitausrüstungen ab und erneuerte so die bis dahin praktizierte Reitmethode von Grund auf.

2.1.1. Entwicklung der Rechtschreibung im 19. Jahrhundert

Im Folgenden wird kurz die historische Entwicklung der deutschen Rechtschreibung im 19. Jahrhundert dargestellt (nach Hermann Scheuringer, 1996).

Noch deutlicher als in der Zeit zuvor wird in dieser Epoche die deutsche Orthographie ab- und einzugrenzen versucht. Der Zeitabschnitt von etwa 1800 bis 1871 ist der letzte, der noch zur Normfindung und zur „Herausbildung einer Standardsprache als überregionale Verkehrs- und Bildungssprache des aufgeklärten Bürgertums“ gehört [Schikorsky, 1990, S. 24]. Zudem wurden im 17. und 18. Jahrhundert aus der führenden Kulturnation Frankreich mit einer Vielzahl von Produkten und gesellschaftlichen Erscheinungen auch deren französische Bezeichnungen übernommen. So floss eine Fülle französischer Wörter ins Deutsche ein.

Obwohl die Norm schon stärker fixiert ist als noch ein Jahrhundert zuvor, zumal inzwischen auch ein erstes bestimmendes Regelwerk vorliegt (Johann Christoph Adelungs vierbändiges Wörterbuch), fehlt noch immer die allgemeine Akzeptanz und Anerkennung, die allumfassende Zustimmung zum Basisbestand der Rechtschreibung. Es besteht nach wie vor noch eine hohe Normtoleranz und im Sprachgebrauch gibt es noch große Freiheiten aufgrund der vielen erlaubten Variationsmöglichkeiten und Schwankungen.

Zu Beginn des 19. Jahrhundert ist die Schreibung schon recht vereinheitlicht und unterliegt einem normativen Anspruch trotz der noch bestehenden beträchtlichen Anzahl von Schwankungsfällen. Sehr viele Einzelwörter sind nicht ausdrücklich in Wörterbüchern fixiert und in ihrem Schreibgebrauch demnach schwankend, weil sie nicht aus eindeutig ausformulierten Prinzipien ableitbar sind. Und obwohl es das erklärte Ziel Adelungs war, eine einheitliche deutsche Schriftsprache im deutschen Sprachgebiet zu verbreiten und einzubürgern, war auch seine Rechtschreibung von 1788 „Vollständige Anweisung zur Deutschen Orthographie“ in alter Tradition subjektiv begründet: Es bezeichnet angenehme und unangenehme Schreibungen und leitet Richtiges und Unrichtiges aus dem ständischen Sprach- und Schreibgebrauch ab. Die Prinzipien sind nicht systemintern formuliert und daher auch oft widersprüchlich. Immer noch schwankt das Prinzip der Schreibung zwangsläufig nach der verschiedenen Aussprache aufgrund geographischer Einflüsse. Und auch die inzwischen zahlreichen Orthographiebücher stimmen, trotz Adelungs Dominanz, nicht überein.

Bei der Betrachtung der Geschehnisse im 19. Jahrhundert stellt Scheuringer vor allem drei entscheidende Entwicklungen dar:

1. Eine schulgrammatische Tradition mit Sprachlehren und Grammatiken, überwiegend für den Deutschunterricht, aber auch für alle, die sich aus praktischen Erwägungen an eine Rechtschreibnorm halten wollen. Diese schulgrammatische Linie ist die pragmatische und realitätsnächste, sie durchzieht das ganze Jahrhundert und wirkt im Grunde bis heute nach. Die Schultraditionalisten waren auch die entscheidenden Ratgeber bei den Bemühungen von amtlicher Seite (siehe Punkt 3.).
2. „Eine Theoriediskussion mit v. a. sprachwissenschaftlich-germanistischem Hintergrund und im Zusammenhang mit der Etablierung der Germanistik an den Universitäten.“ [Scheuringer, 1996, S. 58]. Dieser Entwicklungsstrang hat allerdings zwei Seiten: Einerseits wollte die Diskussion eine „theoretische und mit konsequenten Prinzipien versehene Basis“ liefern, andererseits hat „sie gerade durch ihre Prinzipiendiskussion die ohnehin noch bestehenden Schwankungen“ verstärkt und letztlich mehr zur Unsicherheit als zur Sicherheit im Schreibgebrauch beigetragen [Scheuringer, 1996, S. 58].
3. Das staatliche Bemühen um eine festgelegte Rechtschreibung, also die Entwicklung von amtlichen Bestimmungen. „Zuerst noch in den verschiedenen deutschen Ländern, nach 1871 vornehmlich im Deutschen Reich bzw. von diesem dominiert.“ [Scheuringer, 1996, S. 58].

Alle drei Ebenen sind auf verschiedene Weise ineinander verwoben (sehr deutlich z. B. bei 1. und 3.) und zusätzlich zeitlich und personell ineinander übergreifend.

Eine große Bedeutung in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts hatten vor allem die beiden erstgenannten Stränge. „Wirklich amtliche Regelungen setzen zwar schon in den 1840er Jahren ein, doch sind sie im Grunde nur Vorhut der bedeutenderen und einheitlicheren Regelungen ab den 1870er Jahren.“ [Scheuringer, 1996, S. 58].

