Amerikanische Missionsarbeit im Libanon des 19. Jahrhunderts


Dossier / Travail de Séminaire, 2016

18 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Missionsarbeit des American Board (1823-1870)
2.1 Erste US-Missionen im Libanon
2.2 Missionierung über Bildung
2.2.1 Zustand des Bildungswesens im Libanon zu Beginn der Missionsarbeit
2.2.2 Errichtung von Schulen im Libanon
2.2.3 Unterrichtshalte an den Missionsschulen

3. Die presbyterianische Mission (1870-1900)

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit soll es um die amerikanische Missionsarbeit im Libanon gehen. Der Autor hat sich dabei auf die Zeit des 19. Jahrhunderts beschränkt. Es geht ausschließlich um die protestantische Mission. Ob auch die in den USA ohnehin wenig bedeutenden katholischen und orthodoxen Kirchen Missionsarbeit im Nahen Osten leisteten, war nicht eruierbar und erscheint unwahrscheinlich.

An dieser Stelle muss eine Begriffsklärung erfolgen: mit „Libanon“ meint der Autor die heutige Libanesische Republik in ihren aktuellen Grenzen. Wenn zur Veranschaulichung ein Ort beschrieben wird, der sich außerhalb der heutigen Grenzen des Libanons befindet, wird deutlich darauf hingewiesen, indem mindestens der heutige Staat zu dem er gehört genannt wird. Die staatliche Ordnung im 19. Jh. und Entitäten wie Groß-Syrien soll hier keine Rolle spielen, da die Missionsbewegung in weiten Teilen Groß-Syriens tätig war und dadurch das Thema zu weit ausgeführt werden müsste. Der Autor beschränkt sich somit auf Missionstätigkeiten auf dem Gebiet des heutigen Libanon.

Die libanesische Geschichte kann als recht gut erforscht bezeichnet werden, da von der Frühgeschichte (Phönizier etc.)1 bis zum libanesischen Bürgerkrieg2 diverse Themen von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen (Archäologie, Orientalistik, Politikwissenschaften usw.) aufgegriffen wurden. Es gibt auch Forschungsarbeit zu Missionstätigkeiten im Nahen Osten bzw. speziell im Libanon, doch die ist nicht allzu zahlreich.3 Der Forschungsstand dürfte außerdem größtenteils veraltet sein, da viele der Werke bereits im 19. oder frühen 20. Jh. erschienen. Ein Großteil der Arbeiten ist außerdem zumindest zweifelhaften Inhaltes, da sie von Missionaren verfasst worden und eine unabhängige Betrachtung nicht stattfindet.4 Dieser Punkt gilt auch für die vom Autor dieser Arbeit benutzte Literatur, worauf an passender Stelle eingegangen wird.

Da in den missionarischen wie auch den wissenschaftlichen Werken oftmals die Bildungsarbeit (Schulgründungen, Alphabetisierungskampagnen etc.) der Missionare hervorgehoben wird, soll in der Arbeit zum einen der Frage nachgegangen werden, in wie weit es den amerikanischen Missionen gelang, im 19. Jh. das Bildungswesen im Libanon zu verbessern, aber auch zum anderen die Frage nicht außer Acht gelassen werden, in wie fern die Tätigkeiten der Missionen von Behörden wie auch den „alteingesessenen“ orientalischen Kirchen willkommen geheißen wurden.

2. Missionsarbeit des American Board (1823-1870)

Zum Umfeld der protestantischen Missionen – insbesondere der ersten offiziellen Mission, also der des American Boards – im Libanon merkte Julius Werner Richter5 Folgendes an: „Nirgendwo in Kleinasien sind die ethnischen und religiösen Verhältnisse so kompliziert wie in Syrien6 “.7 Richter geht im Falle Gesamtsyriens aufgrund von statistischen Erhebungen von einem Verhältnis von 850.000 Muslimen zu 520.000 Christen aus, von denen nur 10.000 Protestanten, d.h. 1,5% der Christen bzw. 0,6% der damals noch kaum 2 Millionen Menschen umfassenden Gesamtbevölkerung Gesamtsyriens, waren.8 Richter beschreibt desweiteren auch einen Zusammenhang zwischen Multikonfessionalität und dem Landschaftsbild, da v.a. im damals noch sehr schwer zugänglichen Libanon- bzw. Antilibanon-Gebirge viele kleine Gruppierungen relativ unabhängig überleben konnten. Die ethnische und religiöse Vielfalt sei dabei ein Problem für die Mission, da es auch unter den Christen viele theologische Unterschiede und kaum Willen zur Einigkeit gäbe.9

