Protagonisten einer neuen Schule - Entwicklung zukunftsfähiger Alternativen durch Partizipation sogenannter Schulverweigerer


Trabajo Escrito, 2002

15 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Realität der Arbeitsgesellschaft und Legitimationskrise der Schule

III. Frühe und mehrfache Ausgrenzung insbesondere durch Schule
1. Unterschiedliche Facetten sogenannter Schulverweigerung
2. Gründe und Hintergründe
3. Folgen und Spätfolgen

IV. Neue Wege durch Partizipation – Die Freiburger StrassenSchule e.V
1. Interkulturalität und Transprofessionalität
2. Beziehungsarbeit
3. Dialogisches Lernen
4. Reflektierte Aktion und aktive Reflexion
5. Prozessorientierung, Kontinuität und Nachhaltigkeit

V. Fazit

VI. Literatur

I. Einleitung

Bei der Auseinandersetzung mit der komplexen Thematik der problematischen Übergänge von Schule zum Berufsleben stellte sich mir schon bald die Frage, was denn mit den jungen Menschen ist, die erst gar nicht so weit kommen.

Was passiert, wenn Schüler der Schule den Rücken kehren? Wie kommt es überhaupt so weit?

Leider ist vielen, trotz der Ergebnisse der Pisa-Studie und den traurigen Ereignissen in Erfurt, immer noch nicht klar, dass sich das System Schule verändern muss. Doch wie können wirklich trag- und zukunftsfähige Alternativen entwickelt werden? Welche Chancen ergeben sich aus der Analyse der Motive sogenannter Schulverweigerung sowie durch die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an der Lösung der sie betreffenden Probleme?

Diesen Fragen folgend stellt sich der Inhalt meiner vorliegenden Arbeit dar. Zunächst versuche ich den Zusammenhängen zwischen der Krise der (Erwerbs-) Arbeitsgesellschaft und der Krise der Schule nachzugehen. Darauf aufbauend beleuchte ich frühe Ausgrenzungsrisiken des Schulsystems und die Folgen. Im zweiten Teil meiner Ausführungen werde ich die Freiburger StrassenSchule e.V. kurz vorstellen, um schließlich die ihr zugrunde liegende Haltung sowie wichtige Prinzipien für die Arbeit herauszuarbeiten.

II. Realität der Arbeitsgesellschaft und Legitimationskrise der Schule

Entgegen der offensichtlichen Realität ist noch immer die Ansicht weit verbreitet, dass grundsätzlich die Möglichkeit der Vollbeschäftigungsgesellschaft besteht.

„Unser gesamtes Erziehungs- und Bildungssystem tut bis heute so, die gesamte Arbeits- und Sozialpolitik sind bis heute auf die Vorstellung aufgebaut, als ob die stabile Integration in ein Erwerbsleben für alle erreichbar – und durchhaltbar – sei. (...) Tatsächlich aber gehört es jedenfalls zum Leben junger Menschen längst als normal dazu, zeitweise erwerbslos zu sein.“[1]

Viele Kinder und Jugendliche haben den Funktionsverlust und die Krise der Schule längst erkannt: „Schule ist für sie eine sinnlose Angelegenheit. Bringt eh nichts, sagen sie. Null Perspektive. Null Bock.“[2]

Auf der einen Seite wird die Illusion der Vollbeschäftigungsgesellschaft als nahezu unantastbares Ideal verteidigt – der Mythos wird durch „(...) geradezu magische Geisterbeschwörung (...)“[3] am Leben erhalten. Auf der anderen Seite schwindet für immer mehr junge Menschen die Legitimation von Schule als Wegbereiter für einen erfolgreichen Eintritt in berufliche Ausbildung und Erwerbsarbeit – die für sie knallharte Realität hat ihre Folgen.[4]

III. Frühe und mehrfache Ausgrenzung insbesondere durch Schule

Die Übergangsrisiken liegen nicht erst in der Phase nach dem Schulabschluss sondern finden schon früher statt. Deshalb muss „(...) Schule als nicht hinterfragte Ausleseinstanz“[5] kritisch wahrgenommen werden. Da Schule neben den Familien das Leben junger Menschen ganz wesentlich bestimmt, muss deren Ein- und Auswirkung ernstgenommen werden.

