Sozialisatorische Folgen von sexuellem Missbrauch in Lehrer-Schüler Beziehungen


Seminar Paper, 2016

12 Pages, Grade: 5.0 (Schweiz)


Excerpt


Inhalt

1 Einleitung

2 BildungundBindung

3 Sexueller Missbrauch in Bindungsbeziehungen
3.1 Definition „Sexueller Missbrauch"
3.2 Missbrauch in Bindungsbeziehungen und mögliche Folgen
3.3 Lehrer-Schüler-Beziehung

4 Schlussfolgerung

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Modul Kindheiten und Lebenswelten beschäftigten wir uns mit der Sozialisationstheorie. Diese Seminararbeit basiert auf dem Theoriewissen, das ich mir im Seminar und in der Vorlesung erarbeitet habe. Mit diesem Hintergrund habe ich mich dann auf die Bindungstheorie fokussiert. Aufgrund der vielen Berichte und Enthüllungen aus den Medien interessierte ich mich für Bindungsbeziehungen im Allgemeinen und Lehrer-Schüler­Beziehungen. Im Detail wollte ich die sozialisatorischen Folgen von sexuellem Missbrauch in einer solchen Beziehung untersuchen. Ich stellte mir die Frage, weshalb sexueller Missbrauch für Kinder und Jugendliche so schlimm ist, und weshalb sie sich dem kaum entziehen können.

Die Schule ist für Schülerinnen und Schüler das sekundäre Sozialisationsfeld. Bevor sie in die Schule kommen werden sie in ihrem privaten Umfeld durch Eltern, Geschwister, Freunde und Verwandte sozialisiert. Man spricht dabei von der primären Sozialisation. In der Schule beeinflussen sowohl die Lehrperson als auch die Peers durch ihre Handlungen und Haltungen ein einzelnes Kind. Da sich die Schülerinnen und Schüler an fünf Tagen in der Woche jeweils morgens und manchmal auch nachmittags in der Schule befinden, kann man doch von einem „grossen“ und wichtigen Bereich der Sozialisation sprechen. Es geht bei dieser sekundären Sozialisation darum, wie sich die Schülerinnen und Schüler an die in der Schule vorherrschenden Denkmuster anpassen, wie sie sie verinnerlichen und wie sich aufgrund der Interaktion mit ihrer Umwelt ihre Persönlichkeit entwickelt. Laut der Bindungstheorie von Bolwby ist anzunehmen, dass sich Kinder und Jugendliche, die sexuell Missbraucht wurden, aufgrund dieser Erlebnisse anders entwickeln als Andere.

Für mich als zukünftige Lehrerin handelt es sich zudem um ein Thema mit dem ich sehr wahrscheinlich in meinem späteren Berufsalltag in irgend einer Form einmal in Berührung kommen werde. Deshalb empfinde ich es als wichtig, mich bereits jetzt ausführlich mit der Problematik auseinanderzu setzen. Ich möchte, soweit dies möglich ist, bis zu einem gewissen Grade vorbereitet sein, falls ich einmal in eine solche Situation komme.

2 Bildung und Bindung

Bowlby geht bei seiner Bindungstheorie davon aus, dass die emotionale Beziehung des Kindes zu seiner Mutter bzw. seiner Hauptpflegeperson einem Instinkt entspringt. Verhaltensweisen, wie Anklammern, Nachlaufen, Weinen, Lächeln und Rufen, die das Kind näher zu seiner Bindungsperson bringt, werden im Laufe des ersten Lebensjahres in ein Bindungsverhaltenssystem eingegliedert. Nur wenn sich ein Kind dann sicher fühlt, wird es sich von seiner Bindungsfigur weg bewegen um seine Umwelt zu erkunden. Wenn es sich dagegen erschreckt, müde ist, sich unwohl fühlt oder Angst hat, wächst sein Bedürfnis nach Nähe und das Bindungsverhaltenssystem wird wieder aktiviert (Julius 2008: 13-14).

