Desktop, Ordner und Dateien. Strukturen und Metaphern der selbstorganisierten Arbeit am Computer.


Mémoire (de fin d'études), 2003

85 Pages, Note: 2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Zielsetzung

1.2 Aufbau dieser Arbeit

II THEORIE UND METHODE
2 Relevanz und Eingliederung
2.1 Statistiken der Computernutzung in Deutschland
2.2 Derzeitiger Stand des GUI
2.2.1 Interface - Definition des Begriffes
2.2.2 Eine kurze Geschichte des modernen GUI
2.2.3 Das Desktop Interface in der wissenschaftlichen Diskussion
2.3 Der Computer - Sichtweisen eines Gegenstands
2.3.1 Der Computer als evokatorisches Objekt
2.3.2 Der Computer als Medium - Die Konstruktion einer Realität
2.4 Strukturen und Metaphern
2.4.1 Strukturen in der Dateiverwaltung
2.4.2 Metaphern und mentale Modelle in der HCI
Interface - Metaphern
2.4.3 Mentale Modelle
Mentale Modelle sind unvollständig
Beschränkte Fähigkeit der Simulation von mentalen Modellen
Mentale Modelle sind instabil
Mentale Modelle haben keine genau definierten Grenzen
Mentale Modelle sind unwissenschaftlich
Mentale Modelle gehen sparsam mit kognitiven Ressourcen um
2.4.4 Konzeptuelle Metaphern
Ontologische Metaphern
Metaphern der räumlichen Orientierung
Strukturelle Metaphern
2.4.5 Metaphern der Computernutzung
2.5 Der Datei - Explorer im Detail
3 Methodik
3.1 Konzeption des Vorgehens
3.1.1 Wahl der Methoden
3.2 Erhebungsmethode im qualitativen Teil der Arbeit
3.2.1 Entwicklung der Interviewmethode im Verlauf der Forschung
3.2.2 Einfluss der Person des Forschers auf den Prozess
3.3 Die Analyse der Interviews
3.3.1 Vorgehen bei der Analyse der Strukturen
IV
Das Vorgehen der "grounded Theory" nach Glaser und Strauss
Offenes Kodieren
Axiales Kodieren
Selektives Kodieren
3.3.2 Vorgehen bei der Metaphernanalyse

III ANALYSE DER INTERVIEWS
4 Analyse der Interviews
4.1 Beschreibung der Erhebungsorte und der befragten Personen
4.1.1 Zur Auswahl der befragten Personen
4.1.2 Befragungsort
4.2 Analyse der gefundenen Strukturen
4.2.1 Ordner
Anlegen von Unterordnern
4.2.3 Dateien
Anlegen von Dateien
4.2.4 Übliche Fehler
Doppelungen
Falsche oder fehlerhafte Benennung
Falsche Einordnung
Unscharfe Benennung eines Ordners
Erinnerung
4.2.6 Dateien löschen
4.3 Analyse der konzeptuellen Metaphern
4.3.1 Ontologische Metaphern
OBJEKT - Metaphern
4.3.2 Bildschematische Metaphern
BEHÄLTER / RAUM - Metaphern
4.3.3 Konzeptuelle Metaphern
LEBEWESEN / PFLANZE - Metapher
4.3.4 Zusammenfassung der gefundenen Metaphern
5 Allgemeine Diskussion und Ausblick
Löschen
Sammeln
Backups
Versionen
Aufräumen - Ein Mangel an Unordnung
Die Wünsche der Benutzer
Ausblick - Räumliche Interfaces: 3D und darüber hinaus
Quellen

ANHANG A - ABBILDUNGEN
Altersstruktur der PC und Internet Nutzer im Vergleich zur Bevölkerung
PC und Internetnutzer nach sozialer Stellung in Deutschland
Der Datei - Explorer in der Gesamtamsicht
"Baumstruktur" der Ordner
Mögliche Stadien eines Ordners
Zyklus der Metaphernbildung nach Hülzer
Schema der IKM - Bildung nach Lakoff
Schematisches Beispiel anhand des HAUS - IKMs
Piles - Demonstration
Ansicht des Inhaltes einer Festplatte in SequoiaView
ANHANG B - ARNE, EIN BEISPIELINTERVIEW

Erklärung

Ich versichere hiermit, dass ich die anliegende Arbeit mit dem Thema "Desktop, Ordner und Dateien. Metaphern und Strukturen der selbstorganisierten Arbeit am Computer." selbständig verfasst und keine anderen Hilfsmittel als die angegebenen benutzt habe.

Die Stellen, die anderen Werken dem Wortlaut oder dem Sinne nach entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Falle durch Angabe der Quelle, auch der benutzten Sekundärliteratur, als Entlehnung kenntlich gemacht.

Hamburg , den

(Marcus Klinge)

I believe that we have only just begun the process of discovering and inventing the new organizational forms that will inhabit the 21st century. To be successful teachers, designers, technologists and humans, though, we need the courage to let go of the old world, to relinquish most of what we have cherished, to abandon our interpretations about what does and doesn't work.

Joshua Davis

1 Einleitung

1.1 Zielsetzung

Bei der selbständigen Arbeit am Computer stehen Dateien am Anfang und am Ende der eigenen Tätigkeit. Sie bilden das Ausgangsmaterial und das Ergebnis.

Diese Studie analysiert die Strukturen, in denen Personen ihre Dateien organisieren, und die von ihnen verwandten Metaphern als Ausdruck zugrundeliegender Konzepte im Umgang mit dem Computer.

Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf der Organisation von Informationen, Arbeitsverläufen, Materialien und Ergebnissen.

Diese Organisation und Verwaltung geschieht durch das Anlegen, Editieren, Speichern und Löschen von Dateien. Der heutzutage genutzte Ansatz folgt dabei auf allen Betriebssystemen dem Muster Desktop, Ordner und Dateien.

Ziel dieser Studie ist es, die Schwächen dieses Ansatzes zu beleuchten und weitere Möglichkeiten zu erörtern.

Hinweise darauf ergeben sich aus dem Alltagserleben von Personen, welche mit und an dem Computer arbeiten. Zu diesem Zweck werden sowohl die Strukturen, welche von den Benutzern zur Organisation ihrer Dateien angelegt werden, als auch die Konzepte im Umgang mit der Maschine beleuchtet. Diese Konzepte werden in Form von Metaphern präsentiert, welche sich aus den von den Benutzern gebrauchten Bildern und Vorstellungen zusammensetzen.

