Forschendes Lernen als ein didaktisches Konzept zur Förderung der Selbstregulation und unterschiedlicher Lernstile


Examensarbeit, 2015

197 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ... 3

1. Einleitung ... 4

2. Entdeckendes Lernen als ein didaktisches Konzept ... 6
2.1 Ziele des entdeckenden Lernens ... 9
2.2 Schwierigkeiten beim entdeckenden Lernen ... 10
2.3 Phasen des entdeckenden Lernens ... 11
2.4 Formen des entdeckenden Lernens ... 12
2.5 Forschendes Lernen als Unterform des entdeckenden Lernens ... 14

3. Selbstregulation ... 16
3.1 Modelle zur Selbstregulation ... 17
3.2 Selbstregulation nach Zimmerman (2000) ... 18

4. Das Lernstilmodell von Kolb als Basis der Analyse ... 22

5. Grundlage der Forschung: Die 9. Klassen der Schule B. in N. ... 25

6. Forschungskonzept ... 28
6.1 Einzelfallanalyse: Carolin ... 29
6.2 Einzelfallanalyse: Christian ... 33
6.3 Einzelfallanalyse: Jonas ... 36
6.4 Einzelfallanalyse: Leonie ... 40
6.5 Einzelfallanalyse: Lisa ... 43
6.6 Einzelfallanalyse: Paul ... 46
6.7 Einzelfallanalyse: Simon ... 50
6.8 Einzelfallanalyse: Sophie ... 52

7. Forschungsergebnisse ... 56

Literaturverzeichnis ... 58

Anhang ... 62

1. Einleitung

Deutschlands Schulen stehen seit der Veröffentlichung der PISA Ergebnisse von 2000 unter Druck bessere Ergebnisse zu erzielen. Besonders die Fähigkeit der Schüler[1] eigenständig lernen zu können, insbesondere dann, wenn sie ihre Schulzeit beendet haben, soll von den Schulen weiter gefördert werden (vgl. PISA, 3).

„Ziel der Bildungssysteme ist es, den Schülerinnen und Schülern nicht nur den Erwerb von Wissen zu ermöglichen, sondern ihnen auch die Grundlagen zu vermitteln, zu fähigen, selbstbewussten und enthusiastischen Lernern zu werden.“ (PISA, 8).

Um bessere Ergebnisse zu erzielen, ist es die Aufgabe der Schulen, sich neue Konzepte zu überlegen, die den Schülern dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen. Die Schule B. in N. hat in Kooperation mit der Universität Greifswald das Konzept des forschenden Lernens eingeführt. Dieses soll den Schülern dabei helfen eigenständiger und selbstregulierter zu lernen.

„Die Schülerinnen und Schüler müssen also lernen zu lernen. Aus einer Unterrichtsperspektive heißt das, dass effektive Lernmethoden, namentlich Zielsetzung, Strategieauswahl sowie Kontrolle und Evaluierung des Lernprozesses durch die bildungspolitischen Rahmenbedingungen und die Lehrerschaft gefördert werden können und sollten.“ (PISA, 84)

Auf Basis dieser Erkenntnis und mit dem Konzept des forschenden Lernens sollen die Schüler zum selbstständigen Lernen angeleitet werden.

Die vorliegende Arbeit untersucht, ob das forschende Lernen ein Instrument zur Förderung der Selbstregulation darstellt. Weiterhin soll herausgearbeitet werden, ob alle Schüler gleichermaßen von diesem Konzept profitieren. Dies setzt voraus, dass jeder Schüler mit seinem individuellen Lernstil die Möglichkeit hat, besser gefördert zu werden. Um diese Frage zu klären, ist es zunächst nötig, die theoretischen Grundlagen zu erläutern, um die Ergebnisse im später folgenden empirischen Teil nachvollziehen zu können.

