Unternehmensakquisitionen sind - neben einem organischen Wachstum - ein wichtiges Instrument des strategischen Managements von Unternehmen zur Verbesserung, Ausbau oder Erhalt einer nachhaltigen Wettbewerbsposition im nationalen und globalen Wettbewerb. Die nahezu tagtägliche Berichterstattung in der (Wirtschafts)Presse und die meist bedeutenden Transaktionsvolumina unterstreichen dies.
In einer aktuellen empirischen Arbeit von Weinert wurden branchenspezifische Erfolgsfaktoren horizontaler strategischer Unternehmensakquisitionen (Transaktionen) herausgearbeitet. Dabei war die Tendenz erkennbar, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit in den untersuchten Branchen vom jeweiligen Stadium ihres Branchenlebenszyklus abhängt. Untersucht wurden dabei Transaktionen in der Pharmabranche, die überdurchschnittlich erfolgreich waren.
Zentrales Anliegen der Untersuchung von Weinert war der Nachweis, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit (Erfolgsprognose) einer horizontalen strategischen Unternehmensakquisition in der Wachstumsphase einer Branche generell höher ist als z.B. in der den Zyklus abschließenden Degenerationsphase. Dieser Untersuchungsansatz ist insoweit neu, da bislang vordringlich unternehmensspezifische Aspekte und prozessuale Transaktionsaspekte im wissenschaftlichen und praktischen Fokus standen. Die Einstufung in den Branchenlebenszyklus wurde dazu anhand der Wachstumsrate, gemessen an den getätigten Umsätzen bzw. Verkäufen (und nicht Produktionswerten) in US-$ über ein mehrjähriges Zeitfenster, der Branche vorgenommen. Die für den untersuchten Akquisitionserfolg im
besonderen Maße relevanten Merkmale
- Einstufung in den Branchenzyklus,
- Branchenkonzentration und Unternehmensgröße,
- Ressourcenstruktur,
- Ertragssituation,
- Klarheit über die Werthaltigkeit von Unternehmen und Ressourcen,
- Akquisitionserfahrungen sowie
- erkennbare Branchenspezifika (Sonstiges)
wurden jeweils beschrieben und bei der Erfolgsprognose berücksichtigt.
In der vorliegenden Untersuchung wird diese Vorgehensweise mit einer Skizzierung des untersuchten US-Pharmamarktes aufgegriffen und daraus ein erster möglicher Branchenzyklus abgeleitet. Weinert gibt den Leitgedanken vor: „Insoweit bestimmen der Branchenzyklus und die übrigen relevanten Branchenmerkmale gewissermaßen die Wahrscheinlichkeit, mit der Unternehmensakquisitionen in der Branche erfolgreich sind."
Inhaltsverzeichnis
1 Ausgangssituation und Aufgabenstellung
1.1 Modelltheoretische Untersuchung horizontaler strategischer Unternehmensakquisitionen in vier Branchen um 2000
1.2 Eigener Untersuchungsansatz zur Erfolgsmessung von Unternehmensakquisitionen im US-Pharma-Branchenzyklus
2 Grundlagen und Definitionen
2.1 Wachstum und Unternehmensakquisition
2.2 Akquisitionsziele und -theorien
2.3 Erfolgsmessung von Unternehmensakquisitionen
2.4 Lebenszyklus nationaler Branchen
3 US-Chemie- und Pharmaindustrie seit Ende des 19. Jh
3.1 Relevante Einflussgrößen für die Entwicklung in den USA
3.2 Synopse der Entstehung und Entwicklung von amerikanischer und deutscher Pharmaindustrie in den letzten 125 Jahren
3.3 Möglicher Branchenlebenszyklus der US-Pharmabranche
4. Vorstellung und Beschreibung des Untersuchungssamples
4.1 Top-10 US-Pharmakonzerne im Jahre 2010
4.2 Raster zur Erfolgsmessung von Unternehmensakquisitionen
4.3 Empirische Ergebnisse des ausgewählten Samples
4.3.1 Akquisitionen von Pfizer
4.3.2 Akquisitionen von Merck Inc. und Johnson & Johnson
4.3.3 Akquisitionen von Eli Lilly und Abbott
4.3.4 Akquisitionen von Bristol-Myers-Squibb und Amgen
4.3.5 Akquisitionen von Baxter und Gilead Sciences
5. Diskussion und erstes Fazit der Ergebnisse
5.1 Ergebnisse im Überblick und Abgleich mit Theorie von Weinert
5.2 Kritische Würdigung und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Webseitenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Bisherige Kondratieff-Zyklen im Überblick
Abb. 2: Branchenzyklus US Pharmaindustrie (vorher)
Abb. 3: Branchenzyklus US Pharmaindustrie (nachher)
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Struktur des untersuchten Samples bei Weinert (2010)
Tab. 2: Grundmodell des Akquisitionserfolges nach Weinert (2010)
Tab. 3: Grundmodell der Desinvestitionsbewertung nach Weinert (2010)
Tab. 4: Branchenlebenszyklus und Erfolgswahrscheinlichkeit (-prognose) horizontaler strategischer Unternehmens- akquisitionen nach Weinert (2010)
Tab. 5: Zusammenhang zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit (-prognose) und Desinvestitionen nach Weinert (2010)
Tab. 6: Einwohner und -struktur sowie Haushalte der Vereinigten Staaten von Amerika 1890 und
Tab. 7: Einwohner der USA 1900 - 1999 (jeweils zum 1. Juli in Mio.)
