Die Marktmacht von Facebook aus politökonomischer Perspektive


Thèse de Master, 2016

99 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Soziale Medien im Kontext politischer Ökonomie der Medien
1.1 Einleitung
1.2 Massenkommunikation im Wandel
1.2.1 Soziales Leben im Zeitalter digitaler Kommunikation
1.2.2 Warenform der Medien

2 Marktstellung und ökonomische Struktur von Facebook
2.1 Markt für soziale Netzwerke
2.1.1 Abgrenzung von Medienmärkten
2.1.2 Soziale Netzwerke als Teil des Social Web
2.1.3 Entwicklung des Marktes für soziale Netzwerke
2.1.4 Gründung von Facebook
2.2 Geschäftsmodell Facebook
2.2.1 Entwicklung der NutzerInnen- und Umsatzzahlen
2.2.2 Werbemarkt
2.2.3 Marktkapitalisierung und Börsengang
2.3 Kapitalisierung der Medienindustrie
2.3.1 Ökonomisierung
2.3.2 McDonaldisierung des Web 2.0 in Zeiten des Postfordismus
2.3.3 Medienindustrie im Kapitalismus
2.3.4 Formen und Folgen
2.4 Marktstellung von Facebook
2.4.1 Funktionen des Wettbewerbs
2.4.2 Wettbewerbskonzepte
2.4.3 Mehrdimensionaler Wettbewerb
2.4.4 Die Abgrenzung des relevanten Marktes
2.4.5 Die Struktur des Marktes
2.4.6 Marktmacht von Facebook
2.5 Grenzen des Wettbewerbs
2.5.1 Markteintrittsbarrieren
2.5.2 Netzwerkgüter und Netzwerkeffekte
2.5.3 Positive Rückkopplung und Akzeptanz
2.5.4 Lock-In und Wechselkosten
2.6 Wechselverhältnis von Werbung und Medien
2.6.1 Funktionen von Werbung
2.6.2 Verhältnis von Werbewirtschaft und Medienunternehmen .

3 Digitale Arbeit und persönliche Daten
3.1 User Generated Content und Prosumer
3.2 User Generated Data und Überwachung
3.3 Kapitalakkumulation auf Facebook
3.4 Digitale Arbeit
3.4.1 Content und Data als Arbeit der UserInnen
3.4.2 Kapitalistischer Imperativ und UserInnennutzen

4 Konklusion

Literaturverzeichnis

Kurzfassung

Die vorliegende Masterarbeit stellt eine strukturelle Analyse des sozialen Netzwerks Facebook dar. Als ein Netzwerk mit über 1,4 Milliarden Mitgliedern und einer dominanten Marktstellung bedarf es einer politökonomischen Analyse der zugrunde liegenden markt- wirtschaftlichen Prozesse. Dazu wird die Theorie der politischen Ökonomie im Bezug auf Massenmedien aufgegriffen und auf das soziale Netzwerk Facebook angewendet. Facebook stellt ein ubiquitäres Phänomen des Internet-Zeitalters dar und bildet für viele NutzerInnen eine wesentliche Quelle der Information und ein wesentliches Mittel digitaler Kommunikation. Diese Arbeit setzt sich kritisch mit der monopolähnlichen Marktstellung von Facebook auseinander. Ein durch Netzwerkeffekte geprägter und von positiver Rückkopplung gekennzeichneter Markt lässt eine marktseitige Verringerung der Marktmacht nicht erwarten.

Das Geschäftsmodell von Facebook beruht auf der Kommodifizierung der NutzerInnen durch personalisierte Werbung und der Nutzbarmachung ihrer Aktivitäten auf Facebook.

In dieser Arbeit wird die Frage nach den ökonomischen Rahmenbedingungen des Marktes für soziale Netzwerke und den zugrunde liegenden Machtverhältnissen gestellt.

So dient die Bereitstellung der Facebook-Plattform zwar vordergründig dem Interesse der NutzerInnen an Kommunikation und Information, jedoch tatsächlich vor allem dem Akkumulationsinteresse der KapitaleignerInnen. Dieser Prozess der werbebasierten Kapitalakkumulation beruht auf der Ausbeutung der UserInnen, die auf der Plattform produktive Arbeit leisten. Die Frage nach den Bedingungen und Machtverhältnissen von Produktion, Distribution und Konsum sind daher mit Blick auf das Verständnis der ökonomischen Zusammenhänge von Facebook von großer Bedeutung.

Abbildungsverzeichnis

2.1 Interdependenzstruktur der Medienmärkte

2.2 Dreiecksmodell der Kommunikation im Social Web

2.3 Gründungszeitpunkte bekannter sozialer Netzwerke

2.4 ’Open Graph’ auf der Webseite der Wirtschaftsuniversität Wien

2.5 Anzahl der täglich aktiven Facebook-NutzerInnen weltweit von 2008 bis zum 1. Quartal 2015

2.6 Umsatz und Nettoergebnis von Facebook weltweit von 2007 bis 2014 (in USD)

2.7 Facebooks durchschnittlicher Werbeumsatz je UserIn von 2009 bis 2014 (in USD)

2.8 Segmentbezogene Umsatzentwicklung von Facebook je Quartal von 2012-2015

2.9 Zielgruppenoptionen bei der Schaltung von Werbeanzeigen auf Facebook

2.10 Aktienkursverlauf von Facebook und Twitter seit jeweiligem Börsenstart

2.11 Formen und Folgen der Kapitalisierung

2.12 Top 10 Social Media Portale weltweit nach Marktanteil im Jahr 2015

2.13 Werbeumsätze von Facebook nach Region vom 1. Quartal 2013 bis zum 1. Quartal 2015 (in Millionen USD)

2.14 Facebooks Werbeanteil im Werbemarkt für soziale Netzwerke in den USA von 2013 bis 2017

2.15 Originärer und derivativer Nutzen von Netzwerkgütern

2.16 Gesetzmäßigkeiten von Netzwerken

2.17 Positive Rückkopplung

2.18 Arten von notwendiger Werbung

2.19 Wechselverhältnis von Werbewirtschaft und Medienunternehmen

2.20 Funktionen und Folgen von erfolgreicher Werbung

3.1 Kapitalakkumulation auf Facebook

Kapitel 1 Soziale Medien im Kontext politischer Ökonomie der Medien

1.1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit stellt eine strukturelle Analyse des sozialen Netzwerks Facebook dar. Als ein Netzwerk mit über 1,4 Milliarden Mitgliedern und einer dominanten Marktstellung bedarf es einer politökonomischen Analyse der diesem sozialen Medium zu Grunde liegenden marktwirtschaftlichen Prozesse. Dazu wird eine Literaturarbeit verfasst, die die Theorie der politischen Ökonomie mit Bezug auf Massenmedien aufgreift und versuchen wird, diese für neue Medien nutzbar zu machen. Es stellt sich die Frage nach der Marktmacht von Facebook und dem Kapitalakkumulationsmodell, welches diesem Phänomen zugrunde liegt.

