Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen. Eine pflegewissenschaftliche Bestandsaufnahme


Masterarbeit, 2013

74 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Zusammenfassung
Ziel der Untersuchung war eine analytische Betrachtung der aktuellen Publikation zu
dem Thema ,,Evaluation von komplexen Interventionen". Durch eine systematische
Literaturrecherche in den Datenbanken PubMed, Medline, Cochrane library, Campbell
library und einer Handsuche in ausgewählten Fachzeitschriften aus dem Zeitraum 2000 -
2013 wurde die relevanten Publikationen evaluiert.
Durch die Analyse der Veröffentlichungen konnte herausgestellt werden, dass es zurzeit
mehrere Leitlinien und Empfehlungen zu diesem Thema gibt. Überall wird ein stufen-
bzw. phasenförmiger Verlauf bei der Entwicklung und Evaluation von komplexen
Interventionen empfohlen. Durch diese Vorgehensweise ist eine Überprüfung der
Machbarkeit und Wirksamkeit einer evidenten Intervention möglich. Abschließend sollte
eine Langzeit-Implementierung erfolgen.
Problematisch ist jedoch, dass noch kein Konsens bezüglich der Definition und der
Komponenten von komplexen Interventionen und dem Begriff der Komplexität besteht.
Insgesamt ist deutlich zu erkennen, dass das Thema komplexe Interventionen aktuell im
Fokus steht und die wissenschaftliche Gemeinschaft sich in Netzwerken und Symposien
intensiv darüber austauscht.
Die Schlussfolgerung dieser Untersuchung ist, dass der Bedarf an Forschung im Bereich
der Evaluation von komplexen Interventionen noch nicht ausreichend gedeckt ist. Die
bestehenden Leitlinien und Empfehlungen sollen jedoch im Gesundheitswesen
weiterhin genutzt werden, damit durch die empirischen Erkenntnisse eine Optimierung
der Evaluationsverfahren entwickelt werden kann.

Abstract
The aim of the investigation is an analytical examination of the current publication on
the topic of evaluation of complex interventions. Through a systematic literature search
research in the databases PubMed, Medline, Cochrane library, Campbell library and a
manual research
of selected journals, relevant publications were evaluated from the
period 2000-2013.
By analyzing the publications it was possible to demonstrate that there are current
guidelines and recommendations for the development and evaluation of complex
interventions. A step or phase-shaped curve in the development and evaluation is
described by all authors. This enables to test the feasibility and effectiveness of evident
interventions. Finally, a long term Implementation follows. A uniform consensus
regarding the definition of complex interventions to their existing components and
particularly the notion of complexity are not yet up to date.
It is obvious that the scientific community is discussing complex interventions, there is
an intense exchange in networks and symposia.
In conclusion, there is a further need for research in the evaluation of complex
interventions. The guidelines and recommendations should be used in health care
continuously, thus optimizing the evaluation method can be developed by the empirical
findings.

Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1
1.1 Forschungsanlass
1
1.2 Ziel der Untersuchung
2
1.3 Aufbau der Master-Thesis
2
2. Begriffsbestimmung
3
2.1 Intervention
3
2.2 Komplexe Intervention
5
2.2.1 Grundlegende Fragestellungen und Merkmale
5
2.2.2 Komplexität
6
2.3 Evaluation
8
3. Forschungsfragen
10
4. Forschungsmethodik
10
4.1 Systematische Literaturrecherche
10
4.2 Einschlusskriterien
11
4.3 Suchbegriff ,,Komplexe Intervention"
12
4.4 Datenbanken
12
4.4.1 PubMed
13
4.4.2 Medpilot
14
4.4.3 Cochrane Database
15
4.4.4 Campbell Collaboration
16
4.4.5 OPAC-Katalog der KatHO NRW
16
4.4.6 Handsuche
17
4.4.7 Schneeballprinzip
17
5. Zusammenfassung der Literatur
19
5.1 Campbell
20
5.2 United Kingdom Medical Research Council
22
5.2.1 Teil 1: Entwicklung einer komplexen Intervention
23
5.2.2 Teil 2: Beurteilung der Machbarkeit
24
5.2.3 Teil 3: Evaluation
24
5.3 Sonstige Veröffentlichungen
25
5.4 Van Meijel
27

