Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Bildung – eine Begriffserklärung
2.2 Von der kritisch-konstruktiven Didaktik Wolfgang Klafkis – früher
2.3 Bis zur Medienbildung und Medienkommunikation – heute
3. Digitale Medien – Notwendigkeit der Medienbildung und Möglichkeiten im Bildungsbereich
3.1 Definition
3.2 Technische Errungenschaft – AR
3.3 Der Unterricht von morgen – eine Zukunftsvision
4. Didaktische Einordnung
4.1 MOOC – eine neue Unterrichtsart
4.2 Vorteile für die Medienbildung
5. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1
Didaktischer Stern (vgl. Moser, 2008, S. 21)
Aufgrund der vereinfachten Lesbarkeit wird auf die explizite Nennung der weiblichen Formen in dieser Hausarbeit verzichtet.
1. Einleitung
Diese Hausarbeit richtet ihren Fokus auf mögliche digitale Zukunftsvisionen im Bildungskontext (überwiegend im Bereich Hochschullehre) und geht u. a. der Frage nach, was hier künftig technologisch vorstellbar wäre. Um uns aber die Zukunft vorstellen zu können, darf man sowohl die Gegenwart als auch die Vergangenheit nie außer Acht lassen. Diese stellen den Ausgangspunkt unserer Überlegungen dar, indem sie die bisherige historische Entwicklung aufzeigen. Die Betrachtung von (medialer) Bildung macht hierbei keine Aus-nahme, denn diese ist sowohl verwoben mit den Anforderungen und Auflagen der formellen Bildungsinstitutionen, der allgemeinen gesellschaftlichen Erwartungen, als auch mit den ganz individuellen Zielen eines jeden Lernenden und Lehrenden. Welche Auswirkungen haben nun neuartige Technologien im Bereich digitaler Medien auf Bildungskontexte? Diese Forschungsfrage impliziert bereits, dass die Weiterentwicklung an technischen Möglichkeiten Auswirkungen auf den Bildungsbereich hat. Die Nennung von Beispielen allein im Bildungskontext wäre zahlreich. Aus diesem Grund beschränkt sich das Themengebiet dieser Hausarbeit auf die Betrachtung möglicher zukünftiger digitaler Rahmenbedingungen für Lern- und Lehrprozesse aus bildungstheoretischer Perspektive. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf ‚Augmented Reality (AR)‘ und ‚Massive Open Online Course (MOOC)‘ gelegt. Des Weiteren soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Wolfgang Klafkis bildungstheoretische Prämissen seiner kritisch-konstruktiven Didaktik in der Gegenwart immer noch Gültigkeit besitzen. Klafki hat Mitte des 20. Jahrhunderts nachhaltig die bildungstheoretische Didaktik geprägt und somit starken Einfluss auf die Entwicklung der deutschen Pädagogik genommen. Seine umfangreichen Kenntnisse und seine Aufgeschlossenheit – nicht nur gegenüber Neuem, sondern auch gegenüber Kritik an seinen Wer- ken – hat Klafki konstruktiv dafür eingesetzt, seine Konzepte stetig weiterzuentwickeln. So ist es ihm gelungen, den historischen Bildungsbegriff zu seiner Zeit neu zu bestimmen. Darauf aufbauend wird in dieser Arbeit der theoretische Bezugsrahmen im Hinblick auf die Medienbildung erweitert. Die bildungspolitische Konsequenz, welche sich durch die technologischen Errungenschaften und die damit stetig gestiegene Bedeutung für Bildungsprozesse ergeben hat, ist in dieser Hausarbeit von besonderem Interesse. Wenn also digitale Medien und deren zunehmende technologische Weiterentwicklung Einfluss auf den Bildungsbereich nehmen, stellt sich folglich die Frage nach dem Stellenwert bzw. nach der Notwendigkeit der Medienbildung für Lernende und Lehrende. Um diesem auf den Grund zu gehen, wird anschließend ein fiktives Zukunftsszenario konzipiert, welches die Möglichkeiten und Potenziale von digitalen Medien anhand einer denkbaren Weiterbildungsart veranschaulichen soll. Als Beispiele für die fortschrittliche Technologiebenutzung im Bildungskontext dienen hier AR und MOOCs. Mit ihnen soll aufgezeigt werden, dass in (nicht mehr allzu ferner) Zukunft erstaunliche Innovationen möglich sind – bis hin zum gänzlich strukturellen Wandel. Anschließend werden die Vorteile technischer Errungenschaften herausgearbeitet. Folglich darf aber auch die Kehrseite hierbei nicht außer Acht gelassen werden, weshalb auf die dabei entstehenden Gefahren hingewiesen wird. Eine kurze Zusammenfassung, die Beantwortung aufkommender Fragen sowie ein Ausblick beenden diese Hausarbeit im Fazit.
2. Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Bildung – eine Begriffserklärung
Wenn wir heute Bildung betrachten, dann geht dies nicht – im Gegensatz zur Vergangenheit – ohne die Einbeziehung von digitalen Medien. Bei den im 21. Jahrhundert erreichten Fortschritten in der Kommunikations- und Informationstechnologie kommt somit unvermeidlich die Frage auf, welcher Typ von Bildung jetzt überhaupt gemeint ist. Bildung als eigenständiger Begriff in der Bedeutung ‚sich bilden‘ oder ‚gebildet sein‘ ist sowohl sprachlich, historisch als auch kulturell bedingt. Seine Bedeutung ist so komplex, dass eine einheitliche Definition nicht zu finden ist, da der Bildungsbegriff je nach Zeit, Ort und Auslegung variiert. Der Begriff, den wir heute damit überwiegend assoziieren, entspringt der Zeit der Aufklärung und hat somit einen besonderen historischen Hintergrund – die Zeit des Wandels. Jörissen & Marotzki weisen in diesem Zusammenhang namentlich vor allem auf Wilhelm von Humboldt als Bildungsreformer (2009, S. 11), welcher selbst den inneren Antrieb des Menschen nach Bildung zu streben mit den Worten „[der] nur die Kräfte seiner Natur stärken und erhöhen, seinem Wesen Wert und Dauer verschaffen will“ beschreibt (Humboldt, 1964, S. 6). Humboldt weist ebenfalls darauf hin, dass der Mensch um Bildung zu erlangen eine „Welt außer sich“ benötigt (ebd.). Dies bedeutet, dass zur vollen Entfaltung seiner potenziellen Fähigkeiten der Mensch Bildung sowohl von innen als auch von außen erfahren muss. Diese Annahmen von Humboldt sind bis heute Grundlage vieler bildungstheoretischer Arbeiten, so auch bei Wolfgang Klafki.
2.2 Von der kritisch-konstruktiven Didaktik Wolfgang Klafkis – früher
Wolfgang Klafki ist einer der denkwürdigsten Erziehungswissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Er hat es geschafft, in seiner erstmals im Jahr 1986 veröffentlichten Studie den historischen Bildungsbegriff zu analysieren und anschließend für die Gegenwart zu transformieren (Klafki, 2007, S. 15ff.). Weiterhin ist in seiner Einleitung zur 2. Auflage 1991 folgender maßgeblicher Kommentar zu lesen:
„Kritisch weitergedacht und auf die pädagogischen Aufgaben unserer Gegenwart und der vermeintlichen Zukunft bezogen, erweisen sich die Perspektiven, die die ‚klassischen‘ Bildungstheoretiker dem pädagogischen Denken eröffnet haben, in überraschend hohem Maße als nach wie vor bedeutsam und richtungsweisend“ (ebd., S. 10).
