Gegenstand dieser Arbeit soll eine kritische Betrachtung der Zulässigkeit des Einsatzes von Brechmitteln zwecks Beweisermittlung im Strafverfahren sein. Hierbei soll neben der Vereinbarkeit mit den Normen der StPO auch auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem deutschen Recht eingegangen werden.
Schwerpunkt der Straßenkriminalität bildet der Handel von illegalen Betäubungsmitteln. Insgesamt wurden im Jahr 2014 276734 Fälle von Rauschgiftdelikten registriert, eine Steigerung von 9,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders in Großstädten stellt die Drogenkriminalität ein Problem dar, welches die Ermittlungsbehörden aufgrund des Einfallsreichtums der Drogenhändler vor große Herausforderungen stellt. Dabei bietet das Verstecken im Körper eine erfolgsversprechende Möglichkeit zur Tatverschleierung beim Handel und Schmuggel von Betäubungsmitteln.
Mutmaßliche Drogenhändler halten in ihrem Mund in Plastik oder ähnliche Stoffe verpackte Drogenpäckchen, sogenannte „Bubbles“, versteckt. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die Päckchen im Falle einer Überführung durch Herunterschlucken unbemerkt und schnell der Beweissicherstellung entziehen zu können. Diese werden in kleinen Portionen, oft im ein-Gramm-Bereich, gehandelt und nur in entsprechend angefragter Menge aus dem Mund geholt.
Eine umstrittene Möglichkeit zur Sicherstellung der Beweismittel liegt in der Verabreichung eines Brechmittels. Ist der Beschuldigte zu einer freiwilligen Einnahme nicht bereit, so kann das Brechmittel auch zwangsweise, i.d.R. aufgrund staatsanwaltschaftlicher Anordnung durch einen Arzt, zugeführt werden. Allerdings traten in Folge der Behandlung bei einigen Beschuldigten Verletzungen auf, in zwei Fällen führte sie sogar zum Tod.
Diese und ähnliche Ereignisse haben das praktisch sehr bedeutsame und rechtspolitisch höchst umstrittene Thema der zwangsweisen Vergabe von Brechmitteln zum Gegenstand vieler Gerichtsverfahren unterschiedlicher Instanzen gemacht, die ebenso unterschiedliche Ergebnisse hervorbrachten. 2006 wurde schließlich vom EGMR ein Urteil erlassen, das die zwangsweise Verabreichung für rechtswidrig erklärt. Demgegenüber soll die freiwillige Vergabe von Brechmitteln weiterhin zulässig bleiben.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Praxis der Brechmittelvergabe
- I. Medizinische Grundlagen
- II. Verfahren zur Exkorpation
- 1. Vergabe von Brechmitteln
- a) Ipecacuanha-Sirup
- aa) Wirkungsweise und Vergabetechnik
- bb) Risiken und Nebenwirkungen
- b) Apomorphin
- aa) Wirkungsweise und Vergabetechnik
- bb) Risiken und Nebenwirkungen
- cc) Keine kombinierte und aufeinander folgende Vergabe von Brechmitteln
- 2. Alternative Verfahren zur Exkorpation
- III. Ergebnis
- C. Zulässigkeit der Brechmittelvergabe nach § 81a StPO
- I. Der Tatbestand des § 81a StPO
- 1. Anwendungsbereich des § 81a I 2 StPO
- 2. Vorliegen eines körperlicher Eingriffs i.S.d. § 81 a I 2 StPO
- 3. Untersuchungszweck
- 4. Durch einen Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst
- 5. Keine Nachteile für die Gesundheit des Beschuldigten
- a) Vergabe von Ipecacuanha-Sirup
- b) Vergabe von Apomorphin
- c) Ergebnis
- 6. Verhältnismäßigkeit
- a) Geeignetheit
- b) Erforderlichkeit
- c) Angemessenheit
- II. Ergebnis
- D. Polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlagen
- E. Zulässigkeit der Brechmittelvergabe nach dem Grundgesetz
- I. Nemo-Tenetur-Grundsatz
- II. Verletzung der Menschenwürde, Art. 1 I GG
- III. Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, Art. 2 II 1 GG
- IV. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 I iVm Art. 1 I GG
- V. Verletzung des Art. 104 I 2 GG
- VI. Ergebnis
- F. Ergebnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Zulässigkeit des Einsatzes von Brechmitteln im Strafverfahren zur Beweisgewinnung. Im Fokus steht die Frage, ob die Verabreichung von Brechmitteln wie Ipecacuanha-Sirup und Apomorphin zur Exkorpation von Beweismitteln mit den Grundrechten des Beschuldigten vereinbar ist und ob die dafür notwendigen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
- Medizinische Grundlagen und Verfahren zur Exkorpation
- Zulässigkeit der Brechmittelvergabe nach § 81a StPO
- Polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlagen
- Verfassungsmässige Zulässigkeit der Brechmittelvergabe
- Abwägung zwischen dem Schutz der Grundrechte des Beschuldigten und dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung
Zusammenfassung der Kapitel
- A. Einleitung: Die Arbeit führt in das Thema ein und erläutert die Relevanz des Themas. Sie stellt die rechtlichen und medizinischen Rahmenbedingungen dar.
- B. Praxis der Brechmittelvergabe: Dieses Kapitel beschreibt die medizinischen Grundlagen der Brechmittelvergabe sowie die gängigen Verfahren zur Exkorpation von Beweismitteln. Es werden die Wirkungsweise, Risiken und Nebenwirkungen von Ipecacuanha-Sirup und Apomorphin dargestellt.
- C. Zulässigkeit der Brechmittelvergabe nach § 81a StPO: Dieses Kapitel analysiert die rechtlichen Voraussetzungen für die Verabreichung von Brechmitteln im Strafverfahren. Es wird geprüft, ob die Vergabe von Brechmitteln als "körperlicher Eingriff" im Sinne des § 81a StPO anzusehen ist und ob die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind.
- D. Polizeirechtliche Ermächtigungsgrundlagen: Dieses Kapitel untersucht die polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen für die Verabreichung von Brechmitteln im Strafverfahren.
- E. Zulässigkeit der Brechmittelvergabe nach dem Grundgesetz: Das Kapitel analysiert die Verfassungsmässigkeit des Brechmitteleinsatzes im Strafverfahren. Es wird geprüft, ob die Vergabe von Brechmitteln gegen den Nemo-Tenetur-Grundsatz, das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstösst.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themenfelder dieser Arbeit sind die rechtliche Zulässigkeit des Brechmitteleinsatzes im Strafverfahren zur Beweisgewinnung, die medizinischen Grundlagen der Brechmittelvergabe, der Schutz der Grundrechte des Beschuldigten, der § 81a StPO, das Nemo-Tenetur-Prinzip, die Menschenwürde und die körperliche Unversehrtheit.
- Quote paper
- Sabrina Birkner (Author), 2015, Die Zulässigkeit des Einsatzes von Brechmitteln zwecks Beweisgewinnung im Strafverfahren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336455