3. Textsorte

Es handelt sich bei den beiden untersuchten Texten um Fachtexte, also um Gebrauchstexte aus dem nicht-fiktionalen Textbereich. Nicht-fiktionale Gebrauchstexte referieren auf konkrete Sachverhalte der Alltagswelt. Ein Fachtext ist vom Fachmann für den vorgebildeten Laien geschrieben, in Abgrenzung zum Sachtext, der vom Fachmann für den unkundigen Laien geschrieben wurde. Die Übergänge sind in den Texten des Pferdesports fließend, je nach Autorenintention, Zielgruppe, Thema oder inhaltlichem Niveau. Oft ist schon der Titel eines Textes oder Buches in diesem Zusammenhang aussagekräftig, so gibt es Titel, die klar einen Sachbuchcharakter markieren, wozu vor allem Texte für Reitanfänger, Neueinsteiger und Nachwuchsreiter gehören:

„Erste Reitstunden“, „Pferde-ABC für Einsteiger“, „Pferde richtig verstehen“, „Pferdeflüstern kann jeder lernen“, „Mit Pferden richtig umgehen“, „Was mein Pferd mir sagen will“, „Pferde verstehen leicht gemacht“, „Die Reiterhilfen für Anfänger“ oder „Grundschule für Reiter“.

Dem stehen Texte gegenüber, die schon durch den Titel als Fachtexte zu erkennen sind und sich an weiter fortgeschrittene, routinierte und erfahrene Reiter, Ausbilder und Trainer wenden. Für den Laien sind diese Texte nur schwer verständlich:

„Meilensteine auf dem Weg zur Hohen Schule“, „Die klassische Reitkunst“, „Von der Freiheitsdressur bis zur Hohen Schule“, „Klassische Grundsätze der Kunst Pferde auszubilden“, „Das Gymnasium des Pferdes“, „Fortgeschrittene Dressur“, „Piaffe und Passage“ oder „Akademische Reitkunst“.

Dazwischen existiert eine breite Grauzone von Texten, die als Sachtext oder Fachtext eingeschätzt werden können, je nach Standpunkt des Betrachters:

„Balance in der Bewegung“, „Westernreiten, aber bitte klassisch“, „Elemente der Ausbildung“, „Besser Westernreiten“, „Sicher im Gelände“, „Reiten aus der Körpermitte“, „Mit System zum harmonischen Reiten“, „Besser Dressurreiten“, „Reiten ohne Stress und Angst“ oder „Reitausbildung mit System“.

Der Text » Das Rückwärtsrichten « aus dem zeitgenössischem Buch »Westernreiten Step by Step« von 1997 ist ein Fach- und Lehrtext, also ein Text vom Fachmann für ein spezielles Publikum über einen bestimmten Inhalt. Dieser Textinhalt ist auf eine spezielle Reitweise begrenzt, die ungefähr 1973 in Europa eingeführt wurde: Das Westernreiten in der Tradition der amerikanischen Cowboys. Ziel der Kommunikationshandlung ist die Vermittlung eines Teils des Fachwissens des Textproduzenten, hier die Einführung in die Grundlagen des Rückwärtstrichtens. Der Leser, der in der Regel wenig Vorerfahrung in dem Fachgebiet hat und nicht über tradierte Kompetenzen im Umgang mit Pferden verfügt (noch dazu bezüglich einer kulturell fremden Reitweise), soll nach der Textrezeption über die Grundtatsachen und Handlungsmuster verfügen und fähig sein, mit ihrer Hilfe Probleme aus dem praktischen Alltag zu bewältigen, also fachmännischer mit seinem Pferd umzugehen und das Rückwärtsrichten korrekt auszuführen. Die Mitteilungsfunktion des Textes soll eine Veränderung im Bewusstsein des Textrezipienten bewirken, der Leser soll informiert und zusätzlich angewiesen werden.

Der Text » Vom Zurückgehen « aus dem älteren Werk » Reitkunst « von 1817 ist von einem Fachmann für einen ebensolchen geschrieben. Der Anweisungs- und Informationscharakter des Textes wird schon im Untertitel des Buches explizit benannt: »gründliche Anweisung zur Kenntniß der Pferde, deren Erziehung, Unterhaltung, Abrichtung, nach ihrem verschiedenen Gebrauch und Bestimmung«.

Der erfahrenere Reiter oder angehende Ausbilder mit einem vorausgesetzten Vorwissen bekommt begründete Anweisungen, wie er Pferde ausbilden und trainieren sollte.

Es wird in den beiden Texten dieselbe Handlung angeleitet: Das Rückwärtsrichten des Pferdes unter dem Sattel. Diese Handlungsanweisung steht nicht isoliert, sondern ist eine Teilhandlung innerhalb der umfassenderen Handlungskomplexe, die die Bücher beinhalten. Ziel der Anweisung ist es, das Wissen des Rezipienten zu erweitern und ihm den Ursache-Folge-Zusammenhang zwischen seinem Tun und den Reaktionen des Pferdes verständlich zu machen. Die daraus resultierende Möglichkeit für den Leser, die Konsequenzen seines Handelns für ihn und sein Pferd realistischer einzuschätzen, optimiert seine Handlungskompetenz. Die Textabschnitte beinhalten entsprechend:

- Wie man ein Pferd lehrt, leicht zurückzugehen, worauf man dabei als Reiter achten muss und welche Folgen bei Nichtbeachtung eintreten.
- Ziel, Sinn und Zweck des Rückwärtsrichtens.
- Voraussetzungen für die Lektion.
- Sitz und Hilfengebung.
- Der Übungsablauf.
- Beschreibung des Bewegungsablaufes, Förderung des Verständnisses für das Pferd und Anleitung für den gut überlegten, maßvollen Gebrauch der Übung.
- Was man tun soll, wenn das Pferd widersetzlich ist und die Übung nicht ausführen will.
- Fehlerquellen beim Rückwärtsrichten, deren Folgen und Vermeidung.
- Verfeinerung und Erweiterung der Übung.

