Gegenstand der vorliegenden Arbeit zum Kurs "Das Problem Sprache - Poesie und Sprachreflexion" sind die Fragestellungen, inwieweit in Robert Musils 1921 bis 1923 publiziertem Novellenzyklus "Drei Frauen" Möglichkeiten als Ersatz des Faktischen fungieren und dies eine konstruktive Sprachkritik begründet. Dabei wird auch von Interesse sein, welche Berührungspunkte die Novellen "Grigia", "Die Portugiesin" und "Tonka" aufweisen. Für dieses Vorhaben sind Äußerungen Musils zum Sprachgebrauch sowie zum Begriff der Novelle als Grundlage unabdingbar.
Die Tatsache, dass in allen drei Novellen die Eigennamen der jeweiligen Hauptpersonen in Bezug auf Erwähnung, Bestimmtheit und Verwendungsart schwanken, gibt den ersten Impuls, nach Gründen und Absichten der Verflüssigung sprachlicher Fixierungen zu suchen.
Ein Hin- und Wegbewegen von Ein- zu Vieldeutigkeit ist auch dem augenfälligen Einsatz von Vergleichen zu entnehmen, die zwei sprachliche Ausdrücke nicht implizit verknüpfen wie z. B. Metaphern, die den eigentlichen Sprachgebrauch ersetzen, sondern explizit in der Weise vereinen, dass beide eine gleich gültige Berechtigung haben. Dahinter lässt sich zunächst wie auch bei Metaphern ein Infragestellen des ordnenden Charakters der Sprache, der die Eigentlichkeit des Sprach-gebrauchs ausmacht, feststellen. Da Vergleiche Vorstellungsbereiche sprachlich in eins setzen, die inhaltlich doch verschieden bleiben, lässt dies zudem folgern, auf diese Art dem nicht ins Wort Kommenden ein gewisses Aufblitzen zu ermöglichen.
Es ist Ziel der Arbeit, ausgehend von diesen Verdachtsmomenten im Zyklus "Drei Frauen" konkret zu untersuchen, wo Grenzen der Sprache zu entdecken sind, wo Potenzielles tatsächlich Anmutendes verdrängt, wie und in welche Beziehungen die abgegrenzten Bereiche geführt werden und inwiefern in einem Komplex aus Gesagtem und Ungesagtem die Sicht auf ein Drittes, ein im Wechselverhältnis von Sprache und Seele Umtreibendes freigegeben wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Äußerungen Musils zu Sprache und Form
- Sprachgebrauch
- Novelle
- Eigennamen - Vom Allgemeinen zur Unendlichkeit
- Vergleiche - Von der Kegelform zum Unaussprechbaren
- Worte hybrider Art - Von Unmittelbarkeit zur Grenzverschiebung
- Diminutive - Von Verkleinerung zum Kern der Novelle
- Sprachgewalt - Vom Versuch zur Illusion der Ordnung
- Fazit und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Robert Musils Novellenzyklus „Drei Frauen“, insbesondere im Hinblick auf die Frage, inwiefern Möglichkeiten in den Novellen als Ersatz des Faktischen fungieren und eine konstruktive Sprachkritik begründen. Es werden Berührungspunkte zwischen den Novellen „Grigia“, „Die Portugiesin“ und „Tonka“ untersucht, wobei Musils Äußerungen zum Sprachgebrauch und zur Novelle als Grundlage dienen. Die Arbeit analysiert die Möglichkeiten, die Sprache bietet, um die Grenzen der Sprache zu entdecken und die Sicht auf ein Drittes, ein im Wechselverhältnis von Sprache und Seele Umtreibendes, freizugeben.
- Konstruktive Sprachkritik in Musils Novellenzyklus „Drei Frauen“
- Möglichkeiten als Ersatz des Faktischen
- Grenzen der Sprache und Potenzielles
- Wechselverhältnis von Sprache und Seele
- Die Rolle von Eigennamen, Vergleichen und anderen sprachlichen Mitteln in der Konstruktion der Wirklichkeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert den Zusammenhang zwischen Musils Sprachkritik und der Verwendung von Möglichkeiten als Ersatz des Faktischen in seinen Novellen. Das erste Kapitel beleuchtet Musils Äußerungen zum Sprachgebrauch und zum Begriff der Novelle. Im Fokus stehen dabei die Einflüsse von Nietzsche und Mach auf Musils Sprachverständnis und die Bedeutung der Novelle als Form, um alltägliche Konflikte und Unerwartetes darzustellen.
Die folgenden Kapitel widmen sich der Analyse von verschiedenen sprachlichen Mitteln in den Novellen „Drei Frauen“. Im zweiten Kapitel wird die Verwendung von Eigennamen untersucht, die durch ihre Mehrdeutigkeit und Unbestimmtheit die Grenzen der Sprache aufzeigen. Das dritte Kapitel analysiert Vergleiche als Mittel, um verschiedene Vorstellungsbereiche sprachlich in eins zu setzen, und damit das Ordnende der Sprache zu infragestellen.
Das vierte Kapitel konzentriert sich auf die Rolle von Wörtern hybrider Art in Musils Novellen. Diese Wörter zeichnen sich durch ihre Unmittelbarkeit und ihre Fähigkeit aus, Grenzen zu verschieben und neue Perspektiven zu eröffnen. Im fünften Kapitel werden Diminutive analysiert, die als Verkleinerungstechnik eingesetzt werden, um den Kern der Novelle zu erfassen und die Bedeutung von Details zu betonen. Das sechste Kapitel untersucht die Verwendung von Sprachgewalt in den Novellen und beleuchtet, wie Musil den Versuch, Ordnung zu schaffen, in den Novellen darstellt.
Schlüsselwörter
Robert Musil, Novellenzyklus, „Drei Frauen“, Sprachkritik, Möglichkeiten, Ersatz des Faktischen, Sprache, Form, Eigennamen, Vergleiche, hybrider Sprachgebrauch, Diminutive, Sprachgewalt, Wirklichkeit, Seele, Grenzverschiebung.
- Quote paper
- Frank Tichy (Author), 2016, Möglichkeiten als Ersatz des Faktischen. Robert Musils konstruktive Sprachkritik im Novellenzyklus „Drei Frauen“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/317741