EU-Mediationskonzepte zur Konfliktlösung

Das Harmonisierungsziel alternativer Streitbeilegung in den EU- Mitgliedstaaten


Essai Scientifique, 2016

12 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Einführung

3. Definition

4. Vereinheitlichung durch die Europäische Kommission

5. Einzelregelungen

6. Ressourcenersparnis

7. Ausblick

Literaturverzeichnis:

1. Vorwort

„Außergerichtliche Streitschlichtung: Lieber Schlichter als Richter“

Die EU hat in letzter Zeit zunehmend das Harmonisierungsziel alternativer Streitbeilegung in den Mitgliedstaaten verfolgt. Neben dem Vereinheitlichungszweck bestehender alternativer Konfliktlösungsmethoden in einzelnen EU-Ländern gab der supranationale Gesetzgeber einen Anstoß für die effektivere gesetzliche Integrierung außergerichtlicher Streitbeilegungsmechanismen insb. im Interesse der Verbraucher. Mit der EU-Gesetzgebung konnte sich die alternative Konfliktbeilegung in nationalen Rechtssystemen verstärkt verwirklichen und scheint auch in weiterer Zukunft ein Umdenken in der bestehenden Rechtspraxis herbeizuführen.

2. Einführung

Bei Streitigkeiten ist es nicht immer einfach eine Lösung zu finden, mit der beide Parteien zufrieden sind. Um doch einen Kompromiss zu erreichen, ist häufig ein außergerichtliches Konfliktbeilegungskonzept sinnvoll.

Aus unterschiedlichen Traditionen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich im angelsächsischen (common law) und kontinentaleuropäischen Raum (civil law) unterschiedliche Systeme der konsensorientierten Streitregelung entwickelt.[1] Heute ist eine Vielzahl nicht-öffentlicher, außergerichtlicher Konfliktbeilegungsmodellen vorgesehen.

Die wichtigsten Konfliktlösungsverfahren im außergerichtlichen Bereich sind das Schlichtungsverfahren, das Schiedsverfahren, die Alternative Dispute Resolution (ADR) bzw. die deutsche Außergerichtliche Konfliktregelung (AKR)[2], der Täter-Opfer-Ausgleich, med-arb-procedures, Moderation, fact-finding, binding-advice, mini-trial, Conciliation und Negotiation.[3] Die ADR hat ihre Anfänge in den frühen 1970ern in den USA.[4] In Europa existierten zur ADR ähnliche alternative Verfahren der Streitbeilegung, die nicht zwangsläufig aus den USA übernommen wurden.[5] Eine weitere Möglichkeit der Konfliktbeilegung ist die alternative Methode der einvernehmlichen Konfliktlösung durch Mediation. Das Konzept der Mediation (Vermittlung) ist von Land zu Land verschieden. Abhängig von Kultur und Geschichte kann der Mediator unterschiedliche Funktionen und Aufgaben haben.

3. Definition

“Unter Mediation versteht man eine Vermittlung, bei der eine außergerichtliche oder alternative Streitbeilegung unter Anleitung eines oder mehrerer Vermittler durchgeführt wird“.[6] Die Mediation ist eine “freiwillige Selbstregulierung von Konflikten unter Mitwirkung allparteilicher Dritter ohne Entscheidungsgewalt[7], die eine generell freiwillige Bereitschaft der Beteiligten zur Konfliktschlichtung voraussetzt.

4. Vereinheitlichung durch die Europäische Kommission

Das von der Kommission mit Erlass der RL 2008/52/EG verfolgte Ziel „ die Nutzung der Mediation weiter zu fördern und sicherzustellen, dass die Parteien, die (...) Mediation in Anspruch nehmen, sich auf einen vorhersehbaren rechtlichen Rahmen verlassen können “,[8] hat sie hinsichtlich grenzüberschreitender Mediation verwirklicht.

Bedenkenswert erscheint, dass erst die Notwendigkeit der Umsetzung der Richtlinie in einigen Staaten den Anlass dazu gegeben hat, dass sich der Gesetzgeber überhaupt mit der Thematik der Mediation beschäftigt.[9]

Im Sinne der Richtlinie bezeichnet die EU die Mediation als “ein strukturiertes Verfahren, in dem zwei oder mehr Streitparteien mithilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen.“[10].