Noch weiter eingegrenzt handelt es sich bei den Texten nicht nur um Fachtexte mit entsprechend fachsprachlichem Anteil, sondern um Texte mit einer spezifischen Intention und dazugehöriger Didaktik: Es sind Anweisungs- und Lehrtexte. Solche Gebrauchstexte unterscheiden sich von literarischen und poetischen Texten, die ihren Gegenstand selber konstituieren und für ein Publikum um ihrer selbst willen geschrieben werden. Im Gegensatz dazu werden Gebrauchs- und Anweisungstexte durch außerhalb ihrer selbst liegende Ziele bestimmt, sie sind direkter und pragmatischer zweckgebunden, denn der Verfasser verfolgt mit der Produktion eines Gebrauchtextes einen praktischen Zweck. Literarische Texte haben einen „Eigenwert“, während Gebrauchstexte einen „Funktionswert“ haben [Eckard, 1993]. Gebrauchstexte sind darauf zugeschnitten, Probleme mit sprachlichen Mitteln zu lösen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn zur Problemlösung nicht nur ein Wort oder ein Satz angeboten wird, sondern das umfangreichere und satzübergreifende Konstrukt Text. In den beiden untersuchten Texten » Vom Zurückgehen « und » Das Rückwärtsrichten « ist das behandelte Problem das korrekte Rückwärtsrichten des Pferdes unter dem Sattel. Das beinhaltet verschiedene Teilaspekte: Wozu das Rückwärtsrichten dient, wie es ausgeführt werden soll, wie die Hilfengebung aussieht, welche Fehlerquellen es gibt, wie der Rezipient es dem Pferd beibringen kann und wie er reagieren soll, wenn Probleme auftauchen. Mit Hilfe des Textes soll der Rezipient in die Lage versetzt werden, mit guter Erfolgswahrscheinlichkeit das korrekte Rückwärtsrichten mit seinem Pferd zu erarbeiten, eine fehlerhafte Hilfengebung oder ein nicht korrektes Rückwärtsrichten seines Pferdes zu korrigieren.

Die sprachlichen Anweisungen können in Texten persönlich oder unpersönlich formuliert werden. So werden in dem älteren Text » Vom Zurückgehen « von 1817 die Anweisungen sprachlich überwiegend unpersönlich und indirekt zum Ausdruck gebracht: Der Rezipient wird nie persönlich angesprochen, sondern ausschließlich indirekt über Formulierungen mit dem Indefinitpronomen » man «:

» will man «(Zeile 2)

» so muß man« (Zeile 3)

» nachdem man « (Zeile 4)

» als ob man « (Zeile 5)

In dieser Form setzt es sich durch den ganzen Text hindurch fort: Zeile 7, 9, 22, 24, 27, 34, 37, 38, 39, 42, 43, 45, 49, 61, 62, 63, 64, 66 und 67. Nur drei Mal wird dieses Muster unterbrochen: Zwei Mal durch indirektes Ansprechen des Lesers mit dem unbestimmten und unpersönlichen Substitut » der Reiter «: » Zu gleicher Zeit zieht der Reiter die Zügel an « (Zeile 35) und » des Reiters «: » daß es bald nach dem Willen des Reiters zurückgehen wird « (Zeile 47). Und ein drittes Mal durch das Setzen der Anweisung ins Passiv »wird die Zügelhand ebenso gestellt wie« (Zeile 1).

Diese indirekte, implizite Ansprache des Lesers ist für die heutige Zeit untypisch und zeugt von einer damals die Schriftsprache prägenden Nähe zur Sprechsprache. Zudem deutet es die Entwicklung von Fachsprache an durch diese Art von Anonymisierung, bei der der Handelnde inhaltlich verschwindet. Die textexternen Entstehungszusammenhänge von älteren Texten sind dem heutigen Leser oft fremd oder ungewohnt und haben doch einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Texte. Bis heute hat sich der Anredestil wiederum stark verändert: In dem neueren Text »Westernreiten Step by Step« von 1997 wird der Rezipient persönlich und direkt mir dem Personalpronomen »Sie« angesprochen:

» sitzen Sie « (Zeile 14)

» nehmen Sie « (Zeile 17)

» lassen Sie « (Zeile 25)

» können Sie « (Zeile 28)

» geben Sie « (Zeile 30)

» übertreiben Sie « (Zeile 42)

» sobald Sie « (Zeile 46)

Weiter verstärkt wird die sprachliche Unpersönlichkeit der Anweisung im älteren Text » Vom Zurückgehen « von 1817 dadurch, dass auf das Pferd, abgesehen von zwei Ausnahmen, mit einem unbestimmten Artikel Bezug genommen wird » ein Pferd « (Zeile 1, 2, 12, 18, 21, 29, 39, 48, 59, 66).

Im neueren Text » Das Rückwärtsrichten « von 1997 wird hingegen mit dem bestimmten Artikel Bezug genommen auf » das Pferd « (Zeile 11, 21, 32, 34, 44) oder » des Pferdes « (Zeile 6, 10). Noch persönlicher und verbindlicher wird die Bezugnahme, wenn die Formulierung mit einem Possessivpronomen erfolgt » Ihr Pferd « (Zeile 27, 38). Das löst beim Rezipienten konkretere Assoziationen und somit persönlichere und direktere Bezüge aus, die positiv auf die Motivation zur Textrezeption und Umsetzung wirken.

Produzent und Rezipient kennen einander in der Regel nicht. Die Rezeption findet zeitlich verschoben zur Produktion statt und so hat der Rezipient keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Produktion, es handelt sich um eine interaktionslose Kommunikation.

Beide Texte sind sowohl informativ als auch direktiv. Sie beabsichtigen, den Adressaten zu informieren und sein Wissen zu erweitern:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zusätzlich soll der Adressat zur Ausführung einer bestimmten Handlung bewegt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Außerdem sind in beiden Texten Mischsätze mit informativen sowie direktivem Charakter zu finden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der darstellende Text ist charakterisiert durch inhaltliche Komplexität, wobei im Vordergrund nicht die Informationsübermittlung an sich steht, sondern das Wie der Informationsübermittlung. Aufnahme und Verarbeitung der Information auf Seiten des Rezipienten hängen stark von der Darstellung des Inhalts sowie der Art und Weise der Vermittlung ab. Diese Texte, die ein bestimmtes Problem erörtern, werden mit Darlegungs- bzw. Aufklärungsintentionen seitens des Autors verfasst.

