Neue Strukturen und Targets für beta-Laktamase-Inhibitoren


Doktorarbeit / Dissertation, 2004

111 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Die ß-Laktam-Antibiotika
1.1.1. Penicilline (Pename)
1.1.2. Cephalosporine (Cepheme)
1.1.3. Carbapeneme
1.1.4. Monobaktame
1.1.5. ß-Laktamase-Inhibitoren
1.2. Wirkungsweise von ß-Laktam-Antibiotika
1.2.1. Der Aufbau der bakteriellen Zellwand
1.2.2. Die Angriffspunkte der ß-Laktam-Antibiotika
1.3. ß-Laktamasen
1.3.1. ß-Laktamasen der Gruppe 1
1.3.1.1. Chromosomale, nicht induzierbare AmpC-ß-Laktamasen
1.3.1.2. Chromosomale, induzierbare AmpC-ß-Laktamasen
1.3.1.3. Plasmid-kodierte AmpC-ß-Laktamasen
1.3.2. ß-Laktamasen der Gruppe 2
1.3.3. ß-Laktamasen der Gruppen 3 und 4
1.4. Regulation der ß-Laktamase-Expression
1.4.1. Die ß-Laktamase-Expression bei C. freundii und E. cloacae
1.4.2. Das AmpR-Protein
1.5. Zielsetzung der Arbeit

2. Material und Methoden
2.1. Material
2.1.1. Bakterienstämme
2.1.2. Enzyme
2.1.3. Plasmide
2.1.4. Oligonukleotide
2.1.5. DNA- und Protein-Marker
2.1.6. Chemikalien
2.1.7. Nährmedien und Antibiotika
2.1.8. Häufig verwendete Puffer und Lösungen
2.1.9. Geräte und Verbrauchsmaterialien
2.1.10. Computer-Software
2.2. Methoden
2.2.1. Mikrobiologische Methoden
2.2.1.1. Anzucht von Bakterien
2.2.1.2. Herstellung CaCl2-kompetenter E. coli-Zellen
2.2.1.3. Calciumchlorid-Transformation von E. coli-Zellen
2.2.2. Molekulargenetische Arbeiten
2.2.2.1. Isolation von Plasmid-DNA aus E. coli
2.2.2.1.1. Plasmid-Schnellpräparation (GOODE UND FEINSTEIN, 1992)
2.2.2.2. Agarose-Gelelektrophorese
2.2.2.3. Rückgewinnung von DNA aus Agarosegelen
2.2.2.4. Restriktion und Modifikation von DNA
2.2.2.5. Sequenzanalyse von DNA
2.2.2.6. Amplifikation von DNA mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
2.2.3. Proteinchemische Methoden
2.2.3.1. Expression des AmpR-Proteins als Fusionsprotein
2.2.3.2. Expression des AmpR-Proteins ohne Fusionsanteile
2.2.3.3. Quantitative Proteinbestimmung nach BRADFORD (1976)
2.2.3.4. Quantitative Proteinbestimmung mittels BCA-Assay
2.2.3.5. Quantitative Proteinbestimmung mittels UV-Photometrie
2.2.3.6. Analyse von Proteinen mittels SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE)
2.2.3.7. Transfer von Proteinen auf Membrane („Western Blotting“)
2.2.3.8. Isolierung von Inclusion Bodies
2.2.3.9. Aufreinigung des AmpR Proteins
2.2.3.9.1. DNA-Affinitätschromatographie
2.2.3.9.2. Heparin-Affinitätschromatographie
2.2.3.9.3. Größenausschlußchromatographie (Gelfiltration)
2.2.3.10. Aufreinigung des NusA-AmpR Fusionsproteins
2.2.3.10.1. Metallchelat-Affinitätschromatographie
2.2.3.10.2. Größenausschlusschromatographie (Gelfiltration)
2.2.3.10.3. Thrombin-Spaltung von gereinigtem NusA/AmpR-Protein
2.2.3.10.4. Separation von NusA und AmpR-Protein
2.2.3.11. Aktivitätstest von gereinigtem AmpR-Protein mittels Bandshift-Assay (EMSA)
2.2.3.12. Silberfärbung von Polyacrylamid-Gelen nach NESTERENKO et al
2.2.4. Isolierung von Muropeptiden
2.2.4.1. Präparation eines „Hot water Extraktes“ (verändert nach JACOBS et al., 1994)
2.2.4.2. Auftrennung von löslichen Zellbestandteilen mittels HPLC
2.2.4.3. Entsalzung von Muropeptiden mittels HPLC
2.2.4.4. Massenspektrometrische Analyse der isolierten Muropeptide
2.2.4.5. Analyse von3 H-markierten Muropeptiden im Flüssigkeitsszintillations- spektrometer
2.2.5. Untersuchungen zur ß-Laktamase-Expression
2.2.5.1. Expressionsstudien mittels RT-PCR
2.2.5.1.1. Synthese von mRNA durch In-vitro Transkription
2.2.5.1.2. Amplifikation von mRNA mittels RT-PCR
2.2.5.2. Expressionsstudien mittels Real-Time RT-PCR
2.2.5.3. Durchführung von In-vivo Expressionsstudien
2.2.6. Kristallisation von AmpR

3. Ergebnisse
3.1. Expression und Reinigung verschiedener Varianten des AmpR-Proteins
3.1.1. Expression und Reinigung des AmpR-Proteins aus C. freundii
3.1.2. Expression und Reinigung eines NusA/AmpR-Fusionsproteins
3.2. Isolation von Muropeptiden mittels HPLC
3.2.1. Isolation des (1,6-anhydro)-MurNac-Tripeptids
3.2.2. Isolation des (1,6-anhydro)-MurNac-Pentapeptids
3.3. Expressionsanalysen der AmpC-ß-Laktamase
3.3.1. Detektion mittels RT-PCR
3.3.2. Detektion mittels Real-Time RT-PCR
3.4. Aufklärung der dreidimensionalen Struktur des AmpR-Proteins

4. Diskussion
4.1. Expressionsanalysen des ampC-ß-Laktamase-Gens
4.2. Aufklärung der Kristallstruktur des AmpR-Proteins

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
7.1. Abbildungsverzeichnis
7.2. Tabellenverzeichnis
7.3. Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

“It is time to close the book on infectious diseases.“1

William H. Stewart, US Surgeon General, 1967

“Our window of opportunity to help those impoverished by infectious diseases is closing.”2

David L. Heymann, WHO Executive Director, 2000

Zwischen diesen Aussagen liegen ungefähr 30 Jahre, in denen die Resistenz von Bakterien gegenüber Antibiotika stark zugenommen hat. Immer noch sind akute Atemwegsinfektionen, insbesondere Pneumonien, die Haupttodesursache weltweit (HEYMANN, 2000). Seit der Entdeckung des Penicillins durch Sir Alexander Fleming 1928 war vor allem in den 1940er Jahren eine rasante Entwicklung neuer Antibiotika zu verzeichnen (AMYES, 2000). Darunter Streptomycin (1944), Chloramphenicol (1947), Chlortetracyclin (1948) und Erythromycin (1952). Heutzutage gibt es etwa sieben große Antibiotikaklassen, die an drei verschiedenen Angriffspunkten wirken (MUTSCHLER, 1996). Dies sind

- Hemmung der Zellwandsynthese, durch die Gruppen der Penicilline und Cephalospo- rine
- Blockade der Proteinbiosynthese, verursacht durch Aminoglykoside, Tetracycline und Makrolide
- Unterdrückung der Nukleinsäuresynthese, bewirkt durch Sulfonamide und (Flu- or)Chinolone

Zeitgleich mit der Entdeckung bzw. Weiterentwicklung von Wirkstoffen, entstanden Resi- stenzen gegen Antibiotika. Mutationen oder Gentransfer führten zu Bakterien, die nicht mehr mit den ursprünglich wirksamen Stoffen bekämpft werden konnten. Häufig weisen diese Er- reger eine Multiresistenz gegenüber verschiedenster Antibiotika auf. Als besonders gefährlich gelten heute beispielsweise Methicillin-resistente S. aureus (MRSA) und Vancomycinresistente Enterokokken (VRE). Abbildung 1 zeigt den Anstieg von MRSA in britischen Krankenhäusern in den Jahren 1987 bis 1997.

