Feindbilder zu Islam, Migration und Überfremdung auf Pro- und Anti- Pegida-Facebookseiten. Eine diskursanalytische Untersuchung von Facebook-Kommentaren


Trabajo de Seminario, 2015

37 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Pegida
1.2 Vorgehensweise

2. Methodische Grundlagen
2.1 Definition Diskurs
2.2 Wissenssoziologische Diskursanalyse

3. Hate Speech
3.1 Trollen

4. Diskursanalyse Pegida
4.1 Datenkorpus
4.2 Diskursive Kontexte
4.3 Inhalte der Debatte

5. Strategien der Angstverbreitung

6. Zusammenfassung

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis
8.1 Quellenverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: DemonstrationsteilnehmerInnen

Abbildung 2: Unzufriedenheit mit Politik als Teilnahmegrund

Abbildung 3: TeilnehmerInnen an Gegendemonstrationen

Abbildung 4: Pegida Positionspapier

Abbildung 5: Beispiel der Feinanalyse

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Phänomenstruktur

Tabelle 2: Häufigkeiten der Kategorien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Welche Feindbilder zum Islam, Migration und Überfremdung werden im Rahmen von Facebook Seiten, wie „Pegida“, „Ich bin ein Patriot, aber kein Nazi“ und „Anti Pegida“ erzeugt und wie werden diese genutzt, um Angst zu schüren?

1. Einführung

„Heute rufen manche montags wieder „Wir sind das Volk“, aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion. Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen!“ (Spiegel 2014). In der Neujahrsrede von Angela Merkel wird ihre Position zu der Gruppe Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, kurz Pegida, deutlich . Pegida ist nicht nur ein Phänomen, das inzwischen ganz Deutschland spaltet, sondern auch in den Medien omnipräsent ist. Aus diesem Grund sehen sich PolitikerInnen, wie Sigmar Gabriel (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU), in der Pflicht den rassistischen Charakter und die Neigung zum Fremdenhass Pegidas offenzulegen, um eine weitere Verbreitung und Zustimmung der Bevölkerung einzudämmen (Bundeszentrale für politische Bildung 2015).

Nun stellt sich die Frage, was ist Fremdenhass? Hass ist eines der intensivsten Gefühle, die ein Mensch fühlen kann, stellt zugleich aber auch eine Grunderfahrung humanitären Lebens dar. Mit „Hass“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine starke Abneigung oder Antipathie gegenüber Personen oder ganzen Gruppen bezeichnet. So verstanden, vollzieht Hass eine scharfe Abgrenzungsbewegung. Hass verlangt immer ein Gegenüber, das heißt er impliziert eine „wir“- „sie“ Trennung und somit einen Gruppenbezug, der über einzelne Subjekte hinausgeht. Diese Bewegung zeigt das reflexive Merkmal von Hass, die Konstitution eines Gegenübers konturiert zugleich die eigene Position „Ich hasse, also bin ich“ (Schmitt 2002: 26).

Ein psychologisches Verständnis von Hass sieht diesen hingegen als Wunsch anderen Schaden zuzufügen, indem er verletzt, gedemütigt oder gekränkt wird. Auch hier kann Hass, als Wunsch nach Hierarchie und Ganzheit, reflexiv verstanden werden (ebd.: 27). Das Gegenüber sind im Fall von Pegida AusländerInnen, die die Abschaffung der christlichen Kultur veranlassen (siehe Anhang Abb. 4). Die Ganzheit der „deutschen Nation“ sowie die Herabwürdigung anderer Kulturen mit der Folge der Wertschätzung der deutschen sind hauptsächliche Ziele Pegidas. Mit Parolen, wie „Wir sind das Volk; Ihr seid nicht das Volk“ verdeutlichen sie ihre Position (Spiegel 2015).

Gegenstand dieser Forschungsarbeit sind die Feindbilder zur Migration, Überfremdung und dem Islam, die durch Pegida auf Facebook Seiten, wie „Pegida“, „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“ und „Anti Pegida“, erzeugt und auf welche Weise diese diskursiv genutzt werden, um Angst zu schüren. Dieses Thema ist besonders interessant, weil die aktuelle Situation innerhalb Deutschlands und der EU durch den enormen Zustrom an Flüchtlingen international diskutiert wird (Brunner 2015). Weiterhin wehrt sich Pegida vehement gegen Rassismus- und Fremdenhassvorwürfe, sodass eine diskursanalytische Untersuchung der erzeugten Fremdbilder weiteren Aufschluss der Thematik zeigen kann.

