Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Körper als Medium
2.1 Skarifikation – Schmucknarben als Schriftsystem und Träger von Information
3 Resümee
4 Bibliographie
1 Einleitung
Afrika ist ein Land mit vielen Sprachen. Wobei das Wort Sprache sowohl die „Fähigkeit des Menschen zu sprechen; das Sprechen als Anlage, als Möglichkeit des Menschen sich auszudrücken“[1] beschreibt, als auch die symbolische Kommunikation mittels eines „(historisch entstandenen und sich entwickelnden) System[s, I.T.] von Zeichen und Regeln, das einer Sprachgemeinschaft als Verständigungsmittel dient“[2]. Nahezu allen Sprachen gemein ist ein, sich nach Kultur und Sprachraum richtendes, spezifisches System von Zeichen, seien es Symbole oder Buchstaben, „mit denen Laute, Wörter, Sätze einer Sprache sichtbar festgehalten werden“[3] können. Die also zur Verschriftlichung dienen und somit die nonverbale Weitergabe von Wissen ermöglichen. So zum Beispiel durch die Skarifikation der Haut, also das Aufbringen von Schmucknarben auf die obere Hautschicht, welche einen Menschen sein ganzes Leben lang begleiten und Auskunft geben, sowohl über ihn, seine Umgebung als auch über seine Vergangenheit. Um diese Verschriftlichung mittels geometrischer oder tierischer Symbole lesen, oder besser, entschlüsseln zu können, bedarf es besonderer Kenntnisse, da „many have been developed by and for […] specialized groups or individuals.“[4] Innerhalb einiger afrikanischer Kulturen wird dieses Wissen von Generation zu Generation weiter gegeben und trägt somit zur Erhaltung der jeweilig spezifischen Schriftkultur und Identität bei. Doch auch eine fest in den Gesellschaften verankerte symbolische Sprache unterliegt dem Wandel der Zeit und der Veränderung. Nicht nur Die Schrift an sich verändert sich, wird neu erfunden oder gar ersetzt sondern auch die Bedeutungen verschieben sich. Auch der Wandel von Schönheitsidealen und Wertvorstellungen tragen dazu bei, dass alte Formen der Kommunikation und Identitätsbildung immer weiter in den Hintergrund gedrängt oder gar verboten[5] werden. Doch ihre Methodik wird durch die länderübergreifende Migration und zunehmende Technisierung weitergetragen und teilweise von einer anderen Kultur übernommen oder eingegliedert. So erhielt auch die Technik Skarifizierungen anzufertigen Einzug in die westliche Welt und findet heute ihren Ausdruck in der jüngeren Generation. Sie gilt als eine der extremeren Formen der Körperbemalung oder Körperveränderung.
Eine Verschmelzung von Tradition und Moderne ist dort unabdingbar, wo neue Wertvorstellungen und Schönheitsideale beginnen eine Gesellschaft zu verändern. Diese Hausarbeit versucht einen Blick auf den Körper als Medium zu werfen, im Besonderen mit Blick auf die Technik der Skarifikation, und diese im Kontext kultureller Weiterentwicklung und Veränderung zu betrachten.
Innerhalb der vorliegenden Hausarbeit kann, im Rahmen eines Überblicks, nur beispielhaft auf ausgesuchte Gesellschaften in Afrika eingegangen werden, die diese nonverbale Art der Kommunikation nutzen oder genutzt haben. Gewählt wurde hier als Beispiel die Skarifizierung, als eine Art der unmittelbarsten und folgenreichsten Veränderung und aufgrund ihrem klarem Bezug zum Körper als „vermittelndes Element“[6]. Dabei ist der Vergleich unterschiedlichster Gesellschaften aus ganz Afrika zwingend Notwendig, um zu zeigen, wie verschieden die Bedeutungen der verwendeten Symbole sein können und wie unabdingbar deren grundlegender Bezug zum Körper ist. Des weiteren wird versucht einen Bezug zum heutigen Schönheitsideal und der heutigen Bedeutung der Skarifizierung herzustellen, wobei bewusst die westliche Welt in die Veranschaulichung miteinbezogen wird. Denn die zunehmende Technisierung, die Metropolenbildung und das zunehmende multikulturelle Anwachsen der Städte, durch Hinzuziehen der unterschiedlichsten Ethnien, sorgen für einen Mix aus den verschiedensten Kulturen. Und somit auch für die, wenn auch nur teilweise, Übernahme von Schönheitsidealen und alten Methoden der Körperveränderung.