Generell hat die Häufigkeit von Resistenzen gegen- über Antibiotika bei fast allen wichtigen bakteriel- len Infektionserregern weltweit zugenommen (BAQUERO, 1996). Auch in Deutschland ist ein An- stieg zu verzeichnen. So ist z.B. zwischen 1998 und 2001 eine Resistenzzunahme von E. coli gegenüber Ciprofloxacin (Fluorchinolon) von 7,7 auf 14,5 % ermittelt worden. Die Resistenzraten von E. coli gegenüber Ampicillin stiegen von 40 auf 50 % (PEG, 2001). Eine der Hauptursachen für die Entstehung von Re- sistenzen ist der falsche Umgang mit Antibiotika. Darunter fallen unnötige oder falsche Verschreibun-

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Abbildung 1: Resistenz von Sta- phylokokken gegen Methicillin in briti- schen Krankenhäusern, nach REACHER et al., 2000.

gen, falsche Anwendung und unkontrollierte Erwerbsmöglichkeiten. Auch der intensive Ge- brauch von Antibiotika in Krankenhäusern fördert die Resistenzentwicklung (WHO, 2000). Die Möglichkeit innerhalb kürzester an jeden beliebigen Ort der Welt zu reisen führt zu einer unaufhaltsamen Verbreitung der resistenten Erreger (HEYMANN, 2000). Infektionen mit resistenten Bakterien erfordern meist zusätzliche Untersuchungen und Be- handlungen des Patienten. Das normalerweise angewandte sog. „first-line“-Antibiotikum ist bei solchen Infektionen erfolglos. Für eine Heilung müssen teurere Wirkstoffe eingesetzt werden, stationäre Aufenthalte verlängern sich (COAST et al., 1998). Die Folge sind deutlich höhere Kosten für die Gesundheitssysteme. In den USA wurden die zusätzlichen Kosten auf- grund multiresistenter Keime auf jährlich vier Milliarden Dollar geschätzt (AMERICAN SOCIETY OF MICROBIOLOGY, 1995).

Eine Eindämmung des Resistenzproblems ist kaum abzusehen. Seit 1970 wurden keine neuen Antibiotikaklassen mehr entwickelt (WHO, 2000). Erst die Zulassung von Linezolid, als erster Vertreter der Oxazolidinone, im Jahr 2001 erweckt die Hoffnung multiresistente, grampositive Erreger auch zukünftig effektiv bekämpfen zu können (HALLE et al., 2002). Bei Infektionen mit gramnegativen Bakterien werden nach wie vor hauptsächlich ß-Laktam- Antibiotika (Penicilline, Cephalosporine) angewandt.

1.1. Die ß-Laktam-Antibiotika

Das erste ß-Laktam-Antibiotikum - Penicillin - wurde zwar schon 1928 von Fleming ent- deckt, konnte aber erstmals 1940 in der klinischen Therapie eingesetzt werden. In der folgen- den Zeit wurden eine Vielzahl weiterer Moleküle mit ähnlicher Struktur entwickelt (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996). Der wichtigste und namensgebende Strukturbestandteil, der ß-Laktam-Ring, ist der Grundbaustein aller Substanzen. Durch Derivatisierung des Peni- cillins wurden bis heute vier unterschiedliche Klassen von ß-Laktam-Antibiotika hergestellt (MUTSCHLER, 1996).

1.1.1. Penicilline (Pename)

Das Grundgerüst der Penicilline bildet die 6-Aminopenicil- lansäure (6-APA), ein bicyclisches Dipeptid aus Cystein und Valin (siehe Abb. 2). Durch Amidierung der Amino- gruppe mit verschiedenen Carbonsäuren entstanden zahlrei- che Derivate (KLEIN UND FINLAND, 1963). Von den natürli- chen Penicillinen hat nur das Benzylpenicillin (Penicillin

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Abbildung 2: Leitstruktur der Penicilline.

G) aus Penicillum notatum eine klinische Bedeutung (MUTSCHLER, 1996). Die Arbeiten von SHEEHAN UND HENERY-LOGAN und BATCHELOR et al. ermöglichten die großtechnische Her- stellung von 6-APA (BATCHELOR et al., 1959; SHEEHAN UND HENERY-LOGAN, 1959). Ausge- hend davon erfolgte die Synthese sog. Breitspektrum-Penicilline, die im Gegensatz zu Ben- zylpenicillin auch gegen gramnegative Erreger eingesetzt werden können (ROEMPP, 1995). Darunter fallen die Aminopenicilline (u.a. Ampicillin, Amoxicillin), die Acylaminopenicilline (u.a. Piperacillin) und die Carboxypenicilline (u.a. Carbenicillin, Ticarcillin).

1.1.2. Cephalosporine (Cepheme)

Ursprungssubstanz der Cephalosporine ist Cephalosporin C, das aus dem Pilz Acremonium chrysogenum gewonnen wer- den konnte (ROEMPP, 1995). Grundgerüst dieses Moleküls ist die 7-Aminocephalosporansäure. Der Grund für die Entwick- lung der Cephalosporine waren ß-Lactamase-produzierende Staphylokokken in den 1950er Jahren, die gegen die Penicilli-

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Abbildung 3: Cephalospori- ne.

ne resistent waren (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996). Die synthetisierten Derivate von Ce- phalosporin C sind deutlich wirksamer als ihr Vorgänger, da sie ein breiteres Spektrum ab- decken und eine höhere Laktamasestabilität aufweisen (MUTSCHLER, 1996). Die Cephalospo- rine können nach unterschiedlichen Aspekten gruppiert werden, häufig wird eine Einteilung nach dem Entwicklungszeitraum vorgenommen. Cephazolin und Cefazedon gehören bei- spielsweise zu den Basiscephalosporinen. Ab 1971 wurde aufgrund von Resistenzen die zweite Generation (u.a. Cefotiam, Cefamandol, Cefuroxim) eingeführt. Die dritte Generation (ab 1980) umfasst u.a. die Substanzen Cefoxitin und Cefotetan. Cefotaxim, Ceftriaxon und Cefepim gehören zu der neusten Generation, den Breitspektrum-Cephalosporinen.

1.1.3. Carbapeneme

Die Struktur der Carbapeneme ähnelt der der Penicilline. Allerdings ist der Schwefel des Fünfrings durch ein Kohlenstoffatom ersetzt und eine Doppelbindung vorhanden (siehe Abb. 4). Das Molekül basiert auf Thienamycin, einem Naturstoff aus Streptomyces cattleya, der allerdings sehr instabil ist (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996). Bisher konnten daher auch nur wenige Carbapeneme entwickelt werden, die

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Abbildung 4: Die Struktur der Car- bapeneme.

sich für den klinischen Einsatz eignen. Dies sind z.B. Imipenem (KROPP et al., 1980) und Meropenem (EDWARDS et al., 1989). Die Carbapeneme besitzen allerdings das breiteste Wirkungsspektrum aller ß-Laktam-Antibiotika (MOELLERING et al., 1989).

1.1.4. Monobaktame

Monobaktame sind monocyclische ß-Laktam-Antibiotika (siehe Abb. 5). Die einzige klinische relevante Substanz ist das Az- treonam, das 1985 zugelassen wurde (SYKES UND BONNER, 1985). Die Wirkung von Aztreonam beschränkt sich auf gram- negative Infektionserreger und beruht insbesondere auf der Bin- dung an PBP3. (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996).

1.1.5. ß-Laktamase-Inhibitoren

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Abbildung 5: Mo- nobaktam

Die Wirksamkeit von ß-Laktam-Antibiotika kann durch die simultane Gabe von ß- Laktamase-Inhibitoren erhöht werden. Bislang sind drei Substanzen klinisch relevant. Dies sind Sulbactam und Tazobactam (Penicillinsäure-Sulfone) und Clavulansäure (MUTSCHLER, 1996). Kommerziell vertrieben werden Kombinationen aus Clavulansäure und Amoxicillin bzw. Ticarcillin, desweiteren auch Sulbactam mit Ampicillin und Tazobactam mit Piperacillin (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996).