1.1 Pegida

Als Pegida bezeichnet sich eine Organisation, die seit dem 20. Oktober 2014 in Dresden gegen eine, von ihnen behauptete, Islamisierung Deutschlands und Europas demonstriert. Außerdem kritisieren sie eine aus ihrer Sicht verfehlte Einwanderungs- und Asylpolitik Deutschlands und Europas (Spiegel 2015).

Lutz Bachmann, späteres Führungsmitglied und Leitfigur der Organisation, gründete am 11. Oktober 2014 eine geschlossene Facebook Gruppe mit dem Namen „Friedliche Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Als Begründung gab Bachmann an, dass dies ein Protest gegen die Solidaritätsbekundung vom 10. Oktober 2014 in der Dresdner Innenstadt für die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und deren bewaffneten Kampf gegen den Islamischen Staat, kurz IS, sei (Brunner 2015). Ab dem 16. Oktober 2014 beteiligte sich Siegfried Däbritz, ein ehemaliger Stadtratskandidat der FDP aus Meißen, an Bachmanns Facebook Gruppe und forderte Demonstrationen gegen die Islamisierung Deutschlands durch terroristische, islamistische Kräfte. Seitdem ruft Pegida wöchentlich, überwiegend durch soziale Netzwerke, zu einem „Abendspaziergang“ am Montagabend in der Innenstadt Dresdens auf (Spiegel 2015). Als Vorbild für die Demonstrationen dienen die Montagsdemonstrationen von 1989/1990 in der damaligen DDR.

Seit dem 19. Dezember ist die Organisation ein eingetragener Verein, der durch ein zwölfköpfiges Organisationsteam geleitet wird. Unter den OrganisationsmitgliederInnen befinden sich ehemalige Politiker, wie Thomas Tallacker und Siegfried Däbritz, sowie das Parteimitglied der Alternative für Deutschland (AfD) Achim Exner, aber auch Freunde Bachmanns, wie Thomas Hiemann, Kathrin Oertel und seine Frau Vicky Bachmann (Frankenberger 2015).

In Folge von Medienberichterstattungen über Bachmanns Vorstrafen (Diebstahl, Drogenkonsum etc.) und seinen rassistischen Äußerungen bei Facebook, traten sechs Mitgründer aus der Partei aus und Bachmann gab den Vereinsvorsitz ab. Trotz alledem trat er weiterhin als Redner auf. Des Weiteren werden Pegida rechtsextreme Interessen und Verbindungen mit der NPD zugesprochen, da auch NPD Politiker den Demonstrationen beiwohnen, allerdings distanzieren sich die Veranstalter klar von Neonazis und Hooligans. Der prozentuale Anteil an Rechtsextremen bei den Demonstrationen sei gering. Dennoch gibt es in vielen Städten Pegida Ableger, die sich nicht eindeutig von Rechtsextremen distanzieren, wie beispielsweise in Leipzig (Legida). Ein Vergleich mit diesen Ablegern lehnt Pegida jedoch klar ab (Meisner 2015). Politischen Zuspruch findet Pegida außerdem durch den niederländischen Politikers Geert Wilders und der Ex- AfD Politikerin Tatjana Festerling. Mit Hilfe dieser prominenten Unterstützer soll, beispielsweise mit Auftritten bei Demonstrationen, mediale Aufmerksamkeit erregt werden (Spiegel 2015).