Der Hauptteil dieser Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Zunächst wird sich mit dem Endeckenden Lernen auseinander gesetzt, welches als Oberkategorie des forschenden Lernens gesehen wird. Hierbei werden insbesondere die Überlegungen von Hameyer (2002) und Gudjons (2007) einbezogen. Weitergehend werden dann die unterschiedlichen Modelle zur Selbstregulation thematisiert. Besonders das Modell von Zimmerman (2000) findet große Beachtung und dient als Grundlage für die weitere Arbeit. Zum Abschluss des theoretischen Teils, beschäftigt sich das nächste Kapitel mit den Grundlagen einer Lernstilanalyse. Die Lernstilanalyse ist zum Bestimmen der jeweiligen Lerntypen bei den Schülern wichtig. Dabei soll die Theorie und der Entwurf von David Kolb (1981, 1984) als Vorbild dienen. Der Fokus des folgenden Kapitels liegt auf der Erfassung der Ausgangslage der Forschung. Hier wird der Leser über die grundlegenden Gegebenheiten informiert. An dieser Stelle geht es um die Präsentation der Schule, der Schüler sowie der Umsetzung des Konzepts des forschenden Lernens an der Schule B. in N. Darauf aufbauend werden im nächsten Kapitel beispielhaft acht Schüler der neunten Klassen analysiert. Dabei werden drei empirische Quellen miteinander in Verbindung gebracht, die Aussagen über die Fähigkeit zur Selbstregulation treffen und außerdem die einzelnen Lernstile der Schüler widerspiegeln. Schließlich sollen die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst werden, um zu einem Ergebnis zu gelangen.

2. Entdeckendes Lernen als ein didaktisches Konzept

Als didaktisches Konzept zeichnet sich das entdeckende Lernen als eine Unterrichtsform aus, bei der besonders die kognitiven Fähigkeiten der Schüler gefordert werden. Die Schüler sollen dazu angeleitet werden durch eigenes Denken zum Ziel zu gelangen. Dabei werden die kognitiven Fähigkeiten der Schüler genutzt, um eigenständig zu neuen Resultaten zu gelangen (vgl. Neber, 2009, 214).

Das entdeckende Lernen gelingt nur, wenn auf der einen Seite der Lehrer seinen Schülern zutraut Aufgaben eigenständig zu lösen. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass die Schüler genügend Vertrauen in sich selbst aufgebaut haben, sodass sie den Mut haben, selbstständig zu arbeiten (vgl. Schweder, 2015, 24). Denn die Herausforderung des entdeckenden Lernens ist es, dass die Schüler das Vertrauen in sich selbst aufbauen müssen, um ohne konkrete Anweisungen arbeiten zu können. Nur wenn sie diesen Mut haben, kann das entdeckende Lernen gelingen. Aus diesem Grund ist besonders die intrinsische Motivation der Schüler von hoher Bedeutung (vgl. Zocher, 2000, 32). Die Motivation der Schüler bildet die Voraussetzung für das Gelingen des Konzeptes. Sie müssen von dem Gedanken, dass sie eigenständig arbeiten dürfen, bzw. sogar müssen, überzeugt sein, damit produktives Arbeiten gelingt. „Entdeckendes Lernen charakterisiert also in erster Linie eine spezifische Form des Lernprozesses, der sich durch einen hohen Anteil von Motivation, Aktivität und Selbstentscheidung auszeichnet“ (Schwartz, 1993, 27f.). Aktivität und Selbstentscheidung laufen parallel ab. Die Schüler können selbstständig Entscheidungen darüber treffen, welche Aufgaben sie bearbeiten und wie sie diese Aufgaben, bzw. Fragestellungen lösen. Hameyer erläutert, dass die Grundidee des entdeckenden Lernens mit induktiven Lernanlässen gekoppelt ist, sodass die Schüler damit konfrontiert werden, sich in unbekannte Wissensfelder einzuarbeiten, um neues Wissen aufzunehmen (vgl. Hameyer, 2002, 5). Die Intention des entdeckenden Lernens ist nicht, dass sich die Schüler auf ein hohes wissenschaftliches Niveau begeben. Vielmehr geht es darum, dass sie sich Wissen eigenständig aneignen können, ohne dass der Lehrer dieses vorgeben muss (vgl. Gudjons, 2007, 89).