1. Unterschiedliche Facetten sogenannter Schulverweigerung

Das Phänomen der sogenannten Schulverweigerung sollte möglichst von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet werden, um eine Vereinfachung durch eindimensionale Sichtweisen und monokausale Erklärungsversuche zu vermeiden.

Nach einer Studie des deutschen Jugendinstituts in München nimmt die Schulverweigerung zu: „Jeder zehnte Schüler in Deutschland gilt als schulmüde. Acht Prozent der Jugendlichen geben an, regelmäßig den Unterricht zu schwänzen.“[6]

Durch die Forschung wurde der Blick auf unterschiedliche Formen gelenkt. Einig sind sich die Fachleute, dass sich Verweigerung in Phasen entwickelt – von Desinteresse, geistiger Abwesenheit, Passivität und Gleichgültigkeit im Unterricht über Störungen des Unterrichts bis hin zum aktiven Schwänzen in vielfältigen Formen und der totalen Abkehr von der Schule.[7]

Der selbstgefasste und oft sehr bewusste Entschluss, der Schule fernzubleiben – die sogenannte Schulverweigerung – wird fortgesetzt und verschärft durch die institutionalisierte Ausgrenzung – den offiziellen Schulausschluss.

„Fallen Kinder durch ihr unangepaßtes Verhalten auf, bleiben sie wiederholt unentschuldigt dem Unterricht fern (...), werden sie auf Beschluß von Schulkonferenzen vom Schulbesuch kurz- oder langfristig ausgeschlossen oder die Schulbesuchspflicht wird wegen ‘Nicht-Beschulbarkeit’ (Bezeichnung der Schulverwaltung) vorzeitig beendet.“[8]

Angesichts der negativen Konnotation der vermeintlichen Nicht-Beschulbarkeit halte ich den Begriff der Nicht-Beschulung für angemessener.[9]

2. Gründe und Hintergründe

Zunächst liegt eine Hauptursache für sogenannte Schulverweigerung in der Krise der Schule als Eintrittskarte zum Erwerbsarbeitsmarkt, denn: „Die zunehmende Perspektivlosigkeit ist auch SchülerInnen nicht verborgen geblieben.“[10] Als logische Konsequenz stellt sich für immer mehr junge Menschen die Frage, warum sie sich denn dann noch bemühen sollten.

Ein weiterer Grund liegt im System, genauer gesagt in der Art des Systems, wenngleich dies oft immer noch nicht ernstgenommen oder gar geleugnet wird.

Speziell im deutschen Schulwesen wird schon sehr früh aussortiert. Der leistungsorientierte und hierarchische Aufbau, die Trennung in Förderschulen, Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien[11] herrscht noch vor. Durch die Selektion werden schon angelegte, beispielsweise familiäre Benachteiligungen ungünstig verstärkt. Soziale Ungleichheit wird so reproduziert.[12]

Erwachsene setzen durch Lehrpläne und Schulgesetze durch, was junge Menschen wann und wie zu lernen haben. Die Gleichbehandlung der Schüler durch einheitliche Lehrpläne bewirkt eine faktische Ungleichbehandlung. Die Kinder und Jugendlichen, um die es geht, haben kein offizielles Mitgestaltungsrecht. Meist sehr abstrakte, oft lebensfremde Lerninhalte und überholte Methoden werden über ihre Köpfe hinweg verordnet und durchgesetzt. Gerade problembelastete Schüler werden so schnell überfordert. Dazu kommen nicht selten autoritäre Haltungen der Lehrer und Ordnungsmaßnahmen.[13]

Diese Art von traditioneller Schule hat schon Paulo Freire ausführlich beschrieben und kritisiert. Er nennt sie ‘Bankiers-Konzept’ der Erziehung. Damit ist die Reduzierung der ‘unwissenden’ Schüler auf ‘Behälter’ gemeint, die dann vom ‘allwissenden’ Lehrer mit ‘Wissensspareinlagen’ gefüllt werden.[14]