Aktuell hat Pegida mehr als 156.000 Anhänger auf Facebook (Stand 15.08.15) und findet auch in anderen sozialen Netzwerken Anschluss. Laut Pegida können sie in sozialen Netzwerken Themen und emotionale Inhalte, die in der Presse nicht repräsentiert werden, pointierter und besser verbreiten (Buvo 2015). Der rasche Zuwachs Pegidas lässt sich anhand der Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen verdeutlichen: Während am 20. Oktober 2014 nur rund 350 TeilnehmerInnen in Dresden mitdemonstrierten, waren es am 22. Dezember 2014 schon über 17.500 TeilnehmerInnen und den Höhepunkt erreichte die Demonstration am 12. Januar 2015 mit ca. 25.000 TeilnehmerInnen (siehe Abb. 1). Angesprochen auf den Grund der Teilnahme geben die meisten DemonstrantInnen an, nicht aus rassistischen Gründen an dem Demonstrationen teilzunehmen, sondern aus genereller Unzufriedenheit mit der Politik (siehe Abb. 3). Gleichermaßen stiegen auch die Teilnehmerzahlen bei den Gegendemonstrationen, wie beispielsweise in Leipzig mit 30.000 TeilnehmerInnen (siehe Abb. 2). Durch Aktionen bei Kundgebungen, wie „Licht aus für Rassisten“ am 5. Januar in Köln, schafften es die GegendemonstrantInnen sogar in die internationale Berichterstattung (Spiegel 2015).

Seit November 2014 werden Forderungen der Pegisten auf Flugblättern und Reden kundgegeben, die immer wieder modifiziert wurden, um weiteren Vergleichen mit Neonazis und den rechtsextremen Zuschreibungen entgegenzuwirken (Meisner 2015). Am 15. Februar 2015 konnte sich Pegida auf zehn Kernforderungen festlegen, darunter auch die Forderungen nach qualitativer Zuwanderung, einer gesetzlichen Pflicht zur Integration und eine Umsetzung der Abschiebegesetze (siehe Abb. 4).

1.2 Vorgehensweise

Als thematischer Einstieg wurde zunächst die Entwicklung Pegidas und deren Forderungen erläutert (1.1). Im folgenden Kapitel werden die methodischen Grundlagen erörtert (2). In diesem Sinne wird zunächst der Diskurs definiert (2.1) und die Vorgehensweise der Diskursanalyse eruiert (2.2). Daran anschließend wird die Begriffe Hate Speech definiert (3.) und Trollen definiert (3.1). Danach werden die einzelnen Untersuchungsschritte zur Analyse der Feindbilder vorgestellt (4) mit den Unterkapiteln des Datenkorpus (4.1), dem diskursiven Kontext (4.2) und der Feinanalyse (4.3). Im Anschluss an dieses Kapitel folgt die Interpretation (5) die Zusammenfassung der wichtigsten Fakten (6) und abschließend ein Fazit (7).

2. Methodische Grundlagen

Im folgenden Kapitel sollen die methodischen Grundlagen für diese Forschungsarbeit benannt werden. Zunächst müssen die Begriffe „Diskurs“ und „Diskursanalyse“ voneinander getrennt werden. Es wird sich unabhängig vom jeweiligen theoretischen Ansatz zeigen, dass Diskurse durch bestimmte Prozesse und Handlungen Muster erzeugen. Wohingegen sich die Diskursanalyse mit der Untersuchung, der Analyse und auch der Interpretation des zugrundeliegenden Datenmaterials befasst (Keller 2007: 79).

2.1 Definition Diskurs

Der Begriff „Diskurs“ beschreibt ein Konstrukt der SozialforscherInnen, die davon ausgehen, dass spezifische empirische Daten, die zunächst als unabhängige Ereignisse existieren, einem Zusammenhang unterliegen (Keller 2007: 83).

Bei Diskursen handelt es sich also um strukturierte zusammenhängende Sprachpraktiken, die Gegenstände und gesellschaftliche Wissensvorräte konstituieren. In strukturierten kommunikativen Vorgängen werden Elemente der gesellschaftlichen Wissensordnung produziert sowie durch institutionelle Verfahren verfestigt und stabilisiert. Das produzierte Wissen leitet die Weltdeutung und Handlungen der Menschen an. Die Wirkung von Diskursen auf die Interessengruppen kann unterschiedlich ausfallen (Keller 2008: 186). Im Falle von Pegida ist das Ziel des Diskurses, durch die Verwendung bestimmter Mechanismen und Strategien, die im Kapitel 4 näher erläutert werden, Angst zu schüren.