Die Basis beim entdeckenden Lernen bilden die Fragen und die Neugier der Schüler. Sie sind Voraussetzung und begleiten den kompletten Lernprozess. Sobald Kinder anfangen zu sprechen, fangen sie an, Fragen zu stellen. Diese Eigenschaft soll in der Schule genutzt werden, denn sie deutet auf eine bewusste Auseinandersetzung mit der Umwelt hin (vgl. Zocher, 2000, 25f.). Das Interesse der Schüler wird Teil des Unterrichts, wodurch die Motivation der Schüler steigt.

„Lerngegenstände oder -themen werden nicht vom Lehrer didaktisch aufbereitet, sondern präsentieren sich in ihrer ganzen Komplexität“ (Zocher, 2000, 32). Es ist die Aufgabe der Schüler, sich mit der Kompliziertheit auseinander zu setzen, um Prozesse zu entwickeln, die helfen, eine Lösung für die Ausgangsfrage zu finden. Hameyer erläutert: „Entdeckendes Lernen setzt einen wachsenden Freiheitsgrad der Selbststeuerungsfähigkeit und Startenergie voraus.“ (Hameyer, 2002, 7f.) Gleichzeitig stellt er aber auch dar, dass sich der Schüler diese Fähigkeit erst während des entdeckenden Lernens aneignet (vgl. Hameyer, 2002, 8). Besonders wenn die Lerner zum ersten Mal mit diesem didaktischen Konzept konfrontiert werden, verfügen sie wahrscheinlich noch nicht über die benötigten Fähigkeiten, um einen reibungslosen Ablauf des Lernens zu gewährleisten. Diese Fähigkeiten bauen sich jedoch immer weiter aus, sodass sich die Schüler beim entdeckenden Lernen Strategien beibringen, die ihnen helfen herauszufinden, welche Herangehensweisen am sinnvollsten ist. Je öfter das entdeckende Lernen als didaktisches Konzept in den Unterricht eingebaut wird, desto besser können die Schüler mit der Situation umgehen. Der Austausch untereinander, zwischen Schülern, aber auch zwischen Schülern und Lehrer, ist beachtlich. Erst dieser Austausch ermöglicht entdeckendes Lernen. Miteinander zu diskutieren bringt oft neue Aspekte, die der Schüler in seine Arbeit einbeziehen kann (vgl. Zocher, 2000, 30).

Die Möglichkeiten, die das entdeckende Lernen bietet, sind sehr vielseitig. Dadurch, dass den Lernern keine Grenzen gesetzt sind und sie frei darüber verfügen können, wie sie einer Frage auf den Grund gehen, gibt es viele verschiedene Methoden. Vom Experimentieren, über das Recherchieren und Diskutieren bis hin zum Gestalten ihrer Ergebnisse, können die Schüler nach ihrem Belieben handeln (vgl. Zocher, 2000, 28). Die einzige Vorgabe ist, dass die Ausgangsfrage beantwortet werden muss. Jedoch kann der Verlauf und das Ergebnis beim entdeckenden Lernen nicht voraus gesagt werden (vgl. Hameyer, 2002, 27 und Zocher, 2000, 28f.). Denn jeder Schüler arbeitet unterschiedlich und in seinem eigenen Tempo, sodass die Ergebnisse ganz unterschiedlich ausfallen können.

Gudjons merkt jedoch an, dass das Konzept des entdeckenden Lernens „zu den zentralen didaktischen Funktionen [...] des Frontalunterrichts“ (Gudjons, 2007, 86) zugeordnet wird. Doch wenn Selbstständigkeit eines der zentralen Punkte im entdeckenden Lernen darstellt, wie kann es dann mit dem Frontalunterricht, einem Unterrichtsformat, welches die Eigenständigkeit der Schüler wenig anspricht, in Zusammenhang gebracht werden? Weiterhin erklärt er, dass es sich insofern zusammen führen lässt, als dass der Frontalunterricht als Vorbereitung für das entdeckende Lernen gilt. Fertigkeiten, die dabei gebraucht werden, können im Frontalunterricht vermittelt werden (vgl. Gudjons, 2007, 86). „Frontalunterricht qualifiziert für entdeckende Lernprozesse“ (Gudjons, 2007, 87) und scheint aus diesem Grund unerlässlich zu sein. Der Lehrer hat demnach die Rolle den Schülern die Grundkenntnisse, die sie brauchen, um eigenständig arbeiten zu können, zu vermitteln. Die Rolle des Lehrers ändert sich aber im Bereich des entdeckenden Lernens. In diesem Konzept nimmt der Pädagoge mehr eine Beraterfunktion, als eine Vermittlerfunktion ein (vgl. Foster, 1993, 35). Er ist ein Hilfesteller für den Fall, dass Schüler neue Anregungen brauchen oder Verständnisfragen haben. Dennoch ist der Lehrer die Person, die die Anweisung zum eigenständigen Arbeiten gibt und dieses beobachtet. Aus diesem Grund ist die Aussage von Neber nicht außer Acht zu lassen:

„Unter Entdeckendem Lernen werden lehrmethodische Konzeptionen verstanden, die im Schnittpunkt von Instruktions- und Kognitionspsychologie unter konstruktivistischer Perspektive erforscht und entwickelt werden.“ (Neber, 2007, 88)

Die Lehrperson hat den Auftrag die Schüler mit dem Wissen auszustatten, das sie für das selbstständige, entdeckende Lernen brauchen. Aufgabe der Schüler ist es dann damit eigenes Wissen zu generieren (vgl. Gudjons, 2007, 88f.). Dieses entsteht, wie bereits oben angedeutet, durch individuelle Lernprozesse, d.h. dass jeder Schüler eine andere Strategie hat, mit dem Problem umzugehen und deshalb auch unterschiedlich arbeitet (vgl. Zocher, 2000, 32). Um diese Lernprozesse festzuhalten, bietet es sich an, dass die Schüler dokumentieren, was sie machen, damit der Lernprozess für sie selbst, aber auch für den Lehrer eine gute Möglichkeit zur Bewertung ist (vgl. Foster, 1993, 39).

Da es viele unterschiedliche Ansichten zum Konzept des entdeckenden Lernens gibt, hat Neber die drei wichtigsten Prinzipien, die in allen Ansichten gleich sind, zusammengefasst:

1. Die Analyse einzelner Beispiele soll zur Generalisierung führen, die ein induktives Lernen ermöglicht.

2. Die Eigenständigkeit der Schüler steht im Vordergrund und der Lehrer nimmt eine Funktion ein, die ihm den Fortschritt lenken aber nicht durchführen lässt.

3. Entdeckendes Lernen ist nur in problematischen Situationen möglich, die ein direktes Beantworten einer Frage nicht ermöglichen. Das Wissen der Schüler hat Grenzen, und nur dadurch, dass sie diese überschreiten wollen, können sie Neues lernen (vgl. Neber, 2007, 90).

2.1 Ziele des entdeckenden Lernens

Die Idee des Konzeptes Entdeckenden Lernens ist einleuchtend. Deswegen ist es, wichtig die Ziele, die durch diese Methode erreicht werden sollen, genauer zu beschreiben.