Die Relevanz dieser Betrachtung ergibt sich aus der umfassenden Einbindung des Computers in die Bereiche Beruf, Bildung und Privatleben. Der Umgang mit dem Computer ist zu einem Teil unseres täglichen Lebens geworden. Erste Kontakte mit dem Computer finden häufig bereits im Jugend- oder Kindesalter statt. In der Ausbildung oder im Studium wird die Arbeit mit dem Computer zum Alltag. Er wird genutzt für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationen, Internetsurfen, Computerspiele, E-Mail, Chat und ist Instrument zur Ausübung eines Hobbies oder Hobby an und für sich.

Die graphische Benutzeroberfläche (auch Interface, Graphical User Interface oder GUI) ist bei der Beschäftigung am Computer das bestimmende Element, da sie dem Menschen die Kommunikation mit der Maschine erst ermöglicht. Die vorliegende Untersuchung muss daher eine Betrachtung der bestehenden Benutzeroberfläche mit einbeziehen.

Den Hauptteil dieser Arbeit macht eine Interviewstudie mit Computernutzern unterschiedlicher Fachrichtungen aus. Sie befasst sich mit Nutzern, die schon über eine längere Zeit hinweg mit dem Computer in einer Weise arbeiten, die das Anlegen und Organisieren eigener Dateien und Ordner erfordert. Es geht also um Nutzer die schon grundlegende Fähigkeiten im Umgang mit dem Computer besitzen. Absolute Anfänger, sowie solche Anwender, die den Computer ausschließlich in einer Weise benutzen, die das Organisieren der eigenen Arbeit nicht erfordert (zum Beispiel Internetnutzung, gelegentliche e-Mail oder Computerspiele) fallen aus dem Rahmen dieser Studie heraus. In den Interviews wurden sowohl die persönliche Erfahrung mit dem Computer, als auch das persönliche Ordnungsschema und Arbeitsvorgehen erfragt. Zusätzlich wurden ein "Critical Incident" und eine positive "was wäre wenn" - Fantasie als aktivierende Momente eingebracht.

Es ist im Rahmen einer Diplomarbeit nicht möglich, sämtliche Aspekte der selbstorganisierten Arbeit am Computer zu beleuchten. Es wird jedoch möglich sein, Hinweise darauf zu sammeln, in welchen Bereichen die Interaktion mit dem Computer auf dem grundlegenden Niveau, bei der Organisation der eigenen Arbeit, verbessert werden kann.

1.2 Aufbau dieser Arbeit

Im Folgenden wird die Relevanz der Arbeit anhand einiger Statistiken zur Verbreitung des Computers und der Nutzung des Internets als auch des gesellschaftlichen und psychologischen Einflusses des Computers dargestellt. Es folgt eine Betrachtung des GUI, seiner Geschichte und den bereits gestellten Kritiken am Desktop-Interface. Danach erfolgt die Eingliederung dieser Studie in die Forschungslandschaft der Mensch-Computer-Interaktionsforschung (HCI). Danach werden die in dieser Arbeit verwendeten Begriffe der Strukturen und Metaphern erläutert. Ein Überblick der Theorien der mentalen Modelle und der Metaphernanalyse nach Lakoff und Johnson schließt sich an. Der Präsentation der Analysemethoden folgt die Schilderung der Stichprobe und des Vorgehens während der Untersuchung. Den darauf folgenden Abschnitt bildet die Darstellung der Textanalyse und der aus ihr gewonnenen Erkenntnisse. Zuletzt werden diese Ergebnisse diskutiert und ein Ausblick geboten.

II Theorie und Methode

2 Relevanz und Eingliederung

2.1 Statistiken der Computernutzung in Deutschland

Statistiken zur Nutzung des Internets und Computertechnologie werden in Deutschland vom statistischen Bundesamt, aber auch von verschiedenen Firmen und Organisationen der freien Wirtschaft, angefertigt.

Nach dem Bericht des statistischen Bundesamtes "Informationstechnologie in Haushalten" im Jahr 2002 ist in 55% der deutschen Haushalte ein stationärer PC vorhanden. In 10% der Haushalte ist ein Laptop vorhanden.

Nach der Pilotstudie des statistischen Bundesamtes im April und Mai 2002 benutzen 61% der Bevölkerung seit über 10 Jahren einen Computer, 46% das Internet. Die Computer- und Internetnutzung ist vor allem bei jungen Leuten verbreitet, die sich noch in der Ausbildung befinden. Der Anteil von PC Nutzern bei Auszubildenden, Schülern über 15 Jahren und Studenten ist mit 91%, 95%, beziehungsweise 100% extrem hoch. Dementsprechend hoch ist bei diesen Gruppen der Anteil derjenigen, die das Internet nutzen.

(Statistisches Bundesamt, 2002)

Menschen im Alter bis zu 44 Jahren sind bei der PC- und Internetnutzung im Vergleich zu ihrem Anteil an der Bevölkerung deutlich überrepräsentiert.

Laut einer Studie des Deutschen Studentenwerks von 2002 verfügen rund 97% der Studenten über Zugang zu einem Computer, 85% besitzen gar selbst einen Rechner, jedoch haben nur 55% einen Internetzugang in ihrem Wohnheim (DSW, 2002). Die Ergebnisse decken sich also im Wesentlichen mit denen der Pilotstudie des statistischen Bundesamtes.

Nach einer Umfrage des Forsa - Institutes im Auftrag von atfacts nutzen 50,4 Prozent der Deutschen, also 32,41 Millionen das Internet. Davon 15, 2 Millionen täglich, 14,4

Millionen mehrmals pro Woche und noch 5,6 Millionen einmal wöchentlich. Jede Woche wird das Internet also in Deutschland von 43,7 Millionen mal benutzt. (atfacts monthly, Januar 2003)

Die vorliegenden Statistiken zur Nutzung des Computers in Deutschland sprechen also ein eindeutiges Bild. Der Computer ist aus der Arbeitswelt und dem alltäglichen Leben nicht mehr wegzudenken, er ist zu einem Bestandteil unseres Lebens und Erlebens geworden.

