Der Arabische Frühling bedeutete für die arabische Welt eine Phase der Revolten, der Massenproteste und Kritik an Regimeführungen. Insbesondere an den Stürzen von Staatspräsidenten ist diese besondere Zeit des „Aufbruchs“ (Tamer 2014, S. 13) zu erfassen: 2011 floh der Staatspräsident Ben Ali mit seiner Familie aus Tunesien, 2011 trat Präsident Mubarak in Ägypten zurück und 2011 wurde der geflohene libysche Präsident al-Gaddafi von Rebellen gefangen genommen und getötet.
Die politische Systemlehre wurde in den letzten Jahrzehnten größtenteils von der Erschaffung und Analyse verschiedener Demokratisierungstheorien und der Untersuchung der Dauerhaftigkeit von Autokratien dominiert. Spätestens mit dem Arabischen Frühling ab 2010 häuften sich die Fälle, in denen anfänglich vorhandene Systemtransformationen in einem Rückfall in ein autokratisches System endeten. Dieses Phänomen wird in der wissenschaftlichen Literatur im Vergleich zur Demokratisierungstheorie noch wenig beachtet und bietet daher weitreichende Möglichkeiten zur Analyse. Die relativ jungen Vorkommnisse im Arabischen Frühling haben zu vielerlei notwendigen Neueinschätzungen hinsichtlich der Stabilität von Autokratien geführt. Die Umbrüche in Ägypten stellen die Politikwissenschaft vor die Frage, ob es, wie nach außen hin präsentiert, zu einem Demokratisierungsprozess im Land gekommen ist oder ob es sich bei den Protesten mit anschließenden Umbrüchen im politischen System letztendlich um eine Wiedereinführung eines Militärregimes handelt. Dabei ist es strittig, ob Ägypten eine politische Transformation durchlief oder es sich zwischen 2011 bis 2013 nur um eine Erschütterung des autoritären Regimes handelte.
In der vorliegenden Arbeit werde ich dieser Fragestellung nachgehen. Ich werde mich dem nähern, indem ich zunächst begriffliche Definitionen von Demokratie, Autokratie und der Critical Junctures vornehme, um einen geeigneten Analyserahmen zu bieten. Die ägyptische Militärführung, vertreten durch den Obersten Rat der Sicherheitskräfte (ORS) spielt in den Ereignissen der Umbrüche während und nach dem Arabischen Frühling in Ägypten eine zentrale Rolle, sodass mir eine kurze Erläuterung der Hintergründe dieses Hauptakteurs sinnvoll erscheint. Dieser hat mit seinen weitreichenden Ressourcen und Machtbeziehungen eine besondere Stellung im politischen System, die ihm einen Fokus während der Ereignisse zukommen lässt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung.
- 2. Autokratie und Demokratie
- 3. Critical Junctures.
- 4. Das ägyptische Militär.
- 5. Ein demokratischer Putsch?..\n
- 6. Systemwechsel in Ägypten?.\n
- 7. Anwendung der Systemtransformationstheorie..\n
- 7.1 Ende des autokratischen Systems.
- 7.2 Institutionalisierung der Demokratie.
- 8. Untersuchung der Phasen der Umbrüche auf Critical Junctures.\n
- 8.1 Erste Phase: Der Zusammenbruch eines autokratischen Regimes\n
- 8.1.1 Legitimation in der ersten Phase
- 8.1.2 Repression in der ersten Phase
- 8.1.3 Kooptation in der ersten Phase
- 8.1.4 Fazit der ersten Phase von Umbrüchen
- 8.2 Zweite Phase: Der Versuch eines demokratischen Transitionsprozesses\n
- 8.2.1 Legitimation in der zweiten Phase..
- 8.2.2 Repression in der zweiten Phase
- 8.2.3 Kooptation in der zweiten Phase
- 8.2.4 Fazit der zweiten Phase der Umbrüche
- 8.3 Dritte Phase: Stabilisierung unter der Führung Sisis…..\n
- 8.3.1 Legitimation in der dritten Phase..
- 8.3.2 Repression in der dritten Phase
- 8.3.3 Kooptation in der dritten Phase
- 8.3.4 Fazit der dritten Phase: Die Restauration eines Militärregimes durch autokratische Führung
- 8.1 Erste Phase: Der Zusammenbruch eines autokratischen Regimes\n
- 9. Regimewandel oder Regimewechsel?.\n
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die These, dass das ägyptische Militär nach dem Arabischen Frühling ein autokratisches System unter Militärherrschaft (wieder-)eingeführt hat. Hierzu werden die beiden Regierungsstürze in Ägypten analysiert und die Ereignisse des Arabischen Frühlings in drei Phasen unterteilt: (1) Beginn der Proteste bis zum Rücktritt von Mubarak, (2) erste Übergangsregierung und die darauffolgende Wahl Mursis bis zu dessen Festnahme, (3) zweite Präsidentschaftswahl und anschließende Machtübernahme durch Sisi. Die Arbeit befasst sich mit den drei Bereichen Legitimation, Repression und Kooptation der Stabilität von autokratischen Systemen, um die Umbrüche in Ägypten im Kontext von Critical Junctures zu analysieren.
- Analyse der Regierungsstürze in Ägypten nach dem Arabischen Frühling
- Untersuchung der Rolle des ägyptischen Militärs bei den Umbrüchen
- Beurteilung des Einflusses von Critical Junctures auf die politische Entwicklung Ägyptens
- Anwendung der Systemtransformationstheorie zur Einordnung der Ereignisse
- Untersuchung der Legitimation, Repression und Kooptation in den drei Phasen des Arabischen Frühlings
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und stellt die Forschungsfrage nach der Wiederherstellung eines autokratischen Systems unter Militärherrschaft in Ägypten nach dem Arabischen Frühling. Kapitel 2 definiert die Begriffe Autokratie und Demokratie und liefert einen theoretischen Rahmen für die Analyse. Kapitel 3 erläutert das Konzept der Critical Junctures und seine Bedeutung für die Analyse politischer Umbrüche. Kapitel 4 stellt das ägyptische Militär als Hauptakteur der Ereignisse vor. Kapitel 5 diskutiert das Konzept eines „demokratischen Militärputsches" und untersucht, ob die Militärputsche in Ägypten einen Demokratisierungshintergrund hatten. In Kapitel 6 werden die Versuche, die Umbrüche in Ägypten als Systemwechsel oder -wandel einzuordnen, beleuchtet. Kapitel 7 wendet die Systemtransformationstheorie auf die Umbrüche in Ägypten an und untersucht das Ende des autokratischen Systems und die Institutionalisierung der Demokratie. Kapitel 8 analysiert die drei Phasen der Umbrüche (Zusammenbruch des autokratischen Regimes, Versuch eines demokratischen Transitionsprozesses, Stabilisierung unter der Führung Sisis) hinsichtlich der Bereiche Legitimation, Repression und Kooptation im Kontext von Critical Junctures.
Schlüsselwörter
Arabischer Frühling, Ägypten, Autokratie, Demokratie, Critical Junctures, Systemtransformation, Militärputsch, Legitimation, Repression, Kooptation, Militärherrschaft, Abd al-Fattah al-Sisi, Hosni Mubarak, Mohammed Mursi, Oberster Rat der Sicherheitskräfte (ORS).
- Citation du texte
- Louis Schiemann (Auteur), 2016, Die Restauration eines Militärregimes? Ägypten nach dem Arabischen Frühling, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/341965