Facebook stellt ein ubiquitäres Phänomen des Internet-Zeitalters dar und bildet für die NutzerInnen eine wesentliche Quelle der Information und ein wesentliches Mittel digitaler Kommunikation. Dennoch sind die ökonomischen Zusammenhänge, insbesondere das Geschäftsmodell von Facebook und die Kommodifizierung von NutzerInnen bisher selten thematisiert worden. Diese Arbeit versucht die Aufmerksamkeit auf eben diese Zusammenhänge zu legen und sichtbar zu machen, dass personalisierte Werbung und die Nutzbarmachung persönlicher Daten und die Aktivität der NutzerInnen das eigentliche Produkt von Facebook darstellen. Aus diesem auf werbebasierter Kapitalakkumulation beruhendem Geschäftsmodell ergeben sich eine Vielzahl ökonomischer, gesellschaftlicher und individueller Implikationen, die diese Arbeit herausstellen wird. Insbesondere ist im Sinne der politischen Ökonomie nach den Machtverhältnissen zu fragen, die den Zugang zu Facebook konstituieren und die Bedeutung einer marktbeherrschenden Stellung im Markt für soziale Netzwerke zunächst zu belegen und in weiterer Folge dessen Folgen zu diskutieren.

Das zweite Kapitel widmet sich der Marktstellung und der ökonomischen Struktur von Facebook. Zunächst werden grundlegende Aspekte von Medienmärkten erläutert, um daraufhin den technologischen Rahmen sozialer Netzwerke genauer zu definieren.

Erstaunlich ist darüber hinaus die Erkenntnis, dass es soziale Netzwerke bereits mit der beginnenden massenhaften Verbreitung des Internets als Basistechnologie gegeben hat, diese jedoch niemals auch nur ansatzweise eine ähnliche Größe und ökonomische Stärke erreicht hätten, wie dies für Facebook im Jahr 2016 zu konstatieren ist. Mit der Gründung im Jahr 2004 legte Mark Zuckerberg den Grundstein für ein global agierendes Medienunternehmen, welches Zugriff auf die persönlichen Daten von über 1,4 Milliarden NutzerInnen hat. Der konstante Wachstumsprozess von Facebook ging mit der Entwicklung eines elaborierten Geschäftsmodells einher, welches im Wesentlichen auf Werbeeinnahmen beruht. Heute ist Facebook mit einer Marktkapitalisierung von etwa 250 Milliarden USD und einem jährlichen Umsatz von 12,5 Milliarden USD das mit Abstand größte und profitabelste soziale Netzwerk der Welt. Damit stellt Facebook einen ökonomisch herausragenden Akteur in der digitalen Medienökonomie dar und reiht sich ein, in die zunehmende Kapitalisierung der Medienindustrie als Ganzes. Daher werden in Kapitel 2.3 die Formen und Folgen der Kapitalisierung der Medienindustrie aus politökonomischer Sicht betrachtet.

In weiterer Folge werden wettbewerbstheoretische Grundlagen herausgearbeitet, die zur Vermessung der Marktmacht von Facebook essentiell sind. Zur Bestimmung der Marktmacht wird der relevante Markt abgegrenzt und versucht werden eine dominante Marktstellung zu belegen, um darauf hin dessen Ursachen und mögliche Folgen genauer in den Blick zu nehmen. Von außerordentlicher Wichtigkeit zum Verständnis der Entwicklung von Facebook sind hier insbesondere Netzwerkeffekte und das Phänomen der positiven Rückkopplung. Im Anschluss daran und das zweite Kapitel abschließend wird das Wechselverhältnis von Medien und Werbung diskutiert werden.

Während sich das zweite Kapitel um eine ökonomische und historische Einordnung von Facebook bemüht hat, wird im dritten Kapitel zu persönlichen Daten und digitaler Arbeit das Verhältnis der handelnden NutzerInnen dem Akkumulationsinteresse der KapitaleignerInnen von Facebook gegenüber gestellt. Es wird gezeigt werden, dass die Arbeit der NutzerInnen und die Überwachung ihrer Aktivitäten der wesentliche Schlüssel für die Wertschöpfung auf Facebook sind.

Dabei wird zunächst das Konzept des Prosumers vorgestellt, das die Verschmelzung von Produktion und Konsumtion in der Tätigkeit des Prosumers bzw. der UserInnen postuliert. Es wird gezeigt wie sich die Aktivitäten von UserInnen auf Facebook äußern und in welchem Sinne bei User Generated Content von Arbeit gesprochen werden kann.

Eine Differenzierung von User Generated Content und User Generated Data macht deutlich, dass jedwede Aktivität auf Facebook (also der eigentliche Content) überwacht und gespeichert wird (Data). Diese Daten stellen einen wesentlichen Bestandteil des Geschäftsmodells von Facebook dar, da diese für die kommerzielle Verwertung nutzbar gemacht werden können.

Im Unterkapitel 3.3 wird unter Rückgriff auf Prosumer und Überwachung das Kapi- talakkumulationsmodell von Facebook erläutert. In dessen Zentrum steht die unbezahlte Arbeit der NutzerInnen und die Monetarisierung am Werbemarkt. Zum Abschluss die- ses Kapitels findet eine Einordnung entlang des Begriffs der digitalen Arbeit statt. Hier werden darüber hinaus die Machtverhältnisse thematisiert, die den Zugang zu kommerzialisierter Massenkommunikation konstituieren.

In der Konklusion werden die gesammelten Erkenntnisse reflektiert und mögliche offene Fragen gewürdigt.