Tab. 8: Gross national product (GNP) und Gross domestic product (GDP) der USA 1909 - 2010, ab 1970 ger. (in Mrd. US-$)
Tab. 9: Produktionsentwicklung ausgewählter Branchen in den USA 1899 - 1939 (Index 1929 = 100)
Tab. 10: Produktionsentwicklung ausgewählter Branchen in den USA 1923 - 1945 (Index 1935-1939 = 100)
Tab. 11: Total Capital in (different) Branches of Manufactures, in Book Value and 1929 Dollars: 1879 - 1948 (in Mrd. US-$)
Tab. 12: Retail Store Sales, by Kind of Business, 1929 to 1957 (in Mrd. US-$)
Tab. 13: U.S. and Foreign Pharmaceutical Sales PMA Member Firms 1967 - 1989 Entwicklung (in Mio. US-$, ger.)
Tab. 14: World Trade in Medical and Pharmaceutical Products 1988 (in Mio. US-$, ger.)
Tab. 15: Umsätze der TOP 6 US-Unternehmen im Vergleich zur gesamten Pharmaindustrie 1990 (in Mrd. US-$)
Tab. 16: TOP 30 der Pharmaunternehmen weltweit 1978 und 1980 (Umsatz in Mio. US-$)
Tab.17: TOP 12 Pharma-Märkte ohne Ostblock 1980 und 1987 (in %)
Tab. 18: Die 100 führenden Arzneimittel nach Herkunftsland
Tab. 19: Vergleichsskizze zur Entwicklung der Chemisch- Pharmazeutischen Industrie Deutschland - USA
Tab. 20a: TOP 10 der US-Pharmaindustrie 2010 und ihr Status um
Tab. 20b: TOP 10 der US-Pharmaindustrie 2010 und ihr Status um
Tab. 21: Unternehmensübernahmen durch Pfizer (Fälle 1 und 2)
Tab. 22: Unternehmensübernahmen durch Pfizer (Fälle 3 und 4)
Tab. 23: Unternehmensübernahmen durch Merck und Johnson & Johnson
Tab. 24: Unternehmensübernahmen durch Eli Lilly und Abbott
Tab. 25: Unternehmensübernahmen von Bristol-Myers-Squibb und Amgen
Tab. 26: Unternehmensübernahmen durch Baxter International und Gilead Sciences
Tab. 27: Branchenzyklus und Desinvestitionen der 12 Transaktionen
Tab. 28a: Zusammenfassung Desinvestitionen und Ressourcen- strukturen der 12 Transaktionen
Tab. 28b: Zusammenfassung Desinvestitionen und Ressourcen- strukturen der 12 Transaktionen
1 Ausgangssituation und Aufgabenstellung
1.1 Modelltheoretische Untersuchung horizontaler strate- gischer Unternehmensakquisitionen in vier Branchen um 2000
Unternehmensakquisitionen sind - neben einem organischen Wachstum - ein wichtiges Instrument des strategischen Managements von Unternehmen zur Verbesserung, Ausbau oder Erhalt einer nachhaltigen Wettbewerbsposition im nationalen und globalen Wettbewerb.1 Die nahezu tagtägliche Berichterstattung in der (Wirtschafts)Presse und die meist bedeutenden Transaktionsvolumina unterstreichen dies.