2.2 Derzeitiger Stand des GUI

2.2.1 Interface - Definition des Begriffes

Bevor auf die Geschichte und die Diskussion um das moderne "Graphical User

Interface" eingegangen wird, folgt hier eine Definition des Begriffes Interface.

Im Deutschen wird die Bedeutung dieses Wortes am ehesten durch den Ausdruck

"Schnittstelle" getroffen. Das graphische Interface, wie es heute von den meisten

Anwendungen benutzt wird, stellt nur einen kleinen Teil der möglichen Ausformungen dar. Sprachsteuerung, Schalter und Hebel, Kommandozeileneingabe, Maus und Bildschirm, all dies sind mögliche Interfaces.

Jef Raskin bezeichnet das Interface als "... die Art und Weise, wie ein Produkt eine bestimmte Aufgabe ausf ü hrt - also was der Benutzer tun kann und wie das System darauf reagiert.". (Raskin, 2001)

Im Umgang mit dem Computer kann die Rolle, die das Interface dabei spielt, nicht überbewertet werden, denn es ist nicht nur ein, sondern das einzige Bindeglied zwischen dem Menschen und der Maschine.

Die Schnittstelle vermittelt zwischen dem Computer, welcher an sich eine binäre Maschine ist, und dem Benutzer. Durch diese Rolle als Übersetzer und Bindeglied gestaltet sie die Interaktion (Johnson, 1997. S.15). Im Allgemeinen wird Ihr dafür die Form einer Metapher gegeben.

Die verschiedenen Ausprägungen der Mensch-Maschine Schnittstelle, wie sie im Laufe der Jahre zum Umgang mit dem Computer entwickelt wurden, bilden dabei eine Hierarchie der Abstraktionsebenen ab.

Der Computer an sich ist eine binäre Maschine (Johnson, 1997. S.15), auf der elementaren Ebene arbeitet er mit dem "an und aus" kleinster elektrischer Impulse. Die Daten, mit denen gearbeitet wird, befinden sich als elektronische Impulse im Speicher des Rechners oder bei längerfristiger Speicherung auf Band, Kassette, Diskette, Festplatte oder CD als magnetische bzw. optisch codierte Einheiten auf dem Medium. Das Verstehen oder Lesen der Vorgänge oder der Daten in einem Computer ist einem Menschen auf dieser Ebene nahezu unmöglich.

Die nächste Abstraktionsebene erfolgt mit der Ein- und Ausgabe menschenlesbarer Daten. In den Anfangszeiten des Einsatzes von Computern erscheinen die für den Laien kryptischen Ausgaben und die Eingabe durch Lochkarten als sehr weite Auslegung des Begriffes "menschenlesbar".

Mit der Eingabe von Befehlen über Kommandozeilen, die auf dem Bildschirm angezeigt werden - Command Line Interfaces, kurz CLI - ändert sich dies, wenn auch noch nicht gravierend. Die Bedienung eines Computers bleibt Experten vorbehalten. Die Art der Eingabe ändert sich auch noch nicht bei der Einführung des PC und der Betriebssysteme auf dem freien Markt. Befehle werden nun über Kommandozeile an den Computer gegeben, welcher sie dann verarbeitet. Es erscheint jedoch eine neue Art des Interface, die z.B. in Programmen zur Verarbeitung von Texten Verwendung findet. Über den Text verteilt können Kommandozeichen, Befehle angegeben werden, die dann das Layout und das Erscheinungsbild des Textes beim Druck bestimmen. Die Auswirkungen werden jedoch nicht sofort angezeigt. Gespeicherte Dateien und Programme werden vom Betriebssystem verwaltet. Auf sie kann über einen Namen und eine Endung zugegriffen werden.

Mit der Einführung der direkt - manipulativen Interfaces, wie denen der heutigen grafischen Benutzeroberflächen, wird eine weitere Ebene erstellt. Befehle werden nun nicht mehr eingegeben, sondern über Zeigen und klicken mit der Maus aktiviert. Eine Qualität der zunehmenden Abstraktionen ist, dass der User von den Vorgängen in der Maschine immer weiter entfernt ist, während er sich näher am Geschehen wähnt. Die direkte Dateneingabe bei der einzelne Rechenschritte mühselig eingepflegt wurden, wurde durch eingetippte Befehle abgelöst. Mit der Einführung der graphischen, direkt manipulativen Interfaces entstand schließlich das Gefühl etwas "selber zu machen" (Johnson, 1997, S.21).

Donald Norman unterscheidet bei menschlichen "Artefakten" zwischen jenen interner und solchen mit oberflächlicher Darstellung "Surface and Internal representation" (Norman, 1993 79 ff). Gegenstände und Maschinen, deren Information und zugrundeliegenden Algorithmen vollständig sichtbar sind, sind Artefakte mit oberflächlicher Repräsentation. Dazu gehören Bücher, Tafeln, der Abakus, Notizen und vieles mehr. Artefakte, deren inneres mehr enthält, als von außen sichtbar ist, sind Artefakte interner Repräsentation, z.B. Maschinen, Taschenrechner, Computer, etc...

Unter dem Begriff "Interface" wird in dieser Untersuchung die graphische Schnittstelle der modernen Computer - Betriebssysteme, in Verbindung mit den Eingabegeräten Tastatur und Maus, verstanden.

2.2.2 Eine kurze Geschichte des modernen GUI

Die Metapher, die man im Umgang mit dem Computer am häufigsten antrifft, ist die der Schreibtischoberfläche, oder "Desktop". Diese Metapher wird mittlerweile von allen graphischen Benutzeroberflächen verwendet. Seit Erfindung der graphischen Darstellung und Manipulation von Daten besteht sie aus mehreren integrierten Teilen, welche zusammengenommen die heutige Computerumgebung prägen.

Der Computerpionier Douglas Engelbart hat im Herbst 1968 im San Francisco Civic Auditorium vor einem faszinierten Publikum dieses System vorgestellt. Es bestand aus einer Maus, einer auf dem Monitor dargestellten Oberfläche mit sich überlappenden Fenstern und kleinen Bildern (Icons), welche Dateien und Programme repräsentierten

(Johnson, 1997. S.11 ff).