1.2. Wirkungsweise von ß-Laktam-Antibiotika

Die Zielstruktur der ß-Laktam-Antibiotika ist die bakterielle Zellwand. Das Fehlen einer solchen Struktur in eukaryotischen Organismen macht die ß-Laktame zu einem Antibiotikum mit sehr geringen Nebenwirkungen (MUTSCHLER, 1996).

1.2.1. Der Aufbau der bakteriellen Zellwand

Bakterien werden je nach Beschaffenheit ihrer Zellwand in zwei unterschiedliche Klassen eingeteilt. Dies sind einerseits die grampositiven Bakterien, deren Zellwand sich aus der Cytoplasma-Membran und einer dicken Schicht Peptidoglykan zusammensetzt, und andererseits die gramnegativen Bakterien. Bei diesen besteht die Zellwand aus einer dünnen Lage Peptidoglykan, die sich zwischen der äußeren und der Cytoplasma-Membran befindet (siehe Abb. 6). Das Peptidoglykan (Murein) ist ein verzweigtes Heteropolymer, das die Cytoplasma-Membran sackförmig umgibt und der Zelle Stabilität verleiht. Die äußere Membran ist über Lipoproteine mit dem Mureinsacculus kovalent verankert (BRAUN UND REHN, 1969). Aufgebaut ist das Murein aus langen Ketten der Aminosaccharide N-Acetyl-Glucosamin (GlcNac) und N-Acetyl-Muraminsäure (MurNac), die alternierend über eine ß-1,4-glykosidische Bin- Abbildung 6: Typen der bakteriellen Zellwand (LIVERMORE UND WILLIAMS, dung miteinander verknüpft sind. Diese Polysac- 1996).

charidketten sind über die Carbonsäure der Muraminsäure durch kurze Peptidbrücken quer- vernetzt. Die Peptide variieren je nach Bakterienart. Bei gramnegativen Bakterien sind meist die Aminosäuren L-Alanin, D-Glutaminsäure, meso-Diaminopimelinsäure und D-Alanin Be- standteil der Peptidseitenketten. Die Diaminopimelinsäure ist die Voraussetzung für die Bil- dung der quervernetzenden Peptidbindung. Die freie Aminogruppe der Diaminopimelinsäure bindet dabei, unter Abspaltung des terminalen D-Alanins, an die freie Carboxylgruppe des D- Alanins im benachbarten Strang (siehe Abb. 7). Seltener sind auch zwei Diaminopimelinsäu- re-Moleküle miteinander verknüpft (GLAUNER et al., 1988). Durch Zellwachstum und -tei- lung unterliegt der Mureinsacculus einer ständigen Veränderung. Eine permanente Neusyn- these, aber auch der Abbau von Murein trägt dem Rechnung. Pro Generation werden ca. 50 % des Peptidoglykan-Materials freigesetzt und größtenteils wiederverwertet (GOODELL, 1985). Nur ein geringer Teil (6 - 8 %) geht dabei in das Medium verloren (GOODELL UND SCHWARZ, 1985).

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Abbildung 7: Synthese und Abbau des Peptidoglykans gramnegativer Bakterien, aus TEMPLIN UND HOLTJE, 2000. Angriffsorte Murein-abbauender Enzyme sind durch Pfeile gekennzeichnet: 1) N-Acetylglucosaminidase, 2) Muramidase, 3) Muramyl-L- Alanyl Amidase, 4) Glutamyl-Diaminopimelinyl Endopeptidase, 5) L,D- Carboxypeptidase, 6) D,D-Endopeptidase, 7) D,D-Carboxypeptidase (A2pm = Diaminopimelinsäure).

Den Ausgangspunkt für die Mureinsynthese bildet ein UDP-aktiviertes N-Acetyl- Muraminsäure-Pentapeptid. Dieses wird auf den Lipidcarrier Bactoprenol übertragen und ergibt damit das sogenannte Lipid I. An der Cytoplasma-Membran entsteht über eine 1,4-ß- glykosidische Bindung mit einem UDP-GlcNac-Molekül das Lipid II (HIGASHI et al., 1967). Der entstandene Mureinbaustein wird durch die Membran transportiert und im Periplasma freigesetzt. Der genaue Ablauf dieses Vorgangs ist bislang unklar (VAN HEIJENOORT, 1998). Im Periplasma erfolgt, unter Abspaltung des Trägermoleküls, der Einbau in das bestehende Peptidoglykangerüst durch die Bildung von Peptid- und Glykosidbindungen (siehe Abb. 7).

Der Auf- und Abbau des Mureins erfordert eine Vielzahl von Enzymen, die als Zielstrukturen von ß-Laktam-Antibiotika identifiziert wurden (SPRATT, 1977).

1.2.2. Die Angriffspunkte der ß-Laktam-Antibiotika

Transglykosylasen katalysieren die ß-1,4-glykosidische Bindung zur Verlängerung der Poly- saccharid-Kette, Transpeptidasen erzeugen die quervernetzenden Peptidbrücken. Neben die- sen beiden Einzeltypen existieren auch bifunktionale Enzyme, die sowohl Transpeptidase- als auch Transglykosylase-Aktivität aufweisen (ISHINO et al., 1980; NAKAGAWA et al., 1979; SCHIFFER UND HOLTJE, 1999). Sämtliche Mureinsynthasen, die eine Transpeptidase-Aktivität aufweisen, sind die Zielstrukturen der Penicilline. Daher werden sie auch als Penicillin- Binde-Proteine (PBP) bezeichnet. Tabelle 1 gibt die Mureinsynthasen von E. coli wieder. Alle Enzyme sind in der Cytoplasma-Membran lokalisiert, während das aktive Zentrum in das Pe- riplasma ragt.

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Tabelle 1: Mureinsynthasen von E. coli (HOLTJE, 1998).

Die (hochmolekularen) Penicillin-Binde-Proteine (1a, 1b, 1c, 2 und 3) sind für die Zellwand- synthese von zentraler Bedeutung. Wird sowohl PBP1a als auch PBP1b deletiert, hat dies eine letale Wirkung auf die Zelle (SUZUKI et al., 1978). PBP1c ist trotz Sequenzhomologien zu PBP1a und 1b nicht in der Lage, den Verlust dieser zu kompensieren. Möglicherweise fun- giert PBP1c in vivo nur als Transglykosylase (SCHIFFER UND HOLTJE, 1999). Der Verlust von PBP2 und PBP3 ist nicht letal, hat jedoch phänotypische Auswirkungen (Spheren- bzw. Fila- mentbildung).

Die Bildung der Peptidbrücken ist mehrheitlich (93 %) eine D,D-Transpeptidase-Reaktion (GLAUNER et al., 1988). Dabei wird zuerst die D-Ala-D-Ala-Bindung des Pentapeptids aufge- brochen und, unter Alanin-Abspaltung, ein intermediärer Enzym-Substrat-Komplex gebildet. Der ß-Laktam-Ring des Penicillins weist eine Strukturanalogie zu der D-Ala-D-Ala-Bindung auf. In Gegenwart von Penicillinen kommt es daher zur Bildung eines Penicilloyl-Enzym-Inter- mediats. In einem zweiten Schritt wird das gebunde- ne Substrat auf eine Ami- nogruppe der Diamino- pimelinsäure eines zwei- ten Mureinpeptids über- tragen (siehe Abb. 8). Ist jedoch ein Penicillin-Rest an das Enzym gebunden, kann dieser nicht übertra-

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Abbildung 8: D,D-Transpeptidase-Reaktion und Einfluss von Peni- cillin, aus HOLTJE, 1998. G = GlcNac, M = MurNac, A2pm = Diamino- pimelinsäure, Ser kennzeichnet den Serin-Rest im aktiven Zentrum des PBPs.

gen werden und bleibt dauerhaft im aktiven Zentrum der Transpeptidase (WAXMAN UND STROMINGER, 1983). Weitere Transpeptidase-Reaktionen sind damit inhibiert. Eine kleinere Anzahl der Peptidbrücken wird durch eine L,D-Transpeptidase-Reaktion gebil- det (GLAUNER et al., 1988). Diese Reaktion zwischen zwei Diaminopimelinsäure-Molekülen wird nicht durch Penicilline beeinflusst. Das katalysierende Enzym ist noch nicht bekannt. Die D-Ala-D-Ala-Bindung ist auch ein Substrat für D,D-Carboxypeptidasen, die das endstän- dige Alanin abspalten. Diese Reaktion reguliert die Quervernetzung und wird ebenfalls durch Penicilline gehemmt (IZAKI et al., 1966).

