Kulturelle Bildung nach PISA. Inwieweit sind Kooperationen zwischen Schulen und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll?


Master's Thesis, 2015

142 Pages, Grade: 2,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (Natascha Weis)

2. Die PISA-Studien als Ausgangspunkt der Bildungsdiskussion (Caroline Benz)
2.1 Das Instrument PISA-Studie zur Untersuchung der Schulleistung
2.2 Möglichkeiten und Grenzen der PISA-Studien

3. Kulturelle Bildung als Antwort auf die PISA-Studien (Caroline Benz)
3.1 Kultur
3.2 Bildung
3.2.1 Der Bildungsbegriff
3.2.2 Bildungsorte
3.3 Der Zusammenhang zwischen Kultur und Bildung - ein Definitionsversuch für Kulturelle Bildung
3.4 Verschiedene Ansichten auf Kulturelle Bildung
3.5 Ziele Kultureller Bildung
3.6 Akteure Kultureller Bildung
3.7 Möglichkeiten Kultureller Bildung
3.7.1 Kulturelle Bildung als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung
3.7.2 Kulturelle Bildung als Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung
3.7.3 Kulturelle Bildung als Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung
3.8 Grenzen Kultureller Bildung
3.9 Das Verhältnis zwischen Kultureller Bildung und den PISA-Studien

4. Kulturelle Bildung in Schulen (Natascha Weis)
4.1 Schule als formaler Bildungsort
4.2 Die Bildungsziele der Institution Schule im Wandel der Zeit
4.2.1 Bildungsziele der Kultusministerkonferenz (KMK) vor PISA
4.2.2 Reaktionen nach PISA: Die Bildungsstandards
4.2.3 Bildungsziele im Schulgesetz (SchulG) nach PISA
4.3 Möglichkeiten durch Kulturelle Bildung in der Schule
4.3.1 Möglichkeiten für die SuS
4.3.2 Möglichkeiten für die Schule
4.4 Exkurs: Ästhetische Bildung als Bezugsdisziplin Kultureller Bildung
4.4.1 Ästhetik - ein theoretischer Überblick
4.4.1.1 Ästhetik nach Baumgarten
4.4.1.2 Ästhetik nach Kant
4.4.1.3 Ästhetik nach Hegel
4.4.1.4 Ästhetik nach Meis
4.4.2 Ästhetische Erziehung und ästhetische Bildung - ein theoretischer Überblick
4.4.2.1 Ästhetische Bildung in der Antike
4.4.2.2 Ästhetische Erziehung nach Schiller
4.4.2.3 Ästhetische Bildung nach Dewey
4.4.2.4 Ästhetische Bildung nach Meis
4.4.2.5 Ästhetische Bildung nach Dietrich
4.4.2.6 Ästhetische Bildung nach Bilstein
4.4.3 Vergleich Bildungsbegriff Ästhetische Bildung vs. Schule
4.5 Analyse: Kulturelle Bildung in Schulen
4.5.1 Musik
4.5.2 Kunst
4.5.3 Theater
4.5.4 Tanz
4.5.5 Die tatsächliche Situation Kultureller Bildung an rheinland-pfälzischen Schulen: Herausforderungen
4.6 Konsequenzen

5. Kulturelle Bildung in der Kinder- und Jugendkulturarbeit (Natascha Weis)
5.1 Die Kinder- und Jugendhilfe
5.1.1 Aufgaben und Ziele der Kinder- und Jugendhilfe
5.1.2 Bildungsziele in der Kinder- und Jugendhilfe
5.1.3 Die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) als non-formaler Bildungsort
5.2 Die Kinder- und Jugendkulturarbeit (KJKA)
5.2.1 Aufgaben der KJKA
5.2.2 Ziele der KJKA hinsichtlich Kultureller Bildung
5.2.3 Organisation in der KJKA
5.3 Analyse: Kulturelle Bildung in der KJKA
5.3.1 Das Erfüllen der UNESCO-Ziele
5.3.2 Die tatsächliche Situation Kultureller Bildung in der KJKA: Herausforderungen

6. Kooperationen (Caroline Benz)
6.1 Erwartungen an Kooperationen
6.2 Gelingensbedingungen
6.3 Analyse: Das Erfüllen der Gelingensbedingungen
6.4 Analyse: Das Erfüllen der Erwartungen
6.5 Schlussfolgerung - Inwieweit sind Kooperationen zwischen Schule und KJKA sinnvoll?

7. Fazit und Ausblick (Natascha Weis)

8. Literatur- und Quellenverzeichnis

1. Einleitung

„ Die Bildungslandschaft wird sich verändern müssen, um Kindern und Jugendlichen einen besseren Start in ihre Zukunft zu ermöglichen ” (Hill et. al. 2008, S. 9).

Die internationale Schulleistungsvergleichsstudie PISA, die im Rhythmus von drei Jahren seit 2000 durchgeführt wird, löste eine Bildungsdiskussion aus, die über Politik und Öffentlichkeit hinausreichte. Grund dafür waren die schockierenden Ergebnisse: Die Schüler und Schülerinnen (SuS) erbringen im Ländervergleich schlechte Leistungen und es herrscht unzureichende Chancengleichheit auf Bildung.

Diese alarmierenden PISA-Ergebnisse lösten eine Bildungsdiskussion aus, die bis heute andauert. Themen der Debatte sind Bildung, sowie die Bildungsinstitutionen, die bis zu diesem Augenblick nicht in den Blick genommen wurden. Zwar spielt Schule als Bildungsort eine wichtige Rolle, doch andere Bildungsorte, die sich im Lebensraum der Kinder und Jugendlichen befinden, rücken immer weiter in den Blick. Diskutiert wurde auch darüber, welche Kompetenzen Kinder und Jugendliche im Laufe ihres Lebens in den jeweiligen Bildungsorten erwerben sollen. In diesem Zusammenhang werden die schlechten PISA- Ergebnisse unter anderem auf die unzureichende Kulturelle Bildung der Kinder und Jugendlichen zurückgeführt.

Während also nach den ersten PISA-Studien in der Schule die Konzentration auf die Wissensfächer Mathematik, Deutsch, Naturwissenschaften gelegt wurde, entstand gegensätzlich dazu eine Seite, die die Lösung der Bildungsprobleme im Ausbau musisch- ästhetischer Fächer sieht. Somit befindet sich die Schule in einem Zwiespalt. Mit dem Fokus auf die Bildungsorte, der ebenfalls im Rahmen der Bildungsdiskussion entstand, wuchs die Bedeutung der außerschulischen, sogenannten non-formalen Bildungsorte. Insbesondere im Kontext Kultureller Bildung spielen solche non-formalen Einrichtungen eine wichtige Rolle, denn sie haben im Gegensatz zur Schule mehr Freiraum in der Gestaltung kultureller Bildungsprozesse, den Platz und die Fachkräfte um eine Vermittlung von Kultur sicher zu stellen. Die außerschulischen Einrichtungen sind allerdings nicht für alle Menschen zugänglich, da sie häufig kostenpflichtig und/oder schlecht erreichbar sind. Deshalb werden von Bildungsexperten vermehrt Kooperationen zwischen Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, wie beispielsweise der Kinder- und Jugendkulturarbeit, gefordert.

Aufgrund dessen erschien es spannend innerhalb dieser wissenschaftlichen Arbeit die Entwicklung des Bildungssystems und der Kulturellen Bildung nach PISA in den Blick zu nehmen und folgende Frage zu eruieren: „Inwiefern sind Kooperationen zwischen Schule und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll?”

Dazu sollen zu Beginn in Kapitel 2 die PISA-Studien als Ausgangspunkt der Bildungsdebatte dargestellt werden. Zunächst geht es dabei in 2.1 die PISA-Studien allgemein als Instrument des Schulleistungsvergleichs zu zeigen, sowie ausgewählte Ergebnisse der vorangegangenen Studien zu präsentieren, denn daraus entstand die Bildungsdiskussion. Vor diesem Hintergrund wurden auch Möglichkeiten und Grenzen dieser Studien bzw. deren Verständnis von Bildung abgewogen (2.2). Den Abschluss des zweiten Kapitels bildet das daraus entstandene Umdenken einiger Experten und ihrer Forderung nach Kultureller Bildung als Lösungsvorschlag der Bildungsprobleme.

In Kapitel 3 wird geklärt, was Kulturelle Bildung ausmacht, um so die Forderung nach Kultureller Bildung nachvollziehen zu können. Deshalb wird sich zunächst den verschiedenen

Ausprägungen des Begriffs „Kultur” nach Andreas Reckwitz gewidmet (3.1). Danach werden Definitionsversuche von „Bildung” unternommen (3.2). Dazu werden die Auffassungen von Humboldt, Klafki, Senckel, des Forums Bildung 2000 und der Sozialpädagogik genauer betrachtet, sowie die Kategorisierung der Bildungsorte in formal, non-formal und informell dargestellt, weil sich diese Arbeit auf die Kulturelle Bildung zwei verschiedener Bildungsorte konzentriert: Den formalen Bildungsort Schule und die non- formale Kinder- und Jugendkulturarbeit. Aus den Begriffen „Kultur” und „Bildung” soll in 3.3 ein Zusammenhang hergestellt werden, der zu einem Definitionsversuch für „Kulturelle Bildung” führt. Da viele Wissenschaften die Bedeutsamkeit Kultureller Bildung bereits erkannt haben und sie als profitabel für ihren Wissenschaftsbereich sehen, haben auch sie ein gewisses Verständnis von Kultureller Bildung. Diese verschiedenen Ansichten der Bereiche Soziologie/ Anthropologie, Politik, Kulturpädagogik, des Rats für Kulturelle Bildung und der UNESCO führen schließlich zu einer erweiterten Definition (3.4). In einem nächsten Schritt werden Ziele Kultureller Bildung aus Sicht der UNESCO und des Rats für Kulturelle Bildung herausgestellt, weil sie einen neutralen Blickwinkel auf Kulturelle Bildung verfolgen und ihr Blick nicht von einer Profitorientierung verengt ist (3.5). Anhand dieser Ziele werden in den Kapiteln 4 und 5 die Bildungsorte darauf untersucht, inwieweit sie diese erfüllen können. Im Punkt 3.6 werden die Akteure Kultureller Bildung (Eltern, Wirtschaft, Medien, Prominente, Kommunen, Länder, Bund, Künstler und Kulturvermittler, Lehrer und Erzieher, Sozialpädagogen, Kinder und Jugendliche) vorgestellt, sowie die Möglichkeiten, die Kulturelle Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung, für die gesellschaftliche Entwicklung und die wirtschaftliche Entwicklung bietet, herausgestellt. In diesem Zusammenhang werden im Anschluss aber auch Grenzen des Gebietes aufgezeigt (3.8), bevor im Punkt 3.9 die bis dahin gewonnenen Informationen zu Kultureller Bildung im Verhältnis zu den PISA-Studien betrachtet werden.

In den nächsten Kapiteln 4 und 5 soll herausgestellt werden, wie die aktuelle Situation der Vermittlung von Kultureller Bildung in der Schule einerseits (Kapitel 4) und der Kinder- und Jugendkulturarbeit andererseits (Kapitel 5) ist. Nur so kann am Ende nachvollzogen werden, warum Experten eine Kooperation beider Bildungsorte als notwendig ansehen und inwieweit solche Kooperationen sinnvoll sind. In Kapitel 4 beschäftigen wir uns mit der Kulturellen Bildung im formalen Lernort Schule. Dabei wird untersucht, welchen Prinzipien die Schule als formaler Bildungsort nachgeht (4.1) und welche Bildungsziele Schule im Wandel der Zeit, genauer: vor und nach PISA, verfolgte bzw. verfolgt (4.2). Wieso Kulturelle Bildung für die Institution Schule und deren SuS so bedeutsam ist, wird im Punkt 4.3 beschrieben.

