Die RAF und der Labelling Approach. Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeschreibung


Trabajo de Seminario, 2016

19 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriff des Terrorismus
2.1. Der deskriptive Begriffskern
2.2. Einordnung RAF

3. Der Labeling Ansatz
3.1. Grundaussagen des Ansatzes
3.2. Terrorismus als Zuschreibung

4. Selbstdarstellung RAF
4.1. Das „Konzept Stadtguerilla“
4.2. Der Stammheim Prozess

5. Fremdbeschreibung
5.1. Der „Deutsche Herbst“
5.2. Staatliche Reaktionen
5.2.1. Der Kleine und der Große Krisenstab
5.2.2. Kontaktsperregesetz
5.2.3.Lauschangriff

6. Fazit

1. Einleitung

„Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer“ (Reagan 1986, eigene Übersetzung). Dieses Zitat macht bereits deutlich, dass „Terrorismus […], wie man’s von der Schönheit sagt, im Auge des Betrachters [liegt]“ (Hess 2006: 104). Und weiter: „Wen dieser mit Wohl- gefallen ansieht, den sieht er als Freiheitskämpfer, Revolutionär, Stadtguerrillero, Kämpfer ei- ner ‚bewaffneten Partei‘ […]. Wen er als Feind sieht, den nennt er ‚Terrorist‘ und ruft damit einen ganzen Hof von negativen Konnotationen auf, einen fix und fertig bereitliegenden All- tagsmythos“ (ebd.). Diese einführenden Worte sollen den thematischen Kern der folgenden Hausarbeit aufspannen: Es geht darum, inwiefern Terrorismus als Zuschreibung anzusehen ist, bzw. als delegitimierendes Etikett, das von Seiten eines Akteurs, z.B. des Staates auf einen anderen appliziert wird, um dessen Handeln jedwede politische Legitimation abzusprechen. Wie „[gelingt] es einer Gruppierung/Partei […] ihren Gegnern das Label ‚Terrorist‘ anzuhef- ten […] [um] andere von ihrem moralischen Standpunkt zu überzeugen[?]“ (Jenkins 1975, S.2.; übersetzt von und zitiert nach Elter 2006: 1062). Wie kommt es dazu, dass „Terrorismus […] das [ist], was die bösen Jungs machen“ (ebd.), wie Jenkins es salopp formuliert. Hier wird bereits ersichtlich, dass eine sozialkonstruktivistische Perspektive auf das Phänomen des Terrorismus eingenommen wird. Konkret befasst sich diese Hausarbeit mit dem Fall der Rote Armee Fraktion (nachfolgend: RAF), einer terroristischen Organisation, die vor allem in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts in der Bundesrepublik Deutschland aktiv war. Es geht um die Frage, welche Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeschreibung der RAF ersichtlich werden und welche Legitimationsstrategien damit für die eigene politische Praxis einherge- hen. Als theoretische Grundlage der Eruierung dieser Frage dient mir der sogenannte „Labe- ling Approach“, wobei mein Fokus weniger darauf liegen wird, wie die Etikettierung durch die RAF selbst übernommen worden ist. Vielmehr wird zu fragen sein, inwieweit das Terro- rismusetikett an den Staat zurückgegeben worden ist. Zum Labeling Approach ist anzumer- ken, dass dieser gekennzeichnet ist durch eine „Vielzahl von Nuancierungen, Veränderungen und theoretische[n] Einbettungen […], [so]dass es schwer fällt, den Überblick zu behalten“ (Lamnek 2007: 241). Im Folgenden wird daher auch in sehr selektiver und für die Zwecke dieser Arbeit geeigneten Weise auf den Ansatz einzugehen sein. Er kann weder in Gänze dar- gestellt, noch können sämtliche Differenzierungen und autorenspezifische Akzentuierungen berücksichtigt werden. Der Hauptaspekt liegt in der basalen Erkenntnis, dass Kriminalität bzw. Terrorismus keine Eigenschaft an sich, sondern eine Zuschreibung ist. Selbstkritisch an- zumerken ist, dass sich die Soziologie, und auch ich, der ich diese Hausarbeit verfasse, nie von parteiischen Vorannahmen lossagen kann, insofern die RAF auch hier unter dem Label „Terrorismus“ behandelt wird. Das heißt, wir sind „Gefangene“ des gesellschaftlichen Diskurses, bzw. „teilen selbst Etiketten aus“ und können uns nur selbstreflexiv der Bedingungen der eigenen Möglichkeit bewusst werden. So beziehen wir uns immer auf etwas, das wir als Terrorismus heuristisch so bezeichnen.