ß-Laktam-Antibiotika hemmen nicht nur die Mureinsynthese, sondern auch dessen Abbau. Für Wachstum und Teilung ist allerdings einöffnen des Mureinsacculus unbedingt notwen- dig (HOLTJE UND TUOMANEN, 1991). Für jede, bei der Synthese gebildete, kovalente Bindung besitzt E. coli daher mindestens eine Mureinhydrolase (siehe Abb. 7). Teilweise dient diesen Enzymen das hochmolekulare Peptidoglykan als Substrat, teilweise werden aber auch nur dessen Metabolite von den Enzymen umgesetzt. Ein Teil der Mureinhydrolasen wird durch ß- Laktam-Antibiotika gehemmt. Eine Übersicht über die nicht-cytoplasmatischen Mureinhydro- lasen von E. coli gibt Tabelle 2. Im Cytoplasma befinden sich die ß-N-Acetylglucosaminidase (NagZ) und AmpD, eine N-Acetylanhydromuramyl-L-Alanin Amidase (vgl. Kapitel 1.4.).

Die physiologische Rolle der niedermolekularen Penicillin-Binde-Proteine (PBP4, 5, 6, 7 und 8) ist nicht eindeutig geklärt. Obwohl sie die Reifung undöffnung des Mureins katalysieren,

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Tabelle 2: Mureinhydrolasen von E. coli, nach HOLTJE, 1998. Slt = Soluble lytic transglycosylase, Mlt = Membrane-bound lytic transglycosylase, Emt = Endospecific membrane-bound lytic transglycosylase.

sind sie für die Bakterienzelle nicht essentiell (HENDERSON et al., 1997). Daher ist der lyti- sche Effekt, den ß-Laktam-Antibiotika auf die Zellen ausüben, mit der Bindung an die hochmolekularen Penicillin-Binde-Proteine (1a-c, 2 und 3) in Beziehung zu setzen. Eine Hemmung dieser Proteine stoppt allerdings nur die Neusynthese des Peptidoglykans. Für die anschließende Lyse der Zellen sind insbesondere die lytischen Transglykosylasen verant- wortlich (TOMASZ, 1974).

Diese Lysozym-ähnlichen Proteine spalten die ß-1,4-glykosidische Bindung zwischen Mura- minsäure und N-Acetyl-Glucosamin. Anders als bei Lysozym wird der Glykosylrest aber nicht auf Wasser, sondern auf die C6-Hydroxyl-Gruppe der Muraminsäure übertragen (THUNNISSEN et al., 1995). Dadurch entsteht eine 1,6-Anhydro-Bindung an der Muraminsäu- re. Da diese Mureinmetabolite (sog. Muropeptide) wieder in ins Cytoplasma aufgenommen und verwertet werden, ermöglicht dies eventuell die Unterscheidung zwischen Mureinabbau- produkten und -vorläufermolekülen. Die meisten Mureinhydrolasen sind potentielle Autoly- sine und müssen daher sehr wirksam kontrolliert werden. Interaktionsstudien ergaben eine direkte Wechselwirkung zwischen den Mureinsynthasen und -hydrolasen (VOLLMER et al., 1999). Man geht daher davon aus, dass der Mureinumsatz, ähnlich wie die DNA-Replikation, in einem Multienzymkomplex (Holoenzym) stattfindet (HOLTJE, 1996). Tatsächlich konnte ein Komplex aus einer Transglykosylase/Transpeptidase und einer lytischen Transglykosylase in Gegenwart eines spezifischen Strukturproteins in-vitro rekonstituiert werden (TEMPLIN UND HOLTJE, 2000).

1.3. ß-Laktamasen

Wie anfangs bereits beschrieben, stellt die Resistenz gegen ß-Laktam-Antibiotika ein großes Problem dar. Insbesondere in Krankenhäusern verlieren mehr und mehr Erreger die Empfindlicheit gegenüber diesen Wirkstoffen, was eine verlangsamte Genesung oder sogar den Tod zur Folge haben kann.

Prinzipiell existieren drei unterschiedliche Mechanismen, die eine Resistenz gegen ß-Laktame verursachen (NEU, 1992). Dies sind:

- Veränderungen in der Membran, die verhindern, dass das Antibiotikum die Penicillin- Binde-Proteine erreicht (JAFFE et al., 1982; LI et al., 1994).
- Veränderungen an den Penicillin-Binde-Proteinen selbst, die diese unempfindlich ge- gen ß-Laktame machen (SPRATT, 1994).
- Produktion von ß-Laktam-spaltenden Enzymen, den ß-Laktamasen (SEEBERG et al., 1983).

Die ersten beiden Mechanismen spielen klinisch nur eine untergeordnete Rolle. Relevanz erlangen sie allenfalls sofern sie in Verbindung mit der Produktion von ß-Laktamasen auftreten (PIDDOCK UND GRIGGS, 1991).

Die ß-Laktamasen sind die wichtigste und häufigste Ursache von Resistenzerscheinungen (LIVERMORE, 1995). Durch die Spaltung des ß-Laktam-Rings inaktivieren sie die Antibiotika bevor diese stabile Serinester mit den PBP ausbilden.

Seit der Einführung des Penicillins 1940 und nahezu gleichzeitigem Auftreten der ersten Re- sistenzen (Staphylococcus aureus; KIRBY, 1944), wurden eine Vielzahl von ß-Laktamasen entdeckt und erforscht. 2001 waren mindestens 340 verschiedene ß-Laktamasen bekannt, die aus klinischen Isolaten stammten (BUSH, 2001). Da die Techniken zur Identifizierung solcher Proteine immer einfacher und schneller wird, ist davon auszugehen, dass diese Zahl noch um einiges steigen wird.

Ambler schlug deshalb 1980 eine Klassifizierung der Enzyme nach ihrer Aminosäuresequenz vor. Daraus entwickelten sich die sog. Ambler-Klassen A - D (AMBLER, 1980). Aufgrund der klinischen Relevanz der ß-Laktamasen ist es aber von großer Wichtigkeit, deren Substratpro- fil zu kennen, um ein geeignetes Antibiotikum auszuwählen. Heutzutage wird daher mehr auf die Klassifizierung von Bush, Jacoby und Medeiros zurückgegriffen (BUSH et al., 1995). Die- se teilt die Enzyme nach ihrem Substratprofil und ihrer Empfindlichkeit gegenüber ß- Laktamase-Inhibitoren ein (siehe Tabelle 3). Allerdings ergeben sich teilweise große Ähn- lichkeiten zwischen Amblers molekularen Klassen und den Hauptgruppen von Bush.

In nahezu allen Gruppen stieg die Anzahl der beschriebenen ß-Laktamasen zwischen 1995 und 2000. Dennoch sind - zumindest noch - nicht alle Enzyme auch klinisch relevant. Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die einzelnen Gruppen gegeben werden.

1.3.1. ß-Laktamasen der Gruppe 1

Die Laktamasen der Gruppe 1 entsprechen als einzige der Ambler-Klasse C. Hauptvertreter dieser Gruppe sind die AmpC-ß-Laktamasen. Sie hydrolysieren sämtliche ß-Laktam- Antibiotika außer den Cephalosporinen Cefepim und Cefpirom und den Carbapenemen. Allerdings müssen sie dazu in ausreichender Menge produziert werden (LIVERMORE, 1998). ß- Laktamase-Inhibitoren zeigen bei dieser Gruppe keine Wirkung. Durch ihre weite Verbreitung in gramnegativen Erregern besitzen diese Enzyme eine hohe klinische Relevanz. In Verbindung mit akquirierten Carbapenemasen oder einer Verminderung der Membranpermeabilität, führen die AmpC-Enzyme zu breiten Resistenzspektren und wenig Therapieoptionen (BORNET et al., 2000; PIDDOCK UND GRIGGS, 1991).

