Auf den folgenden Seiten soll eine Gegenüberstellung zwischen Benjamin und Benjamin stattfinden, zwischen Benjamin als Theoretiker der Übersetzung und Benjamin als Übersetzer. Es stellt sich die Frage, wie sich Theorie und Übersetzung Benjamins zueinander verhalten.
"Mir schien, daß dieser Text von Benjamin über »Die Aufgabe des Übersetzers« ein Text ist, der sehr bekannt ist, sowohl in dem Sinn, daß er weit verbreitet ist, als auch in dem Sinn, daß man in unserer Profession nur dann etwas gilt, wenn man etwas zu diesem Text gesagt hat." Paul DeMan
In demselben Aufsatz schreibt de Man: «Übersetzen kann man nur ein Original». Eine gewagte These, gewagt aber in dem Sinn, dass sie wie dahergesagt erscheint. Denn, de Man war das sicherlich bewusst, übersetzen lässt sich schlechterdings alles, also auch eine Übersetzung. Ist jedes Original denn auch ein Originaltext? Bereits einen beliebigen Text als Original zu bezeichnen, mithin als ursprünglich, als vom Ursprung aufgegriffen, führt nicht bloß an der Grundhypothese jeder Intertextualitätstheorie, der auch de Man, wenn er sich auch scheuen mag, das Wort Intertextualität zu verwenden, verschuldet ist, scharf vorbei, sondern mitten in die ausgetrockneten Savannen des Positivismus, dessen einziges Ziel bekanntlich ist, die Augen vor allem und vor allem vor demjenigen zu verschließen, dem er sich widmet. Es heißt nichts anderes, als das Alphabet auf zwei Buchstaben zu reduzieren.
Die Schwierigkeiten, die das Thema Übersetzung mit sich bringt, sind vielleicht am deutlichsten daran zu erkennen, dass es immer wieder dazu reizt, diese Angelegenheit auf solche Sätze zu reduzieren, in der von vornherein zum Scheitern verurteilten Hoffnung, Licht in etwas bringen, was allzu konfus scheint. Die Schwierigkeiten, diese Diskussion zu führen, sind aber keineswegs unverständlich. Sie wohnen in der Natur der Sache. Sie wohnen in der Tatsache, dass es Übersetzer gibt; und ein Übersetzer kann seine Aufgabe nur verrichten, indem er vom Original ausgeht, indem er am Original als Original festhält. Gleichwohl weiß er, dass seine Aufgabe zum Scheitern verurteilt ist. Wenn de Man obigen Satz formuliert hat, dann spricht er aus der Perspektive des Übersetzers, der die Abgründigkeit seines Tuns vergessen muss: «Der Übersetzer muß aufgeben angesichts der Aufgabe, das wiederzufinden, was im Original gegeben ist» .
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- I. Die Aufgabe des Übersetzers
- a. Die Figur des Übersetzers
- b. Das Verhältnis zwischen Original und Übersetzung
- II. Übersetzung und Blindheit
- a. Les Aveugles
- b. Die Blinden
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der komplexen Beziehung zwischen Übersetzung und Blindheit, indem er Walter Benjamins Werk „Die Aufgabe des Übersetzers“ als Ausgangspunkt nimmt. Der Autor untersucht, wie sich die theoretischen Überlegungen Benjamins zur Übersetzung mit seiner eigenen Praxis als Übersetzer verbinden lassen. Dabei werden die Paradoxien des Übersetzens, insbesondere die Spannung zwischen Original und Übersetzung, in den Vordergrund gestellt.
- Die Figur des Übersetzers und seine Rolle im Verhältnis zum Originaltext
- Die Problematik der Übersetzung als Prozess der Interpretation und Rekonstruktion
- Die Beziehung zwischen Sprache und Blindheit, insbesondere im Kontext von Benjamins Theorie der „reinen Sprache“
- Die Frage nach der Übersetzbarkeit von Texten und die Grenzen des Übersetzens
- Die Paradoxie des Übersetzens als Akt der Ergänzung und zugleich der Distanzierung vom Original
Zusammenfassung der Kapitel
Vorwort
Das Vorwort stellt den zentralen Gedanken des Textes vor: Eine Gegenüberstellung zwischen Walter Benjamin als Theoretiker der Übersetzung und Benjamin als Übersetzer. Der Autor argumentiert, dass die Diskussion über Benjamins Übersetzer-Aufsatz zwar ein Muss in der Übersetzungswissenschaft ist, die Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis in Benjamins Werk jedoch vernachlässigt wird.
I. Die Aufgabe des Übersetzers
a. Die Figur des Übersetzers
Dieser Abschnitt untersucht die Rolle des Übersetzers als Vermittler zwischen Original und Übersetzung. Der Autor beleuchtet die Herausforderungen, denen sich der Übersetzer gegenübersieht, und die Schwierigkeit, dem Original gerecht zu werden.
b. Das Verhältnis zwischen Original und Übersetzung
Hier wird die komplexe Beziehung zwischen Original und Übersetzung analysiert. Der Autor diskutiert die Frage, ob eine Übersetzung jemals dem Original entsprechen kann, und wie die Übersetzung das Original verändert und neu interpretiert.
II. Übersetzung und Blindheit
a. Les Aveugles
Dieser Abschnitt erforscht die Verbindung zwischen Blindheit und Übersetzung, indem er auf Beispiele aus der Literatur und Kunst zurückgreift. Der Autor untersucht, wie Blindheit als Metapher für die Unfähigkeit, das Original zu erfassen, verstanden werden kann.
b. Die Blinden
Dieser Abschnitt setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Übersetzung eine Form der Blindheit darstellt, indem sie das Original unzugänglich macht oder eine neue Interpretation des Originals schafft. Der Autor diskutiert die Möglichkeiten und Grenzen der Übersetzung im Kontext von Blindheit.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen des Textes sind Übersetzung, Blindheit, Originalität, Interpretation, Sprache, Theorie und Praxis. Die Arbeit befasst sich mit den Paradoxien des Übersetzens und der Frage, inwiefern die Übersetzung eine Form der Blindheit darstellt. Der Text bezieht sich dabei auf Walter Benjamins Theorie der Übersetzung und untersucht die Beziehung zwischen Theorie und Praxis in Benjamins Werk.
- Arbeit zitieren
- Adrian Giacomelli (Autor:in), 2011, Übersetzung und Blindheit. Walter Benjamins Theorie der Übersetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341618