Selbstständigkeit ist eine der höchsten Intentionen, die beim entdeckenden Lernen vermittelt werden soll. Diese Selbstständigkeit entwickelt sich stetig während des gesamten Lernprozesses. Die Schüler müssen in einer dafür geeigneten Lernumgebung genug Raum und Zeit bekommen, um ihre Eigenständigkeit auszubilden und voranzutreiben (vgl. Huber, 2009, 9). Die Ausbildung der Selbstständigkeit der Schüler ist besonders für ihre Zukunft wichtig. Die Fähigkeit sich selbst zu organisieren ist eine Kompetenz, die gefördert werden muss, damit Schüler darauf vorbereitet werden, sich auch nach der Schulzeit zu orientieren. Im Hinblick auf ein eventuelles späteres Studium oder auch im Beruf sind sie dann vorbereitet, ihre Aufgaben selbstständig und unabhängig zu organisieren. Da diese Kompetenz im Studium sehr wichtig ist, stellt das Ziel der Eigenständigkeit im entdeckenden Lernen ein hohes Gut dar. Ein weiterer Grund der die Ausbildung der Selbstständigkeit befürwortet ist die „bessere Nutzbarkeit des Wissens“ (Neber, 2009, 214). Sobald ein Schüler induktiv etwas vermittelt bekommt, sich also selbst das Wissen aneignet, ist die Chance, dass er es behält sehr groß. Anders ist es, wenn die Lehrer das Wissen vermitteln und der Schüler dieses nur aufnehmen muss, ohne bewusst am Prozess des Lernens beteiligt zu sein (Hameyer, 2002, 36). Das eigenständige Erarbeiten führt dazu, dass sich der Schüler die Wissensinhalte besser behalten kann (vgl. Neber, 2009, 214). Dies resultiert in einem Wachstum der intrinsischen Motivation, da der Schüler durch eigenes Vorgehen einen Wissensinhalt erarbeitet hat. Ebenso wird er in seiner angewandten Strategie bestätigt und kann diese weiterhin anwenden oder sogar ausbauen (vgl. Neber, 2009, 214 & Gudjons, 2007, 86).

Gudjons stellt die Handlungsfähigkeit als weiteres Ziel des entdeckenden Lernens vor (vgl. Gudjons, 2007, 86). Er zitiert Peterßen (1999): „Als handlungsfähig gilt, wer imstande ist, selbstständig mit möglichst vielen Situationen fertig zu werden, in die sein Leben ihn hineinführt, weil er die darin vorfindbaren Probleme eigenständig zu lösen fähig ist“ (Gudjons, 2007, 86). Die Handlungsfähigkeit ist bedingt durch die Selbstständigkeit. Nur wer selbstständig ist, kann handlungsfähig sein. Es lässt sich also erkennen, dass die Kompetenzen, die beim entdeckenden Lernen entwickelt werden immer weiter aufeinander aufbauen, und damit Kernkompetenzen bilden, die für das zukünftige Leben der Schüler wichtig sind.

Neben diesen ist ein weiteres Ziel des Konzeptes die Entfaltung von fachlichem Wissen, was in der Schule an zentraler Stelle steht (vgl. Neber, 2002, 11). Das soll auch im entdeckenden Lernen nicht zu kurz kommen. Das Konzept sieht vor, dass sich die Schüler ebenso fachliches Wissen aneignen. Dabei ist das Wie bereits oben beschrieben. Das Was, also das Grundthema, zu dem etwas gelernt werden soll, wird vom Lehrer vorgegeben (vgl. Gudjons, 2007, 89). Denn die Lehrpläne geben Richtlinien vor, an die sich der Lehrer halten muss. Wie dieser Lehrplan erfüllt wird, ist dem Lehrer überlassen.

2.2 Schwierigkeiten beim entdeckenden Lernen

Jedes Konzept hat seine Schwächen. So können auch beim entdeckenden Lernen Schwierigkeiten auftreten. Zocher (2000, 26) hat in ihrem Buch die Schwierigkeiten, die auf die Pädagogen zukommen genauer thematisiert. Dabei bezieht sie sich auf ein Zitat von Ernst (1996):

„Entweder scheinen die Fragen der Kinder zu trivial, weil sie alltäglich und von spontanem Interesse getragen sind, aber dann nichts mit den in Rahmenplänen und Schulbüchern angestrebten Wissensstücken zu tun haben, die darauf angelegt sind, alltägliche Probleme mit irgendeiner Begrifflichkeit zu überhöhen. Oder aber Lehrerinnen und Lehrer gehen davon aus, dass Kinder so tiefgehende, umfassende Fragen stellen, dass sie selbst und mit ihnen die Unterrichtssituation überfordert sind, hierfür Antwortmöglichkeiten zu arrangieren.“ (in: Zocher, 2000, 26)

Lehrpersonen müssen darauf achten, dass der Lehrplan eingehalten wird, um die wichtigen Inhalte zu vermitteln. Denn die Schüler sollen hinterher alle auf dem gleichen Wissensstand sein. Deswegen ist es wichtig, die Fragen, die die Schüler stellen, zu lenken oder eventuell vorzugeben. Wenn das entdeckende Lernen vorangeschritten ist und die Schüler ein Gefühl dafür bekommen haben, welche Fragen analysiert und beantwortet werden sollen, dann sind sie eventuell in der Lage eigenständig Fragen zu entwickeln, sodass der Lehrer lediglich das Thema vorgeben muss.

