Zur Erweiterung der Europäischen Union. Die Beitrittsperspektive der Türkei


Trabajo, 2016

23 Páginas, Calificación: 2,0

Anónimo


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Beitrittskandidat Türkei
2.1. Das politische System
2.2. Die wirtschaftliche Situation
2.3. Verhältnis zwischen Laizismus und Islam

3. Die Beziehung zwischen der Türkei und der Europäischen Union

4. Beitrittsvoraussetzungen
4.1. Grundsätzliche und rechtliche Voraussetzungen
4.2. Kopenhagener Kriterium I: politisches Kriterium
4.3. Kopenhagener Kriterium II: wirtschaftliches Kriterium
4.4. Kopenhagener Kriterium III: Acquis-Kriterium
4.5. Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union

5. Pro- und Kontra-Argumente eines Beitritts
5.1. Kontra-Argumente
5.2. Pro-Argumente

6. Ausblick

7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1. Literaturverzeichnis
7.2. Internetquellen

8. Anmerkungsverzeichnis

9. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

„Die Europäische Union (EU) ist heute der größte Wirtschaftsraum der Welt und eine Wertegemeinschaft, deren Mitglieder sich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechten bekennen und einen Großteil ihrer Politiken gemeinschaftlich gestalten.“1 Sie steht jedem europäischen Staat offen, der sich dazu verpflichtet, diese Werte gemeinsam zu vertreten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde an einer Neuordnung Europas gearbeitet, die über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft zur Europäischen Gemein- schaft und der schließlich 1993 daraus resultierenden Europäischen Union führte. Aus den Gründungsstaaten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und der Niederlande ist inzwischen ein Staatenverbund mit 28 Mitgliedern geworden. In sieben Beitrittsrunden sind bisher Dänemark, Irland, Großbritannien (1973), Griechenland (1981), Portugal, Spanien (1986), Österreich, Schweden, Finnland (1995), Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern (2004), Bulgarien, Rumänien (2007) und Kroatien (2013) ein vollwertiger Teil der EU geworden.2 Die Ost-Erweiterung ist bisher die größte Erweiterung gewesen. Sie konnte erst nach dem Ende des Ost-West-Konflik- tes zustande kommen, da die EU vorher nur europäische Staaten aus dem Westen aufgenom- men hat. Nach wie vor ist die Europäische Union wirtschaftlich und politisch für europäische Staaten interessant und die Anträge auf zukünftige Mitgliedschaft bleiben nicht aus. Aktuell sind Albanien, Mazedonien, Montenegro, Serbien und die Türkei offizielle Beitrittskandidaten der EU. Wenn sie alle Bedingungen und Kriterien der EU erfüllen, können sie zu einem voll- wertigen Mitglied werden. Bei manchen Bewerbern ging der Weg vom potentiellen Beitrittskandidaten zum Beitrittskandidaten und schließlich zum Mitgliedsstaat schnell und bei anderen dauerte es länger, bis alles umgesetzt war. Doch keine Integration dauert so lange, wie die der Türkei. Obwohl sie bereits vor fast 60 Jahren Mitglied der Europäischen Wirt- schaftsgemeinschaft werden wollte, hat sie es nie über „Teil-Mitgliedschaften“ hinaus geschafft. Doch woran liegt das? Weshalb dauern die Verhandlungen so lange, werden aber auch nicht beendet? Ist es vernünftig, an dieser Erweiterung festzuhalten? Die bisherigen Re- formen der Türkei haben schließlich noch nicht gereicht.

2. Beitrittskandidat Türkei

Die Türkei ist seit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1923 eine Republik. Sie umfasst eine Größe von 814.578 km², mehr als das Doppelte der Bundesrepublik Deutschland. Mit ihrer Bevölkerungsanzahl von ca. 77,7 Mio. Einwohnern kommt sie den 81,2 Mio. in Deutschland sehr nahe.

Geografisch gesehen verbindet die Türkei Europa mit Asien, da drei Prozent ihrer Fläche auf dem europäischen und 97 Prozent auf dem asiatischen Kontinent liegen. Mit den drei Prozent hat sie das Recht, Antrag auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union zu stellen. Das Land besteht aus 81 Provinzen, die trotz Gouverneuren und Bürgermeistern zentral von der Regierung verwaltet werden, um eine Zersplitterung zu verhindern.