Das Konzept wurde von einer begeisterten Entwicklergemeinde aufgegriffen. Obwohl die Arbeit an diesen neuen Systemen praktisch sofort aufgenommen wurde, gab es die erste vollständige Umsetzung eines solchen, "WIMP" getauften Systems erst im Xerox Star, 1981.

The Star featured the first 'computer desktop' as well as overlapping, resizable windows, and the sophisticated PARC mouse, a gee-whiz gizmo that ran with no moving parts [ … ]. The interface was known as WIMP - Windows, Icons, Menus, and Pointers" (Tuck, 2001).

Mit dieser gelungenen Umsetzung stiegen auch die Hoffnungen und Erwartungen an die neue Technologie. Im Palo Alto Research Center (PARC) ging man von einer allgemein erhöhten Produktivität bei der Computernutzung aus, sollten diese Ideen einmal verbreitet werden (Tuck, 2001). Bevor das System "Desktop" kommerziell erfolgreich umgesetzt wurde, dauerte es trotz einiger weiterer Firmen und Produkte bis zur Einführung des Apple Lisa 1983 und Apple Macintosh 1984. (ebd., 2001)

Danach aber sollten alle Hoffnungen der Forscher des Palo Alto Research Centers erfüllt werden.

The widespread adoption of the GUI has dramatically changed the way in which humans and computers interact, and has greatly expanded computer literacy among people once alienated by the arcane syntax of the older 'command line' interfaces (Johnson, 1999).

Textbasierte Schnittstellen, welche vor dem Erfolg des Apple Macintosh die Regel waren, bilden heute die Ausnahme. Selbst rein textbasierte Aufgaben, wie z.B. Programmierung oder das Schreiben einer Diplomarbeit finden in einer graphischen Umgebung statt (vgl. Tuck 2001). Befehle werden durch einen Mausklick auf Icons oder Buttons ausgeführt, Textbausteine mit der Maus markiert und verschoben, Dateien über Menüs gespeichert, angelegt oder verschoben. Bei der Programmierung helfen die Einfärbung von Syntaxbausteinen, visuelle Formulareditoren und kontextsensitive Hilfen. Dennoch, das heutige Bild des Desktop gleicht stark dem der ersten Präsentation

(Johnson, 1997, S. 49).

Die Metaphern und Strukturen des heutigen Desktop Interfaces beruhen also auf Ideen, die mittlerweile 30 Jahre alt sind. Dem Apple Macintosh folgten Microsofts Windows, IBMs OS/2, X für Unix, AmigaOS und viele andere. Das System erscheint so simpel und elegant, das wir uns heute kaum ein anderes vorstellen können.

"The viability of the graphic interface is so far beyond question now that it's difficult to remember that there was ever a dispute about it."

(Johnson, 1997, S.54)

2.2.3 Das Desktop Interface in der wissenschaftlichen Diskussion

Die Benutzeroberfläche als Abbildung eines virtuellen Schreibtisches, und die Verwaltung der Dateien über eine graphische, direkt manipulierbare Abbildung der Metapher eines Aktenschrankes voller Ordner gehören heute zum Alltag jedes Computerbenutzers. Zwanzig Jahre nach der allgemeinen Einführung des Desktops in den Heimcomputermarkt ist diese Metapher so alltäglich geworden, dass die Diskussion um die richtige Form dieser Interface Elemente beinahe überflüssig wirkt.

Bei der Einführung des "Macintosh" Computers 1984 wurde die neue Art der Computernutzung jedoch heftig kritisiert, vor allem aus den Reihen des Managements und der Experten, die das neue Paradigma der Computernutzung als Spielzeug f ü r

Graphiker oder gar als Interface f ü r H ö hlenmenschen verhöhnten.

Looking back now, [...] , what strikes you about the early days of the desktop metaphor is how many people resited the idea, and how many just didn't get it at all (Johnson, 1997, S. 54).

Computer Experten, MS-DOS Benutzer und Geschäftsleute machten aus ihrer Kritik an dem neuen, bunten Macintosh Benutzersystem keinen Hehl. "What I saw in the Xerox PARC technology was the caveman interface, you point and you grunt. A massive winding down, regressing away from language, in order to address the technological nervousness of the user. - an IBM technician" (Tuck, 2001) Auch veröffentlichte Publikationen stimmten häufig mit in die Kritik ein, so zum Beispiel das Magazin "Creative Computing": "Icons and a mouse will not make a non - literate person literate. Pointing at pictures can only last so long. Sooner or later you will have to stop pointing and selecting, and begin to think and type." (Creative Computing, 1984. In: Johnson, 1999. S. 55 f)

Neben der Sorge um den Bildungsstandard der zukünftigen Benutzer, wurde das simple "point and click" - Prinzip als bunter Tand für Grafiker oder gar Spielzeug verhöhnt, welches sich für große Firmen nicht eignen würde. "Such simplicity is not aimed at big corporations." (Forbes Magazine, 13.Februar 1984, in Johnson, 1997. S. 54 f)

Es scheint, als würde einiges an dieser Kritik auch einer wahrgenommenen Erniedrigung der Computerspezialisten Rechnung tragen. Auf einmal konnte jeder, "selbst ein Höhlenmensch", diese Maschinen bedienen. Einiges dieser Art kann man auch heute noch von eingefleischten "Computer Freaks", Programmierern und Spezialisten der IT Branche hören. Da wird ein Interface als "viel klickibunti" verhöhnt, und "die Shell (Kommandozeileneingabe)" als "die beste Art mit dem Computer umzugehen" gelobt.

Die Diskussion rund um das neue Medium Computer hat die extrem kritische Sichtweise der frühen 80er Jahre, in der die Rede war von einer Taylorisierung der Kopfarbeit, Techniksucht und seelenlosen Maschinenmenschen (Volpert, 1988) verlassen. Mit dem Einzug des Computers in die alltägliche Erlebniswelt fanden die gemäßigteren Positionen Gehör, die jedoch den Einfluss der neuen Technik auf die Sozialisation und das Erleben des Menschen weiter verfolgten (vgl. Famulla, S.67). Die leicht verständliche, bildliche Darstellung einer Metapher der Alltagswelt ermöglichte es unerfahrenen Menschen in die Computernutzung einzusteigen, ohne sich mit kryptischen Befehlszeilen herumschlagen zu müssen (Johnson, 1997). Bildschirmeditoren wie Word erhöhten die Produktivität und es wurde weniger Zeit für Schulungen gebraucht (Shneiderman, 1998, S. 229). Dieselbe grafische Umgebung führt auch heutzutage noch Menschen aller Lebenslagen ohne übermäßige Schwierigkeiten in die Benutzung des Computers ein. Der Desktop "funktioniert" und das seit 20 Jahren. Gibt es also überhaupt Gründe, die für eine Weiterentwicklung der grundlegenden Art, wie wir Computer benutzen, sprechen? Ja, die gibt es.