Die Kommission zeigte bei Erlass der RL 2008/52/EG die häufig geübte Praxis zur Normierung mehrheitsfähiger Inhalte und zur Vorbereitung des folgenden Rechtsetzungsakts, bspw. bei der Vorbereitung einer Richtlinie zur außergerichtlichen Streitlösung mit Verbraucherbeteiligung. Des Weiteren sind technikgestützte Innovationen in Form einer Verordnung zur Online-Beilegung von verbraucherrechtlichen Streitigkeiten in Online-Geschäften vorgesehen.[11]

Die Mediationsrichtlinie 2008/52/EG hat ihren Ursprung in Diskussionen über das Grünbuch im Jahre 2002.[12] Die EU hat mit dieser Mediationsrichtlinie erste Meilensteine für alternative Streitbeilegungsverfahren im Zivilrecht gesetzt. Allerdings wurde ihre Anwendung lediglich auf einen engen Bereich beschränkt, auf den sich die Mitgliedsstaaten einigen konnten. Die Mediationsrichtlinie stellt eher ein grundsätzliches Bekenntnis des supranationalen Gesetzgebers zum Verfahren der Mediation als ein Instrument der Normierung praxisrelevanter Inhalte dar. Der Regelungsinhalt dieser Richtlinie betrifft insb. grenzüberschreitende Konflikte. In solchen Verfahren handelt es sich um Konfliktparteien, die sich in unterschiedlichen EU-Mitgliedsstaaten aufhalten, oder um Konstellationen, in denen ein Gericht eines anderen Mitgliedsstaates nach erfolgter Mediation eingeschaltet wird.

In zivil- oder handelsrechtlichen Konflikten ist die Anwendung der Richtlinie grundsätzlich nicht zulässig. In diesen Fällen wird über die Rechte und Pflichten der Konfliktparteien entschieden, die sie nach dem jeweils anwendbaren Recht nicht selbst verfügen. Es handelt sich in der Regel um Streitigkeiten aus den Bereichen des Arbeits- oder Familienrechts.[13] Weitere Ausnahmen des Anwendungsbereichs der Mediationsrichtlinie sind Konflikte aus den Bereichen des Zoll -, Steuer - oder Verwaltungsrechts.[14]

Gem. Art. 11 der RL 2008/52/EG ist ihre Anwendung in den Mitgliedsstaaten bis Mai 2016 zu überprüfen und dem europäischen Parlament, dem Rat und dem europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in einem Evaluationsbericht vorzulegen.

Am 21.05.2013 veröffentlichte die EU zwei neue Rechtsvorschriften zur alternativen Streitbeilegung.

Zum einen wurde die Richtlinie 2013/11/EU zur alternativen Streitbeilegung erlassen, die Verbrauchern Zugang zu qualifizierten Einrichtungen für alternative Streitbeilegung (AS) von allen Streitigkeiten aus Verträgen mit Unternehmen ermöglichen soll. Um diesen Zugang zu gewährleisten, mussten EU-Länder bis Januar 2016 nationale AS-Infrastrukturen schaffen. Die Mediation ist eine von vielen Formen der AS, auf welche diese Infrastruktur gestützt werden konnte.

Zum anderen erging die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 zur Online-Streitbeilegung (OS), mit der eine EU-weite Online-Plattform für Streitigkeiten aus Online-Rechtsgeschäften eingerichtet wurde. Diese Plattform, die in allen Amtssprachen der EU zur Verfügung steht, ermöglicht es Verbrauchern seit Januar 2016, Streitigkeiten online vorzubringen.[15]

Gem. der Richtlinie 2013/11/EU haben EU-Staaten für Verbraucherbeschwerden aus Verträgen mit Unternehmen Schlichtungsstellen einzurichten. Für Branchen oder Geschäfte, für die keine spezielle Schlichtungsstelle vorgesehen ist, ist eine Auffangschlichtungsstelle zu etablieren. Das Ziel ist insofern die Schaffung eines branchen- und flächendeckenden Netzes von Schlichtungsstellen für Beschwerden aus Verbrauchergeschäften.

Die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 gilt für außergerichtliche Beilegungen von vertraglichen Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen im grenzübergreifenden Online-Verkauf von Waren oder in der Online-Bereitstellung von Dienstleistungen. Die vorgeschlagene, von der Kommission einzurichtende europäische Plattform für Online-Streitbeilegung ist eine interaktive Website in allen EU-Amtssprachen, die eine zentrale Anlaufstelle für Verbraucher und Unternehmer für außergerichtlich beizulegende Streitigkeiten ist. Nach der elektronischen Einlegung von Beschwerden auf dieser Plattform werden diese an die zuständigen Schlichtungsstellen in den einzelnen Mitgliedstaaten weitergeleitet.[16]

Die Richtlinie 2013/11/EU des EU Parlaments und des Rates vom 21.05.2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten sowie die Verordnung (EU) Nr. 524/2013 über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten sind am 19.06.2013 in Kraft getreten.