Die AmpC-ß-Laktamasen können entweder chromosomal oder auf einem Plasmid kodiert sein. Bei den chromosomalen Enzymen wird weiter in induzierbare und nicht-induzierbare unterschieden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Einteilung der ß-Laktamasen nach Bush, erweitert nach Wiegand (BUSH et al., 1995; BUSH, 2001; WIEGAND, 2003). Anzahl = geschätzte Anzahl von ß- Laktamasen aus klinischen Isolaten.

1.3.1.1. Chromosomale, nicht induzierbare AmpC-ß-Laktamasen

Die gramnegativen Bakterien E. coli und Shigella spp. besitzen eine chromosomale, jedoch nicht-induzierbare AmpC-ß-Laktamase. Das Gen wird konstitutiv, aber so schwach exprimiert, dass keine klinischen Resistenz-Werte erreicht werden. Die Ursache der niedrigen Expressionsraten ist der schwache Promoter des ampC-Gens (JAURIN et al., 1981; OLSSON et al., 1983). Mutationen im Promoterbereich oder der Attenuatorsequenz des Gens, können zu einer vielfach stärkeren Laktamase-Expression führen. Um klinische Resistenz zu vermitteln müssen jedoch mehrere Basen gleichzeitig verändert sein (WIEGAND, 2003).

1.3.1.2. Chromosomale, induzierbare AmpC-ß-Laktamasen

Bei einer Vielzahl von gramnegativen Bakterien (u.a. E. cloacae, C. freundii, S. marcescens, M. morganii und Y. enterocolitica) wird die Expression der AmpC-Laktamase erst durch ein Induktionssignal aktiviert. Die Transkription unterliegt einem komplexen Regulationsmecha- nismus, in den eine Reihe weiterer Enzyme involviert sind. Bei einigen Spezies ist dieser Me- chanismus annähernd vollständig aufgeklärt, bei anderen sind noch wesentliche Elemente unklar (JACOBS et al., 1997; POIREL et al., 1999; WESTPHAL, 2003). Auf die Regulation der ß- Laktamase-Expression bei C. freundii und E. cloacae wird später noch genauer eingegangen (siehe Kap. 1.4.). Auch bei diesen ß-Laktamasen können Mutationen zu einer stabilen Über- produktion führen. Die Mutationsfrequenz liegt mit 10-4 bis 10-7 allerdings deutlich höher als bei nicht-induzierbaren Enzymen (KORFMANN UND WIEDEMANN, 1988). Die Ursache liegt häufig in einer Mutation der N-Acetylanhydromuramyl-L-Alanin Amidase (AmpD). Dabei gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die zum Funktionsverlust des Proteins und einer daraus re- sultierenden Laktamase-Überexpression führen können (PETROSINO et al., 2002).

1.3.1.3. Plasmid-kodierte AmpC-ß-Laktamasen

Seit 1989 die erste Plasmid-kodierte AmpC-ß-Laktamase beschrieben wurde, sind eine Viel- zahl weiterer Isolate mit entsprechenden Plasmiden gefunden worden (PHILIPPON et al., 2002). Die Benennung erfolgte dabei nach Kriterien wie Substrat, Name des Patienten oder Name des Krankenhauses (WIEGAND, 2003). Das ampC-Gen, das phylogenetisch von dem chromosomalen Gen abstammt, ist nun auf übertragbaren Plasmiden lokalisiert. Diese Plas- mide finden sich zunehmend in Organismen wie Klebsiella spp. und Salmonella spp. wieder, die ursprünglich keine AmpC-ß-Laktamase besitzen (HANSON, 2003). Häufig werden diese Laktamasen in großer Menge exprimiert und führen zu signifikanten Veränderungen in der Empfindlichkeit des Wirtsstammes (PHILIPPON et al., 2002). Die Ursache für die hohen Expressionsraten sind möglicherweise Promoter-Mutationen während der Rekombination (HANSON, 2003). Bisher ist der Anteil klinischer Isolate mit Plasmid-kodierter AmpC-ß- Laktamase noch sehr gering (COUDRON et al., 2000; DUNNE et al., 2000). Die schwierige Identifikation bzw. die hohe Verwechslungsgefahr mit ESBL-produzierenden Erregern, führt bereits heute zu einer klinischen Relevanz dieser Laktamase-Gruppe.

1.3.2. ß-Laktamasen der Gruppe 2

Die Gruppe 2 der Bush-Einteilung ist weitgefächert und enthält eine Vielzahl unterschiedlicher Enzyme, die in Untergruppen aufgeteilt sind. Die meisten dieser Gruppen sind oder werden zunehmend klinisch relevant. Lediglich die Untergruppen 2c, 2e, 2f sind bisher noch von geringer Bedeutung (WIEGAND, 2003).

In die Gruppe 2a fallen ß-Laktamasen, die Penicilline hydrolysieren und nicht durch Clavu- lansäure hemmbar sind. Bedeutung erlangt diese Gruppe vor allem wegen der BlaZ- Laktamasen von S. aureus, die das erstmalige Resistenzauftreten gegenüber Benzylpenicillin vermittelten. Damals waren bereits ca. 5 % der S. aureus-Isolate resistent (KIRBY, 1945). Da dieses Enzym Plasmid-kodiert ist, wurde es durch Konjugation weiterverteilt. Dies und die Selektion resistenter Stämme führten schon 1984 zu einer Resistenzrate von 80 - 90 % (LACEY, 1984).

Gruppe 2b beinhaltet die sog. Breitspektrum-ß-Laktamasen. Diese besitzen die Fähigkeit die meisten Penicilline und Cephalosporine der ersten und zweiten Generation zu hydolysieren. Diese Laktamasen werden durch ß-Laktamase-Inhibitoren gehemmt. Aufgrund ihrer weiten Verbreitung spielen vor allem TEM-1 und SHV-1-Enzyme eine klinische Rolle. So besitzen mittlerweile weltweit ungefähr 50 % der E. coli-Isolate eine TEM-1 Laktamase (LIVERMORE, 1995). Da es sich um ein Plasmid-kodiertes Enzym handelt, wurde es mittlerweile auf ver- schiedene andere gramnegative Spezies übertragen. Beispiele sind Neisseria gonorrhoeae, Haemophilus influenzae und Vibrio cholerae (LIVERMORE, 1998). Auch die SHV-1 Laktama- se, die ursprünglich nur chromosomal in Klebsiella spp. vorkam, ist mittlerweile auf Plasmi- den kodiert und vielfach übertragen worden (CHAVES et al., 2001; HAEGGMAN et al., 1997). Durch Mutationen der Laktamasen in Gruppe 2b entstanden Enzyme mit neuen, zusätzlichen Fähigkeiten. Diese sind in den Gruppen 2be (erweitertes Hydrolyse-Spektrum, ESBL) und 2br (Inhibitor-resistent, IRBL) zusammengefasst.

Die ESBLs (Extended Spectrum Beta Lactamase) sind aufgrund von Aminosäureaustauschen befähigt auch Oxyiminocephalosporine zu hydrolysieren. Wichtige Vertreter dieser Gruppe sind die aus TEM-1 und SHV-1 entstandenen Enzyme (TEM-3 bis TEM-20, SHV-2), aber auch die CTX-M-Laktamasen. Diese haben ihren Ursprung in der chromosomalen AmpC-ß- Laktamase von Enterobakterien (u.a. Kluyvera spp.), sind mittlerweile aber Plasmid-kodiert (BAUERNFEIND et al., 1996; OLIVER et al., 2001). Eine klinische Relevanz ergibt sich auf- grund der weltweiten Verbreitung der TEM-, SHV- und CTX-M-Enzyme. In Deutschland liegt der Anteil der ESBL-positiver E. coli und K. pneumoniae bei fast 10% (PEG, 2001).