Der Anweisungscharakter der direktiven Textanteile ist nicht bindend: Der Autor möchte den Adressaten zwar dazu bewegen, etwas Bestimmtes zu tun, es liegt aber nicht in seiner Macht, die Ausführung vom Rezipienten zu fordern, zu erzwingen oder zu kontrollieren, denn er verfügt als Textproduzent nicht über Kontroll- oder Sanktionsmittel. So wollen beide Autoren ihre Adressaten dazu animieren, ein Pferd in der von ihnen als richtig erachteten Art und Weise zu lehren, in einer bestimmten Manier unter dem Sattel rückwärts zu treten. Es ist in dieser Konstruktion wahrscheinlich, dass der Rezipient die Anweisungen des Verfassers umsetzt, da es sich um sachbezogene Handlungsanweisungen von beiderseitigem Interesse handelt. Der Autor ist Fachmann, während der Adressat ein Laie oder Fachmann mit Informationsbedarf auf dem Gebiet des erörterten Themas ist.

3.1. Zielgruppe des Textes »Vom Zurückgehen« 1817

Inhaltlich liegt dem Text eine lange Tradition erfahrener Reitmeister zugrunde und Reitkunst galt zur damaligen Zeit als eine Wissenschaft. So gehören zu der Zielgruppe des Autors vor allem Professionelle, also die Reitschüler, Berufsreiter und Rittmeister der Reitakademien und nicht die breite Bevölkerung.

In der Regel gab es damals Arbeits- und Ackerpferde, mit denen der Lebensunterhalt verdient wurde, Pferde in der Kavallerie und die Pferde der Reitkunst an den Reitakademien, in denen Angehörige höherer Stände die Wissenschaft des Reitens erlernen und sich zum Beruf machen konnten. Reiten war nun gleichermaßen Ausdruck von Adel, Wohlstand und feiner Lebensart. In den klassischen Reitakademien des Barock lernte die männliche Elite des Adels nicht nur Reiten, sondern auch Fechten, Tanzen, die feinen Künste und Wissenschaften. Reiten war Ausdruck einer Lebenseinstellung und edlen Gesinnung; Pferd und Reiter sollten ihren Adel durch Ausdruck und Harmonie der Bewegungen zeigen oder durch perfektes Zusammenspiel auf dem Schlachtfeld brillieren.

Zwar hatte einerseits die breite Bevölkerung damals mehr alltäglichen Umgang mit Pferden als heutzutage, denn das Pferd war übliches Transport- und Beförderungsmittel, aber die Adeligen und Berufsreiter, die sich mit der Reiterei als Kunst und zum Selbstzweck beschäftigten, blieben eliteartig unter sich. Innerhalb der Reitakademien wurde versucht, im Bereich der Pferdeausbildung Neues und Effektives zu entwickeln, die gewonnenen Erfahrungen wurden untereinander ausgetauscht und teilweise in schriftlicher Form tradiert. Einige Lehrmeinungen der alten Reitmeister wurden schriftlich dokumentiert, so auch das Ausbildungssystem von Fr. R. de la Guérinière. Diese Erfahrungsinhalte waren nicht für die ‚gewöhnlichen’ Reiter bestimmt, die das Pferd als Transportmittel benutzten, sondern dienten dem Austausch in adeligen Fachkreisen.

Demnach erklären sich auch Formulierung, Aufbau und Inhalt des Textes. Er vermittelt komplexes Wissen an bereits Eingeweihte, viele Fachtermini werden nicht erklärt, Wortwahl und Ausdrucksweise sind sehr speziell und fachsprachlich. Die Darstellung und Entfaltung des Themas ist genauso kompliziert und schwierig konstituiert wie der Gegenstand selbst. So verweigert der Autor einem fachfremden Leser jegliche Hilfestellung durch Kürzen, Vereinfachen oder Veranschaulichen des Textes.

3.2. Zielgruppe des Textes »Das Rückwärtsrichten« 1997

Im Vergleich zum historischen Text richtet sich dieser zeitgenössische Text an Pferdefreunde der Gegenwart, also an Menschen, die in der Regel keinen alltäglichen Kontakt mit dem Pferd haben und aufgrund dessen auch nicht die Möglichkeit hatten, über ein Aufwachsen mit Pferden ganz selbstverständlich die Kommunikation und den Umgang mit ihnen zu erlernen und sich die für das Reiten nötigen Fertigkeiten anzueignen. Statt dessen verbringt eine Vielzahl von Menschen die meiste Zeit ihres Lebens bewegungsarm in geschlossenen Räumen: Ob in der Schule, auf dem Bürostuhl oder im Haushalt. Körperbewusstsein und Körperbeherrschung, zwei Fertigkeiten, die bei der Arbeit mit Pferden eine große Rolle spielen, sind bei vielen Menschen schlecht entwickelt oder im Laufe des Erwachsenwerdens verkümmert. Der Umgang mit Pferden in unserer Kultur ist schon lange nicht mehr selbstverständlich, sie sind zu Luxustieren und Freizeitpartnern der oft gestressten und chronisch unter Zeitmangel leidenden Menschen geworden.