Angesichts der gegenständlichen Richtlinie und Verordnung der EU sind eine allmähliche Verdrängung des derzeitigen hoheitsstaatlichen Konzepts aufgrund der zunehmenden Selbstregulierung einer komplexen, modernen Gesellschaft und insofern auch eine Änderung in der Stellung der bestehenden Rechtspraxis vorherzusehen.[17]

5. Einzelregelungen

Trotz dem Vereinheitlichungsziel der europäischen Kommission etablierten sich zur ADR unterschiedliche nationale Regelungen. Die Ursache dieser Entwicklung liegt in der Erfüllung nationaler Bedürfnisse, die dem Harmonisierungsgedanken entgegenstehen. ADR konnte im europäischen Binnenmarkt Eingang in nationale Rechtsordnungen finden. Das von der EU verfolgte Harmonisierungsziel scheint jedoch für nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung der RL 2008/52/EG nicht im Vordergrund gesetzgeberischer Bemühungen zu stehen. Die normierten Vorgaben der zitierten Richtlinie betreffen weitgehend nur die Mediation in grenzüberschreitenden Konflikten und ermöglichen auf diese Weise nationalen Gesetzgebern einen großen Spielraum. Die Anwendung der Mediation erfüllt nationale Interessen zur Entlastung der Gerichtsbarkeit, die sich i.d.R. auf Kosteneffizienz beziehen. Insgesamt kann die Einführung dieser Regelungen als partieller Rückzug des Staates aus der Rechtsprechung verstanden werden.

Es ist allerdings notwendig die Mediation für gravierende Sachverhalte nicht zugänglich zu machen. Illustrierend dafür sind vor allem Regelungen, die Verfahren der ADR mit gesonderten Prozessvorschriften für Bagatelldelikte verbinden. Dies gilt bspw. für Deutschland, wo die Umsetzungsverpflichtung zum Anlass genommen wurde, um das seit Jahren diskutierte Mediationsgesetz zu verabschieden.[18]

In diesem Zusammenhang ist es am Beispiel von Irland nicht verwunderlich, dass Verfahren der ADR generell mit Sonderregelungen für Bagatellstreitigkeiten verbunden sind.[19] Der Small Claims Registrar ist nicht ausschließlich mit der Schlichtung derartiger Verfahren

[...]


[1] Alexander / Gottwald / Trenczek, Mediation in Germany, in: Alexander, Global Trends in Mediation, Köln 2006, S. 223 ff.

[2] Vgl. Gottwald / Strempel / Beckedorff / Linke, Außergerichtliche Konfliktbeilegung, AKR – Handbuch, Neuwied, Kriftel, Berlin 1997.

[3] Vgl. Lüke / Wax, Münchner Kommentar zur Zivilprozessordnung, München 2000, Rz 13; Vgl. Verschraegen, Mediation und andere Formen alternativer Konfliktbeilegung, Wien 2008/2009.

[4] Vgl. Cornelius, Mediation und systemische Therapie, Frankfurt/Main, Berlin, Bern, Bruxelles, New York, Oxford, Wien 2010, S. 59.

[5] Vgl. dazu ausführlich Breidenbach / Henssler, Mediation für Juristen, Köln 1997, S. 2 ff.

[6] Zit. Strempel, Mediation für die Praxis, Recht, Verfahren, Trends, Berlin 1998, S. 9.

[7] Zit. Falk / Heintel / Pelikan, Die Welt der Mediation, Klagenfurt 1998, S. 289.

[8] RL 2008/52/EG; Erwägungsgrund 7.

[9] Vgl. Eidenmüller / Prause, NJW 2008, 2737.

[10] RL 2008/52/EG.

[11] Verordnungsvorschlag über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten vom 29.11.2011 KOM (2011) 794 endg.

[12] Vgl. Wieczorek / Schütze, BGB Großkommentar, § 1067 - 1109 ZPO, S. 362.

[13] Vgl. Eidenmüller / Prause, NJW 2008, 2737.

[14] Vgl. Eidenmüller / Prause, NJW 2008, 2737.

[15] http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=URISERV:l33251 [15.03.2016].

[16] http://www.versicherungsombudsmann.de/Ressourcen/PDF/Jahresbericht-2012.pdf [15.03.2016].

[17] Schuppert, Zur Rolle des Rechts bei der Staats- und Verwaltungsreform, in: Blanke / v. Bandemer / Nullmeier / Wewer, Handbuch zur Verwaltungsreform, Opladen 2001, S. 34.

[18] Vgl. Eidenmüller / Prause, NJW 2008, 2737.

[19] Vgl. Rules, 1997 & 1999 berichtigt durch die 2009 erlassene Verordnung Nr. 519, Verfügung 53 (Small Claims Procedure).

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
EU-Mediationskonzepte zur Konfliktlösung
Sous-titre
Das Harmonisierungsziel alternativer Streitbeilegung in den EU- Mitgliedstaaten
Auteurs
Année
2016
Pages
12
N° de catalogue
V336699
ISBN (ebook)
9783668262676
ISBN (Livre)
9783668262683
Taille d'un fichier
911 KB
Langue
allemand
Mots clés
Mediation, EU, Außergerichtliche Konfliktlösung
Citation du texte
Dr. iur. Islam Qerimi LL.M. (Auteur)Mr. Sc. Mejreme Berisha (Auteur), 2016, EU-Mediationskonzepte zur Konfliktlösung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336699

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