Mit dem Hinweis, dass bereits seit Jahrtausenden von Jahren die Philosophen ihrer Zeit eine Vermittlung von Bildung bzw. Erziehung mit ästhetischen Mitteln als förderlich ansahen, soll in einem Exkurs in Punkt 4.4 die Ästhetische Bildung als Bezugsdisziplin Kultureller Bildung vorgestellt werden, indem zuerst ein theoretischer Überblick über den Ästhetikbegriff im Laufe der Zeit anhand ausgewählter Vertreter - Baumgarten, Kant, Hegel und Meis - gegeben wird. Im Anschluss daran geht es um verschiedene Theorien bzgl. ästhetischer Erziehung bzw. Bildung, die auch anhand ausgewählter Vertreter - Sokrates, Aristoteles, Schiller, Dewey, Meis, Dietrich, Bilstein - aufgezeigt werden, damit schließlich zusammenfassend ein Bild über die Bildungsziele Ästhetischer Bildung gegeben werden kann. Im Anschluss werden die Bildungsziele von Schule und Ästhetischer Bildung verglichen (4.4.3). Dieser Punkt stellt eine erste Annäherung zur Einschätzung der aktuellen Situation Kultureller Bildung an Schulen dar. Denn als Bezugsdisziplin Kultureller Bildung sollten die Bildungsziele Ästhetischer Bildung mit denen der Schule übereinstimmen, damit von positiven Voraussetzungen für die Vermittlung Kultureller Bildung an Schulen ausgegangen werden kann. In Punkt 4.5 kommt es schließlich zur Analyse, die ein endgültiges Bild über die tatsächliche Situation der Kulturvermittlung in rheinland-pfälzischen Schulen liefern soll. Dazu werden zunächst die Teilrahmenpläne der ästhetischen Fächer bzw. Bereiche Musik, Kunst, Theater und Tanz nach ihrer Situation und Aufgaben und Ziele hin untersucht um sodann herauszufinden, inwiefern dieser theoretische Überblick mit den Zielen der UNESCO und des Rats für Kulturelle Bildung übereinstimmt. Anhand dieser Ergebnisse ist es möglich, Herausforderungen hinsichtlich der Realisierung Kultureller Bildung an Schulen herzuleiten (4.5.5) und eine Idee davon zu bekommen, wie die Praxis aussieht. Zum Schluss werden Konsequenzen und Verbesserungsvorschläge aufgezeigt und geklärt, warum Kooperationen zwischen Schulen und Kinder- und Jugendkulturarbeit gefordert werden (4.6).

Um herauszufinden, ob Kooperationen zwischen außerschulischen und schulischen Trägern sinnvoll sind, wollen wir die non-formale Kinder- und Jugendkulturarbeit (KJKA) nach ihrer Relevanz für Kulturelle Bildung untersuchen. Dazu wird zunächst die Kinder- und Jugendhilfe als übergeordnete Instanz der KJKA mithilfe ihrer Aufgaben und Ziele und ihrer Bildungsziele vorgestellt (5.1). Die KJKA gilt als Teil der Offenen Kinder- und Jugendarbeit und wird in 5.1.3 als non-formaler Bildungsort dargestellt. Dazu werden die Arbeitsprinzipien der Offenen Kinder- und Jugendarbeit herangezogen und mit den Prinzipien des formalen Bildungsorts Schule in Beziehung gesetzt. Der Vergleich soll dabei helfen, einen ersten Eindruck hinsichtlich der Herausforderung einer Zusammenarbeit beider Bildungsorte zu gewinnen. Der Punkt 5.2 beschäftigt sich schließlich mit den Aufgaben und Zielen der KJKA und schließt mit der Organisation ihrer Einrichtungen (5.2.3). Abschließend soll die Analyse in 5.3 klären, wie es tatsächlich um die Kulturelle Bildung in der KJKA steht. Dazu werden auch hier die bisherigen Informationen mit den Zielen der UNESCO und des Rats für Kulturelle Bildung hinsichtlich Kultureller Bildung abgeglichen. Dieses Ergebnis ist allerdings nur theoretischer Natur. Anhand der vorgestellten Situation der KJKA- Einrichtungen und den Untersuchungen von Ulrich Deinet im Jahre 2006 soll eine Vorstellung der praktizierten Kulturellen Bildung in der KJKA entwickelt werden, die im Punkt 5.3.2 “Die tatsächliche Situation Kultureller Bildung in der KJKA: Herausforderungen” geschlussfolgert wird.

Nachdem die formalen und non-formalen Bildungsorte mit ihrem jeweiligen Verständnis und ihrer Praxis Kultureller Bildung separat betrachtet wurden, soll in Kapitel 6 die Zusammenarbeit von Schule und KJKA näher betrachtet werden. Dazu wird zunächst auf die Erwartungen an diese Kooperationen eingegangen (6.1). Danach werden die von der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) entwickelten Gelingensbedingungen für Kooperationen aufgeführt (6.2) und in 6.3 anhand der bis dahin dargestellten Informationen analysiert, ob diese erfüllt werden können. Der Punkt 6.4 analysiert schließlich, inwieweit die Kooperation zwischen Schule und KJKA die Erwartungen von 6.1 theoretisch erfüllen können.

6.5 stellt die Kernessenz dieser wissenschaftlichen Abhandlung dar, denn hier wird die Ausgangsfrage „Inwieweit sind Kooperationen zwischen Schule und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll?” beantwortet. Dies geschieht unter Abwägung der Analyseergebnisse von 6.3 und 6.4.

Im Schlusskapitel 7 „Fazit und Ausblick” werden nochmals alle Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ein Ausblick in die Zukunft gegeben.

2. Die PISA-Studien als Ausgangspunkt der Bildungsdiskussion

Stellt man sich die Frage, inwieweit eine Kooperation zwischen Schule und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll ist, so kommt man unweigerlich auf die PISA-Studien. Vor dem Hintergrund deren Ergebnisse wurden die Forderungen eines Umdenkens gestellt und eine Bildungsdiskussion ausgelöst. Im Folgenden sollen die PISA-Studien als Instrument zur Untersuchung der Schulleistung dargestellt werden. Es wird ebenfalls in diesem Kapitel auf die Ziele, das Bildungsverständnis sowie die Ergebnisse der Studien eingegangen, da hieraus die Bildungsdiskussion entstand. In deren Rahmen kam es auch zu den Hinweisen auf die Möglichkeiten und Grenzen der PISA-Studien. Der letzte Punkt dieses Kapitels beschäftigt sich mit dieser Thematik und schließt mit der Forderung der Experten eines Umdenkens ab.

2.1 Das Instrument PISA-Studie zur Untersuchung der Schulleistung

PISA (englisch: Programme for International Student Assessment) ist eine internationale Schulleistungsvergleichstudie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (englisch: Organization for Economic Cooperation and Development, OECD) in Form von Erhebungen durchgeführt wird. Die erste Erhebung fand im Jahr 2000 statt, mit 43 beteiligten Ländern und Volkswirtschaften. Seitdem werden die Erhebungen im Abstand von 3 Jahren mit 15-jährigen Schülern und Schülerinnen (SuS) durchgeführt. An der aktuellsten Erhebung im Jahr 2012 nahmen 65 Länder und Volkswirtschaften teil, getestet wurden 510.000 SuS, die repräsentativ für ca. 28 Millionen SuS am Test teilnahmen (Vgl. OECD 2014, S. 19, 21).

Ziel der Studie ist es, der Regierung der jeweils teilnehmenden Länder, der Bildungspolitik, der Institution Schule und der Bildungspraxis Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Optimierung der Bildungssysteme genutzt werden können, damit alle Kinder und Jugendlichen die Chance auf Bildung haben (Vgl. OECD 2014, S. 19). Die OECD ermittelt, ob SuS am Ende ihrer Pflichtschulzeit die nötigen Kompetenzen erworben haben, um sich im Alltag, in der Gesellschaft und im Beruf zurechtzufinden. Durch Hintergrundfragebögen wird festgestellt, wieso Leistungen gut oder schlecht ausfallen. Außerdem werden durch Vergleiche verschiedener Zeiträume Trends bezüglich der Leistungen im Zusammenhang mit den Gründen für diese herausgestellt (Vgl. OECD 2014, S. 13, 19, 22f.).

Da das Bildungsverständnis und die Ergebnisse PISAs den Ausgangspunkt der Bildungsdiskussion darstellten, auf die in den nächsten Kapiteln näher eingegangen wird, wird an dieser Stelle ausgehend von den Zielen PISAs zunächst das Bildungsverständnis von PISA formuliert. Ziel PISAs ist es herauszufinden, ob die SuS das nötige Wissen und Können haben, das sie für ihr zukünftiges Leben im Alltag, in der Gesellschaft, Ausbildung

und im Beruf benötigen (Vgl. OECD 2014, S. 19). PISA definiert Bildung wie folgt:

Kompetenzen und Wissen, die “[...] den Anforderungen des gegenwärtigen und künftigen Lebens [dieser] einer Person als konstruktivem, engagiertem und reflektierendem Bürger [entspricht]” entsprechen (Vgl. Fuchs 2002, zit. aus: PISA 2000, S. 25). Bildung im Sinne PISAs beinhaltet somit Kompetenzen, die alltagstauglich und für die gesellschaftliche Teilhabe sowie den zukünftigen Bildungs- und Berufsweg notwendig sind. Diese erforderlichen Kompetenzen werden als Grundkompetenzen bezeichnet, die sich laut PISA auf die Bereiche Mathematik, Naturwissenschaften, Lesen und Problemlösen beziehen (Vgl. OECD 2014, S. 19). Die Bedeutsamkeit der Fähigkeit des Problemlösens kann folgendermaßen erklärt werden: Ausgehend davon, dass Menschen im Alltag und zur Teilhabe an der modernen Gesellschaft und im späteren Berufsleben nicht nur Wissen haben, sondern dieses auch verwenden können müssen, wird in den PISA-Studien neben der Abfrage von Gelerntem auch evaluiert, ob SuS ihr Wissen auf vielfältige, ihnen unbekannte Situationen und Probleme übertragen und anwenden können. Diese Situationen und Problemstellungen sind auf schulische Fächer sowie auf die außerschulische Umgebung bezogen (Vgl. ebd.).

Doch nicht nur das Bildungsverständnis von PISA, auch die PISA-Ergebnisse trugen dazu bei, dass eine Bildungsdiskussion ausgelöst wurde.

Die Ergebnisse der PISA-Studien zeigen zwar, dass sich die Leistungen der SuS aus der BRD zwischen dem Jahr 2003 und 2012 verbessert haben (Vgl. KMK 2013), dennoch sind die Leistungen nicht übermäßig gut. Vor allem im Vergleich zu anderen Ländern schneidet die BRD immer noch schlecht ab (Vgl. OECD 2013, S. 5). Darüber hinaus herrscht in der BRD alles andere als Chancengleichheit auf Bildung, da Kinder aus sozialschwachen Familien und diejenigen mit Migrationshintergrund immer noch in ihren Bildungschancen benachteiligt sind (Vgl. Smolka 2010, S. 4) - eine Gegebenheit, die die Schule nicht in den Griff bekommt, bedenkt man, dass die Förderung von Kindern aus sozialschwachen Familien und denen mit Migrationshintergrund bisher schlechter in der BRD gelingt als in vergleichbaren Ländern (Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2004, S. 11). Folglich bedeutet dies, dass das deutsche Bildungssystem es nicht schafft, die Leistungspotenziale aller SuS auszuschöpfen (Vgl. Smolka 2010, S. 4, zit. aus: Allmendinger 2006).

Die OECD reagiert auf diese Ergebnisse, indem sie weiterhin darauf beharrt, Bildung im Sinne PISAs zu fördern. Damit fordert sie die Stärkung von Kompetenzen in den Bereichen Mathematik, Naturwissenschaften, Fremdsprache und Deutsch und somit die Verstärkung des Faktenwissens und die Anwendung dieses Wissens in verschiedenen Kontexten. Der Fokus liegt also weiterhin auf den schlechten Ergebnissen im internationalen Feld und führt nicht nur dazu, dass der Staat seine Aufmerksamkeit auf die schlechten Ergebnisse richtet, sondern auch Schulen personell und finanziell unterstützt, damit die SuS in zukünftigen PISA-Studien bessere Leistungen erbringen (Vgl. Liebau/ Terlinden/ Zirfas 2009, S. 9). Wie Experten den PISA-Studien, PISAs Bildungsverständnis und den Forderungen der OECD gegenüberstehen, soll im nächsten Kapitel näher betrachtet werden.