2.1. Das politische System

Das politische System der Türkei ist eine parlamentarische Demokratie. Die aktuelle Verfas- sung in der Türkei besteht seit 1982, wird aber durch die Beitrittsverhandlungen mit der Eu- ropäischen Union stetig reformiert und verändert. Der Ursprung dieser Verfassung ist die Vorherige von 1961. Sie war zum damaligen Zeitpunkt sehr fortschrittlich und mit anderen europäischen Verfassungen vergleichbar. In ihr waren ein umfassender Grundrechtsschutz, die Verfassungsgerichtsbarkeit und die Unabhängigkeit der Justiz verankert. Auch die Be- schränkung der Rechte des Staatspräsidenten und einer eher repräsentativen Rolle waren aufgeführt.3 Das Verfassungssystem und die Verfassungsordnung waren von 1965 bis zum letzten militärischen Putsch im Jahr 1980 dauerhaften Zweifeln ausgesetzt. Im Land herrschte keine politische Einigung und es wurde aus unterschiedlichen politischen Positionen an der Verfassung gezerrt. Das Militär konnte die bürgerkriegsähnlichen Zustände im Land nicht beruhigen, worauf mit einer neuen Zivilregierung und einer neuen Verfassung reagiert wurde, die sich in vielen Punkten auf die vorherige stützt. Die Grundlagen sind das Demokratie- prinzip, das Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip und der Gleichheitsgrundsatz. Die Verfas- sung legt die Unabhängigkeit und Einheit der türkischen Nation, die Unteilbarkeit des Staats- gebietes vom Staatsvolk und den Laizismus fest.4 Lange konnte die Verfassung so bestehen und war der Kritik von außen gegenüber immun durch die grundrechtsfreundliche Recht- sprechung des Verfassungsgerichtes und der Europaorientierung. Die türkischen Grundrechte sind durch die Rechtsweggarantie geschützt5 und wurden 2010 sogar durch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde erweitert.

Auch die Staatsorganisation ist in der Verfassung festgelegt. Die Legislative ist die Große Türkische Nationalversammlung, bestehend aus 550 Mitgliedern. Sie wird alle vier Jahre vom Volk gewählt. Ihre zentrale Aufgabe ist die Gesetzgebung. Außerdem hat sie die Budgethoheit in der Türkei und ist eine Kontrollinstanz für die Regierung.6 Die aktuelle Regierungspartei ist die Partei für Fortschritt und Gerechtigkeit (AKP) mit 317 Sitzen. Die Opposition setzt sich aus der Republikanischen Volkspartei (134 Sitze), der Demokratischen Partei der Völker (59 Sitze) und der Partei der Nationalistischen Bewegung (40 Sitze) zusammen.7 Nachdem sich bei den Wahlen im Juni 2015 innerhalb der Frist keine Regierung bilden konnte, gab es im November Neuwahlen, deren Ergebnisse kritisch betrachtet werden. Die Bevölkerung schien ganz anders abgestimmt zu haben.

Die Exekutive besteht aus dem Staatspräsidenten, dem Ministerpräsidenten, dem Ministerrat und dem Nationalen Sicherheitsrat. Der Staatspräsident ist das Oberhaupt, hat aber nur be- grenzte Befugnisse und soll mehr repräsentativ agieren. Derzeitiges Staatsoberhaupt seit dem 27. August 2014 ist der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. Seine Amtsperiode dauert fünf Jahre und eine einmalige Wiederwahl wäre möglich. Der Staatspräsident hat ein einmaliges Vetorecht bei der Gesetzgebung, kann in Sonderfällen die Große Türkische Nationalversamm- lung auflösen und hat den Vorsitz im Ministerrat, sowie im Nationalen Sicherheitsrat. Außer- dem ernennt er aus den Mitgliedern der Großen Türkischen Nationalversammlung einen Min- isterpräsidenten. Dieser wiederum stellt dem Staatspräsidenten seine Minister vor, die auch wieder durch den Staatspräsidenten ernannt werden. Der jetzige Ministerpräsident und damit Regierungschef ist Prof. Dr. Ahmet Davutoğlu (AKP). Der Ministerrat bildet die Regierung. Sie besteht aus dem Ministerpräsidenten, den Ressortministern und den Staatsministern. Auch wenn der Staatspräsident hier den Vorsitz hat, wirkt er nur repräsentativ. Der Nationale Si- cherheitsrat ist ein beratendes Organ ohne Entscheidungsbefugnisse für die innere und äußere Sicherheit. Mitglieder sind Kommandeure aus dem Militär, die Gendarmerie, der General- stabschef, der Ministerpräsident und sein Stellvertreter, der Außenminister, der Verteidi- gungsminister und natürlich der Staatspräsident.8

Die Judikative zeichnet sich vor allem durch ihren Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz aus. Diese ist unterteilt in zwei Bereiche, und zwar in die Unabhängigkeit der Gerichte und die Richtergarantie. Die Richtergarantie stellt verfassungsrechtlich sicher, dass die materiellen und personellen Voraussetzungen für eine unabhängige Ausübung des Richterberufs gegeben sind.9