2 Der Körper als Medium
Der Körper ist die „äußere Erscheinung eines Menschen“[7]. Diese äußere Erscheinung kann durch Einwirkungen von Außen verändert werden. Sogenannte Modifikationen, also Veränderungen des menschlichen Körpers, sind uns vor allem aus den indigenen Kulturen der Erde bekannt.
Indigene Völker sind nach dem ´Deutsche Gesellschaft für die vereinten Nationen e.V.´ die „Erstbewohner eines Gebietes, auch autochthone Völker“[8], die eine kulturelle Besonderheit bewahren, welche sich von der nationalen Gesellschaft unterscheidet.[9] Wobei anzumerken ist, dass es keine allgemeine Definition für die Begrifflichkeit des Indigenen Volkes gibt und, „dass nicht bei jedem Fall alle Kriterien [,derer es noch weitere gibt, I.T.] gleichermaßen zutreffen müssen, da es vielmehr eine Arbeitsdefinition sein soll, die versucht, die Unterschiedlichkeit der Umstände indigener Gemeinschaften mit einzubeziehen.“[10]
Diese Veränderungen am Korpus schließen Tätowierungen, Verzierungen der Haut mit Schmucknarben oder Farben, das Weiten der Ohrlöcher und der Unterlippe mittels Ton- oder Knochenplatten, das Bemalen der Haut mit Henna oder gar die Deformation des Kopfes oder den sogenannten Lotosfuß des alten Japan, und noch viele weitere, mit ein. Seit Jahrtausenden wird der Körper „as a site of adornment, manipulation, and mutilation“[11] verstanden. Und „Skarifizierung (oft auch Narben-Tatuierung genannt) wurde seit dem Paläolithikum in vielen Teilen der Welt als freiwilliger Eingriff in den menschlichen Körper praktiziert - meist zum Zwecke seiner Verschönerung.“[12] So dokumentieren Objekte alter, unterschiedlichster Kulturen und frühe Fotografien verschiedene Modifikationsarten[13]. So zum Beispiel die Figuren der Bambara aus Mali. Auf ihren Skulpturen sind die zahlreichen Muster der Ziernarben mit großer Genauigkeit abgebildet.[14] Ein weiteres Beispiel sind die Ahnenfiguren der Luluwa.
Der Körper selbst ist, bei jeder Art der Körperveränderung, sowohl Medium als auch Träger eines Mediums und steht somit im Mittelpunkt der Betrachtung. Frances E. Mascis-Lee und Patricia Shape sprechen davon, dass der Körper ein Grund, ein Ort ist, „on which all cultures inscribe significant meaning.“[15] Desweiteren zeigen sie auf, dass „the concept of denaturalization implies a residual belief in the existence of a natural body it seeks to deconstruct, a body outside of culture, a physical norm that grounds human commonality in the face of vast „surface“ or cultural differences.“[16]
Das was uns ausmacht, was uns umgibt ist vor unserer Umwelt vor allem unser Körper. Er ist sowohl Ausdruck unseres selbst und unserer Identität als auch Mittel des Vergleichs. Er ist das erste, was gesehen wird, ehe noch ein Wort gesprochen wird. Es liegt also nahe, dass ein Körper einer Veränderung unterzogen wird, um eine andere Ebene der Kommunikation zu schaffen, auf der es keine Worte braucht, um sich zu verständigen. Der Körper, der der menschlichen Rasse gemein ist, wird zum Bedeutungsträger. Auf einer Ebene der körperlichen Gleichgestaltigkeit bietet er einen Untergrund auf dem und über den kommuniziert werden kann.