1.2 Massenkommunikation im Wandel

Die politische Ökonomie der Medien setzt sich kritisch mit Eigentum, Struktur und Kontrollmöglichkeiten auseinander, die auf das Medien- und Kommunikationssystem angewandt werden (vgl. Grisold, 2004, S. 128). Um den mit unterschiedlicher Bedeutung genutztem Begriff der politischen (2009, S. 24) zitiert:

ÖkonomieimFolgendenklarabzugrenzenseiMosco ”Onecanthinkaboutpoliticaleconomyasthestudyofthesocial relations, particularly the power relations, that mutually constitute the production, distribution, and consumption of resources.” Für den Bereich neuer Medien hat diese Betrachtungsweise bisher keine nennenswerte Anwendung gefunden. Daher stellt sich unweigerlich die Frage, inwieweit die vorhandene ökonomische Theorie in der Lage ist, die neuen Gegebenheiten des Internetzeitalters zu erklären. Eine entscheidende Rolle kommt hierbei zunächst der Einordnung des Internets zu. Van Couvering folgend kann das Internet nicht als Massenmedium im klassischen Sinne bezeichnet werden, da die das Internet konstituierenden Websites nicht zwangsläufig das Ergebnis eines industriellen Produktionsprozesses darstellen. (Van Couvering, 2004, S. 2) Castells (2001) stellt die Bedeutung von Netzwerken und der übergeordneten Basis- technologie Internet folgendermaßen dar:

”Das Internet ist das Gewebe, auf dem unser Leben beruht. Wenn die Informa- tionstechnologie für unsere Zeit das ist, was die Elektrizität im Industriezeitalter war, so lässt sich das Internet sowohl mit dem Stromnetz oder dem Elektromotor vergleichen, denn es besitzt die Fähigkeit, die Kraft der Information über den ge- samten Bereich menschlicher Tätigkeit zu verbreiten. Und genauso, wie die neuen Technologien der Energiegewinnung und -verteilung die Fabrik und den Groß- konzern als die organisatorischen Grundlagen der Industriegesellschaft möglich machten, bildet das Internet die technologische Basis für die Organisationsform des Informationszeitalters: das Netzwerk.” (Castells, 2001, S. 9) Nach Thompsons Definition von Massenkommunikation lässt sich fragen, ob eine Zuordnung in diesem Kontext möglich ist.

”Theinstitutionalizedproductionandge- neralized diffusion of symbolic goods via transmission and storage of information / communication” (Thompson, 1990, S. 219). Für Die Übertragung und Speicherung von Information besteht in Bezug auf das Internet kein Zweifel. Jedoch kann für das Internet per se nicht von einer institutionalisierten Produktion gesprochen werden, da auch Privatpersonen Inhalte beitragen, die diesen Anforderungen nicht genügen. Wendet man nun Thompsons Definition auf das soziale Netzwerk Facebook an, so stellt man fest, dass lediglich die institutionalisierte Produktion nicht mit Eindeutigkeit erfüllt ist.

Facebook stellt durch die Bereitstellung seines Webdienstes viel mehr einen Distributor als einen Produzent dar. Als eigentliche ProduzentInnen können die NutzerInnen selbst gelten, die aus unterschiedlichsten Beweggründen über Facebook kommunizieren und Informationen teilen. Facebook ist in der Folge dieses Prozesses die ökonomische Einheit, die die geteilten Informationen durch Werbung kommodifiziert. Aus politökonomischer Perspektive sind die marktwirtschaftlichen Prozesse, die Facebook zu Grunde liegen meiner Einschätzung nach bisher nur unzureichend behandelt worden. Daher ist eine Betrachtung in Bezug auf Monopolisierung, Konzentration, Globalisierung und Kommer- zialisierung nötig, um Bedeutung und Wechselwirkungen von Facebook auf Gesellschaft und Wirtschaft genauer zu beleuchten.

Nach der Auffassung von Van Couvering (vgl. 2004, S. 6) stellt das Internet in seiner Gesamtheit kein Massenmedium dar, sondern bietet vielmehr eine technologi- sche Infrastruktur, die eine Vielzahl verschiedenster Nutzungsmöglichkeiten einschließt. Facebook agiert wie andere Massenmedien in einem dualen Markt. Zum einem werden kulturelle Ressourcen (Information, Kommunikation) distribuiert. Und zum anderen stellt Facebook für seine Werbekunden, die eigentlichen NutzerInnen als Produkt zur Verfügung.

1.2.1 Soziales Leben im Zeitalter digitaler Kommunikation

Die globale Verbreitung moderner Informationstechnologie (vor allem Smartphones, PCs, Internet) ist ein wesentlicher Faktor für die erhöhte Geschwindigkeit (und das Ausmaß) mit der Kommunikation heute stattfinden kann. Das Internet befördert laut Ray (vgl. 2007, S. 104) sowohl utopische Hoffnungen auf ein radikal anderes ”Kommunikationszeitalter” als auch dystopische Warnungen vor der ”lonely crowd”, den einsamen Massen. Unabhängig von einer Zukunftserwartung steht fest, dass das Internet sich bereits heute zu einem integralen Bestandteil des täglichen Lebens sehr vieler Menschen entwickelt hat. Mit Blick auf die digitale Repräsentation des Selbst im Internet stellt Ray (vgl. 2007, S. 105) fest, dass sozialer Austausch im digitalen Raum mehr und mehr zu einem abstrakten und symbolischen Austausch geworden ist. Für Facebook äußert sich diese digitale Repräsentation des Selbst in der Profilseite jedes einzelnen Users und jeder einzelnen Userin.

Er vergleicht die Entwicklung der menschlichen Kommunikation mit der Entste- hungsgeschichte des Geldes. Wie die Entwicklung der Kommunikation sei auch die Entwicklung des Geldes im Verlauf der Menschheitsgeschichte immer abstrakter ge- worden. Die Entwicklung vom Warengeld, hin zu Kurantmünzen bis zu Papiergeld ohne physischen Wert, Krediten und Wetten auf zukünftige Preise. Kommunikation über digitale Medien weißt ein sehr hohes Maß an Abstraktion auf. Es fehlt der bisher in menschlicher Kommunikation so wesentliche persönliche Kontakt und Profilseiten ersetzen den Anblick des Gesprächspartners. Anstatt des gesprochenen Wortes wird vor allem über den Austausch von Text kommuniziert.