Die sogenannte Schulverweigerung wird zudem oft durch bewusstes Wegsehen von Seiten der Schulleitung und –verwaltung totgeschwiegen: „Wenn schwierige Schüler wegbleiben, haben die Lehrer mehr Zeit und Ruhe für die anderen.“[15]

Die negativen schulischen Erfahrungen werden durch die Bevormundung junger Menschen in außerschulischen Bereichen – beispielsweise in Maßnahmen der Jugendhilfe – noch verstärkt. Es kommt häufig zu schwerwiegenden Maßnahmen-Schädigungen.[16]

Wenn Kinder und Jugendliche trotz allem ungefragt etwas anmerken und kritisieren, werden sie meist übergangen und nicht ernst genommen.[17]

3. Folgen und Spätfolgen

Der beschriebene Schulalltag bedeutet für die betroffenen Schüler einen dauernden Kreislauf aus Zwang, Druck, Stress und Angst. Die erneute Frustrationserfahrung, kann soweit gehen, dass die jungen Menschen sich selbst als unfähig erachten.[18]

Vor diesem Hintergrund ist das Verlassen der Schule ein nur allzu verständlicher und zunächst befreiender Schritt. Mit dem Schulaustritt ist jedoch häufig der Weg auf die Straße vorgezeichnet, vor allem wenn die Probleme auch das familiäre Umfeld betreffen – und dies ist meist der Fall.[19] Auf der Straße entwickeln Kinder und Jugendliche „(...) in ungeahnter Geschwindigkeit ihre eigenen, meist irreversiblen Kulturmerkmale, die oftmals von Gewalt bestimmt sind.“[20].

[...]


[1] Krafeld 2000, S. 10

[2] Kistler in: Badische Zeitung vom 8.6.2002

[3] Krafeld 2000, S. 32

[4] vgl. ebd., S. 10 ff

[5] Walther 2000, S. 26

[6] Kistler in: Badische Zeitung vom 8.6.2002

[7] vgl. ebd. / vgl. Homfeldt 2002, S. 56 / vgl. Krafeld 2000, S. 102

[8] von Dücker 1999, S. 19

[9] vgl. Blumenberg 1999, S. 100 f

[10] Walther 2000, S. 27

[11] Ausnahmen bilden die Gesamtschulen und die Orientierungsstufen in einigen Bundesländern.

[12] vgl. Walther 2000, S. 26 f

[13] vgl. Braun 2001, S. 42 f

[14] vgl. Freire 1998, S. 57 ff

[15] Kistler in: Badische Zeitung vom 8.6.2002

[16] vgl. von Dücker 2001, S. 23

[17] vgl. Krafeld 2000, S. 66

[18] Paulo Freire beschreibt die Selbsterniedrigung: vgl. Freire 1998, S. 49

[19] vgl. Walter 1999, S. 46 ff / vgl. von Dücker 1999, S. 13

[20] von Dücker 2001, S. 263

Final del extracto de 15 páginas

Detalles

Título
Protagonisten einer neuen Schule - Entwicklung zukunftsfähiger Alternativen durch Partizipation sogenannter Schulverweigerer
Universidad
University of Applied Sciences Freibug
Curso
Jugendliche im Übergang Schule-Beruf
Calificación
1,7
Autor
Año
2002
Páginas
15
No. de catálogo
V33771
ISBN (Ebook)
9783638341677
Tamaño de fichero
516 KB
Idioma
Alemán
Notas
Die Arbeit wird zwar Referat genannt, ist aber eine schriftliche Ausarbeitung entsprechend einer Hausarbeit, die wissenschaftlichen Kriterien entspricht!
Palabras clave
Protagonisten, Schule, Entwicklung, Alternativen, Partizipation, Schulverweigerer, Jugendliche, Schule-Beruf
Citar trabajo
Thomas Haug (Autor), 2002, Protagonisten einer neuen Schule - Entwicklung zukunftsfähiger Alternativen durch Partizipation sogenannter Schulverweigerer, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33771

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