Der vielleicht schwerwiegendste Grund für eine erneute Betrachtung dieses grundlegenden Interfaces liegt in der Wirkung, die ihm innewohnt. Das Interface ist der einzige Berührungspunkt zwischen Mensch und Computer. Es prägt das Bild, welches wir uns von der Maschine Computer machen. Es prägt unsere Konzepte der Vorgänge in der Maschine und die Denkprozesse bei der Arbeit mit ihr (Johnson, 1997).

Die Desktop - Metapher fußt jedoch auf einer Plattform, welche über keine Festplatte verfügte. Der User speicherte seine Dateien auf Disketten mit einer Kapazität von 400 Kilobytes. Dieselbe Metapher wird heute jedoch für die Verwaltung von Tausenden von Dateien auf Computern mit Zugriff auf praktisch unbeschränkte Ressourcen per Internet verwandt (Tristram, 2001). Es ist kaum ein Wunder, dass sich die Metapher als der Aufgabe nicht gewachsen herausstellt. So verglich der Informatikprofessor David Gelernter in einer Rede auf der "TechXNY/PC Expo 2001" in New York die Benutzeroberfläche mit virtueller Tupperware, kleinen Kisten, die, gefüllt mit Dokumenten, zu Tausenden über den ganzen Raum verstreut sind.

Our electronic documents are scattered by the thousands in all sorts of little containers all over the place. The more information and the more computers in our lives, the more of a nuisance this system becomes (Tristram, 2001).

Der neueste Angriff auf die Desktop - Metapher kommt von Apple, also der Firma, welche sie erst in die Welt gebracht hat. Mit Einführung des neuen Macintosh Betriebssystems "Mac OS X" im März 2001, bröckelt auch der Desktop. Obwohl sich auf den ersten Blick nichts geändert hat, hat sich Apple entschieden, den neuesten Entwicklungen im Computermarkt Rechnung zu tragen. Für die Verwaltung von MP3 Audio-Dateien, Bildern und digitalen Filmen, von Apple als lifestyle data bezeichnet, stehen neben dem herkömmlichen Dateisystem eine ganze Reihe von i-apps genannten Softwarepaketen zur Verfügung (Johnson, 2002).

"The desktop metaphor was a brilliant innovation - 30 years ago." (Tristram, 2001)

2.3 Der Computer - Sichtweisen eines Gegenstands

2.3.1 Der Computer als evokatorisches Objekt

Eine Besonderheit bei der Arbeit mit dem Computer ist die Art, wie Menschen auf diese Maschine reagieren.

Sherry Turkle schrieb bereits in den 80er Jahren über die psychologischen Auswirkungen des Computers auf die Benutzer. Schon damals war Ihre Position eine gemäßigtere. Den extrem kulturpessimistischen Gegenpol vertraten Technologiekritiker wie Volpert und Weizenbaum (vgl. Famulla, 1992). Sherry Turkle sah den Computer, angelehnt an therapeutische Settings als Spiegel der Persönlichkeit des Benutzers. Damit wurde er zum evokatorischen Objekt. Der Computer ist in der Lage, Emotionen und Reaktionen hervorzurufen, die normalerweise nur die Interaktion mit anderen Menschen in uns hervorruft. Sie führte dies auf eine Unsicherheit gegenüber der eigenen Stellung, der eigenen Persönlichkeit zurück, die den Menschen angesichts dieser ersten analytischen Maschine überkommt (Turkle, 1986, S.379, Tietel, 1995).

So betrachtet erhalten kleinere und größere Frustrationen im Umgang mit dem Interface ein größeres, emotionales und menschliches Gewicht. Dies gilt vor allem dann, wenn

"das Absinken in eine unthematische Allt ä glichkeit, in der das Ger ä t - abgesehen von St ö rungen - relativ unproblematisch gehandhabt werden kann, sich im Falle des Computers auch nach einiger Zeit der Gew ö hnung so einfach nicht herstellt." (Tietel, 1995, S.165)

Die Bedienung der Maschine führt also auch nach dem Sammeln von Erfahrungen immer wieder zu Misserfolgen, denen dann eine emotionale Reaktion auf Seiten des Benutzers folgt.

2.3.2 Der Computer als Medium - Die Konstruktion einer Realität

Der Computer ist ein Medium. Diese Erkenntnis mag uns heute, im Zeitalter des Multimedia - PCs, von MP3-Audio Dateien, Bild- und Videodaten aus dem Internet vielleicht trivial erscheinen, doch war dies vor 2 Jahrzehnten noch absolutes Neuland. Auch diese Sicht stellt eine Struktur, eine Metapher bereit, in welche Deutungen und Entwicklungen eingebettet werden. Alan Kay, einer der frühen Pioniere sagte dazu, nachdem die überlappenden Fenster geboren waren. "The computer is a medium! I had always thought of it as a tool, perhaps a vehicle - a much weaker conception." (Alan Kay, in Johnson, 1997, S. 50) Im Weiteren wird klar, dass diese Metapher den Umgang mit dem Computer grundlegend verändert. "If the personal Computer was a truly new medium then the very use of it would actually change the thought patterns of an entire generation." (ebd. S. 50)

Wenn wir den Computer als ein Medium betrachten, erschließen sich uns auch medienspezifische Sichtweisen. Er ist als Gegenstand an sich noch undefiniert. Die "Realität" des Objektes Computer wird erst durch die soziale Sinnzuweisung, durch die Benutzer erzeugt. In diesem Sinne stellt er ein "Medium zweiter Ordnung" dar (Kubicek et al. 1997).

Die Konzepte, die das Medium bietet, die Konzepte, die im Umgang mit dem Computer gebildet werden als auch jene, die vom Benutzer aus seiner Welt an ihn herangetragen werden, beeinflussen sich dabei gegenseitig und bestimmen so den Umgang mit dem Medium Computer.