5.4.1 Phase 1: Problemdefinition
29
5.4.2 Phase 2: Entwicklung der Intervention
29
5.4.3 Phase 3: Formulierung der Intervention
29
5.4.4 Phase 4: Validierung der Intervention
29
5.5 Mühlhauser, Möhler und Voigt-Radloff
30
5.5.1 Mühlhauser
30
5.5.2 Möhler
31
5.5.3 Voigt Radloff
32
6. Diskussion
36
6.1 Allgemeiner Teil
36
6.2 Komplexität
36
6.3 Komponenten einer komplexen Intervention
37
6.4 Phasen der Entwicklung und Evaluation
38
6.4.1 Phase 1
38
6.4.2 Phase 2
40
6.4.3 Phase 3
40
6.4.4 Phase 4
41
6.5 Endpunkte
42
6.6 Realist Reviews
44
6.7 Wissenschaftlicher Konsens
45
6.8 Langzeit-Implementierung
45
6.9 Kritische Betrachtung der Forschungsmethoden
46
7. Freie Suche im Internet
47
8. Fazit
48
9. Literaturverzeichnis
52
10. Darstellungsverzeichnis
58
11. Abkürzungsverzeichnis
59
12. Anhang
60
12.1 Suchstrategie
60
12.2 Tabelle der Literaturanalyse
62

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
1
1.
Einleitung
1.1
Forschungsanlass
Die Auseinandersetzung mit dem Thema ,,Komplexe Intervention" spiegelt
das Interesse und den Bedarf der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion
wider {Craig et al. 2008; Deutsches Netzwerk Evidenzbasierter Medizin
2012}. Komplexe Interventionen im Gesundheitswesen werden in den
letzten Jahren vermehrt diskutiert, und die Problematik in Bezug auf ihre
Evaluation und Implementierung stellt die Wissenschaft vor neue
Herausforderungen {Craig et al. 2008}. Die traditionelle Untersuchung von
Einzelinterventionen durch randomisiert-kontrollierte Studien (RCT) reicht
allein nicht aus, um eine Aussage über die Wirksamkeit einer komplexen
Intervention wie Schulungsprorammen für Patienten und die Rehabilitation
zu treffen {Lenz 2011; van Meijel et al. 2004; Campbell et al. 2000}. RCTs
sind effektiv bei der Evaluation der Wirksamkeit von Medikamenten {Lenz
2011; Campbell et al. 2000}, also bei Einzelinterventionen, und haben ihre
Grenzen, besonders bei der Evaluation pflegerischer Interventionen {van
Meijel et al. 2004: 85}. Bei pflegerischen Interventionen handelt es sich
meistens um eine Behandlung, die einen Effekt aufweist aufgrund des
Zusammenspiels mehrerer einwirkender Faktoren {Mühlhauser et al.
2011: 754}.
Die Betrachtung komplexer Interventionen ­ z.B. von Stroke Unit
Einheiten und Diabetes-Schulungsprogrammen {Mühlhauser et al. 2011}
oder auch der Implementierung von neuen Maßnahmen der Mundpflege
bei onkologischen Patienten {Brady et al. 2011} ­ ist notwendig, um eine
angemessene Aussage über die Effektivität einer Intervention zu treffen
{Craig et al. 2008: 7}, aber auch, um die Durchführbarkeit und Wirksamkeit
einer komplexen Intervention in einem anderem Setting zu beurteilen und
zu überprüfen {Voigt-Radloff et al. 2013: 2}.

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
2
1.2
Ziel der Untersuchung
Das Ziel der Master-Thesis ist die Identifikation der aktuellen
wissenschaftlichen Erkenntnisse und Informationen zum Schwerpunkt
komplexe Interventionen im Gesundheitswesen. Das Thema dieser
Master-Thesis lautet:
,,Möglichkeiten
und
Grenzen
der
Evaluation
von
komplexen
Interventionen: Eine pflegewissenschaftliche Bestandsaufnahme".
Mit Hilfe einer systematischen, multilingualen Literaturrecherche und der
Untersuchung aktueller Forschungserkenntnisse wird eine deskriptiv-
analytische Darstellung zum Thema durchgeführt. Die Herangehensweise
entspricht in den Abschnitten ,,Literaturrecherche" und ,,Zusammenfassung
der Literatur" dem Verfahren einer systematischen Übersichtsarbeit
{Schmitz 2009; Wright et al. 2007; Oxman 1994} und nutzt dabei die
Vorgaben und Empfehlungen zur Durchführung einer systematischen
Literaturrecherche.
1.3
Aufbau der Master-Thesis
Die Arbeit beginnt mit einer Beschreibung und Erläuterung der
Sachthematik der komplexen Intervention und Evaluation. Danach folgt
eine Methodenbeschreibung, in der die recherchierten Publikationen
vorgestellt und zusammengefasst werden. Anschließend erfolgt eine
Diskussion
und
Evaluierung
der
gesammelten
Resultate
und
Informationen. Der Schlussteil beinhaltet eine Zusammenfassung mit
Aussichten
und
Empfehlungen
für
zukünftige
Forschungen
im
Gesundheitswesen.