Über die Wirkung des Internets auf die NutzerInnen folgert Ray (2007, S. 105):

”[The User] is spatially distant and also near through a combination of distance and proximity characteristic of global sociality where space is both stretched and compressed.”

Diese dialektische Verknüpfung von Nähe und Distanz ist auch für Facebook zutreffend.

Der Raum zwischen den UserInnen wird in dem Sinne verkleinert, als dass Kommu- nikation unabhängig von der Entfernung jederzeit möglich ist. Andererseits ist diese Nähe nicht mit körperlicher Nähe und Vertrautheit zu vergleichen. Facebook bietet eine Plattform für (im Wortsinn) unpersönliche Kommunikation und sorgt so für die Verbrei- tung indirekter sozialer Beziehungen. Für Ray (vgl. 2007, S. 123) besteht zumindest die Möglichkeit, dass durch die Unpersönlichkeit und Anonymität des Internets wahrhaftige soziale Bindungen abhanden kommen könnten. Im Bezug auf die Entwicklung hin zu indirekten Formen der Kommunikation stellt Ray (2007, S. 109) fest:

That the modern world has involved a proliferation of indirect relationships is something that was noted often with dismay or foreboding by classical sociologists. For Marx the dominance of the commodity form and market exchange produced inequalities, alienation, exploitation and conflict [...] .

Diese von Facebook forcierte Zunahme indirekter Beziehungen kann vor diesem Hinter- grund also durchaus kritisch hervorgehoben werden. So führen für Marx die Warenform und der Marktmechanismus zu Ungleichheit, Entfremdung und Ausbeutung. Mit der Warenform der Medien beschäftigt sich sodann das folgende Unterkapitel.

1.2.2 Warenform der Medien

Der Kommunikationswissenschaftler Manfred Knoche beschreibt das Ziel einer Kritik der politischen Ökonomie der Medien auf folgende Weise:

”Zu den Grundfragen einer kommunikationswissenschaftlichen Medienökonomie als Kritik der PolitischenÖkonomie der Medien gehört die Analyse des Verhältnisses von Medien und kapitalistischer Gesellschaft, also die Rolle der Medien für das gesamte materielle, wirtschaftliche, soziale, politische und kulturelle menschliche Leben. Zentrale Untersuchungsgegenstände sind also einerseits die spezifischen Entwicklungen der Medienproduktion, -distribution und -konsumtion, anderer- seits deren Funktionsweise für die Entwicklung des gesamten kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.” (Knoche, 2005a, S. 105) Nach Knoche (vgl. 2005a, S. 105) kommt einer kritischen Ökonomie der Medien insbesondere die Rolle zu, den Warencharakter der Medienproduktion zu analysieren.

Dabei ist insbesondere der widersprüchliche Charakter vom Tauschwertinteresse der Produzenten und dem Gebrauchswertinteresse der Konsumenten von Bedeutung.

”Der Gebrauchswert ist aus Sicht der Kapitaleigner nur in der Weise von Bedeu- tung, als er geeignet ist, Mittel für die Realisierung des maximalen Tauschwerts und damit des maximalen Profits zu sein. Die Gebrauchswerte der Medienpro- dukte werden also dem Verwertungsinteresse der Medienkapitale untergeordnet.”

(Knoche, 2005a, S. 105)

Die ökonomischen und gesellschaftlichen Funktionen der Medienproduktionen ordnet Knoche (2005a, S. 106 f.) folgenden vier Aspekten zu:

1. ”Kapitalverwertungsfunktion für die Medienwirtschaft: Medienprodukte müssen in der Regel als Waren mit einem bestimmten Gebrauchswert [...] produziert werden, der die Realisierung eines Tauschwerts ermöglicht, welcher den Medien-Kapitaleignern einen Mehrwert zu ihrem eingesetzten Kapital erbringt.

2. Absatzförderungs-, Werbe-, und PR-Funktion für die Kapitalverwertung für die übrige Wirtschaft: Medienprodukte müssen in der Regel mit einem bestimmten Gebrauchswert produziert werden, der die Realisierung eines Tauschwerts für Konsumgüter als Waren fördert, welcher den Kapitaleignern einen Mehrwert zu ihrem eingesetzten Kapital erbringt. [...]

3. Funktionen der Legitimations- und Herrschaftssicherung sowie der Förderung eines allgemeinen Konsumklimas durch Ideologieproduktion, die über die Medienprodukte vermittelt wird. Mittels der Medienproduktion erfüllt somit das Medienkapital systemsi- chernde bzw. -stabilisierende ’Gattungsgeschäfte’ für sich und die gesamte Wirtschaft (’Gesamtkapital’) und den Staat.

4. Funktionen der Regeneration, Qualifizierung und ’Reparatur’ des Arbeitsvermögens, d.h. mittels der Medienprodukte wird im Interesse der Kapitaleigner und des mit ihnen

eng kooperierenden Staates ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Regeneration der Arbeitskräfte geleistet.”

Knoches Sichtweise konzentriert sich hier auf den Warencharakter in der Medienproduk- tion. Als weiterer Vertreter der Warenthese ist Smythe (1981) zu nennen, der ebenfalls die Rolle der Medien zur Kapitalakkumulation in besonderer Weise herausgestellt hat.

Mit Blick auf Facebook lässt sich feststellen, dass Knoches Ausführungen in beson- derer Weise auch hier gültig sind. Als privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen steht die Realisierung eines Mehrwerts für die KapitaleignerInnen im Vordergrund. Die Absatzförderungs- und PR-Funktion erfüllt Facebook auf vielfache Weise: Zum einen ermöglicht es jedem Unternehmen kostenfrei eine Firmenseite zu führen, um die NutzerInnen mit PR und firmenbezogenen Informationen zu versorgen und zum anderen findet über personalisierte Werbung eine Förderung des allgemeinen Konsumklimas statt.

Kapitel 2 Marktstellung und ökonomische Struktur von Facebook

Das nun folgende Kapitel befasst sich mit der herausragenden Stellung des Phänomens Facebook im Markt für soziale Netzwerke. Zum besseren Verständnis ist diesem Kapitel eine Abgrenzung des Umfelds von Medienunternehmen vorangestellt. In der Folge wird die Entwicklung einiger früher sozialer Netzwerke (und vielfach deren Scheitern) dargestellt, um anschließend die Entwicklung von Facebook zu skizzieren. Anschließend wird versucht werden, das Geschäftsmodell Facebook genauer zu beleuchten und eine herausragende Marktstellung zu belegen. In weiterer Folge werden mögliche Gründe für die Dominanz von Facebook angeführt, die insbesondere in der Realisation von Netzwerkeffekten und der Schaffung einer auf Werbung basierenden Kapitalakkumulation zu suchen sind.