Die Inhibitor-resistenten ß-Laktamasen sind ebenfalls durch Aminosäureaustausche aus Enzymen der Gruppe 2b entstanden (BERMUDES et al., 1999). Sie können nicht durch Clavulansäure gehemmt werden. Diese Enzyme sind bisher vorrangig in Frankreich, sonst aber noch recht gering verbreitet (GIRLICH et al., 2000).

Die Gruppe 2c beinhaltet die sog. Carbenicillinasen. Diese spalten Carbenicillin gut, Cloxacillin und Oxacillin jedoch schlecht. Clavulansäure ist in der Lage, diese Enzyme zu hemmen. Die Ursprünge der Carbenicillinasen sind höchst unterschiedlich, zuerst wurde eine solche Lakatamase (PSE-4) in Pseudomonas aeruginosa beschrieben (HAEGGMAN et al., 1997). Aufgrund ihres nur vereinzelten Auftretens sind die Carbenicillinasen bisher noch nicht klinisch relevant (WIEGAND, 2003).

Penicillinasen, die Carbenicillin, aber auch Cloxa- und Oxacillin sehr gut hydrolysieren kön- nen, sind in die Gruppe 2d eingeordnet. Sie werden durch Clavulansäure schwach inhibiert und gehören als einzige Enzyme der Gruppe 2 in die Ambler Klasse D. Diese OXA-Enzyme liegen meist auf konjugativen Plasmiden und treten sehr häufig bei P. aeruginosa auf (BONFIGLIO et al., 1998; CHEN et al., 1995). Bei Acinetobacter baumannii treten zunehmend OXA-Enzyme auf, die auch geringe Mengen Imipenem hydrolysieren können (AFZAL-SHAH et al., 2001; BOU et al., 2000; RICCIO et al., 2000). Multiresistente, Carbapenemase- produzierende Acinetobacter stellen ein ernsthaftes Problem in der Therapie dar (DALLA- COSTA et al., 2003).

Die Gruppen 2e und 2f umfassen Laktamasen, die bisher eher selten auftreten. Für die Gruppe 2e sind dies Cephalosporinasen, für die Gruppe 2f Serin-Carbapenemasen. Die Enzyme bei- der Gruppen sind durch Clavulansäure hemmbar. Bekannte Vertreter der Gruppe 2e sind die induzierbaren Cephalosporinasen von Proteus vulgaris und Proteus penneri und die Klasse- A-ß-Laktamasen von Bacteroides spp. (WIEGAND, 2003). Laktamasen der Gruppe f wurden bisher vor allem in S. marcescens, E. cloacae und K. pneumoniae gefunden (POTTUMARTHY et al., 2003; QUEENAN et al., 2000; YIGIT et al., 2001). Ein Grund für das bisher geringe Auf- treten könnte sein, dass Carbapenemasen in Enterobakterien häufig nur eine verminderte Empfindlichkeit, aber keine Resistenz, verursachen und deshalb unentdeckt bleiben (NORDMANN UND POIREL, 2002).

1.3.3. ß-Laktamasen der Gruppen 3 und 4

Die ß-Laktamasen der Gruppe 3 sind Metallo-Enzyme, d.h. die Katalyse erfolgt über ein oder zwei Zink-Ionen im aktiven Zentrum. Metallo-Laktamasen sind in der Lage alle ß-Laktame außer den Monobaktamen zu spalten. Gegenüber den herkömmlichen ß-Laktamase- Inhibitoren (Clavulansäure, Tazo-, Sulbactam) sind sie unempfindlich, lassen sich aber durch die Komplexbildner EDTA und 1,10-o-Phenanthrolin hemmen. Flaviobacterium odoratum, Aeromonas hydrophilia, Bacillus cereus und Legionella gormanii besitzen typischerweise chormosomale ß-Laktamasen (LIVERMORE UND WILLIAMS, 1996). Diese Erreger sind jedoch eher selten und besitzen daher keine klinische Relevanz (LIVERMORE UND WOODFORD, 2000). Anders ist dies bei der Spezies Stenotrophomonas maltophilia, die ein Metallo-Enzym (L1) und eine Cephalosporinase (L2) besitzt, und zunehmend im klinischen Kontext auftritt (QUINN, 1998).

Plasmid-kodierte Metallo-ß-Laktamasen wurden vor allem in P. aeruginosa, S. marcescens und A. baumannii gefunden (HIRAKATA et al., 1998; SENDA et al., 1996; WATANABE et al., 1991). Dabei handelt es sich um IMP-1-Laktamasen, die auf konjugativen Plasmiden mit weitem Wirtsspektrum kodiert sind (KUROKAWA et al., 1999). Eine zweite Gruppe transfe- rierbarer Metallo-Laktamasen sind die VIM-Enzyme. Diese sind erstmalig 1999 in P. aeru- ginosa aufgetreten. Mittlerweile wurden im europäischen Raum bereits sieben Varianten nachgewiesen, die für mehrere klinische Ausbrüche positiver P. aeruginosa-Stämme sorgten (WIEGAND, 2003).

In die Gruppe 4 werden bislang ß-Laktamasen eingeordnet, die nicht in die anderen Gruppen passen. Die Anzahl ist noch gering. Bei einem weiteren Anstieg muss jedoch über eine Klassifizierung nachgedacht werden.

1.4. Regulation der ß-Laktamase-Expression

Grundlage der vorliegenden Arbeit sind die chromosomalen AmpC-ß-Laktamasen aus E. cloacae und C.freundii bzw. deren Regulationsmechanismus. Dieser ist ein komplexes Zusammenspiel von mehreren Molekülen und Proteinen. Im folgenden wird zunächst der Ablauf der Induktion und Expression dieser Laktamasen erläutert. Anschließend erfolgt eine ausführliche Beschreibung des ß-Laktamase-Transkriptionsfaktors AmpR.

1.4.1. Die ß-Laktamase-Expression bei C. freundii und E. cloacae

Bei den Enterobakterien C. freundii und E. cloacae erfolgt die ß-Laktamase-Expression erst bei Anwesenheit von ß-Laktam-Antibiotika. Wie bereits erläutert (siehe Kap. 1.2.) inhibieren ß-Laktame Enzyme, die wichtige Funktionen bei der Mureinsynthese bzw. der -hydrolyse innehaben. Verschiedene Antibiotika besitzen dabei unterschiedliche Induktorkapazitäten. Die Stärke der Induktion hängt von der Affinität des ß-Laktams zu den einzelnen Penicillin- Binde-Proteinen ab. Wirkstoffe wie Imipenem und Cefoxitin, die sowohl PBP1a/1b/2 als auch PBP4/5/6 hemmen können, führen zu einer relativ starken Induktion (PFEIFLE et al., 2000).

Durch die Inhibition der Penicillin-Binde-Proteine kommt der Mureinmetabolismus in Ungleichgewicht. Der normalerweise vorhandene Recyclingkreislauf wird empfindlich gestört. Die freigesetzten Moleküle informieren die Zelle über den Zustand des Mureins, da die relativen Anteile von Mureinabbauprodukten und -vorläufermolekülen den Status der Zellwand widerspiegeln (JACOBS et al., 1994; PARK, 1996). Ein Modell für die Induktion der Laktamase-Expression wurde erstmals 1990 von NORMARK vorgeschlagen und später durch JACOBS und PFEIFLE erweitert (JACOBS et al., 1994; NORMARK et al., 1990; PFEIFLE et al., 1999). Eine schematische Darstellung ist in Abbildung 9 zu sehen.

Lytische Transglykosylasen, Endopeptidasen und eine L,D-Carboxypeptidase setzen beim Abbau des Peptidoglykans Anhydromuramylpeptide (Muropeptide) frei (HOLTJE et al., 1975; HOLTJE UND TUOMANEN, 1991; URSINUS et al., 1992). An das Dissaccharid ist dabei ein Pep- tidrest aus drei, vier oder fünf Aminosäuren gekoppelt. Inhibierung der lytischen Transglyko- sylasen durch Bulgecin führt zur einer stark verminderten Freisetzung von Anhydromuramyl- peptiden (PFEIFLE, 1999). Ebenso führt es zum Verlust der Induzierbarkeit und zu einer Re- duktion der Laktamase-Menge in konstitutiv überexprimierenden E. cloacae-Stämmen (PFEIFLE, 1999).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Modell für die Induktion der ß-Laktamase.

