Das Fremdwörterbuch umschreibt den aus dem Lateinischen stammenden Begriff Sozialisation mit den folgenden Worten: „Prozeß der Einordnung des einzelnen in die Gemeinschaft“. Was mich im folgenden interessiert, ist die Frage, wie einzelner und Gemeinschaft zueinander in Beziehung stehen, beziehungsweise gesetzt werden, und in welcher Weise Pädagogik und Medien in dieser Beziehung eine Rolle spielen. Der Begriff Sozialisation hat im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Theorien verschiedene und teilweise widersprüchliche Bedeutungen erhalten. So schreibt Dieter Geulen, dass beispielsweise unter dem Einfluss des amerikanischen Struktur-Funktionalismus Sozialisation lange Zeit als Anpassung des Menschen an die ihn umgebende Gesellschaft beziehungsweise als Verinnerlichung der jeweils herrschenden Werte, Normen, Rollen verstanden wurde. Da in dieser Definition das Subjekt als passives verstanden wird und auch das Sozialisationsziel ein recht eng definiertes ist, das den einzelnen wenig Spielraum lässt, hat sich in neueren Theorien ein Verständnis von Sozialisation durchgesetzt, das diese als eine „komplexe Wechselwirkung“ versteht, „in der das Subjekt selbst aktiv beteiligt ist und in der es sich auch zu einem individuellen bildet (Geulen)“. Dabei werden alle Einflüsse und Bedingungen, also die gesamte Lebenswelt des Individuums, als sozialisierend betrachtet. Meine These, die ich im Folgenden versuchen werde zu belegen ist, dass diese Lebenswelt niemals unmittelbar, sondern nur medial wahrgenommen werden kann. Es wird mir ausserdem darum gehen zu zeigen, dass Medien niemals die Wirklichkeit abbilden, sondern eine bestimmte Perspektive davon; Medien erschaffen eine eigene Wirklichkeit. Selbst das dokumentarische Bild enthält nicht die sogenannte Wahrheit. In Anlehnung an René Magritte ist das, was wir beispielsweise im Fernsehen anschauen nicht das Ereignis selbst, sondern ein Bild von dem Ereignis. Unsere Wahrnehmung ist somit, genau wie unsere Lebenswelt, eine bereits kultivierte und gesellschaftlich strukturierte. Seeing is believing, also glauben und nicht wissen. Das Bild, auch das dokumentarische, enthält eben nicht die Wirklichkeit, sondern höchstens einen Ausschnitt aus ihr. Dieses Wissen über die Künstlichkeit der Bilder ist einer der wichtigsten Punkte, der von der Medienpädagogik vermittelt werden muss. Dass sich die Medienlandschaft in den letzten Jahrzehnten gravierend verändert hat, muss auch zu einem neuen Verständnis von Bildung führen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Medien und die Suche nach Wahrheit...
- Virtuelle Realität..
- Das Sprechen des Spiegels …………….
- Lacans Spiegelstadium und der Schritt ins Symbolische.....
- Subversion durch Bilder..
- Kreativität und Chaos....
- Reality is here.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Autorin analysiert die Rolle von Medien in Bildungsprozessen und argumentiert, dass Medien nicht die Wirklichkeit abbilden, sondern eine eigene Wirklichkeit erschaffen. Sie untersucht die Bedeutung von Medien für die Sozialisation des Individuums und beleuchtet den Einfluss der neuen Medien auf das Verständnis von Realität und Spiel.
- Die Bedeutung von Medien für die Sozialisation
- Das Verhältnis von Medien und Wirklichkeit
- Die Rolle der Medienpädagogik in der heutigen Zeit
- Die Auswirkungen virtueller Realitäten auf die Entwicklung von Jugendlichen
- Die Suche nach Wahrheit und die Ambivalenz der menschlichen Freiheit
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Autorin führt in das Thema ein und erläutert die Bedeutung der Sozialisation und die Rolle der Medien in diesem Prozess. Sie stellt die These auf, dass die Lebenswelt des Individuums nur medial wahrgenommen werden kann und dass Medien eine eigene Wirklichkeit erschaffen. Sie betont die Notwendigkeit einer neuen Medienpädagogik, die die Künstlichkeit der Bilder vermittelt und die Grenzen zwischen privater und gesellschaftlicher Sphäre im Kontext der neuen Medien reflektiert.
Medien und die Suche nach Wahrheit...
In diesem Kapitel argumentiert die Autorin, dass die Unterscheidung zwischen »wirklicher Realität« und »virtueller Realität« problematisch ist, da alles, was wir wahrnehmen, bereits kulturell geprägt ist. Sie stellt die These auf, dass menschliche Lebensformen immer schon soziale Konstrukte sind und dass es keinen objektiven Bezugspunkt für Wahrheit gibt. Sie beleuchtet die Ambivalenz der menschlichen Freiheit und den Wunsch nach Sicherheit und Gewissheit, der die Suche nach Wahrheit antreibt.
Virtuelle Realität..
Das Kapitel befasst sich mit der Frage nach dem Umgang von Jugendlichen mit virtuellen Realitäten. Die Autorin kritisiert die Tendenz, virtuelle Realitäten als schädlich für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu betrachten und stellt die Bedeutung des Spiels und der emotionalen Involvierung in den Vordergrund. Sie analysiert die Verwirrung, die entsteht, wenn die Grenzen zwischen Realität und Spiel verschwimmen und bezieht sich dabei auf den Film »eXistenZ« von David Cronenberg.
Schlüsselwörter
Sozialisation, Medien, Bildung, Wirklichkeit, virtuelle Realität, Spiel, Wahrheit, Freiheit, Medienpädagogik, Kultur, Symbol, Ich-Bildung
- Citation du texte
- Ann-Kathrin Keller (Auteur), 2002, Bildung im Spiegel: Pädagogik und die Medien aus Sicht der Psychoanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31942