2.1 Markt für soziale Netzwerke

Im folgenden Abschnitt wird nach einer allgemein gehaltenen Abgrenzung von Me- dienmärkten zunächst über das Social Web als nächsthöherem Ordnungsrahmen sozia- ler Netzwerke gesprochen, um deren unterschiedliche Ebenen der Kommunikation im Spektrum des Social Web darzustellen. So fällt die nachfolgende Einordnung sozialer Netzwerke leichter und bildet damit das Fundament für die auszugshafte historische Darstellung des Marktes für soziale Netzwerke. Abschließend werden die Entwicklung von Facebook seit dessen Gründung 2004 sowie grundlegende Funktionen der Webseite dargestellt.

2.1.1 Abgrenzung von Medienmärkten

Für das Verständnis von Medienunternehmen ist es ratsam, den Markt, auf dem diese agieren, abzugrenzen. Dafür eignet sich meiner Einschätzung nach die Verwendung medienökonomischer Literatur, die sich anhand der Aufgaben des Managements ori- entiert. Als Besonderheit sticht zunächst heraus, dass ein Medienunternehmen seine Leistungen gleich auf mehreren Märkten absetzt. Insbesondere sind Internetmärkte durch User-Märkte, Werbemärkte und Beschaffungsmärkte charakterisiert. (vgl. Wirtz, 2006, S. 22) Die von Medienunternehmen erbrachten Leistungen stellen in der Regel ein Leis- tungsbündel aus Information und Unterhaltung (Content) einerseits und Werberaum andererseits dar. Dabei werden diese Teilleistungen auf unterschiedlichen Märkten gehandelt. (vgl. Wirtz, 2006, S. 23) ”Für den Content sind dabei die Konsumen- tenmärkte relevant. [...] Die Werberaumleistung hingegen wird auf Werbemärkten mit der werbungtreibenden Wirtschaft gehandelt.” (Wirtz, 2006, S. 23) Der Content wird i. d. R. nicht vollständig in Eigenproduktion hergestellt. Für die BetreiberInnen sozialer Netzwerke bietet sich sogar die Sondersituation, dass fast ausschließlich externer Content zur Verfügung gestellt wird. In diesem Zusammenhang ist ’User generated Content’ von herausragender Bedeutung und wird daher dezidiert in Kapitel 3 behandelt. Es handelt sich hier also nicht um einen Beschaffungsmarkt im klassischen Sinne. Vielmehr generieren die NutzerInnen selbst (und für das Unternehmen unentgeltlich) ihren eigenen Content. Darüber hinaus wird im dritten Kapitel zu digitaler Arbeit und persönlichen Daten insbesondere abzugrenzen sein, inwiefern der geleistete Beitrag des User Generated Content als Arbeit zu bezeichnen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1 zeigt das Zusammenspiel von Werbe-, Rezipienten- und Inhaltsbeschaffungs-

markt für ein Internetunternehmen auf. Ein genauerer Blick auf RezipientInnen- bzw.

UserInnen-Märkte ergibt sich insbesondere aus der Beschäftigung mit dem Erfolg von

Facebook per se und wird speziell in den Unterkapiteln 2.2 zum Geschäftsmodell Face- book und in 2.5 zu den Grenzen des Wettbewerbs genauer betrachtet. Zunächst einmal soll die Abbildung unterstützend auf das Verständnis für das von Interdependenzen geprägte marktliche Umfeld von Internet-Unternehmen wirken. Dabei ist es von beson- derer Bedeutung sich die maßgeblichen wechselseitigen Abhängigkeiten klar zu machen: Die starke Beziehung zwischen Inhalte-Beschaffungsmarkt und RezipientInnenmarkt ergibt sich daraus, dass die Attraktivität der Inhalte den Erfolg der RezipientInnen entscheidend beeinflusst. (vgl. Wirtz, 2006, S. 24) Wenn in diesem Zusammenhang von Inhalte-Beschaffungsmarkt gesprochen wird, ist zu beachten, dass im Falle von Facebook die UserInnen selbst die Inhalte bereitstellen, dessen RezipientInnen sie in der Folge werden.

Eine ähnlich starke Interdependenz ist zwischen RezipientInnenmarkt und Werbemarkt zu beobachten. So ist für die Höhe erzielbarer Werbeerlöse die Anzahl und der Zuspruch der RezipientInnen von zentraler Bedeutung. (vgl. Wirtz, 2006, S. 24)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1: Interdependenzstruktur der Medienmärkte

ÜbernommeneDarstellung,Quelle: (Wirtz, 2006, S. 25)

2.1.2 Soziale Netzwerke als Teil des Social Web

Soziale Netzwerke sind Teil des Social Web. Das Social Web ist ein Teilbereich des Web 2.0. Es ist durch die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktionen gekennzeichnet, die über das Internet stattfinden (vgl. Ebersbach et al., 2011, S. 32 f.). Dabei wird Social Web oft als ein Innovationsprozess begriffen, welcher das Internet von einem Abrufmedium zu einem auf Partizipation beruhendem Medium entwickelt. Sichtbar wird das Social Web insbesondere in Form sozialer Medien und sozialer Netzwerke. (vgl. Griesbaum, 2013, S. 562)

”Soziale Medien sind Webdienste, die es den Nutzern mit Hilfe von Social Software-Technologien gestatten, miteinander zu kommunizieren, Informationen auszutauschen, sich selbst darzustellen, Kontakte zu pflegen und kollaborativ [...] zu arbeiten.” (Griesbaum, 2013, S. 562). Facebook als ein soziales Netzwerk dient ”[...] dem Aufbau und der Pflege von Be- ziehungsnetzwerken” (Ebersbach et al., 2011, S. 37). Im Social Web geht es primär um den Austausch von Informationen oder Wissen, der Herstellung von Kontakten zu anderen Personen und der Kommunikation über das Internet. ”Diese Interaktionen finden innerhalb eines definierbaren Netzwerks statt, sind also zielgerichtet und durch Regeln gebunden” (Ebersbach et al., 2011, S. 34).