2.2 Möglichkeiten und Grenzen der PISA-Studien

Die PISA-Studien, ihre Ergebnisse und ihr Bildungsverständnis führten zu einer Bildungsdiskussion, in deren Rahmen die Möglichkeiten und Grenzen der PISA-Studien und ihrem Bildungsverständnis von Experten diskutiert wurden.

Unter Möglichkeiten wird die Chance eines Schulleistungsvergleichs auf internationaler Ebene gesehen, welcher es ermöglicht festzustellen, ob SuS das Wissen und die Fähigkeiten haben, die sie für den Alltag, Beruf und in der Gesellschaft brauchen (KMK 2013). Darüber hinaus können durch die PISA-Studien Informationen zur Optimierung der Bildungssysteme zur Verfügung gestellt werden (Vgl. OECD 2014, S. 19).

Neben diesen Möglichkeiten wiesen Experten jedoch auch die Grenzen der PISA-Studien bzw. des zugehörigen Bildungsverständnisses und der Forderungen der OECD auf. Im Bezug darauf, dass die OECD fordert, Bildung zu verbessern, indem Faktenwissen und die Anwendung dieses Wissens in verschiedenen Kontexten verstärkt wird, kritisieren Liebau, Terlinden und Zirfas diese Forderung wie folgt: „Über Unterrichts- und Lernkulturen, über den notwendigen Fortbildungsbedarf bei den Lehrenden wird kaum gesprochen!” (Liebau/ Terlinden/ Zirfas 2009, S. 9). Nicht nur die Forderung der OECD, auch das Bildungsverständnis PISAs wird von Experten kritisiert. So ist beispielsweise Max Fuchs der Meinung, dass PISAs Bildungsverständnis begrenzt ist, da es soziale, ästhetische, politische, interkulturelle, kulturelle und medienbezogene Kompetenzen vernachlässigt (Vgl. Fuchs 2002). „Es muss also etwas Entscheidendes dazukommen, soll der `konstruktive, engagierte und reflektierende Bürger´ entstehen” (Ebd.). Dieses Entscheidende wird von den Experten verschiedenster Professionen in Kultureller Bildung gesehen.

Wenn wir dann die Tatsachen betrachten, dass …

- PISA nur Lesen, Mathematik und Naturwissenschaft als wichtig erachtet und kulturelle Fächer, wie Musik, Kunst, Sport, Literatur, Theater und AGs, wie Tanz, Chor und Orchester und die Wirkungen dieser auf die Fähigkeiten der SuS völlig vernachlässigt (Vgl. Smolka 2010),
- einige Schulen bereits den Wert und die Wirkungen kulturell-musisch-künstlerischer Fächer wahrgenommen haben (Smolka 2010),
- Schulen mit ausgewiesenem Kulturprofil überdurchschnittliche Leistungen in den
PISA-Studien erzielten,
- der Elitenforscher Michael Hartmann die schlechten Leistungen der SuS auf beschränkte Kulturelle Bildung zurückführt (Vgl. Burow 2010),

dann ist es auch verständlich, wieso der Begriff „Kulturelle Bildung” Hochkonjunktur hat (Vgl. Ermert 2009, S. 1):

Von Seiten der Bildungspolitik wird in bildungspolitischen Aktions- und Ausbauplänen das hohe Potenzial kultureller Bildung immer wieder betont, sowie ausdrücklich erwähnt, dass die Künste ein wesentlich definierendes Element schulischer Bildung seien (Vgl. Liebau, Terlinden, Zirfas 2009, S. 7). Kulturelle Bildung durch die Künste - so lautet die Forderung von Experten aus der wie Fuchs (Kulturpädagogik), Burow (allgemeine Pädagogik) und Smolka (Bildungspolitik). Doch wird ebenfalls betont, dass Kulturelle Bildung bzw. Bildung generell an mehreren Bildungsorten stattfindet und dass deshalb ein Zusammenspiel der Bildungsorte erforderlich ist (Fuchs 2002). Genau dieses Zusammenspiel bzw. die Kooperation und ihren Sinn empfanden wir als spannendes zu untersuchendes Feld.

Unsere wissenschaftliche Arbeit wird in diesem Zusammenhang in Kapitel 6 das Zusammenspiel zwischen dem Bildungsort Schule und der Kinder- und Jugendkulturarbeit thematisieren und herausstellen, inwieweit eine Kooperation zwischen diesen Bildungsorten sinnvoll ist.

Dieses Kapitel hat dargestellt, dass die schlechten Ergebnisse, die aus den PISA-Studien hervorgingen, eine Bildungsdiskussion unter Experten auslösten. Im Rahmen dieser wurde auch das Bildungsverständnis sowie die Forderungen der OECD von Experten der verschiedensten Wissenschaften beleuchtet und kritisiert. Die Experten sind in diesem Zusammenhang zu der These gelangt, dass es nicht ausreicht Faktenwissen und die Anwendung dieses Wissens an der Schule zu fordern und zu fördern. Vielmehr sei ein Umdenken erforderlich, welches sich an Kultureller Bildung orientiert, die durch die Kooperation von Schule und außerschulischen Bildungsorten garantiert werden soll (Vgl. Fuchs 2002). Bevor jedoch die an Kultureller Bildung beteiligten Bildungsorte betrachtet und der Sinn der Kooperation zwischen ihnen beurteilt werden kann, soll zunächst ganz allgemein beleuchtet werden, was Kulturelle Bildung ist.

3. Kulturelle Bildung als Antwort auf die PISA-Studien (von Caroline Benz)

Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas erschien es für uns interessant wie Kulturelle Bildung aussehen muss bzw. was sie darstellen soll, um dem Ganzen überhaupt gerecht werden zu können.

„Kulturelle Bildung als Lösung der Bildungsprobleme” lautete die Forderung der Experten. Wie bereits im letzten Punkt dargestellt wurde, gibt es jedoch verschiedene Ansichten was Kulturelle Bildung ist bzw. wie diese wahrgenommen wird. Im Folgenden soll als Basis dargestellt werden was allgemein unter Kultureller Bildung verstanden wird. Spricht man von Kultureller Bildung, so sollte man zu Beginn allgemein auf die Begrifflichkeiten Kultur und Bildung sowie deren Auffassungen eingehen, was in Punkt 3.1 und 3.2 dargestellt wird. Besondere Bedeutung zur Beantwortung der Fragestellung dieser wissenschaftlichen Arbeit erhält die Verdeutlichung, dass Bildung an verschiedenen Orten stattfinden kann. Im Anschluss daran wird versucht, durch die Herausarbeitung eines Zusammenhangs der Begrifflichkeiten Bildung und Kultur, sowie aus den Auffassungen verschiedener Wissenschaftsbereiche bzw. Organisationen bezüglich Kultureller Bildung eine Definition für Kulturelle Bildung herzustellen, um so, neben der Allgemeingültigkeit für das weitere wissenschaftliche Arbeiten dieser Verschriftlichung, zu verdeutlichen wonach die Experten fordern. Ausgehend von dieser Definition und vor dem Hintergrund dass Kulturelle Bildung von Experten als Lösung der Bildungsprobleme betrachtet wird, wird auf die Ziele eingegangen, die mit Kultureller Bildung verbunden werden, um im Kapitel 4.5 und 5.3 herauszufinden, ob die Bildungsorte, die an der Kooperation beteiligt sind, diese Ziele verwirklichen können. Wen diese Ziele betreffen, wird in Kapitel 3.5 dargelegt. Unter dem Punkt Möglichkeiten Kultureller Bildung wird auf die Bedeutsamkeit der Kulturellen Bildung im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung als auch auf die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung eingegangen. Danach werden die Grenzen Kultureller Bildung beleuchtet. Im Anschluss daran wird herausgestellt in welchem Verhältnis Kulturelle Bildung und die PISA-Studien zueinander stehen. Dabei wird auf die jeweiligen Bildungsverständnisse und die Möglichkeiten, die Kulturelle Bildung bietet, eingegangen.

3.1 Kultur

Um sich dem Begriff der Kulturellen Bildung anzunähern, müssen zunächst die Begriffe Kultur und Bildung betrachtet werden. Dieses Kapitel widmet sich dem Kulturbegriff - das Anschließende wird Bildung thematisieren, damit später ein Zusammenhang zwischen den Begrifflichkeiten hergestellt werden kann.

Nach Durchsicht der Literatur hinsichtlich des Kulturbegriffs wird sich exemplarisch auf Andreas Reckwitz bezogen, weil er eine „Typologie des Kulturbegriffs” erstellt hat. Da sich seine Auffassungen auch in Auffassungen anderer Autoren wiederfinden, wird seine Typologie an manchen Stellen durch Bezugnahme auf andere Autoren ergänzt. Reckwitz unterscheidet vier Kulturbegriffe (Vgl. Nünning 2009, S. 2f, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S.6): Den normativen, totalitätsorientierten, differenzorientierten und bedeutungs- und wissensorientierten Kulturbegriff.

Der normative (wertende und vorschreibende) Kulturbegriff geht bis ins 19. Jahrhundert zurück und bezeichnet „Kultur” im Sinne einer Hochkultur als Sammlung herausragender ästhetischer Werke, Künstler und Verfahrensweisen. Nach diesem Verständnis zählt die Volks-, Alltags-, oder Populärkultur nicht zu „Kultur” (Vgl. Nünning 2009, S. 2f, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S. 6).

Der totalitätsorientierte Kulturbegriff wird von der Anthropologie, Ethnologie und Volkskunde vertreten. Kultur stellt hier „ganze Lebensvollzüge einer Gesellschaft“ dar (Ermert 2009, S. 1), und beinhaltet die in einer Gesellschaft verbreiteten und typischen Denk- und Handlungsweisen, Überzeugungen, Wissen, Glaube, Werte, Rituale, Bräuche, Sitten, Normen, sowie künstlerische oder technische Produkte (Vgl. Nünning 2009, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S.2; Vgl. Ermert 2009, S.1). Somit bezeichnet Kultur die Lebensvollzüge von fremden Völkern, der eigenen (bekannten) Gesellschaft und der unterschiedlicher Gruppen der eigenen Lebenswelt, die uns fremd sind, aber aus dem eigenen Kulturkreis stammen, wie z.B. Lebensformen der Minderheiten. Daher kommt auch die Bezeichnung „eigene und fremde Kultur” (Vgl. Wenzel 2005, S.275). Dennoch geht dieser Ansatz von einem Nebeneinander vieler Kulturen aus, die alle wertgleich sind (Vgl. Nünning 2009, S. 2f, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S.6). „Kultur” in diesem Sinne ist abhängig von sich verändernden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lebensbedingungen und ist wandelbar, da der Mensch sie verändert, z.B. wenn er etwas Außergewöhnliches oder Nützliches geschaffen hat (Vgl. Wiater 2012, S.16).

Nach Auffassung des differenzorientierten Kulturbegriffs ist „Kultur” etwas „Intellektuelles” oder „Ästhetisches”, das zum Fortbestand und zur Entwicklung der modernen Gesellschaft beiträgt. Dazu zählen die Bildung, Wissenschaft und Kunst, wobei Kunst alle Künste beinhaltet: Bildende Kunst, Literatur, Musik, darstellende Künste (Tanz, Theater, Film), angewandte Künste (Design und Architektur) sowie Mischformen (Vgl. Nünning 2009, S.2f, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S. 6; Ermert 2009, S.1).

Der bedeutungs- und wissensorientierte Kulturbegriff ist der Kulturbegriff, der von den meisten Disziplinen favorisiert wird. Der Begriff wurde von der Semiotik und dem Konstruktivismus beeinflusst und geht davon aus, dass Kultur vom Menschen hergestellte materielle Produkte und Faktoren bezeichnet, die zur Herstellung dieser beitragen, wie Gedanken oder Institutionen (Vgl. Nünning 2009, S.2f, zit. aus: Reckwitz 2000, S.64/ Reckwitz 2004, S. 6).