Die Permease AmpG ist ein integrales Membranprotein der inneren Membran und transpor- tiert die Muropeptide in das Cytoplasma (JACOBS et al., 1994; LINDQUIST et al., 1993). Bei E. cloacae-Mutanten, die kein AmpG mehr exprimieren, wurden keine Anhydromuramylpep- tide im Cytoplasma gefunden (DIETZ et al., 1997). Außerdem ist bei den Deletions-Mutanten keine Induktion der ß-Laktamase-Expression mehr möglich (KORFMANN UND SANDERS, 1989).

Die cytoplasmatische ß-N-Acetylglucosaminidase NagZ spaltet an den Muropeptiden N- Acetyl-Glucosamin ab (PARK, 1996). Dabei entstehen (1,6-anhydro)-MurNac-Peptide (aMPeptide), die für die Induktion der ß-Laktamase verantwortlich sind (VOTSCH UND TEMPLIN, 2000). Eine NagZ-Deletionsmutante verliert die Fähigkeit zur Induktion fast vollständig (VOTSCH UND TEMPLIN, 2000). Obwohl NagZ die einzige ß-N-Acetylglucosaminidase ist, ist sie für die Zelle nicht essentiell (CHENG et al., 2000).

Der Peptidrest der Muropeptide wird durch die N-Acetyl-anhydromuramyl-L-Alanin Amidase AmpD abgespalten (HOLTJE et al., 1994; JACOBS et al., 1995). Die Anzahl der Zuckermole- küle ist dabei unerheblich (JACOBS et al., 1995). Wahrscheinlich werden aM-Peptide aber schneller hydrolysiert als aD-Peptide (GENEREUX et al., 2004). AmpD spaltet spezifisch nur (1,6-anhydro)-Muramylpeptide und vermeidet so den Abbau cytoplasmatischer Mureinvor- läufermoleküle (HOLTJE et al., 1994). Da die aM-Peptide Signalmoleküle für die ß- Laktamase-Expression sind, wirkt AmpD als negativer Regulator der Laktamase-Expression (HOLTJE et al., 1994; LINDBERG et al., 1987). Mutationen in der Aminosäuresequenz können zur Hyperinduzierbarkeit oder konstitutiver Laktamase-Expression führen (KOPP et al., 1993; LINDBERG et al., 1987; NORMARK et al., 1990). Die Mutationsfrequenz liegt für AmpD mit 10-4 bis 10-7 relativ hoch (KORFMANN UND WIEDEMANN, 1988).

Ist nun unter Einfluss von ß-Laktam-Antibiotika der Mureinabbau schneller als die Synthese, liegt in der Zelle ein deutlich erhöhter Spiegel an Muropeptiden vor. Da AmpD nicht in der Lage ist, die Muropeptide schnell genug zu hydrolysieren um die Konzentration auf Normalniveau zu senken, kommt es zur Expression der AmpC-ß-Laktamase. JACOBS (1997) postulierte dafür folgende Vorgänge:

Das AmpR-Protein, der Transkriptionsfaktor der ß-Laktamase, bindet an die intercistronische Region zwischen ampC- und ampR-Gen. Da die beiden Gene gegenläufig transkribiert wer- den, ist AmpR in der Lage, sowohl seine eigene als auch die ampC-Transkription zu regulie- ren. Die Interaktion eines niedermolekularen Liganden mit AmpR determiniert, welchen Ein- fluss AmpR auf die ampC-Transkription hat. Im Normalzustand ist das Mureinvorläufermo- lekül UDP-N-Acetyl-Muraminsäure-Pentapeptid an AmpR gebunden. Die Expression der Laktamase wird reprimiert. Kommt es zu einer Anhäufung von Mureinabbauprodukten, wird das UDP-MurNac-Pentapeptid vermutlich verdrängt und es kommt zur Bindung des Signal- moleküls an AmpR. Dies führt wahrscheinlich zu einer Konformationsänderung von AmpR, die die ampC-Transkription ermöglicht.

Obwohl VOTSCH UND TEMPLIN (2000) zeigten, dass es sich bei dem Signalmolekül um ein (1,6-anhydro)-MurNac-Peptid, also ein Monosaccharid, handelt, konnte bisher nicht aufge- klärt werden, welche Länge der Peptidrest aufweist. Aus den Ergebnissen eines Transkrip-ti- onsassays zogen JACOBS et al. (1997) die Schlussfolgerung, dass es sich um das aM-Tripeptid handelt. Dem widerspricht DIETZ et al. (1997), da nur der Anstieg der cytoplasmatischen aM- Pentapeptide mit der Laktamase-Expression korreliert. Dies wird unterstützt durch die Tatsache, dass ß-Laktame wie Cefsulodin, Mecillinam und Aztreonam, die nur an die hochmolekularen PBPs binden, nicht in der Lage sind die ß-Laktamase-Expression zu indu- zieren (PFEIFLE et al., 2000). Die Hemmung der Penicillin-Binde-Proteine mit D,D- Carboxypeptidase-Aktivität ist für die Induktion erforderlich. Dies ist allerdings ursächlich für einen Anstieg von Pentapeptidseitenketten im Murein (BAQUERO et al., 1996).

1.4.2. Das AmpR-Protein

Für die Induzierbarkeit der ß-Laktamase-Expression ist das AmpR-Protein unbedingt erforderlich (LINDBERG et al., 1985). In Spezies wie E. coli, deren Laktamase nicht induzierbar ist, wurde das ampR-Gen vermutlich deletiert (HONORE et al., 1986).

AmpR ist 32 kDa großund gehört zur Familie der LysR-Transkriptionsfaktoren (LINDQUIST et al., 1989). Diese Proteinfamilie wurde nach dem Transkriptionsfaktor der lysA-Gens (Lysin-Synthetase) aus E. coli benannt (STRAGIER et al., 1983). Mittlerweile sind über 50 Proteine bekannt, die in diese Gruppe gehören (HENIKOFF et al., 1988; SCHELL, 1993). Alle LysRTranskriptionsfaktoren besitzen am N-terminalen Ende ein Helix-Turn-Helix-Motiv, das sie befähigt an DNA zu binden. Die Transkriptionsfaktoren werden selbst durch niedermolekulare Liganden reguliert (SCHELL, 1993).

Die Regulation der ß-Laktamase-Expression durch AmpR ist in den Enterobakterien weit verbreitet. So wurde außer bei C. freundii und E. cloacae das ampR-Gen auch bei M. morga- nii und Y. enterocolitica gefunden (POIREL et al., 1999; SEOANE et al., 1992). Auch außerhalb der Enterobacteriaceae wurde ein ähnliches Protein entdeckt. Bei P. aeruginosa ist die chro- mosomale AmpC-ß-Laktamase ebenfalls durch AmpR reguliert (LODGE et al., 1993). Ebenso wie bei AmpD liegt die Mutationsfrequenz, die zu einer konstitutiven Laktamase- Expression führt, für AmpR mit ungefähr 10-6 relativ hoch (KUGA et al., 2000). Ein Beispiel dafür ist der Aminosäureaustausch G102E, der sowohl in-vivo als auch in-vitro zu einer nicht- reprimierbaren AmpC-Expression führt (BARTOWSKY UND NORMARK, 1991; JACOBS et al., 1997).

Die Bindung von AmpR an die intercistronische Region von ampC und ampR wurde bereits 1989 bewiesen (LINDQUIST et al., 1989). Die Bindestelle umfasst 38 Basenpaare und schließt den Promoter des ampR-Gens mit ein. Außerdem liegt sie direkt stromaufwärts (2bp) des ampC-Promoterbereiches (LINDQUIST et al., 1989). Dadurch ist AmpR in der Lage, die Transkription beider Gene zu steuern.

Durch die Bindung des UDP-MurNac-Pentapeptids an AmpR wird die Transkription der Laktamase verhindert. Dies wurde auch in-vitro bestätigt (JACOBS et al., 1997). In Zellen ohne AmpR ist die AmpC-Expression doppelt so hoch wie in Zellen, die AmpR besitzen (BARTOWSKY UND NORMARK, 1991). Die Laktamase-Transkription erfolgt in geringen Mengen also auch ohne AmpR. JACOBS et al. (1997) erhielten hingegen in-vitro bei Abwesenheit von AmpR keine Transkription von ampC.