Social Software

Aus technischer und informationswissenschaftlicher Perspektive lässt sich das Social Web anhand des Begriffs der Social Software fassen. Diese Basistechnologien bilden den technischen Rahmen, auf denen die partizipativen Prozesse sozialer Medien aufsetzen.

Die einzelnen Typen sozialer Medien können gemäß ihrer funktionalen Ausrichtung in Form eines Dreiecksmodells dargestellt werden. (vgl. Griesbaum, 2013, S. 563) Diese umfassen (Griesbaum, 2013, S. 563):

- ”Informationsaustausch: Publikation und Verteilung von Wissensobjekten,
- Beziehungsaufbau und Pflege: Aufbau und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte,
- Kollaboration: Kooperation und kollaborative Zusammenarbeit,
- und Kommunikation als übergeordneten Aspekt, der für den Austausch von Mitteilungen steht, zugleich aber auch dem Informationsaustausch, der Beziehungspflege und der

Kollaboration inhärent ist.”

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2: Dreiecksmodell der Kommunikation im Social Web

ÜbernommeneDarstellung,Quelle: (Ebersbach et al., 2011, S. 39)

Abb. 2.2 verbildlicht die übergeordnete Funktion sozialer Medien und zeigt deren Ver- ortung entlang von Kollaboration, Information und Beziehungspflege auf. Demnach sind soziale Netzwerke wie Facebook insbesondere zur Pflege sozialer Beziehungen geeignet und daher im unteren rechten Bereich des Dreiecks zu verorten. Selbstverständlich kann sich dieser Schwerpunkt je nach persönlicher Nutzung verschieben. Facebook bietet auch die Möglichkeit zur Kollaboration (z. B. durch die Gründung von Gruppen, die dem gemeinschaftlichen Arbeiten dienen können) oder der Information (z. B. durch die Nutzung des Nachrichtenfeeds).

Eine Unterscheidung zwischen Kooperation und Kollaboration ist entlang des un- terschiedlichen Arbeitsprozesses möglich: In Kooperationen werden die abgegrenzten Teilaufgaben jeweils einzeln bearbeitet, wohingegen bei Kollaboration eine Integration der gemeinsam zu bewältigen Aufgaben stattfindet. Bei Kooperationen kann also von einer zielorientierten und bei Kollaboration von einer prozessorientierten Zusammenar- beit gesprochen werden. Ein klassisches Beispiel für kollaborative Zusammenarbeit im Social Web sind die von diversen AutorInnen erstellten Inhalte von Wikipedia.org. (vgl. Schweiger & Beck, 2010, S. 385)

Soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke dienen dazu, Freundes- und Bekanntenkreise sowie GeschäftspartnerInnen miteinander in Verbindung zu bringen (vgl. Ebersbach et al., 2011, S. 96). Als spezifi- sche Merkmale, lassen sich die folgenden Aspekte hervorheben (Ebersbach et al., 2011, S. 96):

- ”Registrierung erforderlich,
- Profilseiten mit Interessen und Tätigkeiten,
- Daten liegen hauptsächlich in strukturierter Form vor,
- Beziehungen zu anderen Menschen werden dargestellt,
- Bekanntschaften [...] werden nachvollziehbar gemacht und
- starker Bezug zu realen Sozialbindungen.”

Soziales Kapital

Soziale Netzwerke erweitern die Anzahl sozialer Kontakte, die ein Individuum pflegen kann. Mit Rückgriff auf den von Bordieu geprägten Begriff des sozialen Kapitals lässt sich dieser Zusammenhang genauer erläutern. So stellt Kapital akkumulierte Arbeit dar und kann ökonomischer, kultureller und sozialer Natur sein.

”Das Kapital ist eine der Objektivität der Dinge innewohnende Kraft, die dafür sorgt, daß nicht alles gleich möglich oder gleich unmöglich ist. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene Verteilungsstruktur verschiedener Arten und Unterarten von Kapital entspricht der immanenten Struktur der gesellschaftlichen Welt, d. h. der Gesamtheit der ihr innewohnenden Zwänge, durch die das dauerhafte Funktionieren der gesellschaftlichen Wirklichkeit bestimmt und über die Erfolgschancen der Praxis entschieden wird.” (Bourdieu, 2012, S. 184) Sozialkapital stellt dem Gedanken Bourdieues folgend alle ”aktuellen und potentiel- len Ressourcen dar, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind” (Bourdieu, 2012, S. 191). Dabei können die Sozialkapitalbeziehungen nur auf Grundlage von materiellen und symbolischen Tauschbeziehungen existieren, zu deren Aufrechterhaltung sie beitragen.

In der Folge hängt der Umfang dieses Kapitals von der Ausdehnung des Netzes von Beziehungen ab und von dem Umfang des Kapitals (ökonomisch, kulturell, sozial), welches diejenigen besitzen, mit denen er oder sie in Beziehung steht. (vgl. Bourdieu, 2012, S. 191 f.) Hier wird in Bezugnahme auf soziale Netzwerke deutlich, dass diese insbesondere die Ausweitung von Beziehungen ermöglicht und die Fähigkeit, soziales Kapital zu bilden und zu stabilisieren, massiv vereinfachen kann.

So ist es möglich soziale Kontakte, unabhängig von ihrer geografischen Entfernung, verhältnismäßig einfach und kostengünstig aufrecht zu erhalten. Die tatsächlichen Kosten für den Zugang zum Internet dürften in der Regel deutlich niedriger liegen als bei konventionellen Mitteln der Massenkommunikation. So sind die Kosten für ein Telefongespräch nach beispielsweise Indien deutlich höher als der aliquote Anteil der Internetkosten für eine Textnachricht auf Facebook. Auch ist über Facebook eine niederschwellige Anteilnahme am Leben anderer möglich. Das Lebensereignis eines Freundes oder einer Freundin auf Facebook mit ”Gefällt-mir” zu markieren kann im Bruchteil einer Sekunde geschehen und ist dadurch weniger zeitintensiv als die meisten anderen Formeb der Kontaktpflege. Damit sind die Opportunitätskosten für die Aufrechterhaltung und Stabilisierung sozialer Kontakte als sehr niedrig einzuschätzen.

Zumindest dann, wenn von den UserInnen diese als eher oberflächlich zu bezeichnende Form der Partizipation genutzt wird.