Da Kultur von verschiedenen Disziplinen, wie der Soziologie, Anthropologie, dem Konstruktivismus, etc., teils auch innerhalb der Disziplinen, sowie von verschiedenen Gesellschaften und sozialen Gruppen unterschiedlich definiert wird (Vgl. Nünning 2009, S.1, zit. aus: Nünning/Nünning 2009), erweist es sich als angebracht, nicht von einem sondern von mehreren Kulturbegriffen zu sprechen (Vgl. Nünning 2009, S. 1, zit. aus: Ort 2008, S.19, Reckwitz 2000, S.64, Reckwitz 2004, S.6). Überwiegend Konsens beim heutigen “modernen Kulturverständnis” herrscht jedoch darin, dass Kultur von Menschen hervorgebracht wird und nicht nur die Hochkultur oder künstlerische Produkte einer Gesellschaft darstellt (Vgl. Nünning 2009, S.3). Ein erweitertes Kulturverständnis ist insofern sinnvoll, da nach heutiger Auffassung die unterschiedliche Wertigkeit zwischen “Hochkultur” und “Populär- oder Massenkultur” unzeitgemäß ist (Vgl. Nünning 2009, S.3, zit. aus: Böhme/Matussek/Müller 2000, S.108).

Bei diesen Auffassungen über Kultur wird deutlich, dass es mehrere Kulturbegriffe gibt. Diese lassen sich zusammengefasst in Kultur im weiten und Kultur im engen Sinne unterscheiden: Im weiten Sinne meint Kultur das vom Menschen Geschaffene, die Faktoren, die zur Produktion des Geschaffenen beitragen und ganze Lebensvollzüge einer Gesellschaft. Kultur im engen Sinne beinhaltet herausragende ästhetische Werke, Künstler und Verfahrensweisen sowie Bildung, Wissenschaft und Künste.

Ausgehend von diesen Betrachtungen wird das nächste Kapitel den Bildungsbegriff thematisieren, um dann zu einer Begriffsbestimmung der Kulturellen Bildung zu kommen.

3.2 Bildung

Nachdem der Kulturbegriff betrachtet wurde, soll es in diesem Kapitel um Bildung gehen. Dafür wird zunächst der Bildungsbegriff konkretisiert, der für die Begriffsdefinition der Kulturellen Bildung benötigt wird. Da mit der Thematisierung von Bildung zwangsläufig auch die Bildungsorte ins Spiel kommen und diese zur Bearbeitung der Fragestellung besonders relevant sind, wird auf sie ein besonderes Augenmerk gelegt.

3.2.1 Der Bildungsbegriff

In der Umgangssprache wird Bildung als Wissen und Können bezeichnet (Vgl. Mack 2007, S.5). Nach diesem Verständnis wird Bildung als gut oder schlecht bewertet, je nachdem ob sie dem individuellen Geschmack entspricht und als nützlich empfunden wird, z.B. für den zukünftigen Beruf (Vgl. ebd.). Diese Bildung wird in der Schule vermittelt und ist in einem „Kanon“ (ebd.) festgelegt, der ehemals in den Lehrplänen und jetzt in den Bildungsstandards und den Rahmenplänen verschiedener Schulfächer zu finden ist (Vgl. ebd.; Vgl. Wenzel 2005, S.279). Die Inhalte dieses „Kanons” wurden von Politik und Gesellschaft nach zahlreichen Diskussionen festgelegt und entsprechen einer Auswahl an „Bildungsgut” (Wenzel 2005, S.279), das zu vermitteln ist. Es umfasst wertvolles Kulturgut, kulturelle Erfahrungen, Traditionen, Vorstellungen vom humanen Zusammenleben, Wissen und ein angemessenes Weltverständnis (Vgl. ebd.; Vgl. Mack 2007, S.5). Dieses „Bildungsgut”, welches die Schule vermitteln soll, gilt als „Allgemeinbildung” (Vgl. Mack 2007, S.5). Wenn von Bildung als Aneignung eines Kanons gesprochen wird, birgt dies die Vorstellung, dass Bildung als Produkt des Lernens zu verstehen ist, das angeeignet und von der Schule überprüft werden kann. Diese Vorstellung von Bildung ist jedoch nicht allein tragfähig, da Bildung viel mehr als ein messbares Endprodukt des Lernens ist. Die genannte Auffassung ist zu einseitig und vernachlässigt den Aspekt, dass Bildung ein aktiver und nie endender Prozess der Selbstbildung ist (Vgl. Mack 2007, S.5).

Das Verständnis von Bildung als aktivem, offenen und lebenslangen Prozess der Selbstbildung, indem sich der Mensch mit sich und der kulturellen und sozialen Welt, sowie der Welt der Natur und der Dinge selbstbestimmt, solidarisch und kritisch auseinandersetzt , stammt aus der Zeit des Neuhumanismus (ab 1750) (Vgl. ebd.), gilt jedoch bis heute als Orientierung für das heutige Bildungsverständnis und findet sich in den Auffassungen von Humboldt, Klafki, Senckel, des Forums Bildung 2000 und in der Sozialpädagogik wieder, die in folgendem dargestellt werden (Vgl. Wenzel 2005, S.278f.).

Humboldt (18./19. Jahrhundert) fordert eine allseitige Bildung für den Menschen, die die Ausbildung und Nutzung des rationalen Denkens und Urteilens, der Phantasie und der Sinne gleichermaßen mit einbezieht (Vgl. Groppe 2009, S.139, zitiert aus Humboldt 1794/95 I, S.237). Diese Bildung wird als Selbst- und Weltaneignung verstanden, die es dem Menschen ermöglicht, sich selbst als auch die Welt zu gestalten (Vgl. Ricken 1999, S. 113, zitiert aus Humboldt 1794/95 I, S.512.). Humboldt betont außerdem, dass Bildung nur dem Menschen selbst dient und nicht funktionalisiert wird (Vgl. Ricken 1999, S.111, zit. aus: Humboldt 1794/95 I, S.253).

Klafki (20. Jahrhundert) greift bei seinen Ausführungen zu Bildung auf die Kategorisierung Comenius Bildungsbegriff zurück und versteht Bildung als Allgemeinbildung, die sich in Bildung für alle, Bildung durch das Allgemeine und Bildung in allem gliedert (Vgl. Fuchs 1994, S. 36, 80, zit aus: Krüger 1990, S.94). Mit Bildung für alle, fordert Klafki, dass jeder das Recht auf Bildung haben sollte. Die Realität zeigt jedoch, dass nicht jeder das Recht auf Bildung zu gleichen Chancen hat. Bildung durch das Allgemeine meint, dass Bildung Themen beinhaltet, die alle Menschen betreffen (Vgl. ebd.). Bildung in allem weist auf eine allseitige Bildung hin, die es Menschen ermöglicht ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Allseitige Bildung beinhaltet kognitive, handwerklich-technische, soziale Fähigkeiten, Fähigkeiten zur ästhetischen Wahrnehmung, ästhetischen Gestaltung und Urteilsfähigkeit, Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit (Vgl. ebd.). Auf Grundlage dieser Bildung ist der Mensch in der Lage die Gesellschaft sowie auch das eigene Leben zu gestalten (Vgl. Klafki 1985, S.43).

Nach Senckel (21. Jahrhundert) wird Bildung im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung erworben. Bildung wirkt sich dabei auf die Persönlichkeit aus. Genauer lässt sich festhalten: Ein ganzheitlich gebildeter Mensch ist eine ganzheitliche Persönlichkeit. Bildung setzt sich dabei wie folgt zusammen: Wissen über die Welt, Normen und Werte einer Gesellschaft, Kompetenzen, wie Handlungsfähigkeit, Eigenständigkeit, Selbstsicherheit, emotionale Fähigkeiten, soziale Fähigkeiten, ästhetische Gestaltungsfähigkeit, sittlich-, norm-, und wertorientiertes Verhalten und Selbstreflexion, sowie positive Haltungen und Einstellungen (Vgl. Senckel 2004, S. 12f., 20, 22).

Nach dem Forum Bildung (21. Jahrhundert), einem politischen Diskurs, zielt Bildung auf Persönlichkeitsentwicklung, politische und soziale Teilhabe sowie auf die Vorbereitung auf das Berufsleben (Vgl. Fuchs 2008a, S. 22, zit. aus: Forum Bildung 2000, S. 28ff.). Unter Bildung wird verstanden: “Lernkompetenz”, die Verknüpfung von ‚intelligentem‘ inhaltlichem Wissen mit der Fähigkeit zu dessen Anwendung, methodisch-instrumentelle (Schlüssel-)Kompetenzen, insbesondere im Bereich Sprachen, Medien und Naturwissenschaften, soziale Kompetenzen sowie Wertorientierungen“ (Mack 2007, S. 23, zitiert aus Arbeitsstab Forum Bildung 2002, 55).

Bildung setzt sich damit aus Wissen und Kompetenzen zusammen, was wichtig ist, damit der Mensch sich in der wandelnden Gesellschaft orientieren und handeln kann (Vgl. Mack 2007, S. 23, zitiert aus Arbeitsstab Forum Bildung 2002, S. 54).

Bildung wird in der Sozialpädagogik (21. Jahrhundert) als Lebensführungs- und Bewältigungskompetenz betrachtet. Ein Mensch gilt als gebildet, wenn er den Willen zeigt und Anstrengungen unternimmt, sein Leben und seine Lebensverhältnisse zu verbessern und sein Leben selbstverantwortlich und erfolgreich zu gestalten (Vgl. Mack 2007, S. 7, zit. aus: Mack 2006).

Als übergreifendes Ziel von Bildung kann die selbstbestimmte Lebensführung in der Gesellschaft formuliert werden, die sich auf die Lebensführung im Beruf, in der Partnerschaft, der Familie, auf die gesellschaftliche Teilhabe und die Entwicklung der Persönlichkeit bezieht (Vgl. BMBF 2004, S. 21). Dabei ist Bildung gleichzeitig Ziel und Prozess als Weg zu diesem Ziel (Vgl. ebd.). Der Prozess verläuft ein Leben lang, da sich immer wieder neue Anlässe zur Bildung, zur Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt ergeben (Vgl. ebd., Vgl. Mack 2007, S. 5).

Aufgrund dessen muss Bildung einem doppelten Anspruch gerecht werden. Bei der Bildung des Menschen geht es einerseits um die freie Entwicklung zur Persönlichkeit und andererseits um die gesellschaftlichen Erwartungen an Bildung (Vgl. BMBF 2004, S. 22). Bildung als freie, selbstständige und selbstbestimmte Persönlichkeitsentwicklung muss keine gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen, sondern dient in erster Linie dem Menschen selbst, zur Lebensführung. Dazu muss sich der Mensch allseitig bilden, indem er sich Wissen und Fähigkeiten, sowie Haltungen und Einstellungen aneignet. Dies wird in den Auffassungen von Humboldt, Klafki, Senckel, vom Forum Bildung 2000 und der Sozialpädagogik deutlich. Zusammenfassend setzt sich Bildung im Sinne der Persönlichkeitsbildung wie folgt zusammen:

- Wissen über die Welt über Werte und Normen der Gesellschaft

- Fähigkeiten, wie Lernfähigkeit, Fähigkeit zur Anwendung des Wissens, handwerklich- technische, soziale und emotionale Fähigkeiten, Fähigkeiten zur ästhetischen Wahrnehmung, Gestaltung und Urteilsfähigkeit, Entscheidungs- Handlungs- und Selbstbestimmungsfähigkeit, Selbstsicherheit, Eigenständigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Lebensbewältigung
- positive Haltungen und Einstellungen, wie die Offenheit für Neues, die die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten begünstigen.

Diese gebildete Persönlichkeit hat jedoch ebenfalls gesellschaftliche Erwartungen zu erfüllen, wie z.B. zum Bestand und zur Weiterentwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft beizutragen, die Kultur zu bewahren, solidarisch zu handeln, etc. (Vgl. Mack 2007, S. 7).

Heydorn ist hier der Meinung, dass Bildung nicht selbstbestimmt und individuell sein kann, wenn sie gesellschaftlichen Ansprüchen nachkommen soll, da die Selbstbestimmung und die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen durch die Orientierung am Gemeinnutz von Wirtschaft und Politik eingeschränkt wird (Vgl. Fuchs 2008a, S. 23, zit. aus: Heydorn 1980). Genauso verhält es sich aber auch anders herum. Bildung kann nicht beiden Seiten zur vollsten Zufriedenheit gerecht werden, denn das Fördern des einen Verständnisses, bedeutet das Einbußen des anderen. Es muss jedoch versucht werden, beiden Positionen gerecht zu werden (Vgl. Mack 2007, S. 7).

