Effizienz als Verfassungsprinzip. Inwieweit ist eine Verpflichtung zu effizientem Handeln bereits im deutschen Grundgesetz vorgeschrieben?


Term Paper, 2015

19 Pages

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Inhaltsverzeichnis

I. Die Ökonomische Analyse des Rechts

II. Definition des Effizienzbegriffes
1. Der ökonomische Effizienzbegriff
2. Der juristische Effizienzbegriff

III. Das deutsche Grundgesetz

IV. Effizienzvorgaben im Grundgesetz
1. Ableitung aus Verfassungsprinzipien
a) Aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1 und 3 GG
b) Aus dem Sozialstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG
c) Rationalität und Verhältnismäßigkeit
d) Das umweltrechtliche Nachhaltigkeitsgebot, Art. 20a GG
2. Das haushaltsrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot, Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG
3. Ableitung aus den Grundrechten
a) Die abgabenrechtlich-relevanten Grundrechte, Art. 2 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip
b) Der Gleichheitssatz als allgemeines Sachlichkeitsgebot, Art. 3 Abs. 1 GG
c) Das teilhaberechtliche Kapazitätsausschöpfungsgebot
4. Im legislativen Bereich
5. Im Staatsorganisationsrecht
a) Kompetenzbündelung zur Effizienzsteigerung
b) Funktionsfähigkeit der Parlamente
c) Föderalismus und Selbstverwaltung, Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2 GG
6. Unionsrecht

V. Fazit

Literaturverzeichnis

I. Die Ökonomische Analyse des Rechts

Ausgehend vom individuellen Verhaltensmodell des homo oeconomicus[1] verhalten sich Individuen grundsätzlich zweckrational, eigennutzorientiert und nutzenmaximierend. Zwischen mehreren Handlungsoptionen wird sich der homo oeconomicus für diejenige entscheiden, die ihm bei geringstem Einsatz von aufgewendeten Mitteln den größten Nutzen verspricht, mithin für die subjektiv effizienteste Option. Dabei bestimmen die Individuen ihre Präferenzen selbstständig und autonom. Es handelt sich dabei um eine rein positive Feststellung, die sich jeder normativen Wertung enthält.[2]

In einer Welt mit grundsätzlich knappen Ressourcen führt dieses individualnutzenmaximierende Verhalten jedoch unweigerlich zu sozialen Knappheitslagen. Das Verhalten der Individuen infolge veränderter Umstände, versucht die ökonomische Analyse vorherzusehen, zu analysieren und zu bewerten, wobei mit ihrer Hilfe eine Lösung der jeweiligen Knappheitslage angesteuert wird. Mithilfe des Modells der isolierten Abstraktion, in der jeweils nur ein variabler Faktor existiert unter sonstiger Konstanz der anderen Faktoren, können so praxistaugliche Verhaltensprognosen entwickelt werden.

Diese Methode macht sich auch die ökonomische Analyse des Rechts zu Eigen. Nach dem Normverständnis des homo oeconomicus ist die Verbindlichkeit einer Rechtsnorm untrennbar verknüpft mit der Existenz, Höhe und Durchsetzungswahrscheinlichkeit einer Sanktion.[3] Die Sanktion verteuert die vorher als günstig angesehene Handlungsalternative, was ab einem gewissen Grad zu einer Umorientierung führt. Somit kann durch eine an der Ökonomik orientierten Rechtssetzung eine verhaltenssteuernde Wirkung erzeugt werden. Dass sich das individuelle Verhalten an der Effizienz orientiert, macht deutlich, dass Effizienz eine wesentliche Säule der ökonomischen Analyse ist.

II. Definition des Effizienzbegriffes

1. Der ökonomische Effizienzbegriff

Der ökonomische Effizienzbegriff orientiert sich zuvorderst an dem günstigsten Verhältnis einer Nutzen/Kosten-Relation. Effizient ist eine Maßnahme grundsätzlich, wenn der aus ihr gezogene Erfolg (Nutzen/Ziel) größer ist als die eingesetzten Mittel (Kosten/Ressourcen). Die effizienteste Maßnahme ist demnach diejenige, bei der die Differenz bzw. der Quotient aus diesem Input/Output-Verhältnis der maximale ist.[4]

In formaler Hinsicht lassen sich danach das Minimal- und das Maximalprinzip ausmachen. Während beim Minimalprinzip ein vorgegebenes Ziel mit möglichst geringem Ressourceneinsatz erreicht werden soll, soll beim Maximalprinzip bei vorgegebenem Ressourceneinsatz das Ziel in besonders hohem Maße erreicht werden.[5]