Eine weitere, aber lediglich anfängliche Problematik, ist die Lernumgebung. Um eigenständig lernen zu können, benötigen die Schüler genügend Möglichkeiten, um mit ihrer eigenen Strategie vernünftig arbeiten zu können (vgl. Schweder, 2012, 70). Dabei müssen ihnen unterschiedliche Medien und Materialien zur Verfügung stehen. „Entdeckendes Lernen verändert also auch die Infrastruktur der Schule“ (Foster, 1993, 31).

Die beiden genannten Schwierigkeiten, die dieses didaktische Konzept mit sich bringt, nämlich den Einbezug des Lehrplans und die zu stellenden Fragen, können sich mit der Zeit entspannen. Die Schüler brauchen eine Anlaufphase, in der sie lernen, wie sie selbstständig an Probleme herangehen. Auch die Infrastruktur der Schule kann sich ändern. Jedoch ist zu bedenken, dass solche Veränderungen nicht auf einmal möglich sind, sondern oftmals über einen längeren Zeitraum laufen.

2.3 Phasen des entdeckenden Lernens

Um nun den genauen Erwerb des Wissens beim entdeckenden Lernen zusammenzufassen, ist es vorteilhaft sich an den Phasen von Neber zu orientieren. Dieser identifiziert drei verschiedene Perioden:

In der ersten Phase ist das „expositorische Lernen“ (Gudjons, 2007, 91) von großer Wichtigkeit. In dieser Phase ist es die Aufgabe des Lehrers das Vorwissen der Schüler zu aktivieren und den Schülern das notwendige Wissen für den weiteren Verlauf der Unterrichtseinheit zu vermitteln (vgl. Gudjons, 2007, 91). Diese Vorbereitung ist notwendig, damit die Schüler hinterher selbstständig und mit ihrem vorhandenen Wissen an eine neue Fragestellung herangehen können.

Die zweite Phase ist der Prozess des entdeckenden Lernens selbst. Das in Phase eins gelernte Wissen kann nun angewendet werden. Es muss jedoch meistens noch erweitert werden, da sich die meist komplexen Fragestellungen ansonsten nicht beantworten lassen (vgl. Gudjons, 2007, 91). „Das bisherige Wissen wird also forschend-entdeckend erweitert, transformiert und modifiziert“ (Gudjons, 2007, 91). Dadurch dass der Schüler sein Wissen eigenständig erweitern muss, beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema. In dieser Phase ist weiterhin darauf zu achten, dass Schüler manchmal nicht in der Lage sind, komplett selbstständig zu arbeiten. „Problemorientiertes Entdeckendes Lernen muss daher meistens zusätzlich unterstützt werden und in gelenkter Form erfolgen“ (Neber, 2001, in: Gudjons, 2007, 91). Das heißt, dass der Lehrer auch hier in das Geschehen eingreifen kann, wenn er merkt, dass der Schüler Schwierigkeiten hat.

Die dritte Phase versucht das erlangte Wissen aus Phase zwei zu automatisieren (vgl. Gudjons, 2007, 91). Zum einen müssen die Schüler die Strategien, die sie angewandt haben, verinnerlichen und aus diesem Grund wiederholt anwenden. Auch die bereits gelernten Wissensinhalte sollen nicht vergessen werden (vgl. Gudjons, 2007, 91).