Im Text von Grossman und Grossman, den wir unter anderem im Seminar bearbeitet haben geht es um die Auswirkungen der Bindung auf die Bildung und damit die schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Die Bindung zu den Eltern hat Auswirkungen auf die Leistungen in der Schule: "Nicht nur die Beziehungen zur Mutter, sondern besonders auch die zum Vater [...] spielen eine grosse Rolle für den erfolgreichen Übergang zur Schule". Ausserdem haben laut Grossmann/Grossmann die als bindungsdesorganisiert eingestuften Kinder ein hohes Risiko, weniger zu leisten, als man aufgrund der bei ihnen gemessenen Intelligenz erwarten würde." Deshalb müssen die Lehrer bereit sein, mit den schwachen Schülern eine Art von Bindung einzugehen, so dass ihr Engagement und ihre Unterstützung nicht auf die Unterrichtsstunden in der Schule beschränkt bleiben. Dabei gilt gegenseitiges Vertrauen als Schlüssel für die erfolgreiche Vermittlung von Bildung. Der Grund dafür ist: Wenn man keine Bindung zu einer Vertrauensperson hat, kann man sich im Falle des Scheiterns an niemanden wenden. Sichere Bindung ermöglicht also die Zuwendung zum Neuen (Grossmann/Grossmann 2012: 328 - 329)

Schleiffer formuliert es folgendermassen: „Bei einem Kind meint Bindung seine besondere, anhaltende und emotional begründete Beziehung zu seinen Eltern oder beständigen Bezugspersonen. Insofern handelt es sich um ein wesentliches Merkmal der Eltern-Kind- Beziehung. Auch wenn dieses biologisch begründete Bedürfnis nach Nähe zu einer Bindungsperson, die in Situationen von Kummer, Angst und Stress als sichere Basis zur Verfügung steht, im Kindesalter am deutlichsten zu beobachten ist, besteht es doch lebenslang. Mit zunehmendem Alter besteht die Funktion des Bindungssystems dann eher darin, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, gegründet in der Überzeugung, dass eine solche Bindungsperson grundsätzlich zur Verfügung steht (Schleiffer :40).

Sicher gebundene Kinder haben gelernt, dass sie sich auf ihre Bezugspersonen grundsätzlich verlassen können. Auf dieser Basis ist es ihnen möglich, ihre Gefühle und Bedürfnisse offen und angstfrei zu zeigen (Schleiffer :40).

Für unsicher gebundene Kinder hingegen impliziert Hilfe die Gefahr von Abhängigkeit, wodurch sich ihre Lernmöglichkeiten verringern. Wichtiger als der Lerninhalt ist für sie, weshalb jemand ihnen etwas beibringen will. Solch ein gestörtes Bindungssystem behindert sie beim Exploderen und womit beim effektiven Lernen (Schleiffer :54)

Die Bindungstheorie gilt also nicht nur in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern sondern ist auch für das Lernen in der Schule von grosser Bedeutung.

Subjektivität ist also als Verhältnis zu anderen zu sehen. Wir sind deshalb nicht nur auf andere angewiesen und dadurch auch verletzbar, sondern auch von Beginn an (auch körperlich) von anderen abhängig. Das was jeden von uns ausmacht lässt sich nicht von anderen trennen (Ricken 2012, 106).

3 Sexueller Missbrauch in Bindungsbeziehungen

Sexueller Missbrauch kann einerseits einer sexuellen Präferenzstörung wie Pädophilie oder Hebephilie entspringen. Wobei man unter Pädophilie die sexuelle Ansprechbarkeit für Kinder bzw. den präpubertären Körper versteht. Hebephilie dagegen ist die Präferenz für Jugendliche bzw. den frühpubertären Körper. Beides kann man zudem noch in zwei Unterformen unterteilen: die ausschliessliche und die nicht ausschliessliche Ansprechbarkeit, was bedeutet, dass im zweiten Fall eine zusätzliche sexuelle Ansprechbarkeit auf den erwachsenen Körper (Teleiophilie) besteht. Andererseits kann es sich bei sexuellem Missbrauch um so genannte sexuelle „Ersatzhandlungen“ handeln. Das heisst, dass der Übergriff auf ein Kind ein Ersatz für eine Beziehung zu einem gleichaltrigen Partner ist. Hierbei kann man in verschiedenste Untergruppen einteilen (Fegert et al. 2015: 111).

Der sexuelle Missbrauch besteht im Grunde vor allem darin, dass der Erwachsene das Kind oder den Jugendlichen nach seinen Vorstellungen der Sexualität behandelt (Daennecker 2006: 296).