Damit stellt Klafki klar, dass die klassischen Ansätze der Bildung auch heute noch eine hohe Relevanz besitzen. Aus seinen Studien über die klassische Bildungstheorie leitete er sein – von ihm als ‚Allgemeinbildung’ genanntes – Bildungsverständnis ab (ebd., S. 52). Hierbei spielt für ihn vor allem der Zusammenhang folgender drei Fähigkeiten eine tragende Rolle: Solidarität, Selbst- und Mitbestimmung. Diese repräsentieren für ihn das Bildungsziel. Klafkis bildungstheoretisches Konzept der Allgemeinbildung fußt auf drei Säulen, welche stets im Sinne des Wortes ‚Allgemeinbildung‘ zu gelten haben: Erstens soll Sie für alle Menschen möglich und gültig sein (ebd., S. 53). Darauf aufbauend soll sich zweitens Allgemeinbildung inhaltlich mit den Gegenständen, Fragen und Problemen befassen, die für alle Menschen wichtig sind (Klafki bezeichnet dies als „epochaltypisches Schlüsselproblem“; worunter auch die Frage nach neuen Medien fällt) (ebd., S. 56) und drittens soll sie ebenfalls individuell auf jeden Menschen abzielen (als Gegenpol zum Schlüsselproblem) (ebd., S. 54 und 69). Diese Säulen bilden die Grundpfeiler der kritisch-konstruktiven Didaktik Klafkis, welche er aus der bildungstheoretischen Perspektive abgeleitet hat. ‚Kritisch‘ nennt Klafki seinen Ansatz, weil dieser sich am Ziel der Allgemeinbildung orientiert und nicht allein der Zielsetzung von Bildungsinstitutionen entspricht. Dagegen soll das Wort ‚konstruktiv‘ in diesem Zusammenhang auf das praktische Handlungs-, Gestaltungs- und Veränderungsinteresse verweisen (ebd., S. 90), welches es erlaubt, nicht mehr nur in vorgegebenen Rahmenbedingungen Vorschläge zu unterbreiten, sondern auch darüber hinaus Chancen für optimierte Lern- und Lehrprozesse finden zu können. Die Bildungsthemen werden von Klafki in zwei Kategorien – und zwar nach ihrem instrumentellen oder potentiell emanzipatorischen Charakter – unterteilt. Die Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen gehören zu der ersten Kategorie. Laut einem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) zählt dazu auch die Medienkompetenz (KMK, 2012, S. 4). Zur zweiten Kategorie gehören alle Bereiche, die sich auf die Solidaritäts-, Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsfähigkeit beziehen. Klafki führt hierfür die Erkenntnis von gesellschaftlichen Abhängigkeitsstrukturen als Beispiel an (2007, S. 123). Auch betont er die bedeutungsvolle wechselseitige Beziehung von Lern- und Lehrprozessen, wobei er im Sinne der kritisch-konstruktiven Didaktik stets der Frage nachgeht, ob die ausgewählte Vollzugsform des Lehrens ein adäquates Lernen ermöglicht (ebd., S. 131). Die Beurteilungskriterien nach Klafki hierfür sind folgende: Ist die ausgewählte Methode in der Lage, Lernprozesse hervorzurufen bzw. zu begünstigen? Ist sie dabei zielorientiert bzw. sachgemäß und berücksichtigt sie individuelle und gruppenspezifische Lernvoraussetzungen? Nach Klafki erfordert diese Methodenforschung das Mitwirken von Lern- und Sozialpsychologie sowie Sozialisationsforschung (ebd., S. 132). Auch die didaktische Relevanz von Medien wird von ihm aufgezeigt. Für Klafki sind Medien nicht nur ein methodisches Element, sondern sowohl ‚Themen-‘ als auch ‚Zielträger‘ (ebd., S.130). Sie ermöglichen also die verschiedensten Zugänge zu den unterschiedlichsten Bildungsthemen – und dies gilt noch bis heute. Dabei spielt die Auswahl der Medien für die folgende Frage eine entscheidende Rolle: Welches Ereignis kann wie präsentiert oder entdeckt werden? Nimmt ein Fotograf beispielsweise ein Bild eines bestimmten Ereignisses auf, so lässt sich auf dem daraus resultierenden Foto ein bestimmter Zustand erkennen. Nimmt der Fotograf jedoch vom selben Ereignis ein Video auf, so lässt sich ein ganzer (Veränderungs-)Prozess darstellen. Somit zeigt sich, dass ein sorgfältig durchdachter Einsatz von Medien sowohl auf der Ziel-, Inhalts- als auch auf der Methodenebene erfolgen muss (ebd., S. 131). Nun hat sich seit Mitte/Ende des 20. Jahrhunderts die Medienvielfalt exponentiell vergrößert. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt die Medienbildung und -kommunikation des 21. Jahrhundert näher beleuchtet.