Die Hausarbeit gliedert sich wie folgt: In einem ersten Punkt wird auf den Begriff des Terro- rismus eingegangen, um sodann einen deskriptiven Kern „herauszuschälen“. Dann wird der Frage nachgegangen, inwiefern die RAF unter diesen Begriff einzuordnen ist, bzw. überhaupt eingeordnet werden kann. In einem dritten Punkt wird der Labeling-Ansatz vorgestellt und mit ihm Terrorismus als Zuschreibung begriffen. Darauffolgend soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die RAF versucht hat, das Etikett „Terrorismus“ an den Staat zurückzuge- ben, bzw. wie es sich mit der Selbstbeschreibung als „Stadtguerilla“ und der Fremdbeschrei- bungen seitens des Staates verhalten hat. Grundlage der Selbstbeschreibung ist das sogenann- te „Konzept der Stadtguerilla“. Aus diesem wird direkt zitiert und, was die damit einherge- henden Vorstellungen der eigenen Legitimation anbelangt, auf Sekundärliteratur von Münkler zurückgegriffen. Zuerst erfolgt die Darstellung der Selbstbeschreibung der RAF, woraufhin anhand der staatlichen Reaktionen im sogenannten „Deutschen Herbst“ deutlich werden soll, inwiefern der Staat die RAF als Terroristenorganisation gebrandmarkt und ihnen verfassungs- mäßig verbriefte Rechte vorenthalten hat (siehe z.B. im Fall der Lauschangriffe das Recht auf Kommunikationsfreiheit). Grundtenor ist, dass Terrorismus immer als Zuschreibung zu be- trachten ist, sowohl seitens des Staates als auch von Seiten der RAF an den Staat. Angefangen sei mit Bemerkungen zum Begriff des Terrorismus.

2. Begriff des Terrorismus

Der Terrorismusbegriff impliziert „eine moralische Verurteilung […] Mit der Bezeichnung einer politischen Handlung als ‚Terrorismus‘ wird diese Tat nicht nur rechtlich als illegal, sondern auch politisch als illegitim dargestellt“ (Daase 2001: 55). Henner Hess verweist darauf, dass bei der Definition von Terrorismus „[…] viel von der Definitionsmacht ab[hängt], aber auch große Macht kann ein bestimmtes Etikett nicht jedem beliebigen Phänomen aufdrucken. Das Label haftet nur, wenn das signifié in seiner deskriptiv zu erfassenden Erscheinung dem signifiant entgegenkommt.“ (Hess 2006: 104, Kursivdruck im Original). Neben zuschreibenden Elementen, so Hess, habe der Terminus „Terrorismus“ einen deskriptiven Kern, der ganz klar auch die Grenzen des Labeling Approachs aufzeige.

2.1. Der deskriptive Begriffskern

Als eine Definition von Terrorismus, die Wertneutralität anstrebt und das Alltagsverständnis abzudecken sucht, macht Hess folgende aus: „Terrorismus ist (1) eine Reihe von vorsätzli- chen Akten direkter physischer Gewalt, die (2) punktuell und unvorhersehbar, aber systema- tisch (3) mit der Absicht psychischer Wirkung auf weit mehr Personen als nur die physisch getroffenen Opfer (4) im Rahmen einer politischen Strategie ausgeführt werden“ (Hess 2006: 104). Hierbei geht es darum, dass wir als Sozialwissenschaftler uns selbst gewahr werden sol- len, dass wir immer auch mit heuristischen Forschungsvorannahmen an einen Gegenstand herangehen und uns nie im „standortfreien Raum“ bewegen. Um überhaupt ein Phänomen zu behandeln bedürfen wir bereits bestimmter Vorannahmen. So auch im Falle der RAF.