Problematischer für die Missionare waren allerdings zweifelsohne die rechtlichen Probleme, vor denen sie standen: Eine Missionierung ging fast nur unter Christen, da Muslimen im Falle der Apostasie in vielen Regionen die Todesstrafe drohte. Zumindest regional oder zeitweise waren sie auch im Libanon – aufgrund der osmanischen Herrschaft – mit Predigtverboten belegt oder gezwungen, Missionsschulen zu schließen oder in Streitigkeiten um Kirchenbauten verwickelt.10

2.1 Erste US-Missionen im Libanon

Erste protestantische Missionare aus den USA wurden bereits 1819 in den Nahen Osten entsandt. Anfangs war das Missionshauptquartier auf Malta, da nur dort eine geeignete Druckerpresse für die Übersetzungen christlicher Werke ins Arabische und Osmanisch-Türkische – damals wurde das Maltesische noch in arabischen Buchstaben geschrieben – verfügbar war. Ab ca. 1820 taten sich die Pfarrer Levi Parsons und Pliny Fisk als Wanderprediger in Syrien, Libanon, Palästina und Ägypten hervor.11

1822 starb Parsons in Alexandria (Ägypten), jedoch wurde die Mission ausgeweitet. In Antuf bei Beirut ließ sich ein Pfarrer namens Nicolayson mit einem weiteren Missionar nieder, um sich der Mission von Juden zu widmen.12

1823 endsandte das erst 13 Jahre zuvor gegründete American Board of Commissioners for Foreign Missions (kurz: American Board oder ABCFM, dt.: Gremium Amerikanischer Gesandter für die Auslandsmission) Nachfolger für Parsons: Jonas King, William Goodell und Frank Bird. Die drei Missionare ließen sich mit ihren Familien in Beirut nieder, weil die Stadt – nach Einschätzung des American Board – durch ihren hohen Christenanteil und starke Europäisierung über den Handel, Sicherheit für Missionare gewährte. Zudem hatte Beirut in den 1820er Jahren mit die beste Infrastruktur (Verkehrswege, Telegrafen, europäische Einrichtungen wie das deutsche Krankenhaus) im Nahen Osten.13

Die Missionare des American Board suchten von Beginn an den Kontakt zu Einheimischen – v.a. anderen Christen – und lernten darüber auch das Arabische in landesüblicher Prägung, was sie zum einen im Bildungssektor einsetzten und zum anderen freilich auch für die Verbreitung ihrer religiösen Vorstellungen nutzten. Liest man sich die Korrespondenzen der Missionare durch, findet man eine Vielzahl an religiösen Diskussionen, die mitunter zwischen Missionaren und „Gastfamilien“, unter denen sich die Missionare zwecks Spracherwerbs aufhielten, stattfinden. So im Fall von King bei einer römisch-katholischen Familie Doomanee in Dayr al-Qamar. Dieser Eintrag liest sich so:

„31. Juli 1823. Eine der Frauen der Familie fragt mich, ob ich an den Papst glaube. Ich erwiderte: ,Nein‘. Sie stellte mir dann einige Fragen zu meiner Geisteshaltung, die ich offen beantwortete. Herr D[oomanee], bei dem ich residiere, nennt sich selbst römisch-katholisch und ich dachte, ich würde vielleicht seine Feindseligkeit - und die seiner Familie - zu spüren bekommen, wenn ich meinen Glauben so früh eingestehe…“14

Die Diskussion mit einem Ordensoberen (Superior) wenige Tage später verläuft schärfer und ist in dem gängigen Muster einer Missionsgeschichte gehalten, die stets den vermeintlich falsch glaubenden Gegner als unterlegen darstellt:

„Mein Lehrer [der Superior] wollte mir nicht glauben, dass die Priester das zweite Gebot, welches lautet: ,Du sollst dir kein Bildnis machen usw.‘ verschwiegen, und meinte, er würde mir einen Juden herholen und ihn fragen, ob dieses Gebot im jüdischen Buch wäre. Ich sagte: ;Bringe ihn her, denn jeder Jude kennt das zweite Gebot, das Gott Mose zukommen ließ.‘ Er hatte es am Morgen in meiner arabischen Bibel gelesen, deren Authentizität er anzweifelte, da sie in England gedruckt war. Nach langer Diskussion schickte er nach einer in Rom gedruckten Bibel, die er für wahr hielt. Ich öffnete sofort Exodus 20 und gebot ihm zu lesen – und er, sehr zu seinem Erstaunen, stellte fest, dass ich ihm die Wahrheit gesagt hatte.15

Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde die Mission mehrfach durch Unruhen gestört und war teilweise kurz vor der Aufgabe. So gab es 1828-40 große Unruhen im Osmanischen Reich wie die Griechenlandkriege, die Plünderung von Beirut u.a., sodass von 1828-30 und 1835 kurzzeitig Unterbrechungen der amerikanischen Mission und deren Flucht nach Malta bzw. Zypern zu verzeichnen waren. 1842-45 gab es Übergriffe von Maroniten auf Drusen, was zu Annäherungen zwischen Drusen und Protestanten führte, aber andererseits zu Reibereien, da die Missionare sich meist weigerten, drusische Männer zu taufen, die als Christen auf dem Papier dem osmanischen Militärdienst entgehen wollten.

1860 fanden die berüchtigten Massaker von Drusen gegen Maroniten statt, die laut den amerikanischen Missionaren von letzteren provoziert wurden16 und zu mehr als 10.000 Toten führten. Der Versuch der Protestanten, über Hilfstätigkeiten für die betroffenen Orte zu missionieren, scheiterte.17

2.2 Missionierung über Bildung

2.2.1 Zustand des Bildungswesens im Libanon zu Beginn der Missionsarbeit

In den Kapiteln 2 und 2.1 wurde bereits das für die protestantische Mission schwierige Umfeld beschrieben. Richter kommt daher zu dem Schluss, dass man als Missionar nicht aggressiv missionieren könne, sondern auf Diplomatie setzen und v.a. medizinische Mission betreiben, christliche Literatur verteilen und Schulen gründen müsse – und all das möglichst unauffällig.18 Richter beschreibt diese Art der Missionierung, insbesondere dann, wenn sie auch unter Muslimen betrieben wird, als eine Art „modernen, friedlichen Kreuzzug“.19

In der Tat wird die Missionstätigkeit im Libanon oft mit dem Ausbau des Bildungssystems in Verbindung gebracht. Das Bildungssystem im Osmanischen Reich und somit auch dem Libanon wird noch im 19. Jh. als quasi nicht existent beschrieben. Die jeweiligen religiösen Autoritäten waren eigenverantwortlich für die Bildungsarbeit – dieser Verantwortung kamen laut Richter auch die Kirchen kaum nach.20

Das Bildungssystem war zumindest in einem so schlechten Zustand, dass auch unter den Mönchen eines Konvents in Shuweir, das Flisk 1823 besuchte, nur ein einziger von 40 Fremdsprachekenntnisse21 – und auch keine besonders guten – hatte, was für die westlichen Geistlichen, die sich v.a. im Feld der Mission als sehr fremdsprachengewandt auszeichnen, verwunderlich war. Auch in anderen Klöstern – Zoar z.B. – beherrschten nur wenige Fremdsprachen wie Italienisch, Französisch oder Griechisch.22

Zudem seien auch die Bibliotheken der Klöster sehr dünn bestückt – einige gebildete Privatleute hätten größere im Nahen Osten – und hielten keinem Vergleich mit europäischen oder amerikanischen Bibliotheken stand. Dadurch gab es natürlich auch Probleme mit Lehrmaterialien für Sprachunterricht und religiöse Erziehung: Goodell beschreibt z.B. einmal, wie er in der Bibliothek eines armenischen Bischofs in Sidon, den er zum Erlenen des Türkischen konsultierte, nach einigem Suchen eine veraltete Italienischgrammatik in auf armenischer Schrift geschriebenen Türkisch (die armenische Gemeinde im Osmanischen Reich schrieb das Türkische meist statt auf Arabisch auf Armenisch) fand, aus der er sich einige Türkischkenntnisse aneignete.23

Vielfach werden auch Priester als ungebildet und arm porträtiert. Ob solche Beschreibung wie jene von Fisk über Deir al-Ahmar übertrieben und aus Boshaftigkeit oder einem Überlegenheitsgefühl gegenüber den vermeintlich falsch glaubenden Maroniten entstanden sind oder voll und ganz der Wahrheit entsprechen, ist nach Meinung des Autors nicht herauszufinden. Flisk schreibt jedenfalls:

Dort [in Deir al-Ahmar] gibt es eine Kirche: eine kleine, dunkle, feuchte Behausung. Der Priester ist alt, gebrechlich, ungebildet und dumm und lebt wie seine Gemeindemitglieder auch in Hütten, die ein amerikanischer Bauer kaum für seine Herde als ausreichend betrachten würde.24

[...]


