Leseprobe
In den letzten Jahrzehnten entbrannte aufgrund des medizinischen Fortschritts die Debatte immer wieder aufs neue, ob und in welchen Fällen die Tötung eine Menschen gerechtfertigt sei. Dabei stach besonders ein Philosoph hervor, der in aller Munde ist und mit seinen Extremposition die Menschen schockierte und polarisierte. Die Behinderten-Organisation „Not Dead Yet“ soll ihn aufgrund seines Gedankenguts zum gefährlichsten Mann auf Erden erklärt haben.1 Es ist dabei von keinem geringeren die Rede, als von Peter Singer.
Ihm werden aufgrund seines 1984 erschienen Werkes „Praktische Ethik“ vielfältige Anschuldigungen vorgeworfen, die von der Legitimierung der Euthanasie während der NS-Zeit, bis hin zur Gleichsetzung von Säuglingen als Nicht-Personen und somit deren gerechtfertigte Tötung, reichen. Die ausgelösten Skandale führten zu Protesten und Absagungen von Veranstaltungen, bei denen Singer vorsprechen sollte, so wie der erst kürzlich verhinderte Auftritt am 31. Mai in Köln. Demnach reduzierten sich die möglichen Gelegenheiten seinen Standpunkt mit ihm gemeinsam öffentlich zu erörtern. 2001 äußerte er dem Spiegel, „Das, wovon ich spreche, geschieht ja längst, in jedem größeren Krankenhaus und jeder Großstadt in der entwickelten Welt. Es gibt Fälle, in denen man entscheidet, dass die Lebensqualität von jemandem, der nie wieder zu Bewusstsein kommen wird, nicht wert ist, erhalten zu werden. Oder dass es besser ist, ein Kind ohne eine bestimmte schwere Krankheit zu haben als eines mit dieser Krankheit. Wir fällen längst Urteile auf der Basis von der Bewertung von Lebens- qualität. Ich plädiere nur dafür, dass wir auch offen darüber reden sollten.“2
Ich bringe Singer Respekt dafür entgegen, dass er eine Gedankengänge direkt äußert, unabhängig von der Meinung der breiten Bevölkerungsmasse . Er spricht somit an, was faktisch in dieser Welt passiert und wovor viele versuchen, die Augen ignorierend zu verschließen. Wenn ich mir die Freiheit der Interpretation nehmen darf, würde ich sagen, dass viele, seine öffentlichen Auftritte gefährdenden Leute, angstwegen versuchen, ihn zu boykottieren. Es herrscht Angst vor seinen faktischen Feststellung und deren Begründungsversuchen. Diese Aussage entspricht jedoch nur meinem persönlichen Blickwinkel, die wahren Beweggründe können dabei ganz anderer Natur sein.
In der vorliegenden Arbeit möchte ich deshalb kritisch hinterfragen, mit welchen Mitteln Peter Singer seine Position, der legitimen Tötung von Ungeborenen sowie behinderten Säugling, rechtfertigt, speziell im Hinblick auf die Früheuthanasie und Abtreibung. Bei meinen Recherchen hat sich gezeigt, dass wenn man die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche und Früheuthanasie führen möchte, man unweigerlich bei der Grundlagendiskussion beginnen muss, was den Utilitarismus ausmacht und welche Wesen von Singer überhaupt in ein Tötungsverbot eingeschlossen werden und wie er, in dem Zitat erwähnt, Lebensqualität bewertet.
Bevor ich jedoch damit beginne, werde ich kurz den Utilitarismus als moralische Theorie darlegen, um das Fundament aufzuzeigen, auf dem Singer als Utilitarist baut. Dies dient einem groben Überblick in der zugrunde liegenden Materie, in der sich Peter Singer bewegt und der Klärung später verwendeter Begriffe.
Der klassische Utilitarismus liefert als normative Theorie, moralische Bewertungen von Handlungen. Das Grundprinzip lautet, man solle immer so handeln, dass das größte Glück der größten Zahl entsteht. Detaillierter könnte man auch sagen, „Moralisch richtig ist diejenige Handlung, die, verglichen mit dem einem Akteur in einer Situation offenstehenden Handlungsalternativen , die größte Summe an Wert für die von seiner Handlung betroffenen hervorbringen würde.“ 3 Folglich wären alle Handlungen die keine Maximierung an Wert erzielen moralisch falsch und demnach zu unterlassen.