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
3
2.
Begriffsbestimmung
In diesem Abschnitt werden die Definitionen zu den Begriffen
,,Intervention", ,,Komplexe Intervention" und ,,Evaluation" generiert. So
besteht ein einheitliches Verständnis der verwendeten Termini bei der
weiteren Betrachtung zum Thema ,,Möglichkeiten und Grenzen der
Evaluation von komplexen Interventionen".
2.2
Intervention
Zunächst soll der Begriff ,,Intervention" präzise definiert werden. Dazu
werden zwei zentrale Fragestellungen herangezogen:
a) Welche Merkmale weist eine pflegerische Einzelintervention auf?
b) Wann wird von einer pflegerischen Intervention gesprochen?
Die Literatur bietet mehrere Definitionen und Ausführungen dazu an. In
der Veröffentlichung von Lauber et al. (2007) wird die folgende
Beschreibung präsentiert:
,,Pflegerische Interventionen sind ein wesentliches Element pflegerischen
Handelns. Als solches sind sie jedoch nicht losgelöst vom Pflegeprozess
als systematischer Methode zur Problemlösung zu sehen (sic!) sondern
vielmehr als eingebunden in die Sachlogik pflegerischen Handelns zu
betrachten. Pflegerische Interventionen umfassen ein breites Spektrum an
Pflegemaßnahmen, aus
dem
jeweils
die für
einen
konkreten
pflegebedürftigen Menschen individuell passende Pflegemaßnahme
ausgewählt werden muss. Einerseits gehören hierzu im weitesten Sinne
organisatorische Aspekte. Zudem sind pflegerische Interventionen in der
Regel mit physischer und psychisch-emotionaler Nähe verbunden, die
einerseits einen häufig unumgänglichen Eingriff in die Intimsphäre des
pflegebedürftigen Menschen darstellt; andererseits wesentliches Element

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
4
einer tragfähigen pflegerischen Beziehung ist und nicht selten
therapeutischen Charakter aufweist." {Lauber et al. 2007}
Eine weitere Definition nimmt Müller-Staub (2009) vor:
,,Pflegeinterventionen gelten als Pflegebehandlung auf der Grundlage
klinischer Urteilsbildung und Pflegewissens und werden von Pflegenden
durchgeführt, um Patientenergebnisse zu verbessern {Müller-Staub
2009}."
Somit kann festgehalten werden, dass
a)
eine Pflegeintervention ­ oder, spezifischer betrachtet, eine
Intervention im pflegerischen Kontext ­ eine Maßnahme ist, die von
einer Person durchgeführt wird
b)
diese Maßnahme an einer anderen Person, die einen bestimmten
Bedarf hat, angewendet wird
c)
während der Intervention zwischen diesen beiden Personen
eine Beziehung besteht
d)
die durchführende Person durch die Pflegeintervention ein
bestimmtes Ziel erreichen möchte.
Die vorgestellten Definitionen des Begriffs ,,Intervention" ermöglichen eine
Unterscheidung
und
Abgrenzung
zum
Terminus
,,Komplexe
Interventionen". Dieser wird im Folgenden definiert.