Ein Diskurs unterliegt gewissen Diskursregeln, die den Diskurs in der Art lenken, dass innerhalb eines spezifischen Diskurses auch nur bestimmte Aussageereignisse reproduzierbar und zulässig sind, wohingegen andere Aussagen als unzulässig ausgeschlossen werden. Somit wird das virtuell Sagbare auf einen konkreten Bereich des Sagbaren beschränkt. Denn nicht jede Aussage kann zu einem Bestandteil eines spezifischen Diskurses und damit zu einem diskursiven Ereignis werden. Subjekte dieser Diskurse können auch nur durch den Diskurs selbst zur Teilnahme an ihm legitimiert werden (Foucault 1981: 23).

Ab welchem Zeitpunkt bzw. auf welcher Ebene von einem Diskurs gesprochen werden kann, lässt sich nicht unabhängig von dem Forschungsziel formulieren. Die Vielfalt der Diskurse und Praktiken, in denen verschiedene Wirklichkeiten gesellschaftlich konstruiert werden, korrespondieren auch mit einer Vielfalt der diskursanalytischen Ansätze, die sie entschlüsseln (Keller 2007: 84).

2.2 Wissenssoziologische Diskursanalyse

Die Diskursanalyse untersucht den Zusammenhang von sprachlichen Handlungen sowie die Regeln und Regelmäßigkeiten eines Diskurses, seine Möglichkeit zur Wirklichkeitskonstruktion und seine gesellschaftliche Verankerung. Sie stellt insbesondere Fragen nach den sozialen und oganisatorischen Perspektiven und nach der Anordnung von Aussagen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen die institutionellen Regelungen von Aussagepraktiken und deren performative wirklichkeitskonstituierende Macht (Keller 2008: 183).

Die vorliegende Forschungsarbeit orientiert sich an der wissenssoziologischen Diskursanalyse von Reiner Keller. Dieses Forschungsprogramm verbindet die sozialkonstruktivistische Perspektive von Peter L. Berger und Thomas Luckmann mit der, hauptsächlich durch Foucault geprägten, Diskurstheorie. An das von Berger und Luckmann geprägte Konzept der kollektiven Wissensvorräte wird der Begriff des Diskurses angeknüpft (Keller 2008: 185). Bei der Untersuchung von Diskursen ist es wichtig, „die Diskurse nicht als Gesamtheit von Zeichen […], sondern als Praktiken zu behandeln, die systematisch die Gegenstände bilden, von denen sie sprechen“ (Foucault 1981: 74).

Kellers Hauptargument ist hier, dass sich die zusammengeführten Theorieansätze in der wissenssoziologischen Diskursanalyse ergänzen. Ein Vorteil der Konzeption der wissenssoziologischen Diskursanalyse als Forschungsarbeit liegt darin, keinen theoretischen Vorgaben folgen zu müssen, sondern die Möglichkeit zu haben, bezüglich der Forschungsfrage Modifikationen und Erweiterungen vornehmen zu können (Keller 2007: 84).

Im Forschungsprozess müssen DiskursforscherInnen einige allgemeine Entscheidungen treffen und Probleme lösen, die keine Schwierigkeit der Diskursanalyse darstellen. Die einzelnen Analyseschritte lassen sich zusammenfassend darstellen. Neben der Themenauswahl, der Formulierung einer oder mehrerer Forschungsfragen, der Entwicklung und Theoriebildung hat man bei der Diskursanalyse auch die Wahl der Umsetzung der anschließbaren methodischen Vorgehensweise. Somit können also Phasen der Datenerhebung und Auswertung dieser mit folgender Analyse, der abschließenden Interpretation und der Formulierung der Ergebnisse unterschieden werden. Generell werden die Analyseschritte nicht in strenger Reihenfolge umgesetzt, sondern als Wechselbewegungen zwischen den einzelnen Schritten. Wichtig ist, dass durchgängig auf die „Passung“ zwischen Fragestellung, methodischer Umsetzung und dem Datenmaterial geachtet wird (Keller 2007: 85).