Nicht deckungsgleich hingegen ist der Begriff der Effizienz mit dem der Effektivität. Denn Effektivität meint allein den Zielerreichungsgrad, sie schaut nur auf das Maß der Verwirklichung des angestrebten Zustands ohne dabei auf den Mitteleinsatz (Kosten/Ressourcen) abzustellen.[6]

Effizienz hingegen verliert die Beziehung zwischen Zweck und Mittel nie aus den Augen, sondern erhebt gerade diese Untersuchung zu ihrem Programm. Zwischen mehreren Handlungsalternativen ist ihr zufolge diejenige anzustreben, die bei geringstem Mitteleinsatz den größten Nutzen erzielen kann, also bei dem das mögliche Optimum der Gestaltung erreicht wird. Zwingend geht damit auch das Gebot der Verschwendungsfreiheit von grundsätzlich knappen Ressourcen einher.

Dabei sagt Effizienz jedoch noch nichts darüber aus, was optimiert werden soll, sondern nur, dass optimiert werden soll. Effizienz ist damit ein inhaltlich offenes Prinzip, das nur einen formalen Mechanismus zur Optimierung der Zielerreichung beschreibt.[7] Welche Ziele erreicht werden sollen und welche Gewichtung diese Ziele untereinander besitzen, bleibt zwingende Vorfrage der ökonomischen Analyse.

Das Effizienzprinzip bietet somit (lediglich) eine Denkmethode zur rationalen, d.h. vernunftgestützten Bewältigung sozialer Knappheitslagen.[8]

Einen normativen Schritt weiter geht demgegenüber das wohlfahrtsökonomische Effizienzprinzip, das auf eine Steigerung des gesamtgesellschaftlichen Nutzens als selbstständiges Ziel staatlichen Handelns abzielt. Dabei ergibt sich der gesamtgesellschaftliche Nutzen aus der Aggregation der Individualnutzen.[9] Der Staat wird danach angehalten sein gesamtes Handeln, insbesondere die Ausgestaltung der Rechtsordnung, an dem Ziel einer effizienten Ressourcenallokation auszurichten: Mit den gegebenen Mitteln ist ein Maximum an Bedürfnissen der Gesellschaftsmitglieder zu befriedigen.[10] Zugleich ist er angehalten, zur Erreichung eines bestimmten Ziels (auch der Befriedigung bestimmter Präferenzen) den geringsten Mitteleinsatz aufzuwenden, denn sollten mehr Mittel bei der Zielerreichung „verschwendet“ werden als erforderlich ist, fehlen diese Mittel bei der Befriedigung der Bedürfnisse anderer Gesellschaftsmitglieder, was mithin ineffizient ist.

Nur am Rande kann hier darauf eingegangen werden, wann eine wohlfahrtsökonomischen Gemeinwohlsteigerung vorliegt, so wie eine solche von Vilfredo Pareto (1848-1923) und Nicholas Kaldor (1908-1986) zusammen mit John Richard Hicks (1904-1989) definiert wurde.[11]

Nach dem sog. Pareto-Kriterium liegt eine gesellschaftlich optimale Ressourcenverteilung vor, wenn kein Individuum besser gestellt werden kann, ohne dass zugleich ein anderes Individuum schlechter gestellt wird. Dieser Zustand sei dann pareto-optimal. Als universelles Entscheidungskriterium zur Bewertung sozialer Zustände leidet das Pareto-Kriterium doch an mangelnder Praxistauglichkeit für die staatliche Wirtschafts- und Rechtspolitik, da von politischen Entscheidungen und auch von gesetzten Rechtsnormen regelmäßig eine Vielzahl von Individuen betroffen sind und die Erreichung pareto-optimaler Zustände daher regelmäßig unrealistisch ist.

Praxistauglicher erscheint daher das Kaldor/Hicks-Kriterium, dass es auch erlaubt, wenn ein Individuum schlechter gestellt wird, der Vorteil für die Gewinner jedoch so groß ist, dass sie den Verlust der Verlierer kompensieren könnten und ihnen noch ein Restvorteil verbleibt.

Beide Kriterien zeichnen sich in ihrer Anwendbarkeit zumindest dadurch aus, dass sie ohne eine kardinale Nutzenmessung und ohne interpersonelle Nutzenvergleiche auskommen. Es genügt jeweils eine ordinale Präferenzfolge der Individuen.[12] In der wirtschaftspolitischen Praxis werden die Vor- und Nachteile innerhalb der Kosten/Nutzen-Analyse jedoch regelmäßig in monetären Größen gemessen.