2.3 Bis zur Medienbildung und Medienkommunikation – heute
Im Jahr 2012 hat die KMK den Beschluss ‚Medienbildung in der Schule‘ gefasst, in dem Medienbildung wie folgt definiert wird:
„Schulische Medienbildung versteht sich als dauerhafter, pädagogisch strukturierter und begleiteter Prozess der konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung mit der Medienwelt. Sie zielt auf den Erwerb und die fortlaufende Erweiterung von Medienkompetenz; also jener Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ein sachgerechtes, selbstbestimmtes, kreatives und sozial verantwortliches Handeln in der medial geprägten Lebenswelt ermöglichen“ (KMK, 2012, S. 3).
Dadurch wird belegt, dass Klafkis Arbeit weiterhin Bestand hat, denn der unmittelbare Bezug zu den Fähigkeiten der Allgemeinbildung (Solidarität, Selbst- und Mitbestimmung) wird heute noch aufgegriffen. Medienbildung ist somit Bildung in einer von Medien durchzogenen Welt. Weiterhin heißt es: Der Erwerb von Medienkompetenz ist hier das vorrangige Ziel von Medienbildung, welche durch einen Prozess der konstruktiven und kritischen Auseinandersetzung der Schüler mit der Medienwelt erreicht werden soll (vgl. ebd., S. 4). Somit dienen Medien hier als Werkzeug, welche den Bildungsprozess unterstützen. Dabei sind sie heutzutage aber keineswegs nur zur Beförderung von Inhalten gedacht; sie dienen ebenfalls als gestalterisches Element, u. a. zur interaktiven Einbeziehung des Lernenden in den zu vermittelnden Stoff. Der Mediennutzer bekommt demnach nicht nur einfach seine Welt präsentiert; er gestaltet sie auch mit. Medienbildung ist daher nicht nur Bildung über Medien (Medienkompetenz) und nicht nur Bildung mit Medien (e-learning). Es bedeutet auch, dass medial geprägte Bildungsprozesse Neues hervorbringen können: neue Artikulationsformen (mit und durch Medien), neue kulturelle und individuelle Sichtweisen und nicht zuletzt neue mediale Strukturen. Dabei ist stets zu beachten, dass Medien heutzutage fundamental die Strukturen von Weltsichten mitbestimmen, sowohl auf kultureller als auch auf individueller Ebene.
3. Digitale Medien – Notwendigkeit der Medienbildung und Möglichkeiten im Bildungsbereich
3.1 Definition
Unter digitalen Medien – auch als ‚Neue Medien‘ betitelt – versteht man Kommunikationsmedien der Informations- und Kommunikationstechnologie, welche dank digitaler Codes funktionieren. Sie dienen u. a. der Verarbeitung, Speicherung, Darstellung und zur Digitalisierung von Inhalten.
Selbst die Politik hat die Dringlichkeit erkannt, für optimale Rahmenbedingungen sorgen zu müssen, um den Erwerb von Medienkompetenz (für den gewissenhaften Umgang mit digitalen Medien) zu ermöglichen (Deutscher Bundestag, 2013, S. 24), da die Digitalisierung der Gesellschaft unaufhaltsam voranschreitet (ebd., S. 6). Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, warum laut einer Umfrage 84 % der jugendlichen Schüler an deutschen Schulen ihr digitales Medium ‚Nummer 1‘ – das Handy – nicht nutzen dürfen (Spiegel Online, 2015). Aber wo – wenn nicht in der Schule – können Schüler den souveränen Umgang mit ihren Medien lernen? Eine verantwortungsvolle Nutzung von Medien ist das Fundament, auf dem die heutige Mitgestaltung der Welt fußt. Aus diesem Grund gehört das Erreichen der Medienkompetenz als Zielvorgabe in die Bildungspolitik und somit aktiv – wenn auch nur in begleitender Form der herkömmlichen Werkzeuge (Bücher) – in den direkten Unterricht von (Hoch-)Schulen. Heinz Moser verwies bereits 2008 darauf, dass sich die Didaktik stets die Frage zu stellen hat, wie digitale Medien in die Lernkultur so eingepflegt werden können, dass ihre Nutzung als völlig selbstverständlich angesehen wird (vgl. Moser, 2008, S. 19). Grafisch machte er diesbezüglich einen Vorschlag mit Hilfe seines ‚Didaktischen Sterns‘:
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