1 Wichtige Publikationen u.a.: Glenn, Markoe (2000): Phoenicians u. Morstadt, Bärbel (2015): Die Phönizier.

2 Wichtige Publikationen u.a.: Fisk, Robert (2001): Pity the Nation: Lebanon at War u. Rink, Martin (2009): Der Bürgerkrieg im Libanon 1975 bis 1990. In: Naher Osten (= Wegweiser zur Geschichte).

3 Ein Fokus liegt aber auf dem 20. Jh., nicht auf dem 19. wie in der vorliegenden Arbeit: z.B. Möller, Esther (2013): Orte der Zivilisierungsmission : Französische Schulen im Libanon 1909-43 und Robson, Laura (2011): Colonialism and Christianity in Mandate Palestine.

4 Ein missionarisches Werke, das nicht in dieser Arbeit verwendet wurde, aber das Thema teilw. behandelt, ist:: Ohne Autor (1895): Achtzehnter Bericht über die Diakonissen-Stationen am Libanon, namentl. über das Waisenhaus Zoar in Beirut, vom 1. Juli 1893 bis 30. Juni 1895.

5 Theologe aus der Altmark (1862-1940), der als einer der bedeutendsten deutschen Missionswissenschaftler (nicht Missionare) gilt. Sein Werk über die Mission im Nahen Osten ist eine zentrale Quelle dieser Arbeit.

6 Unter Syrien fallen neben dem Gebiet des heutigen Syrien auch der Libanon und Hatay, heute Teil der Türkei.

7 Richter (1910): Protestant Missions, S. 181.

8 Ebd. Die Statistik ist nicht datiert worden, aber aufgrund der Daten von Dr. William [McClure] Thomson, der die Statistik in seiner Zeit als Missionar in Beirut (1833-58) erstellte, auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zu datieren (Vgl.: Thomson (1859): The Land and the Book). Übrigens sollten sich die angesprochenen ethnischen Verhältnisse kurz nach Thomsons Abreise durch Flüchtlingsströme aus dem Kaukasus noch verkomplizieren.

9 Ebd. S. 181f.

10 Richter (1910): Protestant Missions, S. 11, 15f., 62, 77.

11 Ebd. S. 185.

12 Ebd. S. 186.

13 Ebd.

14 American Board (1824): The Missionary Herald Bd. 20, S. 211.

15 Ebd. S. 212.

16 Richter (1910): Protestant Missions. Richters Darstellung ist allerdings streitbar: „Es war wieder einmal die Schuld der Maroniten“ (S. 198) und „die Maroniten und ihre römischen (d.h. katholischen) Freunde übertrieben die Opferzahlen gewaltig, indem sie bis zu 30.000 und mehr angaben“ (S. 199). Diese Darstellung ist wohl auf den Konflikt zwischen den Missionaren und der ihnen feindselig gesinnten maronitischen Kirche zurückzuführen.

17 Ebd. S. 189-201.

18 Ebd. S. 77-88.

19 Ebd. S. 14.

20 Ebd. S. 65f.

21 Bei den Fremdsprachenkenntnissen fanden aber offensichtlich nur europäische Sprachen Beachtung: an weiteren Stellen ist die Rede davon, dass neben Arabisch auch Syrisch gelesen und gesprochen wurde, was zumindest eine Fremdsprache für die Arabischmuttersprachler ist. Vgl. American Board (1824): The Missionary Herald Bd. 20, S. 269f.

22 American Board (1824): The Missionary Herald Bd. 20, S. 242f.

23 American Board (1825): The Missionary Herald Bd. 21, S. 171.

24 American Board (1824): The Missionary Herald Bd. 20, S. 271.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Amerikanische Missionsarbeit im Libanon des 19. Jahrhunderts
Université
University of Bonn  (Orient- und Asienwissenschaften)
Cours
Diskursanalyse (Arabisch)
Note
1,3
Auteur
Année
2016
Pages
18
N° de catalogue
V323703
ISBN (ebook)
9783668229617
ISBN (Livre)
9783668229624
Taille d'un fichier
572 KB
Langue
allemand
Mots clés
Missionsarbeit, 19. Jahrhundert, Libanon, amerikanische Missionsarbeit
Citation du texte
Göran Janson (Auteur), 2016, Amerikanische Missionsarbeit im Libanon des 19. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323703

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