Um zu einer allgemeingültigen Begriffsdefinition von Kultureller Bildung zu gelangen, die als Basis zur Beantwortung dieser wissenschaftlichen Abhandlung dient, wird sich auf folgenden Bildungsbegriff bezogen: Bildung besteht aus Wissen, Fähigkeiten, positiven Haltungen und Einstellungen, die im Prozess der Persönlichkeitsentwicklung erworben werden und den Menschen dazu befähigen sich frei zu entfalten, sein Leben selbstbestimmt zu führen, zu bewältigen und gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Anforderungen zu erfüllen.

Ob Bildung gelingt oder nicht wird von den Bildungsorten beeinflusst (Vgl. Mack 2007, S. 9). Auf sie wird im nächsten Kapitel der Blick gerichtet.

3.2.2 Bildungsorte

In diesem Kapitel wird auf die Bildungsorte eingegangen, da Kulturelle Bildung an verschiedenen Bildungsorten stattfinden kann. Allgemein wird unterschieden zwischen formalen, non-formalen und informellen Bildungsorten. Im Hinblick auf die Beantwortung unserer Fragestellung, in der die Bildungsorte Schule (formaler Bildungsort) und Kinder- und Jugendkulturarbeit (non-formaler Bildungsort) im Fokus stehen, sehen wir es als zwingend erforderlich an, auch den informellen Bildungsort, insbesondere die Familie, darzustellen, um in Kapitel 4 und 5 zu einem späteren Zeitpunkt zu erörtern, inwieweit Schule und KJKA Bildungsprozesse ermöglichen können, die die Familie nicht ermöglichen kann. Im Folgenden wird ein allgemeiner Blick auf die Unterscheidung der Bildungsorte gelegt, bevor in Kapitel 4 und 5 die Bildungsorte Schule und KJKA genauer beleuchtet werden.

Zu formalen Bildungsorten gehört die Schule, Ausbildung und Hochschule. An diesen Orten kann sowohl informelle, als auch formale Bildung stattfinden. Informelle Bildung findet hier aber nur in zweiter Linie statt. Sie bezeichnet alle bewussten und unbewussten Bildungsvorgänge, die, im Gegensatz zu formaler Bildung, von den individuellen Interessen des Menschen bestimmt werden. Bildung läuft dabei meistens unbewusst und ungeplant ab.

Formale Bildung wird von Institutionen bzw. Lehrenden vorgegeben und gesteuert (Vgl. Mack 2007, S. 10, zit. aus: Dohmen 2001, S. 18ff.). Diese Charakteristika von formalen Bildungsorten, und insbesondere der Schule, die von Planung und Steuerung geprägt ist, lässt die Möglichkeit zur freien, selbstbestimmten Persönlichkeitsentwicklung fraglich erscheinen. Aus diesem Grund darf Schule nicht nur als „Qualifikationsagentur” (Mack 2007, S. 22) betrachtet werden und darf schulische Bildung nicht nur auf Kompetenzen reduziert werden, die im Berufsleben notwendig sind (Vgl. Mack 2007, S. 22).

Non-formale Bildungsorte beinhalten rechtlich festgelegte Institutionen, die freiwillig besucht werden können und Kindern und Jugendlichen Gestaltungsfreiräume lassen. Dazu zählen die Orte, an denen die Kinder- und Jugendhilfe tätig ist (Vgl. BMBF 2004, S. 32f). Im Besonderen gehören dazu Kindertageseinrichtungen, die Kinder- und Jugend(kultur)arbeit, die Jugendsozialarbeit und die Erziehungshilfe (Vgl. Mack 2007, S. 15f.). Bildung an diesen Orten versteht sich als non-formale Bildung und bezeichnet deshalb „jede Form organisierter Bildung und Erziehung [...], die generell freiwilliger Natur ist und Angebotscharakter hat“ (Mack 2007, S. 11, zit. aus: Bundesjugendkuratorium 2001, S. 23). Das Ziel non-formaler Bildungsorte ist es zur Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen beizutragen. Kinder und Jugendliche sollen die Chance haben, lernen zu lernen, Probleme zu lösen, zu handeln und Beziehungen mit anderen Menschen einzugehen (BMBF 2004, S. 27, zit. aus: Bundesjugendkuratorium u.a. 2002). Mit diesem Ziel vor Augen vertreten diese Institutionen einen expliziten Bildungsanspruch. Um dieses Ziel zu erfüllen sorgt die Kinder- und Jugendhilfe auf der einen Seite für positive Bildungsvoraussetzungen, indem sie sich für den Schutz der Kinder und Jugendlichen einsetzt und ihnen Hilfe anbietet; Zum anderen bietet sie auch noch Bildungsmöglichkeiten in Form von Angeboten an (Vgl. BMBF 2004, S. 26, zit. aus: BMFSFJ 2002, S 160).

Zu informellen Bildungsorten gehören Familie, Freunde und Medien. Hier findet informelle Bildung statt, die besonders im Zusammenhang mit lebenslangem Lernen betrachtet wird (Vgl. Mack 2007, zit. aus: Dohmen 2001, S. 18ff.). Informelle Bildung so bedeutsam, weil sie die Voraussetzung für formale und non-formale Bildung ist (Vgl. Mack 2007, S. 11, zit. aus: Bundesjugendkuratorium 2001, S. 23). Wieso dies so ist, soll nun erklärt werden. Dazu wird die Bedeutung der Familie, Freunde und Medien erklärt.

In der Familie als erster Sozialisationsinstanz erwerben Kinder den an die soziale Lage des Menschen gebundenen Habitus, der über ihr Verhalten, ihre Einstellungen und ihre Denk- Wahrnehmungs- Urteils- und Handlungsweisen entscheidet (Vgl. Mack 2007, S. 33, zit. aus:

Liebau 1987, S. 80). Neben dem Habitus beeinflusst das zur Verfügung stehende kulturelle, ökonomische und soziale Kapitel der Familie die Bildungsprozesse von Kindern (Vgl. Mack 2007, S. 33, zit. aus: Liebau 1987, S. 80). Kulturelles Kapital ist Bildung in Form von Wissen, Können, Umgang mit Kultur, Geschmack und Stil, die im familiären Alltag unbewusst erworben wird, beinhaltet aber auch materielles Kulturgut wie z.B. ein (Bilder-)Buch, das bei richtigem Gebrauch auch bildend wirkt (Vgl. Mack 2007, S. 35, zit. aus: Liebau 1987). Ökonomisches Kapital ist Geld und ist die Voraussetzung dafür, dass materielles Kulturgut käuflich erworben werden kann, entscheidet aber neben der erworbenen bzw. zur Verfügung stehenden Bildung in der Familie auch über die Schulwahl und Schullaufbahn und somit auch über den Bildungsabschluss von Kindern, da hohe Bildungsabschlüsse häufig mit Geldinvestitionen an Schule/Universität oder in Lehrmittel verbunden sind (Vgl. Bourdieu 1983, S. 189). Der Bildungsabschluss wiederum entscheidet über die Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz. Das soziale Kapital der Familie bezeichnet Ressourcen, die Kindern innerhalb der sozialen Beziehung zwischen ihnen und ihren Eltern ermöglicht werden. Dazu zählen Bildung, Anerkennung und Unterstützung (Vgl. ebd., S. 192f).

Die Familie ist dafür verantwortlich, ob Kinder Anschluss an formale und non-formale Bildung finden, da sie Bildungsprozesse von Kindern durch ihren Habitus und ihr zur Verfügung stehendes kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital beeinflusst. Kinder, die in Familien mit geringem ökonomischem, kulturellen und sozialen Kapital aufwachsen, befinden sich in benachteiligten Lebenslagen und haben, im Gegensatz zu Kindern aus Familien mit viel kulturellem, ökonomischem und sozialen Kapital, in der Regel Schwierigkeiten ihren Bildungsprozess und ihr Leben erfolgreich zu bewältigen (Vgl. Mack 2007, S. 35f., zit. aus: Engel/Hurrelmann 1989; 1993).

Neben der Familie gehören Gleichaltrigen-Gruppen ebenfalls zum Ort informeller Bildung. Bei der Zugehörigkeit zu Peers und Cliquen geht es darum, sich zunächst die Beziehungen selbstständig aufzubauen und zu erhalten. In Gleichaltrigen-Gruppen lernen Kinder, welche Formen sozialer Beziehung es gibt, sie lernen aus verschiedenen Beziehungssituationen und erwerben kommunikative und interaktive Fähigkeiten. Da in Cliquen mehrere Kinder bzw. Jugendliche zusammen kommen, die jeweils unterschiedliche Geschlechter, Herkünfte, Haltungen und Erfahrungen mitbringen, denkt jeder von ihnen über sich selbst nach, vergleicht sich mit anderen, überprüft, verändert, erweitert oder bestätigt jeder seine Einstellungen, Denk- und Handlungsweisen und Interessen. Innerhalb der Gruppe können deshalb auch reflexive Fähigkeiten ausgebildet werden, die zum einen mit einer Verunsicherung durch andere Standpunkte, aber auch mit einer Selbstvergewisserung einhergehen (Vgl. BMBF 2004, S. 32).

Neben Familie und Freunden sind die Medien ebenfalls Orte informeller Bildung. Bildung über Medien findet in der Familie, bei Freunden, in der Schule und an außerschulischen Institutionen statt (Vgl. BMBF 2004, S. 326, zit. aus: Baacke/Sander 1996). Medien sind überall im Lebensraum von Kindern und Jugendlichen und sind Teil der auf sie zukommenden Arbeitswelt (Vgl. BMBF 2004, S. 324). Ob Selbstbildungsprozesse mit Medien gelingen, ist vorrangig abhängig vom kulturellen Kapital der Familie (Vgl. BMBF 2004, S. 326). Das Bildungspotenzial von Medien ergibt sich daraus, dass durch Medien Wissen und Kompetenzen angeeignet, Wissen für andere zur Verfügung gestellt und über Wissen kommuniziert werden kann (Vgl. Hoffmann 2010, S. 15f.). Darüber hinaus erlauben sie, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, mit der Identität zu experimentieren und die eigene Identität zu finden (Vgl. BMBF 2004, S. 325); Sie geben Anregungen für Stil, Geschmack und Lebensentwürfe, geben dem Menschen eine Orientierung (Vgl. BMBF 2004, S. 326, zit. aus: Vogel 2003) und bieten Themen, die das Leben der Kinder und Jugendlichen wiederspiegeln (Vgl. BMBF 2004, S. 327). Deshalb heißt Selbstbildung durch Medien auch, sich durch die Themen in den Medien über seine eigenen Lebens- und Entwicklungsthemen klar zu werden (Vgl. ebd.).

Wir konnten feststellen, dass Bildungsprozesse an Orten formaler, non-formaler und informeller Bildung stattfinden. Von diesen hängt es vorrangig ab, ob Bildungsprozesse erfolgreich verlaufen - Kinder/Jugendliche haben darauf nur wenig Einfluss (Vgl. Mack 2007, S. 29). Besonders die Familie trägt dazu bei, ob Bildungsprozesse von Kindern erfolgreich verlaufen oder nicht. Sie ist der Ursprung der Bildungsungleichheiten, die Auswirkungen auf das gesamte Leben haben. Der Bildungserwerb ist jedoch nicht nur von der Familie abhängig, sondern wird auch von den anderen Bildungsorten, der Schule, Kinder- und Jugendhilfe, den Freunden und Medien beeinflusst. Gefördert werden kann der Bildungserwerb nur, wenn alle Bildungsorte zusammenarbeiten und grundlegende Kulturelle Bildung vermitteln. In dieser wissenschaftlichen Arbeit soll jedoch der Fokus auf die von Experten geforderte Kooperation, am Beispiel von Schule und KJKA gelegt werden, denn diese sollen laut Experten Kulturelle Bildung gemeinsam vermitteln. Um darauf einzugehen, wonach genau die Experten fordern, ist zunächst eine Begriffsdefinition von Kultureller Bildung notwendig. Diese wird im nächsten Punkt hergeleitet.