Der reprimierende Effekt des UDP-NurNac-Pentapeptids kann in-vitro durch Zugabe von aM- Tripeptid egalisiert werden (JACOBS et al., 1997). Die Laktamase-Transkription erreicht dann die gleiche Stärke wie ohne Liganden. In-vivo ist die Expression der Laktamase bei Induktion jedoch fast um den Faktor acht erhöht (BARTOWSKY UND NORMARK, 1991). Dieser Widerspruch beruht möglicherweise auf der Tatsache, dass das aM-Tripeptid nicht oder nicht allein der Induktor für Laktamase-Expression ist. Das von DIETZ et al. (1997) postulierte Signalmolekül, das aM-Pentapeptid, wurde in-vitro bisher noch nicht getestet.

1.5. Zielsetzung der Arbeit

Angesichts der ständig steigenden Resistenz von Erregern gegenüber vorhandenen ß-Laktam- Antibiotika ist es wünschenswert neuartige Wirkstoffe zu entwickeln. Durch die Aufklärung des Induktionsmechanismus von C. freundii und E. cloacae in den letzen fünfzehn Jahren wurden mehrere Angriffspunkte für den Einsatz von Antibiotika aufgedeckt. Eine Möglich- keit wäre die Expression der ß-Laktamase zu verhindern, indem ein reprimierender Ligand permanent an das AmpR-Protein bindet. Dazu sind genaue Kenntnisse über die Struktur der induzierenden und reprimierenden Liganden nötig. Bisher wurden bereits aM-Tripeptid und aM-Pentapeptid als Induktor postuliert. Es konnte aber noch nicht aufgeklärt werden, welches der beiden Moleküle die Trans-kription der ß-Laktamase in-vivo auslöst.

Ziel dieser Arbeit ist es, durch vergleichende Untersuchungen mit aM-Tripeptid und aMPentapeptid eindeutig zu klären, welche Effekte die beiden Moleküle auslösen. Zu diesem Zweck soll das AmpR-Protein aus Enterobacter cloacae exprimiert und gereinigt werden. Die Liganden sollen aus E. coli isoliert werden und zusammen mit dem rekombinanten Protein in Transkriptionsassays eingesetzt werden.

Um Rückschlüsse auf die Bindestellen der Liganden an AmpR zu ziehen, soll die dreidimensionale Struktur des AmpR-Proteins ermittelt werden. Dazu soll das Protein kristallisiert werden und mittels Röntgenkristallographie analysiert werden. Die dafür notwendige Menge an reinem AmpR soll ebenfalls im Rahmen dieser Arbeit bereitgestellt werden.

2. Material und Methoden

2.1. Material

2.1.1. Bakterienstämme

E. coli XL 1-Blue

Genotyp: recA1 endA1 gyrA96 thi-1 hsdR17 (rk- mk+) supE44 relA1 λ- lac- [F‘ proAB lacIq ZΔM15 Tn10(Tetr)]

Bezugsquelle: Stratagene (Heidelberg)

Dieser Stamm diente als Wirtsstamm für Plasmide bei Klonierungen.

E. coli BL21 (DE3) pLysS

Genotyp: F- ompT hsdSB (rB- mB-) gal dcm (DE3) pLysS(CmR) Bezugsquelle: Stratagene (Heidelberg)

Dieser Stamm wurde zur Überexpression rekombinanter Proteine benutzt.

E. coli C41 (DE3)

Genotyp: F- ompT hsdSB (rB- mB-) gal dcm (DE3)

Herkunft: MIROUX UND WALKER, 1996

Dieser Stamm wurde zur Überexpression rekombinanter Proteine benutzt.

E. coli DC2

Herkunft: RICHMOND UND WOTTON, 1976

Dieser Stamm besitzt einen Defekt in der äußeren Membran und wurde für Induktionsversuche verwendet.

E. coli JRG582

Genotyp: (nadC-ampD-ampE-aroP)

Herkunft: LANGLEY UND GUEST, 1977

Aus diesem Stamm wurden die Anhydromuramylpeptide aM-Tripeptid und aM-Pentapeptid isoliert.

Material und Methoden

E. coli UGM599

Genotyp: (ΔdacA:Km)

Herkunft: BAQUERO et al., 1996

Dieser Stamm wurde bei Induktionsversuchen eingesetzt.

2.1.2. Enzyme

Restriktionsenzyme und DNA-modifizierende Enzyme wurden, soweit nicht anders angege- ben, von Gibco/BRL (Eggenstein) und New England Biolabs (Schwalbach/Taunus) bezogen.

2.1.3. Plasmide

Kommerziell erwerbbare oder bereits hergestellte Plasmide:

pBluescript SK-

Bezugsquelle: Stratagene (Heidelberg)

Verwendet zur Klonierung und Sequenzierung von DNA-Fragmenten.

pBP131

Bezugsquelle: (KORFMANN, 1988)

Das Plasmid enthält einen Teil der genomischen DNA von E. cloacae, der unter anderem für die β-Laktamase und das AmpR-Protein kodiert.

pBP19-6

Bezugsquelle: (DIETZ, 1997)

Dieses Plasmid enthält die DNA-Sequenz für AmpD und AmpE aus E. cloacae.

pBR322

Bezugsquelle: (SOBERON et al., 1980)

Verwendet zur Klonierung und Sequenzierung von DNA-Fragmenten.

pET19b, pET22b, pET43a

Bezugsquelle: Novagen (Heidelberg)

Verwendet zur Überexpression des AmpR Proteins aus E. cloacae und C. freundii.

Material und Methoden

Bezugsquelle: BISHOP UND WEINER, 1993

Verwendet zur Überexpression des AmpR Proteins aus C. freundii

pNU305

Bezugsquelle: Prof. Dr. Herbert Schmidt, TU Dresden

Das Plasmid enthält einen Teil der genomischen DNA von C. freundii OS60, der unter anderem für die β-Laktamase und das AmpR-Protein kodiert (LINDBERG et al., 1985). Das Ursprungsplasmid ist pBR322.

Selbst hergestellte Plasmide:

Bezeichnung Entstehung Verwendungszweck

pBPCS1 pET19b und ampR aus C. freundii, kloniert Expression von AmpR aus

(AmpR) über BamHI und EcoRI C. freundii

pBPCS2 pET22b und ampR aus C. freundii, kloniert Expression von AmpR mit

(AmpR) über NdeI und XhoI C-terminalem His-Tag

pBPCS3 pET22b und ampR aus E. cloacae, kloniert über Expression von AmpR aus

(AmpR) NdeI und BamHI E. cloacae

pBPCS5 pET43a und ampR aus C. freundii, kloniert Expression des Fusions-

(TicR) über SmaI und EcoRI proteins NusA/AmpR

pBPCS6 pET43a und ampR aus E. cloacae, kloniert über Expression des Fusions-

(TicR) SmaI und BamHI proteins NusA/AmpR

pBPCS10 pBluescript SK- und 175 bp der ampR-ampC

(AmpR) Intergenregion aus C. freundii, kloniert über

pBPCS11 pBR322 und ampR-ampC aus C. freundii, klo- DNA-Matrize für In-vitro

(AmpR, TetR) niert über EcoRI Transkriptionsversuche

[...]


1 „Es ist an der Zeit, das Kapitel Infektionskrankheiten abzuschließen“. (PATLAK, 1996)

2 „Das Spektrum der Möglichkeiten, Infektionskranken zu helfen, verkleinert sich zunehmend.“ (HEYMANN, 2000)

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Neue Strukturen und Targets für beta-Laktamase-Inhibitoren
Hochschule
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
111
Katalognummer
V32337
ISBN (eBook)
9783638330855
Dateigröße
2814 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neue, Strukturen, Targets
Arbeit zitieren
Christine Schneider (Autor:in), 2004, Neue Strukturen und Targets für beta-Laktamase-Inhibitoren, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32337

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