„Understanding the body not as simple materiality, but rather as constituted with language as in much contemporary thought, is intended to question traditional notions of the body as prior to, or outside of, culture.“[17]
2.1 Skarifikation – Schmucknarben als Schriftsystem und Träger von Information
Die Haut ist, mit einer ungefähren Gesamtfläche zwischen 1,5 m² und 2 m², das größte Organ des Menschen. Sie umgibt und schützt uns. Wenn sie nicht von Bekleidung bedeckt wird, so ist sie, wie Dr. med. Markus Schwarz in seiner 2005 erschienenen Publikation ´Von der Sprache unserer Haut (Afrika)´ zutreffend beschreibt, „die ´letzte Schicht´ zwischen dem Individuum und seiner Umwelt“[18]. In einigen „afrikanischen Gesellschaften verzieren sich die Menschen mit auffälligen Narben, die in variantenreichen Mustern den Körper schmücken.“[19] So unterschiedlich die Symbole der Skarifizierungen sind, so unterschiedlich sind auch die Gründe für ihre Anbringung. Im umfassenden Sinn aber dienen sie als Schriftsystem zur Weitergabe von Informationen. So ist in inscribing meaning von unter anderen Christine Mullen Kraemer zu lesen, dass „systems of graphic inscription […] function much as writing does: to record, archive and transmit knowledge and information.“[20]
Alle Skarifikationen begründen sich in Sinn und Funktion auf sozialen, medizinischen, religiös-mythischen oder künstlerisch-kosmetischen Hintergründen[21]. So können sie zum Beispiel auf eine bestimmte Altersgruppe, einen Verwandtschaftsverband, die Zugehörigkeit zu einer Wohngruppe oder die gesellschaftliche Stellung hinweisen, sowie Hoffnungen und Ängste schildern und Tapferkeit, Heldentaten im Kampf oder besonderes Geschick bei der Jagd dokumentieren. Im rein künstlerisch-kosmetischen Sinn können sie auch die Gesundheit und Schönheit der Haut unterstreichen.[22] Aber außerhalb dieser Zuordnungen zeigen sie zudem einen anderen, ästhetischen und künstlerischen Weg des Wissens und der Erzählung auf.
„Whether inscribed on ritual or everyday objects, textiles, the human body or in books, these African scripts are more than technologies of communication. They constitute dynamic, asthetically potent ways of knowing and affecting the world.“[23]
[...]
[1] http://www.duden.de/rechtschreibung/Sprache#Bedeutung1. (17.09.2012).
[2] http://www.duden.de/rechtschreibung/Sprache#Bedeutung4a. (17.09.2012).
[3] http://www.duden.de/rechtschreibung/Schrift#Bedeutung1a. (17.09.2012).
[4] Kreamer, Christine Mullen. 2007. S. 16.
[5] https://www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-2004-826056#N65958 (17.09.2012).
[6] http://www.duden.de/rechtschreibung/Medium_Vermittler_Traeger#Bedeutung1. (17.09.2012).
[7] http://www.duden.de/rechtschreibung/Koerper#Bedeutung1a (30.09.2012).
[8] http://www.dgvn.de/indigene.html (03.10.2012).
[9] Ebda.
[10] http://www.dgvn.de/indigene.html (03.10.2012).
[11] Mascia-Lees, Frances E./ Sharpe, Patricia. 1992. S. 1.
[12] http://217.19.37.166/schwerpunkte/narben/skarif.htm (03.10.2012).
[13] Mascia-Lees, Frances E./ Sharpe, Patricia. 1992. S. 1. „[...] objects from a wide variety of cultures have displayed and recorded forms of body modification for centuries.“.
[14] Gröning, Karl [Hg.]. 2. Auflage 2001. (1. Aufl. 1997). S. 132.
[15] Mascia-Lees, Frances E./ Sharpe, Patricia. 1992. S. 2.
[16] Ebda.
[17] Mascia-Lees, Frances E./ Sharpe, Patricia. 1992. S. 3.
[18] https://www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-2004-826056#N65958. (17.09.2012 ).
[19] Gröning, Karl [Hg.]. 2. Auflage 2001. (1. Aufl. 1997). S. 133.
[20] Kreamer, Christine Mullen. 2007. S. 14.
[21] https://www.thieme-connect.de/ejournals/html/10.1055/s-2004-826056#N65958. (17.09.2012).
[22] Gröning, Karl [Hg.]. 2. Auflage 2001. (1. Aufl. 1997). S. 128 ff.
[23] Ebda.