Sandor Ferenczi beschreibt die Problematik folgendermassen: „Ein Erwachsener und ein Kind lieben einander; das Kind hat die spielerische Phantasie, mit dem Erwachsenen die Mutterrolle zu spielen. Das Spiel mag auch erotische Formen annehmen, bleibt aber nach wie vor auf dem Zärtlichkeitsniveau. Nicht so bei pathologisch veranlagten Erwachsenen [...]. Sie verwechseln die Spielereinen der Kinder mit den Wünschen einer sexuell reifen Person oder lassen sich, ohne Rücksicht auf die Folgen, zu Sexualakten hinreissen“ (Ferenczi 1932: 518).

Um dem sexuellen Missbrauch in Beziehungen zwischen Lehrern und Schülerinnen oder Schülern genauer auf den Grund zu gehen, ist es zuerst einmal nötig zu definieren, was überhaupt unter dem Begriff „sexueller Missbrauch“ zu verstehen ist.

3.1 Definition „Sexueller Missbrauch“

Wie Ricken treffend formuliert bezeichnet sexueller Missbrauch

„zunächst allgemein sexuelle Handlungen, die von Nichtgleichaltrigen - überwiegend Erwachsenen, gelegentlich auch von Jugendlichen - an, vor bzw. mit Kindern und Jugendlichen (Schutzalter) oder anderen schütz- und fürsorgebedürftigen Menschen ohne ihr Verständnis und ihre Zustimmung vollzogen werden.“

(Ricken 2012: 110).

Man spricht heutzutage aber tendenziell eher von „sexueller Gewalt“ statt von „sexuellem Missbrauch“, da sich die zweite Formulierung auf das positive ,von jemandem Gebrauch machen’ bezieht und das hat in keiner sexuellen Beziehung Platz (Rentdorff : 139).

Um fachlich korrekt mit dem Thema umzugehen muss man zwischen Grenzverletzungen, sexuellen Übergriffen und sexuellem Missbrauch unterscheiden. Grenzverletzungen werden unabsichtlich verübt und/oder aus fachlichen oder persönlichen Unzulänglichkeiten. Ein sexueller Übergriff ist dagegen der Ausdruck unzureichenden Respekts gegenüber Kindern, fachlicher Mängel oder eine Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs. Strafrechtliche Formen sexualisierter Gewalt sind danach sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen oder das Ausstellen, Herstellen oder der Besitz von Kinderpornografie (Fegert et al. 2015: 308).

3.2 Missbrauch in Bindungsbeziehungen und mögliche Folgen

Missbrauch ist oft nur in Annerkennungsbeziehungen möglich. Er ist die Ausnutzung von Anerkennung und Asymmetrie und gleichzeitig die Leugnung und Zementierung dieser Asymmetrie, die zu eigenen Zwecken und Gelüsten ausgenutzt wird, indem sie Gleichheit vorgaukelt aber Schweigen erzwingt (Ricken 2012: 113).

Auch der Text von Grossmann (2015) behandelt diese Problematik, die lange versteckt wurde. Es geht um Verführungen zu unfreiwilliger Sexualität in Bindungs- und vertrauten Beziehungen. Grossmann beschreibt darin einerseits die Notwendigkeit von körperlicher Nähe, die Kinder suchen. Kinder im jungen Alter suchen diese Zuwendung von Seiten ihrer Eltern. Das zeigt ihnen, dass sich jemand um sie kümmert, sie versorgt und beschützt.

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Details

Title
Sozialisatorische Folgen von sexuellem Missbrauch in Lehrer-Schüler Beziehungen
College
University of Education Bern  (Vor- und Primarstufe)
Course
Kindheiten und Lebenswelten
Grade
5.0 (Schweiz)
Author
Year
2016
Pages
12
Catalog Number
V340739
ISBN (eBook)
9783668302365
ISBN (Book)
9783668302372
File size
419 KB
Language
German
Keywords
sozialisatorische, folgen, missbrauch, lehrer-schüler, beziehungen
Quote paper
Rebecca Schär (Author), 2016, Sozialisatorische Folgen von sexuellem Missbrauch in Lehrer-Schüler Beziehungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/340739

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