Diese Annahme muss als Basis zur Erstellung des Datenkorpus herangezogen werden, dessen Gestalt sich an der Forschungsfrage orientiert. Die Bestandteile des Datenkorpus können aus protokollierter mündlicher Rede, textförmigen Daten, audiovisuellen Materialien, Beobachtungsprotokollen und Artefakten entstehen. Bei der Untersuchung von Diskursen geht es darum, soziale Mechanismen, Produktionsregeln und Strukturierungen von Wissensordnungen zu ermitteln (ebd.: 87).

3. Hate Speech

Jeder Mensch, der sich im Internet informiert oder nur Leser- Kommentare zu einzelnen Artikeln oder Posts bei Facebook liest, kennt das Phänomen: Hate Speech.

Kaum haben etliche User Zustimmung oder Ablehnung einer Meinung geäußert, Ergänzungen, Widersprüche oder Korrekturen angemerkt, folgen beleidigende, obszöne oder provozierende Wortkaskaden. Daher kann man Hate Speech wie folgt definieren: Jede verletzende Rede, die ihren sprachlichen Ausdruck von Hass gegen Personen oder Gruppen richtet, insbesondere durch die Verwendung von Ausdrücken, die der Herabsetzung und Verunglimpfung von Bevölkerungsgruppen dienen (Butler 1997: 14).

Die Sprecher von Hate Speech haben keine souveräne Macht, da die mögliche Verletzung in den Folgen der Äußerungen liegt. Somit hat die Sprache die Handlungsmacht, da sie verletzend sein kann (ebd.: 16). Zur Effektivität von Hate Speech kann man sagen, dass dem Sprecher keine verletzende Intention zugesprochen werden kann, er zitiert und reproduziert zwar bestehende Normen, aber die Wirkung der Hate Speech muss nicht zeitlich mit der Äußerung zusammenfallen (Eickelmann 2014: 6). Hate Speech kann man seit den 90er Jahren als Netzphänomen im Internet erkennen. Die fortschreitende Anonymität und Distanzlosigkeit, die uneingeschränkte Erreichbarkeit können als Möglichkeitsbedingung für das Auftreten von Hate Speech benannt werden. Charakteristisch für Hate Speech ist die Schnelllebigkeit, Unfixiertheit, Offenheit und rasante Geschwindigkeit mit der Hassreden verbreitet werden. Im digitalen Zeitalter der Emergenz, gibt es eine skandal- und empörungsfokussierte Gesellschaft, die öffentliche Anrufungen und Empörungen zur Gemeinschaftsbildung, Grenzziehung und Rekonfiguration von Normalität heranziehen. Dabei bildet das Internet durch seine Medialität die Möglichkeit zu Empörungswellen und strukturiert dabei gleichzeitig die Ausdrucksformen einer solchen Welle (ebd.: 8).

Bei dem Thema Hate Speech ist ein grundsätzliches Dilemma zu erkennen. Die eine Gruppierung beruft sich auf libertäre Ansprüche und plädiert auf Redefreiheit wohingegen die andere Gruppierung mehr Schutz vor Gewalt und Beleidigungen im Netz fordert. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich durch ein jeweils anderes Verständnis des Zusammenhangs von Sprache und folgenden Handlungen. Während die Gruppe für Redefreit jede Sperrung der Kommentarfunktion als Zensur ansieht und darauf plädiert, dass Sprache und Handlungen nicht aufeinander verweisen, betont die Gruppe, die von drohender Gewalt ausgeht, dass Sprache und folgende Handlungen sich kongruent zueinander verhalten. (Eickelmann 2014: 12).

Durch das Internet ist Hate Speech virulent geworden, sodass selbst PolitikerInnen, die das Internet erst noch als „Neuland“ bezeichnet haben, eine Meinung dazu haben müssen. In aller Regel handelt es sich dabei um die Standard- Politikermeinung: Mehr Kontrollen, verschärfte Strafen, und ansonsten Zensur solcher Beiträge (Seeßlen 2015).

Judith Butlers These, die von Foucaults Machtbegriff[1] abgeleitet ist, besagt, dass der Staat selbst verantwortlich ist für die Existenz von Hate Speech, indem er die sprachlichen Äußerungen eines einzelnen Subjekts verurteilt und die strukturellen Bedingungen von Diskriminierungen nicht thematisiert. Jede rassistische Äußerung ist nur ein Zitat schon bestehender sozialer Normen und Diskriminierungen, wodurch es sich um eine Reproduktion und Wiederholung gesellschaftlicher Wissensvorräte handelt (Butler 1997:27).