Um noch einen Schritt weiter zu gehen, hat H. Gudjons (2007) selbst Phasen aufgestellt, die den Prozess des Entdeckens beschreiben. Im ersten Schritt muss für die Schüler ein Anreiz geschaffen werden, damit sie interessiert daran sind, sich mit einem Thema genauer zu beschäftigen. Sie müssen den Willen verspüren, dass sie für sich selbst ein Problem ausmachen, dem sie näher auf den Grund gehen wollen. Nachdem das Interesse der Schüler geweckt wurde, muss ausgearbeitet werden, welches Element näher untersucht werden soll, da sich nicht alle Aspekte gleichermaßen behandeln lassen. Die nächste Phase fordert von den Schülern, dass sie erste Hypothesen über die Lösung des Problems aufstellen. So soll ein erster Denkprozess angeregt werden und es ist hinterher möglich einen Vergleich zwischen Hypothese und tatsächlichem Ergebnis anzustellen. In Schritt vier müssen die aufgestellten Hypothesen geprüft werden, indem sich die Schüler Materialien und Informationen beschaffen, um dem Problem auf den Grund zu gehen. Dabei können die Schüler unterschiedlich arbeiten und verschiedene Methoden anwenden. Eventuell stellen sich den Schülern dabei neue Fragen, die wichtig für die Beantwortung der Ausgangsfrage sind. Die letzte Phase wird zur Bewertung der Ergebnisse genutzt. Es ist gut möglich, dass die Schüler hier mehrere Antwortmöglichkeiten für die Ausgangsfrage haben. Dann müssen sie ihre Möglichkeiten bewerten und abwägen, welche Antwort am plausibelsten ist (vgl. Gundjons, 2007, 95 f.).

2.4 Formen des entdeckenden Lernens

Beim entdeckenden Lernen gibt es verschiedene Tätigkeiten, die von den Schülern ausgeübt werden. U. Hameyer hat vier verschiedene Formen des entdeckenden Lernens aufgestellt. Zunächst beschreibt er den Entdeckungsprozess als eine explorative Tätigkeit. Dabei ist die Hauptaufgabe, dass die Schüler für sich selbst eine Strategie zur Bewältigung der Aufgabe „entdecken“. In diesem Prozess konzentrieren sie sich sehr auf ihre Vorgehensweise und können so nachvollziehen, welche Strategie für sie die beste ist. Die Rolle des Lehrers ist eher sekundär. Der Pädagoge hat die Aufgabe die Lerner bei Fragen zu unterstützen und ihnen Anlässe zu geben ihre Zwischenstände vorzustellen, um die Arbeit positiv zu verstärken. Jedoch sollte er den Schülern keine Strategie vorgeben (vgl. Hameyer, 2002, 28f.).

Als zweite Form sieht Hameyer das Entdecken als reflexive Tätigkeit. „Sie bezieht sich auf den Umgang mit dem entdeckten Wissen und auf die Methode seiner Aneignung“ (Hameyer, 2001, 29). Demnach muss der Schüler seine angewandte Strategie bewerten und eventuell verändern. So überprüft er, ob das erlangte Wissen mit der richtigen Strategie gewonnen wurde. Bei dieser Form hat der Lehrer eine Hilfsfunktion. Er ist dafür zuständig, dass die Klasse sich z.B. untereinander austauscht. So können die Schüler die Ideen und Vorgehensweisen anderer Schüler kennen lernen und gegebenenfalls ihre eigene Strategie überdenken (vgl. Hameyer, 2002, 29.ff.).


[1] Während dieser Arbeit wird das Wort „Schüler“ verwendet, das sowohl Schüler als auch Schülerinnen bezeichnet. Ebenso verhält es sich mit den Begriffen „Lehrer“ und „Lerner“.

Ende der Leseprobe aus 197 Seiten

Details

Titel
Forschendes Lernen als ein didaktisches Konzept zur Förderung der Selbstregulation und unterschiedlicher Lernstile
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
197
Katalognummer
V318838
ISBN (eBook)
9783668208025
ISBN (Buch)
9783668208032
Dateigröße
37694 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit umfasst 61 Seiten Haupttext. Sie enthält zudem einen umfangreichen Anhang mit Analysen und Interviewtranskripten.
Schlagworte
forschendes, lernen, konzept, förderung, selbstregulation, lernstile
Arbeit zitieren
Svenja Lehmann (Autor:in), 2015, Forschendes Lernen als ein didaktisches Konzept zur Förderung der Selbstregulation und unterschiedlicher Lernstile, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/318838

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