‚Zurück zur Natur’ lautet zunehmend das Motto in unserer schnelllebigen und technikorientierten Welt. Als Ausgleich zum anstrengenden und naturfernen Alltag suchen viele Menschen den bodenständigen, naturnahen und faszinierenden Kontakt mit dem Pferd. Zumeist fehlt dem tier- und naturentfremdeten Erholungssuchenden dann aber das Gefühl, die Zeit und die Befähigung für eine beide Seiten befriedigende Arbeit mit den Tieren. Dieses Grundkonfliktpotential, dass ohne Lösungsmöglichkeiten schnell zu Frustrationen führt, wird in hohem Maße von modernen Anweisungstexten zum Umgang mit Pferden und Reiten berücksichtigt. Die Hauptfunktion des Buches »Step by Step« liegt in einer praxisbezogenen Hilfestellung, um bei der Arbeit des Unkundigen mit dem Pferd den Stress zu vermeiden, dem er gerade aus seinem Alltag entfliehen möchte. So steht für den modernen Reiter häufig nicht der sportliche oder Leistungsaspekt im Vordergrund, sondern die Liebe zum Pferd, der Kontakt zu einem anderen Lebewesen und die damit verbundene Naturnähe. Dementsprechend geht die Anzahl der Berufsreiter immer mehr zurück, und die Zahl der Freizeitreiter, die beim Reiten Entspannung und Erholung suchen, steigt stetig an. Für zwei Drittel aller aktiven Reiter, die freizeitsportlich orientiert sind, steht der Spaß mit dem Pferd im Vordergrund, und somit hat auch das Ausreiten für die Anhänger aller Reitweisen einen sehr hohen Stellenwert; lediglich zwei Prozent aller Pferdesportler reiten nie ins Gelände [Deutsche Reiterliche Vereinigung, 2003]. Gerade dieser Tendenz kommt das Westernreiten, das Inhalt des Buches von George Maschalani ist, entgegen.

Da im Gegensatz zur Vergangenheit, als die Reiter meistens Lebensbereichen entstammten, die von Jugend an den Umgang mit Pferden beinhalteten, das Reiten heute zur Freizeitbeschäftigung für jedermann geworden ist, für die noch dazu oft wenig Zeit bleibt und die den Alltagsstress ausgleichen soll, muss der Text von George Maschalani als Teil einer modernen Reitlehre diese Defizite ausgleichen und zwischen Mensch und Pferd ‚dolmetschen’. Nur 28 % der aktiven Reiter in Deutschland reiten täglich. Die Mehrzahl in Höhe von 63 % reiten ein bis drei Mal pro Woche [Deutsche Reiterliche Vereinigung, 2003]. Die Mehrzahl der heutigen Reiter, für die das Pferd zwar Familienmitglied und wichtiger Freizeitpartner geworden ist, die aber dennoch nicht viel Zeit mit ihm verbringen (können), wollen ihre Pferde trotzdem verstehen und lernen, mit ihnen zu kommunizieren, um dann zusammen mit ihren Pferden entspannt, erholsam und belebend die Freizeit zu verbringen. Das Buch » Step by Step « ist deshalb ein Ratgeber für den praktischen Alltag mit Pferden und möchte dem Leser eine leichte und problemlose Umsetzung des Inhalts ermöglichen.

Der Pferdefachmann George Maschalani schreibt derart für den Laien, dass auch der weniger kompetente Leser positive Erfahrungen beim Lesen, Verstehen und Umsetzen des Inhalts machen kann. Dementsprechend werden viele Handlungsschritte detailliert erklärt und Zusammenhänge aufgezeigt.

George Maschalani, geboren 1959 in Mreijat, Libanon, ist ein anerkannter Meister des Westernreitens und erfolgreicher, professioneller Turnierreiter: Mehrfacher Deutscher und Europameister in verschiedenen Disziplinen, NRHA Futurity Champion, mehrfacher Reiter des Jahres, Inhaber des goldenen Reitabzeichens, Richter verschiedener Westernverbände (AQHA, APHA), Ausbilder für Pferdewirte, Mitglied der Meisterprüfungskommission und Mitglied der Deutschen Reining Nationalmannschaft. Dennoch orientiert er sich beim Schreiben stark am Lesermarkt, also dem Interesse der breiten Masse fachfremder Leser und widmet sein Buch dem Erlernen der Grundzüge des Westernreitens. Das wird schon im Untertitel des Buches explizit erwähnt wird: » Basistraining für Einsteiger, Umsteiger und deren Reitlehrer ». Den Reitlehrern bietet er mit dem Buch eine Orientierung und Hilfestellung bei der Vermittlung von Wissen über das Pferd und das Reiten.

4. Frame-Script-Theorie und Gliederungsstrukturen

Mit Hilfe der Konzepte von Frame und Script, die aus der Kognitionspsychologie stammen, wird versucht, die Verknüpfung von Alltags- und Erfahrungswissen mit den sprachlich vermittelten Informationen eines Textes darzustellen. Dadurch kann trotz unzureichender Kohäsionsstrukturen Textkohärenz entstehen.

Das konzeptuelle Wissen eines Lesers ist nicht nur lexikalisches Wissen, sondern umfasst auch enzyklopädisches oder Weltwissen, das nicht unbedingt an versprachlichte Konzepte gebunden ist. Solche kognitiven Kategorien stellen das Inventar für die Rahmen (frames) bereit und aktivieren parallel das für die ‚Rahmenfüllung’ notwendige Vokabular. Die Rahmen sind also im Gedächtnis gespeicherte, komplexe Kenntnisse über alltägliche Realitätsausschnitte (typische Situationen, Ereignisse und Handlungen) oder auch globale Muster, die Alltagswissen über zentrale Konzepte speichern (z. B. »Reitturnier«). Diese Rahmen dienen als mentale Organisationsformen für das Wissen, das man von der Welt hat, von stereotypen Situationen und Geschehnissen. Das Rahmenwissen ist zum Verständnis von Texten wichtig, denn es erleichtert dem Textrezipienten die Einordnung des Textinhalts, da es Rahmenerwartungen weckt, also Erwartungen über weitere Abläufe und weitere Informationen zum Rahmen. Zum Beispiel bei dem Rahmen ‚Reitturnier’: Pferde, Reiter, Richter, Zuschauer, Siegerehrung...