3.1 Trollen

Wenn man von Hate Speech spricht muss man zwischen Cyber Mobbing, Shitstorm und Trollen unterscheiden. Im Rahmen dieser Forschungsarbeiten wird ausschließlich ein Vergleich zwischen Trollen und Hate Speech gezogen. Trolle bewegen sich vor allem in Diskussionsforen, beispielsweise in Kommentarfunktionen oder auch in Mailinglisten. Ihr Ziel ist es, unter einem Pseudonym oder anonym, Diskussionen aggressiv aufzulösen indem andere durch verfasste Netzeinträge werden. Das Trollen muss inzwischen als Begleitphänomen von Online- Kommunikationen gesehen werden, dem es offensichtlich darum geht Menschen wegen ihrer Meinung und/oder wegen ihren „Eigenschaften“ zu attackieren oder eine Kommunikation zu vergiften (Pritsch 2011: 233).

Ein „Troll-Eingriff“ ist oftmals als solcher nicht sofort zu erkennen, da er die bewusste Herabsetzung des sprachlichen und moralischen Niveaus einer Diskussion zum Ziel hat. Weiterhin versucht ein Troll seinen Adressaten zu verunsichern. Die gesteigerte Form des Trollens nennt man „flaming“, darunter zählen Beleidigungen sowie sexistische und rassistische Beschimpfungen, die gegen Frauen und Feminismus gerichtet sind (ebd.: 233).

Ein Merkmal des Trollens ist das Außerkraftsetzen der Basisregeln der Konversation, beispielsweise durch die rhetorische Strategie andere Antworten zu übersehen, um somit die gesamte Diskussionsrunde als naiv vorzuführen. Ein Erfolg für Trolle stellt die Ignoranz der Anderen, sowie der Ausschluss aus einer Diskussionsrunde dar. Wer und mit welchen Mitteln verletzt werden soll ist zunächst unklar. Die sprachtheoretischen Betrachtungen von Sprache zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen den allgemeinen Verletzungen von sozialen Normen und Identitäten sowie der Verletzbarkeit der Einzelperson besteht, weil die eigene Identität auch mit diesen Normen verflochten ist. Um „Troll-Angriffe“ abzuwehren soll man diese Kommentare löschen, ignorieren oder veröffentlichen. Schwierig wird dies jedoch, wenn ein kommunikativer Schwarm mit einem gesteigerten Interesse angreift (Pritsch 2011: 239).

4. Diskursanalyse Pegida

Die Kommunikation über die Emotion „Hass“ insbesondere im Internet ist in aller Munde. Es fehlt jedoch an empirischen Studien zum Sprechen über Hass. Aktuell wird nicht nur über Pegida in den Massenmedien, unter den PolitikerInnen und der Bevölkerung diskutiert, sondern auch über Gruppen, wie die „Besorgten Eltern“. Beide Gruppierungen haben gemein, dass sie sich gegen „Genderismus“ aussprechen und vor allem durch das Internet Gehör finden (Besorgte Eltern 2015). Während die „Besorgten Eltern“ gegen die drohende Frühsexualisierung von Kindern demonstrieren, geht es den Pegida Anhängern nur bedingt um den Genderismus. Auf ihrem Positionspapier steht an 17. Stelle „Pegida ist gegen dieses wahnwitzige „Gender Mainstreaming“, auch oft „Genderisierung“ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!“ (siehe Abb. 4).

Ob und in welcher Form Hate Speech bei Pegida betrieben wird, gilt es in dieser Forschungsarbeit herauszufinden. Durch die Analyse des oder der Diskurse innerhalb der Flüchtlingsdebatte können Aussagen über die Wirkung, die verfolgten Mechanismen und die Adressaten gemacht werden. Das Ziel der Pegisten ist, Angst zu schüren und Fremdenhass zu erzeugen.