3.3 Der Zusammenhang zwischen Kultur und Bildung - ein Definitionsversuch für Kulturelle Bildung

„Kulturelle Bildung“ lautete die Forderung der Experten als Antwort auf die Bildungsprobleme. Was unter Kultureller Bildung zu verstehen ist, soll in dem folgenden Definitionsversuch beantwortet werden. Dazu wird unter Einbezug der Begriffsdefinitionen aus Kapitel 3.1 und 3.2.1 ein Zusammenhang zwischen den Begrifflichkeiten Kultur und Bildung hergestellt.

Kultur und Bildung orientieren sich beide am Menschen. Betrachtet man Kultur im weiten Sinne bezeichnet sie Lebensvollzüge von Menschen, die als Bildung in Form von Wissen, Fähigkeiten, positiven Haltungen und Einstellungen verstanden werden. Diese Kultur bzw. Bildung muss an Kinder und Jugendliche weitergegeben bzw. von ihnen angeeignet werden, damit die Kultur bzw. Bildung bewahrt wird, Kinder und Jugendliche ihre Persönlichkeit entwickeln, sich in der Welt wahrnehmen, zurechtfinden, darin handeln und ihr Leben selbstbestimmt führen und bewältigen können. Demzufolge ist Kultur individuelle Bildung und Bildung ist individuelle Kultur (Vgl. Fuchs 1994, S. 34, 36). Wenn Kultur Bildung ist und Bildung Kultur, dann würde es sich bei dem Begriff der Kulturellen Bildung um eine Doppelung der Bedeutung handeln (Vgl. Fuchs 1994, S. 36). Dies würde uns für die Begriffsdefinition im Hinblick auf die Beantwortung unserer Fragestellung jedoch nicht weiterbringen. Deshalb wird in folgendem neben dem weiten Kulturbegriff, der Lebensvollzüge bezeichnet, der enge Kulturbegriff hinzugezogen. Kultur im engen Sinne beinhaltet Kunst, im Speziellen künstlerische Werke, Künstler, Verfahrensweisen und die Künste wie Theater, Musik etc. Um herauszufinden, ob dieser Kunstbegriff im Hinblick auf Kulturelle Bildung bezugsfähig ist, wird zunächst noch auf Schiller eingegangen, der Kunst im Zusammenhang mit Bildung betrachtet hat. Nach Schiller ermöglicht die Teilhabe an und die Auseinandersetzung mit den Künsten im engeren Sinne die Ausbildung wichtiger „Lebenskompetenzen” (Fuchs 2009, S. 19). Dazu ergänzt Fuchs, dass das nun aber nicht bedeutet, dass Kulturelle Bildung ein bloßer Oberbegriff für Kunst oder der Umgang mit Kunst ist (Vgl. Fuchs 2009, S. 18). Der Umgang mit Kunst muss die individuelle Entwicklung ermöglichen, die durch den Erwerb von Kompetenzen, Wissen und Einstellungen die gesellschaftliche Entwicklung ermöglicht. Nicht jedes künstlerische Tun erfüllt automatisch diese Kriterien (Vgl. Fuchs 2009, S. 18f.).

Da Schillers Kunstverständnis plausibel im Bezug auf Bildung ist, wird sich auf dieses in der Begriffsbestimmung Kultureller Bildung bezogen. Fassen wir aber vorerst noch mal den Kultur- und Bildungsbegriff zusammen: Kultur im weiten Sinne besteht demnach aus Lebensvollzügen und im engen Sinne aus den Künsten. Bildung, so haben wir in Kapitel 3.2.1 festgestellt, ist Wissen, Kompetenzen und Haltungen, die der Mensch benötigt, um sein individuelles sowie gesellschaftliches Leben zu bewältigen. Demnach könnte die Definition zu Kultureller Bildung wie folgt lauten: Kulturelle Bildung ist bzw. sind Wissen, Kompetenzen, Haltungen (=Bildung), die der Mensch benötigt, um sein individuelles sowie gesellschaftliches Leben zu bewältigen und die er durch den Umgang mit Kultur als Lebensvollzüge und Künste erwirbt.

Diese Definition ist ein Definitionsversuch. Um herauszufinden, ob diese Definition legitim ist oder verändert werden muss, wird Kulturelle Bildung aus der Sicht verschiedener Wissenschafts- und Politikbereiche sowie einer Organisation betrachtet.

3.4 Verschiedene Ansichten auf Kulturelle Bildung

Beim Betrachten weiterer Literatur stellt man fest, dass es bei der obigen Definition nicht alleine bleibt. Kulturelle Bildung ist ein weiter Begriff. Das, was man darunter versteht und wie die Zugänge zu Kultureller Bildung stattfinden können, hängt von dem Blickwinkel ab, aus welchem Kulturelle Bildung betrachtet wird. Hier soll nun eine Auswahl gezeigt werden, was verschiedene Wissenschafts- und Politikbereiche und die UNESCO als Organisation unter Kultureller Bildung verstehen:

In der Soziologie und Anthropologie wird unter Kultureller Bildung das lebenslange Lernen verstanden, das Menschen von jung bis alt überall begleitet: privat oder öffentlich, innerhalb als auch außerhalb von Bildungsinstitutionen (Vgl. Scherz-Schade 2009).

Aus politischer Perspektive betrachtet ist Kulturelle Bildung der “Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit sich, seiner Umwelt und Gesellschaft, (=Bildung), im Medium der Künste und ihrer Hervorbringungen” (Ermert 2009). Kulturelle Bildung ermöglicht dem Menschen kulturelle Teilhabe. Damit wird die Partizipation am künstlerisch kulturellen Geschehen einer Gesellschaft bezeichnet, welche dem Menschen hilft seine Persönlichkeit zu entwickeln (personale Dimension) und sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen (gesellschaftliche Dimension). Kulturelle Bildung ist deshalb die Voraussetzung für ein geglücktes Leben - in personaler, wie gesellschaftlicher Dimension. Da kulturelle Bildung so bedeutsam ist, ist sie ein notwendiges Element von Allgemeinbildung (Vgl. Ermert 2009). Innerhalb der Politik zeigen sich ebenfalls verschiedene Verständnisse von Kultureller Bildung: Die Sozial- und Familienpolitik betont den Wert Kultureller Bildung in der Familie, da diese die Bildung des Kindes positiv oder negativ prägt (Vgl. Scherz- Schade 2009). In der Schulpolitik realisiert sich Kulturelle Bildung durch künstlerische Pflichtschulfächer, wie Musik und freiwillige Unterrichtsangebote wie Theater-AGs (Vgl. Scherz-Schade 2009). In der Kinder- und Jugendpolitik wird unter Kultureller Bildung die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur verstanden, die Kindern/Jugendlichen helfen soll ihre Begabungen und noch nicht entdeckten Fähigkeiten festzustellen, wichtige Kompetenzen anzueignen, die zur Persönlichkeitsentwicklung beitragen und so für eine ausgewogene Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sorgen. Ziel ist es außerdem jedem Menschen die Teilhabe an Bildung, Kultur und am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen und so Benachteiligungen abzubauen (Vgl. Zacharias 2008, S. 32; Vgl. Schäfer 2014; Vgl. Meis 2012, S. 17f.). Die Kulturpolitik wird von Orten und Akteuren non-formaler Bildung, wie z.B. von kulturellen Einrichtungen, wie Theater, Oper usw. vertreten. Kulturelle Bildung wird hier verstanden als Bildung mit und durch Kultur, Künste und Medien (Vgl. Fuchs 2009, S. 11f.; Vgl. Zacharias 2008, S. 32; Vgl. Schäfer 2014).

Aus Sicht der Kulturpädagogik ist Kulturelle Bildung ein Teil von Allgemeinbildung, die durch künstlerische Arbeitsformen und Methoden umgesetzt wird und in allen Lebensvollzügen stattfinden kann (Vgl. Wenzel 2005, S. 283).

Der Rat für Kulturelle Bildung, ein Beratungsgremium, das aus Mitgliedern der allgemeinen Pädagogik, Kulturpädagogik, Kulturpolitik, Bildungsforschung, Erziehungswissenschaften und Kulturwissenschaften besteht, bezeichnet Kulturelle Bildung als lebenslange Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste (Vgl. Rat für Kulturelle Bildung; Vgl. Liebau 2014, S. 12).

Die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) versteht unter Kultureller Bildung lebenslange Allgemeinbildung durch Kunst, Kultur und Medien, die dem Menschen zur kulturellen, ökonomischen, sozialen und politischen Teilhabe verhilft. In diesem Zusammenhang forderte die UNESCO Kulturelle Bildung für alle (Vgl. Merkel 2008, S. 6f; Vgl. Hirche 2008, S. 5).

Betrachtet man die Auffassungen Kultureller Bildung, wird ersichtlich, dass die Wissenschaften bzw. Organisationen sehr ähnliche Auffassungen haben und ähnliche Ziele verfolgen und dass selbst unterschiedliche Ziele nicht zwangsläufig Gegensätze sein müssen (Vgl. Scherz-Schade 2009). Kulturelle Bildung als lebenslange Bildung des Menschen, so wie die UNESCO, der Rat für Kulturelle Bildung und die Soziologie Kulturelle Bildung verstehen, kann auf alle wissenschaftlichen Sichtweisen bezogen werden und betrifft Kinder, Jugendliche, Erwachsene wie Senioren (Vgl. Fuchs 2007, S. 108), wobei diese Arbeit den Fokus auf Kulturelle Bildung von Kindern/Jugendlichen gelegt. Dass Orte kultureller Bildung alle Bildungsorte beinhaltet (Soziologie), kann die Sichtweisen der Wissenschaften bzw. Organisationen miteinander verbinden, verdeutlicht sogar die Schlussfolgerung, die sich aus Kapitel 3.2.2 ergeben hat, dass ein Zusammenspiel der formalen, informellen und non- formalen Bildungsorte erforderlich ist. Kulturelle Bildung als Allgemeinbildung zu bezeichnen, darin sind sich Politik, UNESCO Kulturpädagogik und der Rat für Kulturelle Bildung einig und auch die Soziologie schließt dieses Verständnis nicht unbedingt aus. Versucht man die Sichtweisen im Hinblick auf die Art und Weise wie Kulturelle Bildung erreicht werden soll zusammen zu bringen, ergibt sich die Antwort: durch Kultur. Denn Kultur ist ein vieldeutiger Begriff, der ein weites Verständnis von Kultur als Lebensvollzüge von Menschen umfasst, welches gleichzeitig den engen Kulturbegriff von Kultur als Künste oder als Medien beinhaltet.

Aus den vorangegangenen Auffassungen Kultureller Bildung ergibt sich nun folgende Definition, die klar macht, was die Experten fordern und die für diese wissenschaftliche Abhandlung als Ausgangspunkt zur Beantwortung der Frage genutzt wird: Kulturelle Bildung ist lebenslange Allgemeinbildung in und durch Kultur als Lebensformen im Allgemeinen sowie den Künsten und Medien im Speziellen, die an allen Bildungsorten erworben werden kann.

Diese wissenschaftliche Abhandlung konzentriert sich speziell, da sie für den Fachbereich Ästhetische Bildung angefertigt wird, auf Kulturelle Bildung mit den Künsten und durch die Künste. Dabei wird im Hinblick auf die Fragestellung in Kapitel 4 und 5 untersucht, welche Bedeutung der spezielle Bereich Kulturelle Bildung mit den Künsten und durch die Künste an den Bildungsorten Schule und KJKA hat und ob sie die Ziele Kultureller Bildung verfolgen. Aufgrund dessen wird im nächsten Punkt erörtert von welchen Zielen man bei Kultureller Bildung ausgeht.