Skripte (scripts) dienen dann der strukturellen Erfassung von Ereignissequenzen. Sie sind die kognitive Struktur, in der Kenntnisse über stereotype Abläufe von Ereignissen und Handlungen gespeichert sind. Zum Beispiel ‚Reitturnier’: Eintritt bezahlen, Programm kaufen, Platz suchen, Wettkampf verfolgen, Siegerehrung anschauen, Turnierplatz wieder verlassen.

Bei dem Frame-Script Konzept ergibt sich der Textzusammenhang zum großen Teil über den außersprachlichen Sachzusammenhang, die verknüpfende Instanz bleibt also eine außersprachliche. So erwartet der Textrezipient aufgrund seines Weltwissens bei dem Frame ‚Anweisung zur Pferdeausbildung’ typische und erwartbare Begriffe, Ereignisse, Handlungen und Abläufe. Solche Wissensbestände bilden eine Art Vorlage: Alle Objekte und Aussagen innerhalb eines Textes passen irgendwo in diese Vorlage, so dass ein Textzusammenhang dadurch zustande kommt, dass ein gemeinsamer Sachbezug auf der Seite der realen Welt gefunden wird.

Die Skripte sind entweder statisch oder prozessual strukturierte Wissensbestände. Zum einen steht das Wissen zur Verfügung, welche Personen, Gegenstände, Tiere und baulichen Einrichtungen bei einer Reitstunde üblich und erwartbar sind und zum anderen das Wissen wie eine Reitstunde abläuft, wie sie organisiert und strukturiert ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wichtig für eine Textkohärenz ist auch die Erkennbarkeit eines einheitlichen Themas. Der semantische Textinhalt bedingt, dass das verwendete Vokabular des Textes nicht beliebig aus allen Winkeln der Lexemvielfalt zusammengetragen wurde, sondern bereits bestimmten semantischen Gruppen angehört.

In dem Text »V om Zurückgehen « von 1817 entfalten sich mehrere semantische Wortnetze, die wiederum als Skripts mit dem Rahmen des Textes in Beziehung stehen:

- Zunächst existiert eine Wortgruppe von recht allgemeinen Nomina aus dem Pferdesport, die diesem auch von einem Laien eindeutig zugeordnet werden können: » Pferd «, » Pferden «, » Zaum «, » Reiter «, » Zügel «.
- Die größte Wortgruppe beschreibt die Bewegungen des Pferdes in ihrem Maß oder ihrer Art und Weise: » Zurückgehen «, » zurückzugehen «, » anhalten «, » ein oder zwei Schritte zurück «, » in die Hand drängen «, » Sprünge machen «, » Hinterfüße richtig stelle «, » Kopf stäte halte «, » stößt die Krupe zurück «, » Bewegung «, » biegsam «, » zum Biegen bringen «, » Hanken senkt «, » still stehen «, » vorwärts zu gehen «, » geschwind «, » stürzt «, » rückwärts «, » lehnen «, » Sprung machen «, » umzuschlagen «, » mit der Krupe ausfalle «, » zurücktreten «, » biegen «.
- Ein anderes semantisches Wortfeld umfasst anatomische Beschreibungen und Bezeichnungen: » aufwärts gewendeten Nägeln «, » Laden «, » Hanken «, » Kopf «, » Hinterschenkel «, » Krupe «, » Schultern «, » Rücken «, Kniekehlen «, » Knie «, » Kötengelenke «, » Gelenke «, » Schenkels «.
- Das Thema der folgenden Wortgruppe ist, ein Pferd zu führen und zu dominieren: » parirt hat «, » wiederholte Parade «, » gehorcht «, » gehorchen «, » Gehorsam «, » Strafe «, » Mittel «, » darf «, » verlangen «, » leichten Schlag «, » Ruthe «, » verlangte «, » scharf in die Hand halten «, « Willen «, » Fehler «, » muß es «.
- Die Hilfengebung des Reiters wird durch eine letzte Wortgruppe umrissen: » Zügelhand[...]so gestellt «, » Parade «, » parirt hat «, » den Zaum[...]so anhalten «, » nachgeben «, » zieht[...]die Zügel an «, » schmeicheln «, » geschmeichelt hat «.

Auch im neueren Text »Das Rückwärtsrichten« von 1997 lassen sich analoge Homogenitäten in der lexikalischen Auswahl des Textes feststellen. Es existieren Wortnetze verschiedener Kategorien, die sich als Scripts in den Frame des Textes einordnen lassen:

- Allgemeinthema Pferdesport: » Gangarten « (Zeile 1), »Training« (Zeile 3), » Pferdes « (Zeile 3), » Versammlung « (Zeile 6), Sattels « (Zeile 15), » Zügel « (Zeile 23).
- Begriffe der Anatomie: » Hinterbeine « (Zeile 8), » Körper « (Zeile 8), » Rücken « (Zeile 9), » Hinterhand « (Zeile 9), » Becken « (Zeile 14), » Oberkörper « (Zeile 16), » Pferdemaul « (Zeile 18).
- Benennung und Beschreibung der Bewegung des Pferdes: » Rückwärtsrichten « (Zeile 1), » Untertreten « (Zeile 7), »im Gleichgewicht« (Zeile 12), » stehen « (Zeile 12), » nach vorne « (Zeile 22), » begrenzt « (Zeile 23), » Weicht[...]nach hinten « (Zeile 24), » einigen Schritten « (Zeile 30), » halten an « (Zeile 32), » langsam « (Zeile 35), » mit[...]wenigen Schritten « (Zeile 35), » Tempo « (Zeile 37), » Distanz « (Zeile 37).
- Handlungsanweisung für den Reiter: » Mit aufgerichtetem Rücken « (Zeile 13), » Mit[...]leicht nach hinten abgekipptem Becken « (Zeile 13), » sitzen Sie[...]schwer im tiefsten Punkt des Sattels ein « (Zeile 14), » wobei der Oberkörper leicht nach hinten gelehnt wird « (Zeile 16), »Dabei nehmen Sie« (Zeile17), » geben Sie« (Zeile 30).
- Hilfengebung: »leichten Kontakt« (Zeile 17),» anstehende Zügel « (Zeile 23), » Zügeldruck « (Zeile 25), » Schenkeldruck « (Zeile 26), » an einem Zügel zupfen « (Zeile 28), » verwahrendem Kontakt « (Zeile 29), » geben[...]die Zügel ganz nach « (Zeile 30), » Hilfen « (Zeile 45), » Zügel annehmen « (Zeile 46).