Facebook bietet den NutzerInnen die Möglichkeit auf verschiedensten Intensitätsstufen am Leben von FreundInnen und Bekannten teilzunehmen. Dabei reicht das Spektrum vom passiven ”Anschauen ohne zu interagieren” über geringe Interaktion wie ”Gefällt- mir” zu drücken oder kurze Kommentare zu verfassen, die in der kürzesten Form aus einem Emoji zum Ausdruck eines Gefühls bestehen können, bis hin zu langen persönlichen Nachrichten an einzelne UserInnen oder einen mit Skype vergleichbaren Videochat.

Soziale Netzwerke dienen also mit ihren unterschiedlichen Funktionalitäten vorder- gründig der Pflege sozialer Beziehungen und beinhalten daher besonderes Potential zur Erhöhung des sozialen Kapitals. Dabei lässt sich jedoch nicht beantworten, ob soziale Netzwerke zu einer Verarmung oder Bereicherung des individuellen Soziallebens beitragen. Die Beantwortung dieser Frage ist davon abhängig, wie soziale Netzwerke von den NutzerInnen eingesetzt werden. (vgl. Griesbaum, 2013, S. 570)

2.1.3 Entwicklung des Marktes für soziale Netzwerke

Die technologischen Rahmenbedingungen für die Möglichkeit zu sozialen Netzwerken wurde in den 1980er- und 1990er-Jahren gelegt. Seit nunmehr fast 20 Jahren (1997- 2016) sind soziale Netzwerke Bestandteil des Internets. Im Verlauf dieses Zeitraums hat dessen Bedeutung in Verbindung mit der Verbreitung von PCs und des Internets extrem zugenommen. Unterschiedliche Akteure haben diesen Markt beeinflusst, aber bisher konnte keines - mit Ausnahme von Facebook, wie später argumentiert werden wird - ein auf Dauer Gewinne einbringendes Geschäftsmodell entwickeln.

SixDegress Die erste bekannte Seite für soziale Netzwerke wurde 1997 gegründet. SixDegrees.com ermöglichte es NutzerInnen Profile zu erstellen und Freundeslisten anzulegen. Im Mittelpunkt der Firmenstrategie stand die Ermöglichung des Kontakts zu und die Kommunikation mit anderen NutzerInnen. Trotz mehrerer Millionen Mitglieder gelang es SixDegrees nicht ein beständiges Geschäftsmodell zu entwickeln, sodass diese Seite ihren Dienst bereits im Jahr 2000 wieder einstellte.(vgl. Ellison & Boyd, 2007, 214)

Friendster Als weiteres soziales Netzwerk wurde im Jahre 2002 Friendster gegründet. Das ursprüngliche Design der Seite diente dazu mit kommerziell bereits erfolgreichen Dating-Seiten zu konkurrieren. Im Unterschied zu konventionellen Seiten dieser Art konzentrierte sich Friendster darauf ”FreundevonFreunden“miteinanderbekanntzu machen. Dies geschah beruhend auf der Annahme, dass Menschen mit überlappendem Freundeskreis eine höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen, zueinander zu passen. Mit diesem Modell gelang es Friendster rasch zu wachsen und an Popularität zu gewinnen. (vgl. Ellison & Boyd, 2007, S. 215) Dieses Wachstum ging jedoch nicht ohne technische und soziale Schwierigkeiten einher (vgl. Boyd, 2006).

So waren die Datenserver kaum auf rapides Wachstum eingestellt, sodass diese oft einbrachen und die Seite vorübergehend nicht erreichbar gewesen ist. Überdiesführten steigende BenutzerInnenzahlen zum wegbrechen des sozialen Zusammenhangs. Dies bedeutet, dass aus einem kleinen Netzwerke eine große soziale Plattform entstanden ist. Dabei führte diese Vergrößerung zu einem verringerten Gefühl der Zusammengehörigkeit und mitunter zu, für einzelne NutzerInnen, unerwünschten Kontakten (wie beispielsweise die Kontakte zu Vorgesetzten). Zudem sorgte Friendsters Umgang mit sogenannten Fake-Profilen von Prominenten und anderen nicht-persönlichen Profilen für Unmut.

Diese wurden zum Argwohn vieler NutzerInnen, die diese Profile zu ihrer Unterhaltung aufriefen, von Friendster nicht gestattet und gelöscht. In Folge dieser Missachtung des UserInnenwunsches wanderten viele BenutzerInnen der ersten Stunde ab und dämpften den anfänglichen Erfolg massiv. (vgl. Ellison & Boyd, 2007, S. 215 f.) MySpace Als Sammelbecken für enttäuschte Friendster-BenutzerInnen entpuppte sich das 2003 gestartete MySpace. Durch die Implementierung von personalisierten Seiten konnte sich MySpace von der Konkurrenz abheben und war durch die Nähe zu Rock-Bands (die ebenfalls Profile anlegen konnten) insbesondere für ein junges Publikum interessant. Als Folge dessen traten ab 2004 viele Teenager diesem Netzwerk bei. Insgesamt wurde MySpace vornehmlich von folgenden drei Gruppen genutzt: Musi- kerInnen & KünstlerInnen, Teenagern und eine urban geprägte Bevölkerung zwischen 20 und 30. Interaktion zwischen den einzelnen Gruppen fand im Wesentlichen über die gemeinsame Identifikation mit den KünstlerInnen statt. (vgl. Ellison & Boyd, 2007, S. 217)

Im Jahr 2005 kaufte die News Cooperation MySpace für 580 Millionen USD, um 2011 für einen Bruchteil dieses Betrages, 35 Millionen USD, vom Schauspieler Justin Timberlake akquiriert zu werden. Als Gründe für diesen Niedergang lassen sich die im Zeitverlauf gestiegene Konkurrenz im Markt für soziale Medien sowie die mangelnde Fähigkeit zur Anpassung nennen. So scheint rückblickend der geschlossene Portalcharak- ter1 und mangelnde Neuerungen in den Benutzungsmöglichkeiten für dessen Niedergang verantwortlich zu sein. (vgl. Hauck & Kuhn, 2011) Überdies stellt meiner Einschätzung nach gerade der Aufstieg und Fall von MySpace ein (z. B. mit der Anwendung einer neuen Technologie zum Zwecke der Kapitalakkumulation) für soziale Netzwerke nicht untypische Manifestation einer latenten Gefahr des Überschießens von Gewinnerwartun- gen dar. Wenn die hohen Erwartungen nicht zu realisieren sind, droht wie im Fall von MySpace, eine radikale Korrektur des Firmenwertes nach unten.