Der Utilitarismus wird dabei dem Konsequentialismus zugerechnet, sodass die Richtigkeit und Falschheit einer Handlung ausschließlich von ihren Handlungsfolgen abhängen. Dabei stellt sich die Frage, welche moralische Folgen alle zu berücksichtigen sind. Relevant sind dabei alle von der Handlung betroffenen, empfindungsfähigen Wesen. Hier wird bewusst das Wort Wesen, anstatt Mensch gewählt, da Tiere mit ihrer Empfindungs- und Leidensfähigkeit ebenfalls dazu gezählt werden. Wohlergehen ist dabei eine zentrale Vorstellung des Maßes, weil es von Mensch, sowie Tier angestrebt wird. Wichtig ist dabei, dass diese Theorie als universalistisch bezeichnet wird, da sie, wie schon erwähnt, alle beteiligten Wesen berücksichtigt und zudem unparteilich argumentiert, indem sie jeden gleich zählt, um niemanden zu bevorzugen.
Grundlage sind hierbei die von Jeremy Bentham eingeführten, theoretischen Glückseinheiten, um Freude und Leid messbar zu machen. Das ist eine quantitative Erfassung des Empfundenem, wobei Wahrnehmung beziehungsweise die Zuordnung subjektiv erfolgt. Dem entgegen hat John Stuart Mill die qualitative Seite des Utilitarismus hervorgehoben, mit der Begründung, dass die Quantität allein keine Wertbestimmung der Dinge ausmache. Diese nur theoretische Messung und praktisch nicht mögliche Berechnung, ist eine der größten Kritiken an der Moraltheorie. Des weiteren wird vorgeworfen, dass niemand alle Folgen einer Handlung, sowie alle dazugehörigen Handlungsalternativen überschauen könne.
Eine Modifikation des Utilitarismus, stellt der Präferenzutilitarismus dar, wichtigster Vertreter ist Peter Singer. In seinem Fall stehen die Maximierung der Wünsche und Präferenzen aller von der Handlung Betroffenen im Vordergrund. Als Erklärung dafür, dass Singer diesen bevorzugt, nennt Birnbacher das Recht auf Achtung. In Zuge dessen, zollt man ihnen durch die Berücksichtigung der Wünsche von Personen und bestenfalls deren Erfüllung, Achtung.4
Bezüglich des Tötungsverbotes kennt der Utilitarismus fünf allgemeine Gründe, auf die ich kurz eingehen will, weil sie das theoretische Herzstück der Auseinandersetzungen darstellen. Birnbacher hat eben genannte kompakt und leicht verständlich in seiner Schrift dargeboten. Als ersten Grund führt er den Punkt der Lebensqualität an, da man Töten im Normalfall auch als Lebensverkürzung eines bewusstseinsfähigen Wesens, welches sein eigenes Leben nicht als dauerhaft unerträglich empfindet, werten könnte.5 Laut dem Utilitarismus enthält das Leben, nur biologisch betrachtet, keinen in ihm enthaltenen Wert. Es kann nur einen schutzwürdigen Extrinsischen zugeschrieben bekommen, der durch die Qualität ausgedrückt wird. Folglich ist Leben, solange es dauerhaft erträglich ist, zu beschützen. Zweites Argument weist auf den extrinsischen Wert hin, nämlich dass Angehörige durch den Tod Leid erfahren .Dies als alleinigen Grund anzuführen wird, ebenfalls wie den ersten, als schwacher Grund bezeichnet. Die größte Gewichtung liegt auf dem dritt genannten Grund, der die Unsicherheits- und Angstauslöung, im Falle einer Tötung, in der Gesellschaft bewirkt.
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1 Vgl. http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/gespraech-mit-peter-singer-nicht alles-leben-ist-heilig-a-169604.html.
2 Ebd.
3 Löhrer, Guido, Skript zur Einführung in die Praktische Philosophie, Erfurt 2013, S. 4.
4 Birnbacher, Dieter, Bioethik zwischen Natur und Interesse, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006, S. 176.
5 Ebd., S.178.