4.1. Gliederung und Gestaltung »Vom Zurückgehen« 1817

Die Überschrift ist mit einer Punktgröße von 12 pt etwas größer gedruckt als der Fließtext mit einer Punktgröße von 10 pt. Zusätzlich ist sie fett gedruckt und zentriert gesetzt, damit sie sich, zur besseren Orientierung des Lesers, vom restlichen Text abhebt. Zwischen der Überschrift und dem Fließtext ist eine Leerzeile. Die Überschrift stellt zwar einen Einschnitt in das Textgeschehen dar, wirkt aber dennoch nicht besonders hervorgehoben, da sie nicht sehr viel größer als die Schrift im Textkörper und in schwarz gehalten ist wie der Fließtext. Zusätzlich ist sie nicht oben auf eine neue Seite gesetzt worden, sondern mit einer Leerzeile Abstand an den vorhergehenden Abschnitt angeschlossen. In heutiger Zeit unüblich ist die Interpunktion der Überschrift, also die Abgrenzung der Sinneinheit durch einen Punkt am Ende.

Das auf die Überschrift folgende Textbild ist sehr dicht und komprimiert, die Seiten erscheinen dem modernen Rezipienten mit Text überfrachtet. Es gibt nicht viele strukturierende Absätze, und die Seitenränder sind schmal. Solch ‚vollgestopfte’ Seiten mit sehr viel Text auf verhältnismäßig wenig Platz wirken für den heutigen Leser unter Umständen abschreckend und sind heute ein typisches Merkmal für wissenschaftliche Texte.

Typographische Absätze markieren und trennen als Gliederungssignale einzelne inhaltliche Abschnitte. Diese begrenzten Abschnitte sind Textteileinheiten und repräsentieren je ein Mikrothema, daraus resultiert eine Kongruenz zwischen optischer Gliederung und Inhalt. Durch Setzen des entsprechenden Titels am Anfang des Textes »Vom Zurückgehen« wird das Textthema signalisiert. Dieses übergeordnete Textthema manifestiert sich in mehreren verschiedenen Subthemen, die dem Hauptthema bei- und untergeordnet sind und die ihrerseits wieder in einer hierarchischen Beziehung zueinander stehen können. Als wichtiges typographisches Gliederungssignal fungiert dabei der Absatz:

- Inhalt 1. Absatz:

Wie man ein Pferd lehrt leicht zurückzugehen, worauf man dabei als Reiter achten muss und die Folgen bei Nichtbeachtung.

- Inhalt 2. Absatz:

Ziel und Zweck des Rückwärtsrichtens.

- Inhalt 3. Absatz:

Beschreibung des Bewegungsablaufes, Förderung des Verständnisses für das Pferd und den gut überlegten, maßvollen Gebrauch der Übung.

- Inhalt 4. Absatz:

Was man tun soll, wenn das Pferd widersetzlich ist und die Übung nicht ausführen will.

- Inhalt 5. Absatz:

Fehlerquellen beim Rückwärtsrichten und deren Vermeidung.

- Inhalt 6. Absatz:

Verfeinerung und Erweiterung der Übung.

- Inhalt letzter Absatz:

Verfeinerung und Erweiterung der Lektion. Der letzte Satz verweist auf eine nachfolgende Übung, die auf das Rückwärtsrichten aufbaut.

Zusätzlich dienen zur Orientierung des Lesers und Gliederung des Textes metakommunikative Satzteile und Verweise wie in Satz 13) »wovon ich in dem folgenden Kapitel reden werde.«.

Die wichtigsten Bezugsgrößen » Pferd « und « Rückwärtsrichten « werden in fast allen Sätzen des Textes wieder aufgenommen, denn sie repräsentieren die dominierenden Referenzträger des Textes. In den verschiedenen Wiederaufnahmen drückt sich die Einheitlichkeit des Textgegenstandes ‚Pferd beim Rückwärtsrichten’ sprachlich aus. Die einzelnen Sätze und Satzteile passen zueinander, sind inhaltlich aufeinander bezogen und im Zusammenhang stehend, und auch der Erklärungs- und Anweisungscharakter zieht sich durch den ganzen Text.

Der Text ist in Frakturschrift gedruckt, der in Mitteleuropa damals üblichen Schreib- und Druckschrift mit gebrochenen Linien. Die Entwicklung der Druckschriften begann mit der Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert. Zunächst waren die reich verzierten klösterlichen Handschriften des Mittelalters Vorbild, aus denen sich zusammen mit Einflüssen der Gotik die Frakturschriften (‚fractura’ also ‚gebrochene Schrift’) entwickelten. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde die Frakturschrift in Westeuropa aufgegeben, in Deutschland wurde sie zwar beibehalten, aber es wurden parallel auch zunehmend andere Schriftarten verwendet. So wurde zum Beispiel die Antiqua, die sich im romanischen Sprachraum zum Schriftstandard entwickelte und die im antiken Rom verwendeten Schriftzeichen zum Vorbild hatte, für lateinische Texte gebraucht oder für Begriffe und Wörter lateinischer Herkunft in deutschen Texten

Die Frakturschrift für deutsche Texte war kein Zwang, sondern ein gesellschaftlicher Brauch, der sich schließlich zur Marotte entwickelte, bis die Fraktur Mitte des 20. Jahrhundert zur Zeit des Nationalsozialismus sogar als Ausdruck nationaler Überzeugung galt. Bis ins 20. Jahrhundert hinein blieb die Fraktur im deutschen Kulturraum die vorherrschende Schrift und erst 1942 löste das lateinische Alphabet die Frakturschrift durchgängig ab. Namensgebend sind die scharf gebrochenen Enden, die ‚Entenfüßchen’ an den Minuskeln sowie die ‚Elefantenrüssel’ an den Majuskeln.