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
5
2.2
Komplexe Intervention
2.2.1 Grundlegende Fragestellungen und Merkmale
Bei der Begriffsbestimmung sollte zu Anfang jeder Begriff für sich gesehen
werden. Die Zusammensetzung beinhaltet den Begriff ,,komplex", der vom
Substantiv ,,Komplexität" abgeleitet ist, und den in Kapitel 2.1 ausführlich
definierten Begriff ,,Intervention". Um also den Begriff ,,komplex" zu
definieren, müssen die folgenden Fragen geklärt werden:
a)
Was macht eine Intervention in der Pflege komplex?
b)
Was bedeutet der Begriff ,,Komplexität" im Gesundheitswesen?
c)
Welche
gemeinsamen
Merkmale
haben
alle
komplexen
Interventionen?
d)
Gibt
es
eine
allgemeingültige
Definition
für
komplexe
Interventionen?
Eine komplexe Intervention beinhaltet verschiedene Eigenschaften. Sie
besteht aus verschiedenen Komponenten und kann nach dem Grad ihrer
Komplexität unterschieden werden {Brownie et al. 2013: 1, Müller-Staub
2009: 689, Aranda 2008: 20, Craig et al. 2008: 7f, Blackwood 2006: 612f}.
Komplexe Interventionen bestehen aus verschieden miteinander
agierenden Komponenten, die sich gegenseitig beeinflussen und in einer
Abhängigkeit zueinander stehen {Craig et al. 2008: 7f, Blackwood 2006:
612}. Mühlhauser beschreibt diese Abhängigkeit der Komponenten als
Interdependenz zueinander und formuliert auch die Notwendigkeit, diese
Eigenschaft
bei
der
Entwicklung
komplexer
Interventionen
zu
berücksichtigen {Mühlhauser et al. 2011}. Campbell beschreibt ebenfalls
die Merkmale von einzelnen Komponenten, die sich zu komplexen
Interventionen zusammensetzen, und nennt Bespiele für komplexe
Interventionen im Gesundheitswesen:

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
6
·
Stroke Unit Einheiten
·
Gemeinde-Programme zur Vorbeugung von Herzerkrankungen
·
Maßnahmen der Gesundheitsprävention zur Reduzierung von
Alkoholkonsum
{Campbell et al. 2000}
Somit kann als erstes Merkmal einer komplexen Intervention festgehalten
werden, dass sie aus mehreren interagierenden und abhängigen
Komponenten besteht.
2.2.2 Komplexität
Welches Verständnis steht nun hinter dem Begriff ,,Komplexität" und was
macht diese bei einer Intervention aus?
Die Komplexität einer Intervention wird vorgegeben und bestimmt durch
die Möglichkeit der verschiedenen Endpunkte, die erreicht werden können
{Craig et al. 2008: 5f}. Diese Endpunkte sind variabel und abhängig
davon, bei welcher Zielgruppe die Intervention durchgeführt wird und
welche Eigenschaften ihre verschiedenen Komponenten aufweisen {siehe
ebd.}. Die Dimension bzw. die Art der Komplexität wird durch
verschiedene Faktoren bestimmt und kann dementsprechend erkannt und
differenziert werden. {Craig et al. 2008: 7f}
Die Leitlinie des United Kingdom Medical Research Council (UKMRC)
formuliert Dimensionen, die bei der Entwicklung einer komplexen
Intervention zu beachten sind:
·
Anzahl der Interaktionen zwischen den einzelnen Komponenten,
innerhalb
der
experimentellen
Interventionen
und
der
Kontrollinterventionen
·
Anzahl und Schwierigkeiten der Verhaltensweisen derjenigen, die
eine Intervention anbieten oder erhalten

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
7
·
Anzahl der Gruppen oder Organisationsebenen, auf die eine
Intervention abzielt
·
Anzahl und Unterschiedlichkeit der möglichen Endpunkte, die
erreicht werden können
·
Grad der Flexibilität oder Grad der Anpassung, die eine Intervention
zulässt
{Craig et al 2008: 7}
Eine weitere Definition und Erläuterung zu komplexen Interventionen ist in
der Arbeit von Blackwood (2006) zu finden. Er beschreibt die
Komponenten als Einstellung und Expertise der Praktiker: Protokolle, die
genutzt werden, Schulungsmaterial, die aktuelle Umgebung und die
Organisationskultur. Weitere Beispiele für komplexe Interventionen sind in
einer Tabelle seiner Publikation aufgeführt.
Zum besseren Verständnis einer komplexen Intervention werden im
Folgenden weitere Beispiele aus dem Gesundheitswesen aufgeführt.
Patientenschulungsprogramme im stationären Bereich zählen zu
komplexen Interventionen. Als Beispiel wäre hier die Diabetes-Schulung
im stationären Bereich zu nennen, die sich aus mehreren Komponenten
und Interventionen zusammensetzt. Durch eine graphische Darstellung
werden die Komplexität und die verschiedenen interagierenden
Komponenten der Intervention veranschaulicht.
(Darstellung 1.: Komplexe Intervention eines Diabetes-Schulungsprogramm ­
Mühlhauser 2011, modifiziert nach Cadima 2013)