Steven Johnson (1997) betrachtet das Interface und seinen Einfluss auf die Kultur unserer Zeit. Er verweist auf den gesellschaftlichen Einfluss des Zweigespanns Kultur und Technologie. In demselben Maße wie eine Kultur Technologien hervorbringt, bringen neue Technologien neue kulturelle Leistungen hervor. Buchdruck, Radio und Fernsehen sind erste illustrative Beispiele dafür.

Eine Technologie steht aus dieser Perspektive betrachtet nie isoliert im Raum, sondern beeinflusst die Kulturschaffenden und die Gesellschaft, die sie umgibt. Vor allem aber wird das Verständnis der Welt an sich beeinflusst. "Where the Victiorian novel shaped our understanding of the new towns wrapped around the steel mill and the cotton gin, and fifities television served as an imaginative guide to the new suburban enclaves created by the automobile, the interface makes the teeming, invisible world of zeros and ones sensible to us. There are few creative acts in modern life more significant than this one, and few with such broad social consequences." (Johnson, 1997, S.17)

Die Gestaltung des Interface beeinflusst also nicht nur die Arbeit am Computer, sondern auch die sozialen Wirklichkeiten, mit denen wir uns umgeben.

2.4 Strukturen und Metaphern

2.4.1 Strukturen in der Dateiverwaltung

Das Verwalten der Dateien am eigenen Computer ist im Gunde nichts anderes als die Organisation der, der eigenen Arbeit zugrundeliegenden, Informationen. Die Benutzer bestimmen, mit dem Erstellen und Benennen von Ordnern und Dateien, den Aufbau und die Hierarchien der Organisation selbst. Dabei ist zu bedenken, dass die endgültige, vorliegende Struktur ein Resultat vieler kleiner Entscheidungen und teilweise jahrelanger Tätigkeit am Computer ist.

Die sichtbare Ausbildung dieser Organisationstätigkeit bilden die Datei- und Ordnerstrukturen auf den Speichermedien des Systems. Die Analyse dieser Strukturen stellt einen Hauptaspekt der vorliegenden Arbeit zur Betrachtung des persönlichen Umganges mit Informationen am Computer dar.

2.4.2 Metaphern und mentale Modelle in der HCI

Metaphern bei der Computernutzung können nach ihrem "Ursprungsort" untergliedert werden. Im Folgenden wird zwischen solchen Metaphern, die das Interface zur Verfügung stellt, und jenen, die Konzepte und Denkstrukturen der interviewten Personen wiedergeben, unterschieden.

Interface - Metaphern

Die Gestaltung eines Interfaces erfolgt meist unter Benutzung von "Metaphern". Dieser Ausdruck hat sich in der Anwendungsentwicklung durchgesetzt. Um eine Unterscheidung zu gewährleisten, werden solche Metaphern in dieser Arbeit als "Interface-Metaphern" bezeichnet.

Rosenfeld und Morville unterscheiden mehrere Arten von Interface-Metaphern bei der Entwicklung eines computergestützten Systems.

- Organisationsmetaphern benutzen die Vertrautheit mit der Organisationsstruktur eines Systems um ein schnelles verstehen eines neuen Systems zu ermöglichen.
- Funktionelle Metaphern verbinden die möglichen Aktionen einer traditionellen Umgebung mit den möglichen Handlungen einer neuen Umgebung.
- Visuelle Metaphern nutzen familiäre graphische Elemente wie z.B. Bilder, Symbole und Farben um eine Verbindung zu einem neuen System herzustellen.

(Rosenfeld & Morville, 1998, S.150 f)

Eine genaue Abgrenzung dieser Bereiche wird jedoch nicht vorgenommen. Es ist davon auszugehen, dass sie sich bei einem Interface überschneiden.

2.4.3 Mentale Modelle

Mentale Modelle werden in Strube et al. Wie folgt definiert:

Mentales Modell bezeichnet eine bestimmte Form der (insbesondere auch Analogen)

Repräsentation von Wissen, die seit etwa 1980 in der Kognitionswissenschaft diskutiert wird. Das Konzept des mentalen Modells sieht vor, dass Menschen strukturelle und dynamische Aspekte komplexer Problembereiche des Alltags (z.B. technische Geräte, logische Schlussfolgerungen) dadurch repräsentieren, das sie interne Modelle aufbauen, welche die jeweiligen Sachverhalte [..] anschaulich machen und mental zu simulieren erlauben.

Gemeinsam mit Normans Betrachtung von 1983 ergibt sich folgender Aufbau mentaler Modelle:

Zielsystem target system

Konzeptuelles Modell conceptual model

Mentales Modell mental model

Theoriesystem scientist's

conceptualization

Problembereich

Systemmodell des Experten Mentales Modell des Subjekts über den Problembereich

Konzeptualisierung des Forschers über das mentale Modell des Subjekts

Er beleuchtet die Bildung und Nutzung von mentalen Modellen durch Individuen. Norman zieht dabei scharfe Grenzen zwischen den von Laien entworfenen mentalen Modellen und den konzeptuellen Modellen eines Experten. Bei den von "Laien" oder auch erfahrenen Benutzern entwickelten mentalen Modellen werden sechs Hauptmerkmale herausgearbeitet.

1. Mentale Modelle sind unvollständig.
2. Die Fähigkeit des Einzelnen, "Simulationen" seiner mentalen Modelle "ablaufen zu lassen" ist enorm beschränkt.
3. Mentale Modelle sind instabil.
4. Mentale Modelle haben keine genau definierten Grenzen.
5. Mentale Modelle sind "unwissenschaftlich".
6. Mentale Modelle gehen sparsam mit kognitiven Ressourcen um.

Im folgenden wird auf diese Einzelmerkmale noch einmal genau eingegangen.