4.2. Gliederung und Gestaltung »Das Rückwärtsrichten« 1997

Die Überschrift steht auf der zweispaltigen Seite linksbündig über der linken Spalte. Sie ist durch ihre rote Farbe vom Rest des schwarz gedruckten Textes optisch abgegrenzt und ist zusätzlich hervorgehoben durch eine andere Schriftart in einer deutlich größeren Punktgröße (18 pt) als der Fließtext (10 pt). Auch der Leerraum zum Textkörper hebt die Überschrift im Vergleich zum Resttext deutlich hervor. Das ermöglicht eine einfache inhaltliche und optische Orientierung für den Leser, die Überschrift ist ein visueller und mentaler Fixpunkt, der die Aufmerksamkeit des Lesers erregt. Der Text ist zweispaltig gesetzt und füllt die obere Hälfte der Seite aus. Darunter ist ein halbseitiges Farbphoto platziert, das den Autor auf einem Pferd beim Rückwärtsrichten zeigt. Es besteht ein starker Bezug zwischen Text und Bild, denn das Bild illustriert direkt den Text, weil sein Motiv das Textthema darstellt. Auch das Farbphoto ist ein Blickfang für den Betrachter, es lockert den Gesamteindruck der Buchseite auf. Im Textkörper wird noch einmal explizit auf das Photo hingewiesen, an der Stelle der Beschreibung der Hilfengebung. Vor allem der weniger fachkundige Leser erhält durch die Bebilderung eine präzisere Vorstellung davon, wie die Lektion aussehen soll und wie Sitz und Hilfengebung sein sollen, da ihm der Textinhalt visuell veranschaulicht wird.

Im Textkörper gibt es viele Absätze, und die Schriftgröße ist recht groß gewählt, darum erscheint die Textseite dem Betrachter ansprechend und einladend. Auch die Raumaufteilung der Textseite (zweispaltiger Fließtext mit darunter gesetztem Photo) wirkt überschaubar und motivierend und ist leserfreundlich. Die zweispaltige Textaufteilung erleichtert dem Leser die Textverarbeitung. Für den geübten Leser ist Lesen kein kontinuierlicher Prozess, der Wort für Wort stattfindet. Es wird statt dessen mit Augensprüngen gearbeitet und so werden fünf bis acht Wörter auf einmal wahrgenommen, die zusammengesetzt und verarbeitet werden. Da eine Zeile in dem zweispaltig angeordneten Text aus vier bis acht Wörtern besteht und von daher auf einmal überblickt werden kann, unterstützt diese Textanordnung eine schnelle, effektive und leichte Textaufnahme. Durchgehende Texte erfordern mehr Lesezeit und Aufmerksamkeit vom Leser. Typisch für solch zweispaltige Textaufteilungen sind einfache, kurze Sätze ohne viele Vor- und Nachverweise. Die Textkörper sind tendenziell rechtsverzweigt, es wird also vorverwiesen, und man braucht nicht im Text zurückzugehen, sondern die Informationen werden mehr und mehr ergänzt. Linksverzweigungen, die zurückverweisen, würden den Effekt der Zweispaltigkeit wieder zunichte machen.

Typographische Absätze markieren und trennen als Gliederungssignale einzelne inhaltliche Abschnitte. Diese begrenzten Abschnitte sind Textteileinheiten und repräsentieren je ein Mikrothema, daraus resultiert eine Kongruenz zwischen optischer Gliederung und Inhalt:

- Inhalt 1. Absatz:

Verweis auf ein voriges Kapitel im Buch und die wiederholte Betonung der großen Wichtigkeit des Rückwärtsrichtens beim westerngerittenen Pferd.

- Inhalt 2. Absatz:

Beschreibung von Sinn und Zweck der Lektion.

- Inhalt 3. Absatz:

Voraussetzungen für die Lektion.

- Inhalt 4. Absatz:

Sitz und Hilfengebung.

- Inhalt 5. Absatz:

Der Übungsablauf wird genau beschrieben und erklärt.

- Inhalt 6. Absatz:

Mahnung zum vorsichtigen Gebrauch der Lektion; mögliche Fehlerquellen und deren Folgen.

- Inhalt letzter Absatz:

Warnung davor, die Lektion übertrieben oft anzuwenden.

Die Sätze, Satzteile und Absätze sind aufeinander bezogen und passen zusammen. Die Absätze sind inhaltlich aufeinander aufgebaut und stellen immer einen deutlichen Zusammenhang zu den Grundthemen ‚Pferd’ und ‚Rückwärtsrichten’ her.

[...]

Fin de l'extrait de 96 pages

Résumé des informations

Titre
Schriften zum Pferdesport im Wandel der Zeit. Historischer Vergleich der Texte "Vom Zurückgehen" (1817) und "Das Rückwärtsrichten" (1997)
Université
University of Hannover  (Fachbereich Literatur- und Sprachwissenschaften)
Cours
Abschlussarbeit
Note
gut
Auteur
Année
2004
Pages
96
N° de catalogue
V31747
ISBN (ebook)
9783638326568
ISBN (Livre)
9783638703673
Taille d'un fichier
1055 KB
Langue
allemand
Mots clés
Historischer, Textvergleich, Beispiel, Texte, Pferdesport, Abschlussarbeit
Citation du texte
Katharina von Lingen (Auteur), 2004, Schriften zum Pferdesport im Wandel der Zeit. Historischer Vergleich der Texte "Vom Zurückgehen" (1817) und "Das Rückwärtsrichten" (1997), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31747

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