3.5 Ziele Kultureller Bildung

Im Hinblick auf die obige Definition und im Hinblick darauf, dass Kulturelle Bildung gelingen kann, verfolgt Kulturelle Bildung verschiedene Ziele. Hierbei wird auf Auffassungen von der UNESCO und des Rats Kultureller Bildung zurückgegriffen, da diese uns frei von fachspezifischen Zwecken erscheinen. Die Ziele Kultureller Bildung werden dargestellt, um in Kapitel 4 und 5 zu analysieren, inwieweit Schule und KJKA diese Ziele verfolgen. Die Ziele gliedern sich wie folgt:

Erhaltung des Menschenrechts auf Bildung und kulturelle Teilhabe

Das Recht auf Bildung und auf Teilhabe an Kultur und Kunst ist in vielen Erklärungen und Konventionen festgelegt, so z.B. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 22, 26, 27) und in der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 29a, 31). Kultur und Kunst sind wichtige Bestandteile einer umfassenden Bildung und helfen dem Mensch sich frei zu entfalten und zu entwickeln. Kulturelle Bildung ist deshalb ein Menschenrecht, das für jeden gilt (Vgl. Deutsche UNESCO Kommission (DUK) 2008, S. 17).

Lebenslange Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste

Da Kulturelle Bildung auf das ganze Leben bezogen ist, ist es Aufgabe formaler und nonformaler Bildungsorte Kulturelle Bildung als Grundversorgung in den Künsten und durch die Künste zu garantieren (Vgl. Liebau 2014, S. 8).

Entwicklung individueller Fähigkeiten

Kulturelle Bildung soll helfen Kreativität, Initiative, Vorstellungsvermögen, emotionale, kognitive und soziale Fähigkeiten, Handlungskompetenz, Meinungsbildung, Reflexion, Selbstständigkeit zu entwickeln (Vgl. DUK 2008, S. 19). Diese Fähigkeiten befähigen dazu besondere Sichtweisen auf Themen einzunehmen, den Anforderungen der Berufswelt gewachsen zu sein, kulturelle Ausdrucksformen aus Theater, Tanz, Museum u.a. zu entdecken und kritisch zu reflektieren (Vgl. ebd., S. 19ff.).

Verbesserung der Bildungsqualität

Im Weltbildungsbericht aus dem Jahr 2006 der UNESCO wurde herausgestellt, dass die Bildungsqualität in den meisten Ländern immer noch niedrig ist (Vgl. DUK 2008, S. 21, zitiert aus UNESCO 2005, S. 58). Bildung, die hohe Qualität hat, muss die Fähigkeiten beinhalten, die zum Handeln in der Gesellschaft wichtig sind; Sie muss die Interessen und das Leben der Lernenden und der Gesellschaft berücksichtigen, integrativ sein und die Rechte des Menschen garantieren (Vgl. DUK 2008, S. 21). Um eine hohe Bildungsqualität Kultureller Bildung zu ermöglichen, hat Lisa Underberg als Mitglied des Rats für Kulturelle Bildung Qualitätsmerkmale zusammengetragen, an denen sich die Akteure kultureller Bildung orientieren können. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um Kriterien, die erfüllt werden müssen, sondern um Merkmale, die zum Gelingen von Kultureller Bildung beitragen. Diese Merkmale zu berücksichtigen, kann daher als Empfehlung verstanden werden. Zu den Merkmalen zählen folgende: Eine hohe Qualität bezüglich

- der Ausstattung: Genügend (große) Räume und Geld
- des Lehrpersonals: Qualifizierte und motivierte Akteure
- der Vernetzung und Kooperation: Verschiedene Akteure arbeiten zusammen
- der Vermittlung und pädagogischen Qualität: Einbezug der Teilrahmenpläne (Vgl. DUK 2008, S. 22), der Lebenswelt der Lernenden (Vgl. Underberg 2014, S. 107), dem Prinzip der Teilhabe der Kinder und Jugendlichen (Vgl. ebd.), der Bildung als Selbstbildung (Vgl. DUK 2008, S. 22) und dem ganzheitlichen Lernen nach Pestalozzi (Vgl. Groppe 2003, S. 35).

Förderung des Ausdrucks kultureller Vielfalt

Kultur beinhaltet künstlerische Ausdrucksweisen, kulturelle Praktiken, Wissen und die Sprache der eigenen wie auch fremder Kulturen. Kulturelle Vielfalt zu fördern heißt deshalb nicht nur die Bildung über die eigene Kultur sondern auch die interkulturelle Bildung zu fördern, damit Kulturen als Bereicherung verstanden werden. Es ist wichtig, den Ausdruck kultureller Vielfalt zu fördern, da das Bewusstsein darüber zur individuellen wie gesellschaftlichen Entwicklung beiträgt, das kulturelle Erbe bewahrt und ein menschliches Miteinander ermöglicht wird (Vgl. DUK 2008, S. 22f.).

Zusammengefasst zielt Kulturelle Bildung auf die Erhaltung des Menschenrechts auf Bildung und kulturelle Teilhabe, lebenslange Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste, die Entwicklung individueller Fähigkeiten, die Verbesserung der Bildungsqualität und die Förderung des Ausdrucks kultureller Vielfalt. Für wen diese Ziele gelten, wird im folgenden Kapitel näher betrachtet.

3.6 Akteure Kultureller Bildung

Unter diesem Punkt werden die verschiedenen Akteure Kultureller Bildung sowie ihre Funktion beleuchtet. Besonderes Augenmerk wird auf Kinder/Jugendliche gelegt, da diese als Akteure in der Schule und Kinder- und Jugendkulturarbeit zur Beantwortung unserer Frage im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen. Zum anderen wird auf die Beteiligten eingegangen, die an der Umsetzung Kultureller Bildung und der mit ihr verfolgten Ziele mitwirken. Im Punkt 3.4 wurden die verschiedenen Ansichten kultureller Bildung benannt. Beschäftigt man sich mit den Akteuren, so wird ersichtlich, dass die Ambivalenz der Ansichten im Einklang mit den Rollen der einzelnen Akteure stehen.

Die Kinder/Jugendlichen sind die Adressaten Kultureller Bildung. Sie sollen von Kultureller Bildung profitieren, indem sie Kulturelle Bildung durch Selbstbildung erwerben. Kulturelle Bildung bedarf deshalb der Aktivität der Adressaten. Besonders wichtig ist dies im Zusammenhang mit der Entwicklung der Schlüsselkompetenzen, Selbstständigkeit, freiwilligen Beteiligung, Teilhabe und der Mitgestaltung am Lernen. Durch die Mitgestaltung am Lernen können sich die SuS mit ihren Interessen und Bedürfnissen einbringen. Damit werden sie von Objekten zu Subjekten der Bildung (Vgl. Zacharias 2008, S. 34). Künstler und Kulturvermittler, Medienproduzenten und „Experten” (in jeweiligen Fachgebieten, wie der Wissenschaft, Kunst, im Handwerk) können von sich aus oder im Auftrag von Kultureinrichtungen bzw. -orten, wie z.B. Museen oder Theater, oder Kulturereignissen im Bereich kultureller Bildung mitwirken. Kritisch soll hier angemerkt werden, dass nicht jeder Künstler/Kulturvermittler ein idealer Stellvertreter seines Expertengebietes ist. Wichtig ist, dass der Künstler/Kulturvermittler von seinem Beruf überzeugt ist, ihm seine Arbeit und die Arbeit mit Kindern im Bezug auf die Vermittlung Kultureller Bildung Spaß macht (Vgl. Zacharias 2008, S. 33).

Lehrer, Erzieher, sowie die schulische Bildung allgemein (inklusive der Ausbildung und Bildung an Universitäten) gehören ebenfalls zu Akteuren Kultureller Bildung. Auch hier soll kritisch angemerkt werden, dass Lehrer, Erzieher und schulische Bildung, die stur ihre Ziele, Ansichten und Fächer verfolgen, nicht geeignet sind kulturelle Bildung zu vermitteln. Diejenige(n) Lehrer, Erzieher und schulische Bildung, die pädagogisch handeln, sowie an den Interessen und der Lebenswelt der Kinder interessiert sind, sind für die kulturelle Bildungsarbeit wertvoll (Vgl. Zacharias 2008, S. 33).

Zu weiteren Beteiligten zählen Sozialpädagogen/innen aus den Bereichen der Sozialen Arbeit, Jugendarbeit und Familienpolitik. Sie leisten wichtige Beiträge zur kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen durch ihre sozial- und kulturpädagogischen Arbeitsformen, die wichtig für Bildungsprozesse sind. Oft ist jedoch die Arbeit von Sozialpädagogen/innen nicht unbedingt auf Bildung im eigentlichen Sinne ausgerichtet, sondern auf das Beheben von Schwächen, was sich dann wiederum positiv auf den weiteren Bildungsprozess auswirkt (Vgl. Zacharias 2008, S. 34).

Darüber hinaus gehört die Politik zu Mitwirkenden an kultureller Bildung. Dazu zählen Politiker und Verwalter aus den Ebenen des Bundes, der Länder, der Kreise und der Gemeinden (Vgl. Zacharias 2008, S. 34). Sie sind diejenigen, die Entscheidungen und Zielsetzungen bezüglich kultureller Bildung treffen. Dabei kann es passieren, dass sich ihre Entscheidungen und Zielsetzungen an ihren eigenen Interessen und Bedürfnissen oder denen der Partei orientieren und nicht nur an denen der Adressaten oder an Kriterien, wie der zeitlichen Erreichbarkeit, des Aufwandes, der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Zielen und Entscheidungen (Vgl. Zacharias 2008, S. 34). Abgesehen davon besteht die Aufgabe des Bundes, der Länder, Kreise und Gemeinden ebenfalls darin, genügend finanzielle Mittel für Material, Medien und Personal zur Verfügung stellen, Qualitätssicherung durch Überwachung der Mitarbeiter zu betreiben, die an Projekten kultureller Bildung beteiligt sind, sowie diese wissenschaftlich zu begleiten und zu evaluieren (Vgl. KMK 2007, S. 186). Neben der Politik setzt sich die Wirtschaft ebenfalls für Kulturelle Bildung ein. Dabei fördert sie kulturelle Bildung, indem sie kulturelle Veranstaltungen sponsert. Die Gründe dafür sind jedoch, ähnlich wie bei der Politik, nicht nur am Allgemeinwohl interessiert, sondern ebenfalls am Eigennutz: Zum einen profitiert die Wirtschaft von der kulturellen Kompetenz der SuS als zukünftige Arbeiter, da sie kreative, teamfähige, disziplinierte, für Neues aufgeschlossene SuS gut gebrauchen kann. Kulturell gebildete Menschen stellen somit interessante Persönlichkeiten für die Wirtschaft dar (Vgl. KMK 2007, S. 186). Außerdem betreibt sie durch das Sponsoring von kulturellen Veranstaltungen Imagepflege, indem die Menschen sehen, dass die Wirtschaft sich für die kulturelle Bildung der Menschen einsetzt. Die Beteiligten, die jedoch am mächtigsten sind, oft unterschätzt werden und von allen Akteuren eher auf der Randposition einzuordnen sind, sind die Eltern. Es ist wichtig, Eltern zunächst zur Mitarbeit zu motivieren, um sie dann in die Bildungsarbeit einzubeziehen. Eltern sollen am Bildungsprozess mitwirken, indem sie sich bei der Planung beteiligen und bei Entscheidungen mit abstimmen (Vgl. Zacharias 2008, S. 34). Darüber hinaus ist es wichtig, dass sich Eltern ihrer Aufgabe bewusst werden, das kulturelle Engagement von Schulen und Kindergärten wert zu schätzen, sowie ihre Kinder zu kulturellen Aktivitäten in der Freizeit anregen. Es wäre ebenfalls wünschenswert, dass Eltern Kulturangebote dem alltäglichen Medienkonsum nicht nachstehen lassen und Kulturausgaben finanziell mit einplanen (Vgl. KMK 2007, S. 186).

Dieser Punkt zu Akteuren Kultureller Bildung hat gezeigt, dass Kinder die Adressaten der Kulturellen Bildung sind und nur von Kultureller Bildung profitieren können, wenn die übrigen Akteure Kultureller Bildung für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgen. Im Idealfall können die benannten Ziele verfolgt und auch erfolgreich erzielt werden. Wenn dies der Fall ist, dann könnten eine Vielzahl von Möglichkeiten bedingt durch Kulturelle Bildung erreicht werden. Mit diesem Aspekt beschäftigt sich der kommende Punkt.

