Der schwedische Soziologe Richard Swedberg hat in seiner Publikation „The Art of Social Theory“ (2014) Methoden der soziologischen Erkenntnisgewinnung reflektiert. Swedberg appelliert an angehende Soziologen, sich bei der Produktion von gesellschaftlich relevantem Wissen, nicht bloß auf konventionelle Methoden der Erkenntnisbildung zu beschränken. So können (benebst konventioneller schriftlicher und sprachlicher Quellen) Fiktionen, Filme, Fotographien, mathematische Modelle oder gar Träume und Gerüchte jeweils legitime Medien darstellen. Ferner spricht er eine Empfehlung aus, den Forschungsfokus auf jene Dinge zu legen, die einem interessant oder ungewöhnlich erscheinen und zu diesem Untersuchungsgegenstand – aus allen potenziellen Quellen – relevante Informationen zu sammeln. Die vorliegende Arbeit ist von dieser Idee beeinflusst.
Geboren in der Sowjetunion und aufgewachsen in einem Netz russischstämmiger sozialer Beziehungen, kam ich früh in Berührung mit den Eigenheiten jener Kultur. So trifft sich die Verwandtschaft in geregeltem Maße, an religiösen Feiertagen sowie an Silvester zusammen, um ebendiese in geselliger Runde zu zelebrieren. Aus diesen Anlässen arbeiten die Frauen an der Zubereitung der Speisen. Männer sind (aus Sicht eines Knaben) in den Küchen nicht willkommen. Während des üppigen Festmahls steigt die Stimmung mit jeder verstreichenden Stunde, was wiederum stark mit der Anzahl konsumierter Spirituosen korreliert. Im Hintergrund des Geschehens und zunächst latent, als die Konzentration beim Verzehr der Speisen liegt, läuft ein Fernsehapparat, der an solchen Tagen immer die beliebtesten Filme im Abendprogramm hat.
Sieht man als Kind diese Filme zum ersten Mal, so stellt man fest, dass man etliche Redewendungen daraus bereits (kontextgerecht) im normalen Sprachgebrauch der Menschen gehört hat. Es ist davon auszugehen, dass jede moderne Kultur Filme hervorgebracht hat, die im kollektiven Gedächtnis ihrer Völker verankert sind. In dieser Arbeit werden jeweils drei solcher Filmbeispiele aus dem russisch- sowie dem deutschsprachigen Raum beleuchtet. Unter dem Gesichtspunkt, dass Filme den alltäglichen Sprachgebrauch zu alterieren vermögen, ist es Anliegen dieser Arbeit zu untersuchen, inwiefern das Medium des Films ebenso Umgangsformen der Geschlechter in Hinblick auf Aufbereitung und Konsum von Speisen beeinflussen kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Einfluss und Absicht
- Methode - Filmanalyse mit theoretischer Brille
- Datenmaterial - Auswahl und Kontextualisierung
- Film 1: „Ein Herz und eine Seele: Silvesterpunsch“
- Film 2:,,Pappa ante Portas“
- Film 3:,,Kein Pardon“
- Film 4:,,Ironie des Schicksals“
- Film 5:,,Bahnhof für Zwei“
- Film 6:,,Moskau glaubt den Tränen nicht“
- Analyse - Empirie und Theorie
- Männer als Köche
- Paare und Essen
- Prioritäten der Hausfrau
- Die männliche Dominanz
- Spirituosen und Status
- Fazit - Verdichtung und Vernetzung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht, inwiefern das Medium des Films Umgangsformen der Geschlechter in Hinblick auf die Aufbereitung und den Konsum von Speisen beeinflusst. Dazu werden drei Filmbeispiele aus dem russisch- und dem deutschsprachigen Raum analysiert.
- Der Einfluss von Filmen auf den alltäglichen Sprachgebrauch
- Die Rolle von Essen als Vermittlungsmedium für Geschlechterrollen
- Die Bedeutung von Filmen als Spiegelbild unserer Gesellschaft
- Die Interaktion von Männern und Frauen in Koch- und Essensituationen
- Kulturelle Semantiken geschlechtlicher Stereotypen in Filmen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung erläutert die Absicht und den Einfluss des Forschungsprojekts. Sie verweist auf die Idee Richard Swedbergs, fiktionale Medien zur soziologischen Erkenntnisgewinnung zu nutzen und auf die Bedeutung von Filmen als Spiegelbild kultureller Gepflogenheiten. Das zweite Kapitel beschreibt die Methode der Filmanalyse. Dabei werden die ethnographische Forschung und die Medienwissenschaft einbezogen. Die Arbeit greift auf empirische Befunde von Jean-Claude Kauffmann und Erving Goffman zurück, um die Interaktion der Geschlechter im Kontext von Essen zu analysieren. Das dritte Kapitel stellt die sechs Filmklassiker vor, die im Rahmen der Arbeit untersucht werden. Für jeden Film werden relevante Einstellungen kontextualisiert, die die Interaktion der Geschlechter in Bezug auf Kochen und Essen illustrieren.
Schlüsselwörter
Filmanalyse, Gender, Essen, Kultur, Geschlechterrollen, Interaktion, Komödie, Ethnographie, Medienwissenschaft, Filmbeispiele, Russland, Deutschland.
- Quote paper
- Frank Harper (Author), 2015, Food und Gender im Film. Inwiefern nehmen filmische Darstellungen Einfluss auf reale Lebenslagen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319435