Mentale Modelle sind unvollständig

Norman erklärt dies damit, das ein mentales Modell nur bis zu dem Punkt ausgebildet wird, an dem es "funktioniert". Dabei ist es völlig trivial, ob das Modell das Zielsystem korrekt abbildet. Stephan Dutke weist darauf hin, dass mentale Modelle nicht aufgrund der genauen Abbildung eines Systems, sondern einzig und allein aufgrund Ihrer Nützlichkeit in Hinsicht auf die zu erfüllende Aufgabe zu bewerten sind.(vgl. Dutke, 1994, S. 14)

In Untersuchungen zur Leistungsfähigkeit naiver Modelle konnte Kempton nachweisen, dass die Leistung von Versuchspersonen, welche naive, fehlerbehaftete mentale Modelle benutzten, unter bestimmten Umständen gleichwertig oder sogar besser als die von Probanden mit genauerer mentaler Abbildungen des Zielsystems waren. (Kempton, 1986 zitiert in Dutke, 1994)

Somit erweist sich das Primat der Funktionalität, gemessen an den Anforderungen, die ein Problem stellt, auch bei mentalen Modellen als vorrangig.

(vgl. Dutke, 1994 S.15)

Beschränkte Fähigkeit der Simulation von mentalen Modellen

Auch wenn wir bereit wären, kognitive Grenzen außer acht zu lassen, wäre eine

Vorhersage aufgrund einer "Simulation" des mentalen Modells nur dann möglich, wenn dieses Modell frei von Fehlern wäre. Laut Norman ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall "... most people's understanding of the devices they interact with is surprisingly meager, imprecisely specified, and full of inconsistencies, gaps and idiosyncratic quirks.." (Norman, 1983, S.8)

Daher kann von einer "Simulation im Geiste" nicht ausgegangen werden. Auch Norman räumt ein, dass die Vorgehensweise einer solchen Simulation nicht zu unterscheiden ist von Schlussfolgerungen aufgrund der bekannten Prämissen. (vlg. ebd. S. 13)

Mentale Modelle sind instabil

Norman weist darauf hin, dass die mentalen Modelle eines Benutzers in den Details zeitlich instabil sind, vor allem dann, wenn ein Gerät nur selten gebraucht wird.

Mentale Modelle haben keine genau definierten Grenzen

Mentale Modelle sind nicht genau voneinander abgegrenzt, sondern gehen ineinander über. Norman beobachtete, dass Personen ähnliche Geräte oder Funktionen durcheinander bringen.

Bei seinen Versuchen mit der Bedienung von Taschenrechnern, traf dies besonders auf die Verwendung der CLEAR - Taste zu. Verschiedene Geräte belegten diese Taste mit leicht abweichenden Funktionen, ein Taschenrechner hatte gar 3 (!) CLEAR - Tasten.

Norman beobachtete, dass die Versuchspersonen in diesen Fällen vorsichtiger wurden. Musste der Speicher von Rechenschritten oder numerischen Inhalten gelöscht werden, drückten sie öfter nacheinander auf die Taste, "um sicher zu gehen".

Wollten sie einen bestimmten Inhalt nicht löschen, wurde die Taste gar nicht benutzt. Durch diese einfachen Regeln wurde eine genaue Abgrenzung der mentalen Modelle zum Erreichen der Ziele nicht nur umgangen, sondern sogar überflüssig.

Mentale Modelle sind unwissenschaftlich

Die mentalen Modelle der einzelnen Personen waren laut Norman nicht nur ungenau, sondern oftmals sogar von "Aberglauben" an bestimmte Vorgehensweisen geprägt. Dabei war dies den Personen nicht selten sogar bewusst. Das mentale Modell wurde in einer Weise benutzt, die eine subjektive, nicht objektive, Sicherheit erzeugt. Es wird nicht geändert, um ein akkurates technisches Abbild zu erzeugen. Norman bemerkt, dass Äußerungen von Personen, die auf "Aberglauben" hinweisen, einen direkten Hinweis auf die Limitationen und Grenzen der mentalen Modelle geben können. (ebd. S. 10)

Auch Dutke (1993) weist auf diese Besonderheit hin.

"Doch nicht alle Benutzer folgen einer rationalen Strategie der Aufwansabw ä gung. Unsicherheit ü ber Systemzusammenh ä nge kann auch zu irrationalen Ü berzeugungen f ü hren, die sich in einer Art "abergl ä ubischen" Verhalten ä u ß ern, ..." (Dutke, 1993, S.13)

Mentale Modelle gehen sparsam mit kognitiven Ressourcen um

Individuen sind die Limitationen ihrer mentalen Modelle oft bewusst. Die "toten

Winkel" in dem eigenen mentalen Modell scheinen sogar Bestandteil des Modells selbst zu sein.

Sie können und werden auch verbalisiert.

Individuen sind die Limitationen und "toten Winkel" ihrer mentalen Modelle bewusst. Diese scheinen sogar Bestandteil des Modells selbst zu sein. Sie können und werden, bei Untersuchungen, auch durch sie verbalisiert.

Dieser Umstand führt jedoch nicht etwa zu einer Revision der Modellvorstellung

sondern zu einer Handlungsregulation. Diese erfolgt dabei immer auf der "sichereren Seite" der Handlungsalternativen.

Norman bemerkte in seinen Untersuchungen zur Benutzung von Taschenrechnern, dass die Versuchspersonen sogar einen Mehraufwand physischer Arbeit nicht scheuen. So benutzte z.B. eine Versuchsperson enorme Mengen an handschriftlichen Notizen statt des Zwischenspeichers des Taschenrechners. Darauf angesprochen erklärte sie, dass sie dies aus Angst davor tat, den Speicher in Unordnung zu bringen (to mess up). Dies ist ein Verhalten, welches in den Untersuchungen immer wieder zum Vorschein trat.

"All the people I observed had particular beliefs about their machines and about their limitations, and as a result, had developed behaviour patterns that made them feel more secure in their actions, even if they knew what they were doing was not always necessary."

(Norman, 1983, S. 10)

Dutke (1993) weist in Zusammenfassung von Normans Ergebnissen vor allem auf die Attribute "unvollständig", "instabil" und "änderungsresistent" mentaler Modelle hin. Wobei "änderungsresistent" zwar von Norman nicht explizit erwähnt wurde, jedoch mit dessen Beobachtungen konform geht.

Die Abwägung von Lernaufwand und Nützlichkeit mag dafür verantwortlich sein, dass mentale Modelle, auch wenn sie im technischen Sinne nicht korrekt sind, sich als sehr resistent gegenüber Veränderungen erweisen können (Oden, 1987 zitiert in Dutke, 1994 S.15).