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
8
In der Praxis und im klinischen Alltag finden sich in verschiedenen
Bereichen komplexe Interventionen, z.B. Sturzpräventionsprogramme und
Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe {Mühlhauser et al. 2011}.
Das Thema der Master-Thesis sind die ,,Möglichkeiten und Grenzen der
Evaluation von komplexen Interventionen". Daher ist eine Darstellung und
Erläuterung zu dem Begriff ,,Evaluation" notwendig, um das Thema
ausführlich zu betrachten. Bei der Literaturrecherche ergaben sich
verschiedene Angaben zum Terminus ,,Evaluation".
2.3
Evaluation
Der Begriff Evaluation kommt aus dem Lateinischen und heißt wörtlich
übersetzt ,,bewerten", ,,beurteilen" oder ,,einschätzen" {Brandenburg et al.
2008}. In der wissenschaftlichen Gemeinschaft wird von Evaluation
gesprochen, wenn bestimmte Sachverhalte kriteriengeleitet von Personen
bewertet werden. Diese Personen sollten im Umgang mit Evaluation und
den jeweiligen Bewertungsverfahren befähigt sein und eine spezielle
Expertise aufweisen. Evaluation ist eine methodisch kontrollierte,
verwertungs- und bewertungsorientierte Form des Sammelns und
Bewertens von Informationen {Robert Koch-Institut 2012}.
,,Empirisch-wissenschaftliche Forschung wird zur Evaluation, wenn sie
einer
intersubjektiv
geltenden
(normativen)
Bewertung
eines
Sachverhaltes dient, die in einem objektivierten Verfahren und anhand
explizit gemachter Kriterien und Maßstäben vorgenommen wird." {Robert
Koch-Institut 2012: 81}
Bei der Durchführung einer Evaluation wird unterschieden zwischen einer
Prozessanalyse, die auch als Implementationsanalyse bezeichnet wird,
einer Ergebnisanalyse, einer Wirkungsanalyse und einer Kosten-Nutzen-
Analyse.
In der Analyse und Evaluation von komplexen Interventionen wird die
Form der Prozessevaluation genutzt. {Möhler et al. 2012: Mühlhauser et

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
9
al. 2011; Brady et al. 2011; Hasson 2010; Craig et al. 2008} Die
Prozessevaluation bezieht die Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem
Verlauf und der Implementierung einer Intervention oder eines Verfahrens
mit ein. Deskriptive Informationen, die im Verlauf einer Studie gesammelt
werden, können im Anschluss ausgewertet werden und bieten dadurch
eine Aussage über die Interventionen in verschiedenen Settings. Mit Hilfe
dieser Daten kann eine Optimierung der komplexen Interventionen
stattfinden {Möhler et al. 2012, Craig et al. 2008}. Die Prozessevaluation
bietet gegenüber anderen Evaluationsformen eine Darstellung der
Strukturqualität an {Behrens et al. 2010: 336}. In der Veröffentlichung von
Behrens und Langer (2010) wird die Bedeutung der Prozessevaluation
nochmals betont:
,,Ich kann nichts über die notwendige Strukturqualität sagen, wenn ich
nicht verlässlich weiß, welche Strukturen für welche Prozesse nötig sind,
und ich kann nichts über die Prozessqualität sagen, wenn ich nicht weiß,
welche Prozesse für welche Ergebnisse nötig sind." {Behrens et al. 2010,
S.335}
Die Untersuchung von komplexen Interventionen ist eine methodische
Herausforderung. Eine alleinige Ergebnisanalyse oder Wirkungsanalyse
könnte keine ausreichende Aussage treffen über die Bedeutung und
Interaktion der zusammengeführten Komponenten. Durch Wirkungs- und
Ergebnisanalysen wird der Fokus nur auf eine Einzelkomponente gelegt
und die Betrachtung der eigentlichen komplexen Intervention wäre nicht
geleistet {Mühlhauser et al. 2002: 1723}.