2. Der juristische Effizienzbegriff

Einen feststehenden juristischen Effizienzbegriff gibt es hingegen nicht.[13] Eine Orientierung erfolgt jedoch am ökonomischen Begriffsverständnis, mithin einer positiven Nutzen/Kosten-Relation, wobei positiv eine Differenz bzw. einen Quotienten von größer als 1 meint (ansonsten wäre die Maßnahme nicht effizient, sondern allenfalls neutral/kostendeckend). Auch anerkannt ist die Bezugnahme auf das Minimal- und das Maximalprinzip. Mithin wird Effizienz als ein optimales Zweck/Mittel-Verhältnis verstanden. Vereinzelt wird daher der Begriff der Wirtschaftlichkeit im weiten Sinne angeführt.[14] Darüber hinaus formuliert Leisner zielunabhängige Effizienz z.B. im optimalen Funktionieren einer bestimmten Organisation bzw. Institution (Organisationseffizienz).[15] Nachfolgend wird das juristische Begriffsverständnis umfassend aufgegriffen, um Effizienzverankerungen im Grundgesetz zu verorten. Dabei soll auch der oben angeführte wohlfahrtsökonomische Effizienzbegriff Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung sein.

III. Das deutsche Grundgesetz

Für das Verständnis der These „Effizienz als Verfassungsprinzip“ ist es notwendig, zunächst einen allgemeinen Überblick über die Bedeutung des deutschen Grundgesetzes zu erlangen und auch darüber, welche Auswirkungen ein Verfassungsprinzip entfalten kann.

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland konstituiert mit den klassischen Freiheits- und Abwehrgrundrechten verbunden mit den Verfassungsprinzipien eine objektive Werteordnung.[16] Die Inhalte dieser Werteordnung durchziehen als verfassungsrechtliche Grundsätze das gesamte deutsche Recht und erlangen durch die zwingende Einbindung bei der Setzung, Auslegung und Anwendung einfachen Rechts eine andauernde Bedeutung.

Bei den Verfassungsprinzipien handelt es sich um zentrale Normen des Grundgesetzes, ohne dass diese eine Rechtsfolge vorausbestimmen. Sie definieren zumeist Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen, die im Wege eines Optimierungsgebotes erreicht werden sollen.[17] Dabei setzen sie einen allgemeinen objektiven Maßstab, dem für die weitere Anwendung und auch Zielsetzung des Rechts eine Steuerungsfunktion zukommt.[18]

[...]


[1] Konzipiert als Wirklichkeitsabbild des Menschen von David Ricardo (1722-1823), heute als Modellcharakter eine fundamentale Annahme der positiven Mikroökonomik.

[2] Vgl. zum homo oeconomicus: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 28 ff.

[3] Lieth, Die ökonomische Analyse des Rechts, S. 60 f.

[4] so auch: Gawel, Ökonomische Effizienzforderungen und ihre juristische Rezeption, S. 11.

[5] V. Armin, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, S. 19 f.

[6] Martini, Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, S. 199.

[7] Martini, Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, S. 200.

[8] Gawel, Ökonomische Effizienzforderungen und ihre juristische Rezeption, S. 17.

[9] Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 47 f.

[10] Martini, Markt als Instrument hoheitlicher Verteilungslenkung, S. 200.

[11] Vgl. zu beiden: Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 48 ff.

[12] Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 52.

[13] Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 6 ff.; Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 55.

[14] Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 55; vgl. auch § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 S. 1 BHO.

[15] Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 7 f.

[16] BVerfGE 7, 198 (205) = NJW 1958, 97; BVerfGE 49, 89 (141 f.); 56, 54 (73).

[17] Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 463.

[18] Vgl. zur umfassenden Definition: Reimer, Verfassungsprinzipien, S. 249 ff.

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Details

Title
Effizienz als Verfassungsprinzip. Inwieweit ist eine Verpflichtung zu effizientem Handeln bereits im deutschen Grundgesetz vorgeschrieben?
Year
2015
Pages
19
Catalog Number
V319115
ISBN (eBook)
9783668183995
ISBN (Book)
9783668184008
File size
494 KB
Language
German
Keywords
Effizienz, Verfassung, effizientes Handeln
Quote paper
Anonymous, 2015, Effizienz als Verfassungsprinzip. Inwieweit ist eine Verpflichtung zu effizientem Handeln bereits im deutschen Grundgesetz vorgeschrieben?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319115

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