Konzeptuelle Modelle werden, laut Norman, von Lehrern und Ingenieuren entwickelt, und sind im Gegensatz zu den mentalen Modellen der Laien vollständig, stabil und genau definiert.

Stevens und Gentner weisen darauf hin, dass der wissenschaftliche Zugang zu den mentalen Modellen eine interdisziplinäre Aufgabe mit verschiedensten

Herangehensweisen ist. Diese rangieren von der Befragung über Textanalysen bis hin zu interkulturellen Studien. Gerade die Einbindung anderer Disziplinen wie Linguistik, Philosophie und Anthropologie bewerten sie als enorme Chance (Stevens & Gentner, 1983. S.2).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Ausprägung mentaler Modelle im sprachlichen Alltagsgebrauch. Grundlage hierfür ist die Metaphernanalyse nach Lakoff und Johnson, deren Theorie der metaphorischen Konzepte die der mentalen Modelle widerspiegelt. "Alltägliches Technikwissen ist gespeichert in 'mental models', die in spezifischen metaphorischen Konzepten des alltäglichen Sprechens ausgedrückt werden."

(Jakob, 1991. S. 47)

2.4.4 Konzeptuelle Metaphern

Der "kognitiven Linguistik" nach Lakoff und Johnson (1980) zu Folge bilden Metaphern den Ausdruck einer Homologie zwischen Denken und Sprechen. Nach ihnen ist "Unser allt ä gliches Konzeptsystem, nach dem wir sowohl denken als auch handeln

[..] im Kern und grunds ä tzlich metaphorisch." (Lakoff und Johnson, 1980, S.11)

Das Feld der Metaphernanalyse entwickelte sich aus der kognitiven Semantik der 70er Jahre. In dieser Disziplin wird Sprache nicht mehr als isoliertes Phänomen betrachtet, sondern als Teil und Ausdruck der kognitiven Fähigkeiten des Menschen. Durch diese enge Koppelung ergibt sich der Zugang zu Denkstrukturen und Prozessen über den Weg der Analyse der Sprache. "Einerseits k ö nnen so durch sprachliche Analysen wichtige Einsichten in die m ö gliche Arbeitsweise der Kognition gewonnen werden, andererseits k ö nnen sprachliche Erscheinungen jedoch auch als Folge bestimmter Denkstrukturen erkl ä rt werden." (Baldauf, 1997. S.11) Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei dem Feld der unbewusst genutzten Alltagsmetapher zu. Denn gerade sie ist es, die durch ihre zugrundeliegende Systematik auf mögliche kognitive Strukturen hindeutet. "Die Grundidee des Ansatzes von Lakoff und Johnson ist, dass der Mensch zur Konzeptualisierung einer sehr komplexen Wirklichkeit auf metaphorische Konzepte zur ü ckgreift, um Erfahrungen, Sachverhalte, die vage, abstrakt und daher schwer fassbar sind, mit Hilfe konkreter elementarer Erfahrungen zu strukturieren und sich somit fassbar und rational verf ü gbar zu machen."(ebd.,1997,S.16)

Lakoff und Johnson sehen den Ursprung der Metaphern in den physischen Erfahrungen, die unser Leben prägen. Dazu gehören unter anderem die vertikale Ausrichtung des Körpers, motorische Fähigkeiten, das Erfahren des eigenen Körpers als Container und als Objekt in Containern (Räumen) als auch räumliche Erfahrungen wie unten, oben, tief, hoch, etc..

Diese Erfahrungen bilden die Basis der metaphorischen Systeme. Auf ihnen aufbauend werden komplexere und abstrakte Metaphern gebildet. Die generelle Ausrichtung ist die eines Verständnisses abstrakter Begriffswelten durch eher physische Erfahrungen. Grundlegende Erfahrungen sehen sie in dem Funktionieren des menschlichen Körpers und Emotionen des Individuums, wobei erstere schärfer konturiert und abgegrenzt werden können, und daher auch für die Konzeptualisierung von Emotionen eingesetzt werden. Zu den zentralen Konzepten gehören INNEN-AUSSEN, OBEN-UNTEN, VORNE-HINTEN, HELL-DUNKEL, WARM-KALT, MÄNNLICH-WEIBLICH usw. Sprachbilder wie "die kalte Schulter zeigen", "warm empfangen werden", "himmelhoch jauchzend" und "tief betrübt sein" illustrieren Metaphern für emotionale Zustände auf Basis dieser zentralen körperlichen Eindrücke recht anschaulich. Lakoff und Johnson gruppierten die Alltagsmetaphern in drei Gruppen:

Ontologische Metaphern

Metaphern dieser Kategorie beruhen nach Lakoff und Johnson auf greifbaren Objekten und Substanzen im Umfeld des Menschen. Dieser werden dann auf abstrakte Vorstellungen projiziert und ihnen damit Substanz- bzw. Objektcharakter zugeschrieben. (Lakoff und Johnson, 1980, 25)

Diese Art der Metaphorik ist sehr häufig und hochgradig konventionalisiert. Durch diesen Rückgriff auf das physische Erleben ermöglicht sie u.a. Lokalisierung, Quantifizierung und Kategorisierung abstrakter Sachverhalte. (vgl. Baldauf, S.20) Zu dieser Klasse wird auch die Personifikation gezählt.

Einige Beispiele:

ABSTRAKTA SIND DINGE

ZEIT IST EIN BEHÄLTER

EMOTIONEN SIND BEHÄLTER ABSTRAKTA SIND MENSCHEN

Metaphern der räumlichen Orientierung

(Lakoff und Johnson, S. 14)

[...]

Fin de l'extrait de 85 pages

Résumé des informations

Titre
Desktop, Ordner und Dateien. Strukturen und Metaphern der selbstorganisierten Arbeit am Computer.
Université
University of Hamburg
Note
2
Auteur
Année
2003
Pages
85
N° de catalogue
V33327
ISBN (ebook)
9783638338271
ISBN (Livre)
9783640257133
Taille d'un fichier
1404 KB
Langue
allemand
Mots clés
Desktop, Ordner, Dateien, Strukturen, Metaphern, Arbeit, Computer
Citation du texte
Marcus Klinge (Auteur), 2003, Desktop, Ordner und Dateien. Strukturen und Metaphern der selbstorganisierten Arbeit am Computer., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33327

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