2.2 Wirtschaftliche Situation

Mit dem Wunsch auch nach der wirtschaftlichen Partizipation an den Westen, wurden sich vor allem durch die exportorientierten und marktwirtschaftlichen Reformen von Turgut Özal umorientiert. In der EU herrschte die Marktwirtschaft und um sich dort wirtschaftlich zu inte- grieren, waren Veränderungen notwendig. Vor allem die spätere Zollunion verhalf der türkischen Wirtschaft zu einem Aufschwung. Nach der Wirtschaftskrise 2001 setzte die liberal orientierte Türkei die empfohlenen Reformen des Internationalen Währungsfonds um und konnte einen stabilen Wirtschaftswachstum erzielen.10 Im Jahr 2014 lag das Bruttoinlandspro- dukt der Türkei bei 7819 Euro pro Kopf. Das ist ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent.11 Der Wert ist rückläufig und liegt unter dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Der Brut- toschuldenstand des Jahres 2013 lag bei 36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.12 Die Infla- tionsrate ist vom Jahr 2013 zum Jahr 2014 mit 8,9 Prozent leicht gestiegen und liegt knapp über dem Durchschnitt der letzten 10 Jahre.13 Die Erwerbslosenquote lag im Jahr 2014 bei 9,9 Prozent. Die Erwerbslosigkeit bleibt in der Türkei ein Problem. Ca. 500.000 Arbeitssuchende sind auf dem Arbeitsmarkt , für die es nicht genug Arbeitsplätze gibt. Auch Schwarzarbeit und die niedrige Erwerbsquote von Frauen ist ein Teil der Problematik. Durch die Landflucht der letzten Jahre entstehen große regionale Disparitäten. Die Städte sind kurz vor dem Platzen und die ländlichen Regionen werden immer verlassener und ärmer. Der Dienstleistungssektor ist auf dem Vormarsch. Mit rund 60 Prozent hat er den größten Anteil am Bruttoinlandspro- dukt, direkt gefolgt von der Leicht- und Schwerindustrie mit 25 Prozent und der Land- wirtschaft mit 10 Prozent.14

2.3. Verhältnis zwischen Laizismus und Islam

Seit der Gründung der Republik durch Kemal Atatürk kommt es zu Spannungen zwischen dem gewünschten Laizismus und dem Islam. Eine Trennung von Staat und Religion und den weltlich orientierten Kräften, die den Staat leiten sollen, stehen dem theokratischen Staat, in- dem die Religion alles bestimmt, gegenüber. Diese Standpunkte sind nicht vereinbar, da sie sich beide in ihrer Existenz bedrohen. Die Laizisten sind der Meinung, dass nur die Mini- mierung des Einflusses der Religion eine Entwicklung und Modernisierung ermöglicht. Das wiederum ist nötig, um die Demokratie zu schützen und gemeinsam zivilisiert zu leben.15 Diese sich fast selbsterklärenden und offensichtlichen Standpunkte lenken allerdings vom eigentlich Problem der Türkei ab. Die in der Verfassung festgeschriebenen und offiziell vor- handenen Werte wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, kultureller und re- ligiöser Pluralismus werden durch den Laizismus geschwächt. Er beinhaltet nämlich das in Religion und Kultur einheitliche Volk. Vor allem die Religionsfreiheit ist durch die Mehrheits- konfession Sunnismus beschränkt.16 Andere Glaubensrichtungen sind Minderheiten und somit nicht gewünscht. Der Unterschied liegt also nicht in der Trennung Staat und Religion, sondern zwischen einer autoritären Bürokratenherrschaft mit einer gleichen Nationalreligion oder „dem Ideal von individueller und kollektiver Religionsfreiheit“.17 Es ist also weniger der Is- lam oder eine andere Religion, die Existenz von Demokratie, Fortschritt und Verwestlichung bedroht, sondern vielmehr die autoritäre Bürokratenherrschaft, die eine nationale Einheit fordert.

Die Türkei legt also einen politischen „Eiertanz“ hin, in dem sie eine sunnitisch-muslimische Nation fördern möchte, aber strenge Religiosität strikt zu verhindern versucht. Hierbei ist es dem Staat auch unwichtig, ob es die Mehrheitsreligion oder eine Minderheit ist.18

[...]


1 Auswärtiges Amt, 2014a

2 vgl. ebd.

3 vgl. Rumpf, 2012, S.124

4 vgl. ebd., S. 125 f.

5 vgl. ebd., S. 127

6 vgl. ebd., S. 128

7 vgl. Auswärtiges Amt, 2015a

8 vgl. Rumpf, 2012, S. 128 ff.

9 vgl. ebd., S. 131

10 vgl. Centrum für angewandte Politikforschung, (o. J. a)

11 vgl. Auswärtiges Amt, 2015b (Anm.1)

12 vgl. Europäische Kommission, 2015a

13 ebd.

14 Auswärtiges Amt, 2015b

15 vgl. Seufert, 2012, S.207

16 vgl. ebd.

17 ebd. S. 208

18 vgl. ebd. S. 208

Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Zur Erweiterung der Europäischen Union. Die Beitrittsperspektive der Türkei
Calificación
2,0
Año
2016
Páginas
23
No. de catálogo
V317723
ISBN (Ebook)
9783668169708
ISBN (Libro)
9783668169715
Tamaño de fichero
598 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Türkei, Europäische Union, EU-Erweiterung, Erweiterung, EU-Beitritt, Pro, Kontra, Contra, Kopenhagener, Kriterium, Kriterien, Menschenrechte, Menschenrechtsverletzung, Medienfreiheit, Erdogan, Politik
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Anónimo, 2016, Zur Erweiterung der Europäischen Union. Die Beitrittsperspektive der Türkei, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317723

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