3.7 Möglichkeiten Kultureller Bildung

Durch Kulturelle Bildung ergeben sich mehrere Möglichkeiten für verschiedene Zielgruppen. Sie hilft dem Individuum, indem sie zu seiner Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, sie bietet aber auch der Gesellschaft und der Wirtschaft die Möglichkeit zu ihrer jeweiligen Entwicklung beizutragen. Im Folgenden werden deshalb auf die Möglichkeiten, die Kulturelle Bildung im Hinblick auf die Persönlichkeitsentwicklung, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bietet, eingegangen.

3.7.1 Kulturelle Bildung als Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung

Wie bereits benannt, bietet Kulturelle Bildung als Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste dem Menschen die Möglichkeit die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, indem er sich bildet (Vgl. Scherz-Schade 2009). Um zu verstehen was Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste bedeutet, wird auf die Definition des Rats für Kulturelle Bildung zurück gegriffen. Dieser versteht darunter eine: „grundlegende [...] Bildung in den wichtigsten Künsten (Musik, Bildende Kunst, Theater, Tanz, Literatur, andere Medien) [...]”, und ergänzt als Erklärung: „Es geht uns vorrangig um Laienbildung, nicht um die professionelle Qualifizierung in den Künsten oder um die berufliche Qualifikation durch die Künste” (Liebau 2014, S. 8). Wenn mit Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste eine grundlegende Bildung in den Künsten gemeint ist, dann können hier auch die Bildungskomponenten einbezogen werden, die wir in Punkt 3.2.1 herausstellten: Wissen, Haltungen/Einstellungen und Fähigkeiten. Wir gehen dann davon aus, dass eine Allgemeinbildung in den Künsten und durch die Künste Kindern/Jugendlichen dabei hilft die Persönlichkeit zu entwickeln, indem sie Bildung im Umgang mit den Künsten und ihren Arbeitsformen erwerben. Bildung setzt sich dabei aus Wissen, positiven Haltungen/Einstellungen und Fähigkeiten zusammen. Welchen Beitrag genau die Künste im Hinblick auf die Bildung bzw. Persönlichkeitsentwicklung des Menschen haben, soll nun dargestellt werden:

Erwerb von Wissen im Umgang mit den Künsten und ihren Arbeitsformen Kinder und Jugendliche können durch die Auseinandersetzung mit den Künsten und durch den Umgang mit künstlerischen Arbeitsformen Wissen erwerben. Dieser Wissenserwerb leistet einen Beitrag zur Bildung und somit auch zur Persönlichkeitsentwicklung. Erstens kann Wissen über die Künste erworben werden, indem Kinder die traditionellen Kunstsparten und ihre verschiedenen Ausdrucksformen kennenlernen und sich damit auseinandersetzen. Darüber hinaus können die künstlerischen Arbeitsformen auf alle Themen- und Lernbereiche bezogen werden und sorgen damit insgesamt für eine höhere Allgemeinbildung (Vgl. Deutscher Bundestag 2007, S. 568).

Erwerb von positiven Haltungen/Einstellungen im Umgang mit den Künsten und ihren Arbeitsformen

Da in einer Bildung durch die Künste und mit den Künsten positive Haltungen/Einstellungen erworben werden können, Haltungen/Einstellungen Bestandteile von Bildung sind und Bildung zur Persönlichkeitsentwicklung beiträgt, kann Kulturelle Bildung einen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung leisten. Positive Haltungen/Einstellungen, die durch die Begegnung mit den Künsten erworben werden können, ist das Interesse an Kunst (Vgl. Liebau 2014, S. 12f). Neben diesem Aspekt kann die Begegnung mit Kunst und das künstlerische Schaffen andere positive Haltungen und Einstellungen wie die Neugier die Welt zu entdecken, die Offenheit für Neues, die Fähigkeit zu staunen, die Freude gegenüber Menschen, Natur und Künsten wecken (Vgl. Senckel 2004, S. 22), sowie den Willen zur Teilhabe und das Engagement an kulturellen Bildungsmöglichkeiten fördern (Vgl. Detjen 2009).

Erwerb von Fähigkeiten im Umgang mit den Künsten und ihren Arbeitsformen

Kulturelle Bildung in den Künsten und durch die Künste kann helfen verschiedene

Fähigkeiten zu entwickeln und leistet damit einen Beitrag zur

Bildung/Persönlichkeitsentwicklung:

- kognitive Fähigkeiten (Vgl. Liebau 2014, S. 9)
- ästhetische (Vgl. ebd.)
- emotionale Fähigkeiten (Vgl. KMK 2007, S. 183)
- soziale Fähigkeiten (Vgl. Liebau 2014, S. 9)
- interkulturelle Fähigkeiten (Vgl. Dittlmann 2007)
- Selbstbestimmung, Selbstständigkeit und Selbstvertrauen (Vgl. Bielenberg 2007, S. 50f.)
- sowie politische Fähigkeiten (Vgl. Liebau 2014, S. 9)

Eine genaue Abgrenzung der Fähigkeiten voneinander ist jedoch nicht immer möglich, denn teilweise überschneiden sie sich. Das gilt z.B. für die ästhetischen und kognitiven Fähigkeiten, die laut des Rats für Kulturelle Bildung im Zusammenspiel zu betrachten sind (Rat für Kulturelle Bildung e.V. 2014, S. 18). Ausgehend davon, werden die kognitiven und ästhetischen Kompetenzen zusammengefasst.

Kognitive undästhetische Fähigkeiten

Im Bereich der kognitiven und ästhetischen Fähigkeiten kann Kulturelle Bildung mit und durch die Künste zur Entwicklung der Kreativität, Wahrnehmungs-, Gestaltungs- und Ausdrucksfähigkeit beitragen (Vgl. Scherz-Schade 2009):

1. Kreativität

Kreativität ist so bedeutsam, weil sie Menschen die notwendige Voraussetzung dazu liefert etwas zu gestalten. Darüber hinaus trägt das kreative Arbeiten zu einem „Flow”, zum Glücklich- und Vollkommensein, zu einer Schwere- und Zeitlosigkeit während des künstlerischen Schaffens bei (Vgl. Meis 2012, S. 46, zitiert aus Csikzentmihalyi 1997, S. 163ff.). Diese positiven Emotionen wirken sich positiv auf das ganze Leben aus: auf die Lebenseinstellung und auf den Willen Neues zu lernen, in der Schule als auch der Umwelt (Vgl. Meis 2012, S. 46). Kunst kann die Kreativität anregen und helfen, sie zu entwickeln. Dabei können folgende Faktoren von Kreativität entwickelt werden:

- Originalität: das Finden von überraschenden Ideen, Lösungen
- Flexibilität: das schnelle Anpassen an neue Situationen, Menschen, das Suchen anderer Wege
- Sensitivität: Empathie für andere haben, sensibel mit Menschen, Materialien, Lösungen umgehen
- Fluktualität: schnell viele neue Ideen entwickeln
- Komplexitätspräferenz: sich nicht mit einfachen Lösungen zufriedengeben, sondern nach schwierigen Lösungen suchen
- Elaborationsfähigkeit: Durchhaltevermögen, Zielstrebigkeit beim Umsetzen der Ideen ● Ambiguitätstoleranz: Mehrdeutigkeiten, Andersartigkeit, Frustrationen, andere Meinungen aushalten, anerkennen und wertschätzen (Vgl. Meis 2012, S. 45, zit. aus: Ulmann 1968; Csikzentmihalyi 1997).

Hinsichtlich dieser Faktoren gilt, dass Menschen nicht erst kreativ sind, wenn alle Faktoren bei ihnen nachgewiesen werden - Kreativität kennt keine Defizite. Wichtig ist der individuelle Aspekt, dass Kreativität individuell und somit einzigartig zum Ausdruck kommt (Vgl. Meis 2012, S. 45, zit. aus: Theunissen 2006, S. 21). Damit Kinder/Jugendliche Kreativität entwickeln können, muss man sie zum künstlerischen Schaffen zu ermutigen, ihre Neugier zu wecken, keinen Erwartungsdruck aufbauen und die richtige Balance finden zwischen Offenheit und Festgelegtsein der Angebote (Vgl. Stang 2003b, S. 22).

2. Wahrnehmungsfähigkeit - Gestaltungs- und Ausdrucksfähigkeit

Wahrnehmung wird von Erfahrung, Wissen und Bewusstsein beeinflusst. Da durch die Auseinandersetzung mit Kunst Erfahrungen (und Wissen) gesammelt werden können, leisten die Künste einen wesentlichen Beitrag zur Wahrnehmungsförderung (Vgl. Stang 2003a, S. 21). Erfahrungen können in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Künsten gesammelt werden. Kulturelle Bildung mit und durch Musik, Bildern und Tanz kann hierbei zur Entwicklung der Sinne beitragen, indem Kinder/Jugendliche durch Musik, Bilder und Tanz lernen differenziert zu hören, sehen und sich differenziert zu bewegen (Vgl. Liebau 2014, S. 12). Durch Erfahrungen mit den Künsten kann darüber hinaus die Genussfähigkeit entwickelt werden, indem der Mensch durch das Hören von Musik, das Bewegen im Tanz positive Empfindungen entwickelt, die das körperliche Wohlbefinden sowie die allgemeine Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen steigern (Vgl. Hunecke 2013, S. 18f.).

Wahrnehmung steht immer im Zusammenhang mit Gestaltung und Ausdruck (die künstlerische Praxis), da sie abwechselnd stattfinden (Vgl. ebd., S. 13). Dabei zielt die künstlerische Praxis auf einen inneren Prozess, in dem das Kind/der Jugendliche die künstlerische Form auf eigene Erfahrungen bezieht, welche in eine eigene künstlerische Form gebracht werden: das Kind/der Jugendliche drückt sich mit Kunst aus und kann seinen Selbstausdruck dann wiederum wahrnehmen. Das Wechselspiel von Gestaltung, Ausdruck und Wahrnehmung trägt zur geschärften Selbstwahrnehmung bei (Vgl. Stenger 2010). Außerdem tragen alle drei zur Selbstfindung und Reflexion bei.

Sich selbst zu finden ist auf das Selbsterleben und Verstehen von sich selbst angewiesen (Vgl. Stenger 2010), was wichtig ist, da Kinder und Jugendliche sich in der Lebensphase der Identitätssuche befinden (Vgl. Bielenberg 2007, S. 50f.). Der veränderbare, spielerische Charakter von Kunst macht es dabei möglich, dass ausprobiert, experimentiert, Perspektiven und Rollen gewechselt werden, Regeln verändert und hinterfragt werden (Vgl. ebd.). In den verschiedenen Ausdrucksweisen, die die Künste, wie das Theater, Tanzen, die Musik und Literatur bieten, gelingt dies besonders gut. Das erlaubt Kindern/Jugendlichen herauszufinden, wer sie sind.

Neben der Selbstfindung trägt der Ausdruck, die Gestaltung und Wahrnehmung zur Reflexion bei. Zum einen zur Selbstreflexion, denn die künstlerischen Arbeitsformen ermöglichen es, individuelle und nicht sichtbare Einstellungen, Gedanken, Gefühle, Wünsche, Werte und Meinungen in Form eines individuellen Ausdrucks sichtbar, diskutierbar und reflektierbar zu machen - für sich und andere (Vgl. Fuchs 1994, S. 41). Zum anderen trägt der Ausdruck, die Gestaltung und Wahrnehmung zur Reflexion der Welt und der Künste bei, so z.B. im eigenen

[...]

Excerpt out of 142 pages

Details

Title
Kulturelle Bildung nach PISA. Inwieweit sind Kooperationen zwischen Schulen und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll?
College
University of Koblenz-Landau
Course
Ästhetische Bildung
Grade
2,3
Authors
Year
2015
Pages
142
Catalog Number
V339181
ISBN (eBook)
9783668292628
ISBN (Book)
9783668292635
File size
784 KB
Language
German
Notes
Diese Masterarbeit wurde von 2 Personen geschrieben, daher ist sie umfangreicher als gewöhnlich.
Keywords
kulturelle, bildung, pisa, inwieweit, kooperationen, schulen, kinder-, jugendkulturarbeit
Quote paper
Natascha Weis (Author)Caroline Benz (Author), 2015, Kulturelle Bildung nach PISA. Inwieweit sind Kooperationen zwischen Schulen und Kinder- und Jugendkulturarbeit sinnvoll?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/339181

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