2.2. Einordnung RAF

Die Einordnung der RAF als terroristische Organisation war anfangs alles andere als einein- deutig, auch staatlicherseits (vgl. Kraushaar 2006a: 21). „In der Presse war von ihnen - ganz nach politischer Couleur - entweder als ‚Baader-Meinhof-Gruppe‘ oder als ‚Baader-Meinhof- Bande‘ die Rede. Und auf den ersten Fahndungsplakaten des Bundeskriminalamtes wurden sie noch als ‚Anarchistische Gewalttäter‘ bezeichnet“ (Kraushaar 2006a: 21). Kraushaar ver- weist darauf, dass man anfangs geneigt war, „deren Handeln [dem Handeln der RAF, A.S.] einen gewissen Rest an fehlgeleitetem Idealismus meinte unterstellen zu können“ (Kraushaar 2006a: 21 f.). „Doch schon bald nachdem die ersten Mordtaten der RAF - wie die Erschie ßung des Hamburger Polizeimeisters Norbert Schmid im Oktober 1971 - verübt wurden, schienen derartige Spurenelemente einer politischen Legitimation vollständig aufgezehrt zu sein.“ (Kraushaar 2006a: 22), stellt Kraushaar fest. Kraushaar macht jedoch Bedenken geltend gegen „eine umstandslose und möglicherweise voreilige Subsumtion der RAF unter den Ter- rorismusbegriff […]. Dies wäre auch dann der Fall, wenn ihrer Selbstetikettierung ‚Stadtgue- rilla‘ kein besonderer Stellenwert einzuräumen und diese eher für ein Moment der Stilisierung zu halten wäre. Zumindest würde damit eine Entwicklungsphase unterschlagen, in der die Ausrichtung ihres Handelns an einer terroristischen Strategie noch nicht in der notwendigen Eindeutigkeit erkennbar war“ (Kraushaar 2006a: 22). Die RAF stehe für „eine Gruppierung, die selbst nicht als terroristisch klassifiziert werden wollte“ (ebd.). Kraushaar verweist darauf, dass das RAF-Gründungsmitglied Mahler eine Ausnahmeerscheinung sei, „der den Begriff Terrorismus zur Kennzeichnung der von ihm propagierten Praxis nicht pejorativ, sondern af- firmativ verwendet“ (ebd.). Zitat Mahler: „Die Herrschenden bedienen sich der Angst, die sie durch Terror erzeugen, um sich das Proletariat gefügig zu halten. Was spricht dagegen, daß sich die Unterdrückten ebenfalls der Angst bedienen, die sie durch Terror ihren Feinden einja- gen, um sich endlich zu befreien?“ (Mahler, bzw. Texte RAF 1997, zit.n. Kraushaar 2006:22). Hier wird bereits deutlich, wie versucht wird, die Fremdetikettierung „Terrorist“ zumindest an den Staat zurückzugeben. Nun wird auf den Etikettierungsansatz einzugehen sein, damit deut- lich werden kann, was es bedeutet, Kriminalität bzw. Terrorismus als Zuschreibungsphäno- mene zu begreifen.

[...]

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Detalles

Título
Die RAF und der Labelling Approach. Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeschreibung
Universidad
University of Trier
Curso
Soziologische Gegenwartsanalyse - Terroristische Kommunikation
Calificación
1,7
Autor
Año
2016
Páginas
19
No. de catálogo
V324015
ISBN (Ebook)
9783668231276
ISBN (Libro)
9783668231283
Tamaño de fichero
601 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
RAF, Labeling Approach, Soziologie des Terrorismus
Citar trabajo
Alexander Schmitt (Autor), 2016, Die RAF und der Labelling Approach. Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdbeschreibung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/324015

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