Der im folgenden Kapital behandelte diskursive Zusammenhang ist dem Thema „Fremdenhass und Integration“ zuzuordnen. Er umfasst das öffentliche Wissen zu den Themen Zuwanderung von Flüchtlingen und Integration dieser in Deutschland. Diese Debatte stellt Zuwanderungen vor dem Hintergrund mehr oder weniger flüchtlingsfreundlicher Wahrnehmungsmuster, als mehr oder weniger wünschenswert dar und fordert eine mehr oder weniger offene Form der Integration. Was auf den verschiedenen thematischen Ebenen der „Flüchtlingsdebatte“ gesagt werden kann und welche Positionen vertretbar sind, regeln die diskursiven Strukturen der Debatte (Keller 2007: 185 ff.).

Die diskursiven Strukturen werden durch einzelne diskursive Ereignisse aktualisiert und verändert. Wenn Aussagen gemacht werden, werden sie zwar durch die bestehenden Diskursregeln geformt, die Regeln bestehen aber nicht unabhängig von den Aussagen. Nur dadurch, dass die Strukturen in den Äußerungen aktualisiert werden, bestehen sie fort. Da es in den Aktualisierungen immer zu neuen Variationen der bereits bestehenden Strukturen kommt, verändern sie sich (Keller 2008:186). Die einzelnen Äußerungen sind in der vorliegenden Diskursanalyse die jeweiligen Kommentare der Facebook Seiten „Ich bin Patriot, aber kein Nazi“, „Pegida“ und „Anti Pegida“. Die DiskursteilnehmerInnen greifen auf bestimmte wissensproduzierende Strukturen, wie Deutungs- und Argumentationsmuster zurück (ebd.: 187). In dieser Arbeit werden die diskursiven Denkmuster, mittels derer eine Behauptung innerhalb eines Diskurses Anspruch auf Gültigkeit erhebt, erläutert. Auf der Basis dieser geteilten Denkweisen können Argumente für oder gegen aktuelle politische Entscheidungen, Überlegungen und Meinungen ausgetauscht werden. Bestimmte Argumente sind aber feldabhängig und nur in diesem Feld zulässig, wie zum Beispiel im ethischen, juristischen oder wirtschaftlichen Bereich (Wengeler 1997: 122f).

Ein Denkmuster liegt dann vor, wenn bestimmte Werte typischerweise aus bestimmten anderen Werten abgeleitet werden und überdurchschnittlich häufig in dieser Kombination auftreten.

Ein Wert, ein normatives Ziel oder eine normative Forderung sei hier ein Ereignis, das als real existierend gewollt ist (Schulze 2008: 1-6). Das Denkmuster der „deutschen Leitkultur“ zum Beispiel, taucht in verschiedenen untersuchten Kommentaren immer wieder auf. Da die fremde Kultur (Islam) der Flüchtlinge den aufgeklärten Werten Deutschlands widerspricht, sollen sie sich an die vorherrschende Kultur anpassen. Das Ereignis der Integration ist als real existierend gewollt. Aus dem übergeordneten Wert der aufgeklärten deutschen Werte wird der untergeordnete Wert der Integration der Flüchtlinge an die gegebene Kultur abgeleitet. Pegida aktualisiert das Argumentationsmuster der „deutschen Leitkultur“ in der Flüchtlingsdebatte und fordert eine gesetzliche Pflicht zur Integration (siehe Abb. 4).

[...]


[1] „Macht kann nur über „freie Subjekte“ ausgeübt werden, insofern sie „frei“ sind […].“(Foucault 2005: 257).

Final del extracto de 37 páginas

Detalles

Título
Feindbilder zu Islam, Migration und Überfremdung auf Pro- und Anti- Pegida-Facebookseiten. Eine diskursanalytische Untersuchung von Facebook-Kommentaren
Universidad
University of Kassel  (Universität)
Curso
Diskursanalyse
Calificación
1,0
Autor
Año
2015
Páginas
37
No. de catálogo
V323965
ISBN (Ebook)
9783668242784
ISBN (Libro)
9783668242791
Tamaño de fichero
936 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
diskursanalyse, diskurs, pegida, feindbilder, angst, internet, analyse
Citar trabajo
Pauline Kasimir (Autor), 2015, Feindbilder zu Islam, Migration und Überfremdung auf Pro- und Anti- Pegida-Facebookseiten. Eine diskursanalytische Untersuchung von Facebook-Kommentaren, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323965

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