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
10
3.
Forschungsfrage
Auf Grundlage der bestehenden Information und Kenntnisse aus dem
vorangegangen Kapiteln, wurden für die weitere Bearbeitung folgende
Forschungsfragen generiert:
I. ,,Besteht
die
Möglichkeit
der
Evaluation
von
komplexen
Interventionen im Gesundheitswesen?"
II. ,,Welche Möglichkeiten der Evaluation komplexer Interventionen
werden in der heutigen Zeit genutzt?"
4.
Forschungsmethodik
4.1
Systematische Literaturrecherche
Für die Bearbeitung der Bestandsaufnahme wurde die systematische
Literaturrecherche
gewählt.
Durch
das
Zusammentragen
der
Forschungsliteratur kann das Wissen zu einem Thema gesammelt und
ggf. für weitere wissenschaftliche Zwecke verwendet werden. Durch diese
Methodik können Forschungsprobleme erkannt und Unstimmigkeiten
innerhalb der Forschungsarbeiten aufgedeckt werden. Außerdem kann die
gesammelte Literatur als Grundlage für weitere Studien dienen {Polit et al.
2004: 137f}.
Die Herangehensweise orientiert sich an den Unterlagen der Vorlesung
von Herrn Professor Dr. Schmitz aus dem Wintersemester 2009/10 im
Bachelorstudiengang Pflegewissenschaft an der Katholischen Hochschule
zu Köln, den Empfehlungen einer systematischen Literaturrecherche der
Campbell Group (2013) und Deutschen Cochrane Gesellschaft (2011).

,,Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen"
11
Die systematische Literaturrecherche und Analyse der Ergebnisse stellt
das Kernstück diese Master-Thesis dar und wird im folgenden Abschnitt
detailliert beschrieben. Zusätzliche Angaben zu den Suchbegriffen und
Suchkombinationen finden sich im Anhang wieder.
Die methodische Herangehensweise basiert auf einer systematischen
Literaturrecherche, welche in mehreren Datenbanken durchgeführt und
durch eine Handsuche in ausgewählten Fachzeitschriften ergänzt wurde.
Die Literaturrecherche erfolgte im Zeitraum von Februar bis April 2013 und
konnte durch eine zweite, auf dem so genannten Schneeballprinzip
basierende, Literaturrecherche Anfang Mai 2013 vervollständigt werden.
Bei der Literaturrecherche wurden Suchbegriffe sowohl in englischer als
auch in deutscher Sprache berücksichtigt und durch spezifische MeSH-
Termini erweitert, um eine maximale Trefferquote zu erreichen. Die
folgenden in der Forschung weit verbreiteten Datenbanken: Pubmed,
Medline via Medpilot, Cochrane Database und Campbell library dienten
als Datengrundlage der Literaturrecherche.
4.2
Einschlusskriterien
Die Selektion der in der Analyse implementierten Literatur erfolgte anhand
folgender Kriterien und Fragestellungen:
·
Handelt es sich bei den vorliegenden Studienberichten um
komplexe
Interventionen
aus
dem
Bereich
des
Gesundheitswesens?
·
Werden diese komplexen Interventionen evaluiert oder wird der
Prozess der Evaluation beschrieben?
·
Handelt es sich um einschlägige Literatur, die in englischer oder
deutscher Sprache publiziert wurde?
Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen. Eine pflegewissenschaftliche Bestandsaufnahme
Hochschule
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen  (Köln)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
74
Katalognummer
V336996
ISBN (eBook)
9783668288751
ISBN (Buch)
9783668288768
Dateigröße
1040 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich hierbei um eine Übersichtsarbeit, die als Masterthesis eingereicht wurde. Der Aufbau der Arbeit ist sehr stark angelehnt an dem Aufbau eines Reviews.
Schlagworte
Evaluation, Pflegewissenschaft, Pflegeforschung, Review, Intervention, Komplexe Intervention
Arbeit zitieren
Ricardo Cadima (Autor:in), 2013, Möglichkeiten und Grenzen der Evaluation von komplexen Interventionen. Eine pflegewissenschaftliche Bestandsaufnahme, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/336996

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