Twitter Als Microblog-Anbieter2 unterscheidet sich Twitter insbesondere durch die Form der Kommunikation. So ist das bei allen bisher vorgestellten sozialen Netzwerken und Facebook verwendete Prinzip der Reziprozität aufgehoben. Jede Nutzerin kann einem anderen Nutzer unabhängig von dessen Zustimmung ’folgen’. Folgen bedeutet, dass die abgesetzten Nachrichten (’tweets’), der gefolgten Person angezeigt werden und auf Wunsch geteilt ( ”retweeted“)werdenkönnen.Twitterwurde 2006 gestartet und hatte 2009 bereits über 41 Millionen Mitglieder. (vgl. Kwak et al., 2010, S. 591) Im Jahr 2015 hat Twitter nach eigenen Angaben 302 Millionen aktive NutzerInnen, die im Schnitt 500 Millionen Nachrichten pro Tag versenden (vgl. Twitter.com, 2015).

Die nachfolgende Abb. 2.3 zeigt den zeitlichen Verlauf und die Gründungszeitpunkte bekannter Netzwerke zwischen 1997 und 2006. Dabei soll diese Abbildung insbesondere bei der nachfolgenden Einordnung der Gründung und Ausdehnung von Facebook hilfreich sein. Daher sind neben dem Gründungszeitpunkt 2004, auch die Erweiterung der zugelassenen Nutzerkreises von Facebook in den Jahren 2005 bzw. 2006 abgebildet und durch eine gelbe Umrandung kenntlich gemacht. die NutzerInnen ausschließlich an das eigene Netzwerk zu binden. (vgl. Hauck & Kuhn, 2011)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.3: Gründungszeitpunkte bekannter sozialer Netzwerke

ÜbernommeneDarstellung (eigene Hervorhebung), Quelle: Ellison & Boyd (2007, S. 212)

2.1.4 Gründung von Facebook

Im Jahr 2004 wurde Facebook als ’thefacebook’ gegründet und war zunächst nur für mit der Harvard University assoziierte Personen zugänglich. So war für eine Anmeldung zwingend eine Harvard.edu e-Mail-Adresse nötig. Im Verlaufe der Ausdehnung wurden nach und nach alle amerikanischen Universitäten zugelassen und 2005 schließlich auch alle Schulen des sekundären Bildungsbereichs. Der Zwang der Zugehörigkeit zu einer Bildungseinrichtung für eine Anmeldung führte zu einem relativ geschlossenen Netzwerk und sorgte unter den NutzerInnen für das Gefühl einer privaten Gemeinschaft. Im weiteren Verlauf wurde der Zugang für Unternehmen und letztlich im Jahr 2006 für jeden ermöglicht. Wie in 2.2.1, dem Unterkapitel zu der Entwicklung der NutzerInnen- und Umsatzzahlen, gezeigt werden wird, setzte diese Umstellung einen im Markt für soziale Netzwerke ungekannten Wachstumsprozess in Gang, sodass 2015 (Stand Juli) bereits 1.441 Millionen aktive NutzerInnen Facebook zumindest einmal im Monat nutzen. (vgl. Ellison & Boyd, 2007, S. 218)(vgl. Facebook, 2015a) Facebook zeichnet sich insbesondere durch individuelle Profilseiten aus, auf denen Mitglieder einer Vielzahl an Informationen über sich selbst zur Verfügung stellen können. Als Kern der Nutzung können folgende Möglichkeiten der NutzerInnen genannt werden (vgl. Wilson et al., 2012, S. 214):

- persönliche Informationen auf einer individualisierten Profilseite zu veröffentlichen,
- auf andere Profilseiten zu verlinken und Freundeslisten zu erstellen und
- die Interaktion mit anderen Mitgliedern

Dabei kann die Interaktion auf privater Ebene in Form eines Chat- bzw. Nachrichten- systems erfolgen oder teil-öffentlich über die Pinnwand. Darüber hinaus werden über einen ’Newsfeed’ chronologisch geordnete Informationen zu den eigenen FreundInnen im Netzwerk sowie zu den angegebenen Interessen und Werbung angezeigt. NutzerInnen können über Facebook Bilder online stellen, teilen, kommentieren und über einen (zum Markenzeichen gewordenen) ’Gefällt-mir’-Knopf loben. (vgl. Wilson et al., 2012, S. 214) Als wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu anderen sozialen Netzwerken kann die Möglichkeit Dritter, Applikationen für Facebook zu entwickeln, genannt werden.

[...]


1 Andere Netzwerke wie z. B. Facebook waren durchlässig für unternehmensfremde Inhalte des Web 2.0, während MySpace an der Idee eines geschlossenen Portals festhielt und dem Versuch nachhing,

2 Eine Nachricht (’tweet’) darf nicht länger als 140 Zeichen sein und kann weiterführende Links und einzelne Bilder enthalten. Diese Nachrichten werden nur von denjenigen NutzerInnen angezeigt, denen eine Person folgt (vgl. Kwak et al., 2010, S. 591).

Fin de l'extrait de 99 pages

Résumé des informations

Titre
Die Marktmacht von Facebook aus politökonomischer Perspektive
Université
Vienna University of Economics and Business  (Institutionelle und Heterodoxe Ökonomie)
Cours
Politische Ökonomie der Medien
Note
1,0
Auteur
Année
2016
Pages
99
N° de catalogue
V343029
ISBN (ebook)
9783668331129
ISBN (Livre)
9783668331136
Taille d'un fichier
2509 KB
Langue
allemand
Mots clés
Facebook, Politische Ökonomie der Medien, Marktmacht, Markt fur soziale Netzwerke, Geschäftsmodell Facebook, Marktstellung von Facebook, Marktmacht von Facebook, Grenzen des Wettbewerbs, Digitale Arbeit und persönliche Daten, User Generated Content, User Generated Data, Prosumer, Kapitalakkumulation auf Facebook, Netzwerkeffekt, Rückkopplung, Monopol, Macht, Netzwerk
Citation du texte
Timm Leinker (Auteur), 2016, Die Marktmacht von Facebook aus politökonomischer Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/343029

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