Die jeweilige nationale, aber auch internationale Berichterstattung zu Akquisitionsaktivitäten der meist sehr großen Unternehmen speist sich, neben den damit häufig ausgelösten Veränderungen der jeweiligen Marktstrukturen der betroffenen Branche, auch aus der Vielzahl der letztendlich gescheiterten Unternehmensakquisitionen. Ausgewählte empirische Studien zeigen immerhin Misserfolgsquoten zwischen 45% und 85%.2
In einer aktuellen empirischen Arbeit von Weinert3 wurden branchenspezifi- sche Erfolgsfaktoren horizontaler strategischer Unternehmensakquisitionen4 (Transaktionen) herausgearbeitet. Dabei war die Tendenz erkennbar, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit in den untersuchten Branchen vom jeweiligen Stadium ihres Branchenlebenszyklus5 abhängt. Untersucht wurden dabei Transaktionen in der Pharmabranche, die überdurchschnittlich erfolgreich waren.
Ebenfalls untersucht wurde die durch spektakuläre „Fehlkäufe“ der letzten Jahre ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gerückte PKW-Industrie, die sehr junge Branche der Internetsuchmaschinen, sowie als vierte Branche Me- dienunternehmen.
Das untersuchte Set der Transaktionen war aufgrund der von Weinert ver- wendeten Methodik zur Erfolgsmessung6 auf Transaktionen beschränkt, in denen in der (internationalen) Öffentlichkeit über die Durchführung der Transaktion selbst und einer eventuell folgenden sogn. Desinvestition und deren Gründe berichtet wurde. Deshalb wurden nur Transaktionen einbe- zogen, bei denen
- das Käuferunternehmen zu den zehn größten Unternehmen (weltweit) seiner Branche gehört (Ausnahme Internet-Suchmaschinen) und
- die Transaktion bereits einen Niederschlag in den einschlägigen und für die Untersuchung auch auswertbaren Medien (Wirtschaftspresse) gefunden hat.
Das der Untersuchung zugrunde gelegte Sample bildete jede der vier Phasen eines Branchenlebenszyklus ab und umfasste letztendlich 56 Transaktionen für unterschiedliche Zeiträume zwischen 1995 und 2004. Zur Abrundung der Kurzdarstellung zu Weinert’s Untersuchung des jeweiligen Gesamtmarktes und seiner Akteure wird auch die Anzahl der dort jeweils aktiven Unternehmen angegeben bzw. vom Verfasser auf Basis der Zahlen für Deutschland überschlägig eingeschätzt.7 Deutlich wird dabei, dass es offensichtlich in der Degenerations- (Marktaustritts-) und der Entstehungsphase deutlich weniger Marktteilnehmer gibt (Tab. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Struktur des untersuchten Samples bei Weinert (2010)8
Zentrales Anliegen der Untersuchung von Weinert war der Nachweis, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit (Erfolgsprognose) einer horizontalen strategi- schen Unternehmensakquisition in der Wachstumsphase einer Branche generell höher ist als z.B. in der den Zyklus abschließenden Degenerati- onsphase. Dieser Untersuchungsansatz ist insoweit neu, da bislang vor- dringlich unternehmensspezifische Aspekte und prozessuale Transaktions- aspekte im wissenschaftlichen und praktischen Fokus standen.
Die Einstufung in den Branchenlebenszyklus wurde dazu anhand der Wachstumsrate, gemessen an den getätigten Umsätzen bzw. Verkäufen (und nicht Produktionswerten) in US-$ über ein mehrjähriges Zeitfenster, der Branche vorgenommen. Die für den untersuchten Akquisitionserfolg im besonderen Maße relevanten Merkmale
- Einstufung in den Branchenzyklus,
- Branchenkonzentration und Unternehmensgröße,
- Ressourcenstruktur,
- Ertragssituation,
- Klarheit über die Werthaltigkeit von Unternehmen und Ressourcen,
- Akquisitionserfahrungen sowie
- erkennbare Branchenspezifika (Sonstiges)
wurden jeweils beschrieben und bei der Erfolgsprognose berücksichtigt.9
In der vorliegenden Untersuchung wird diese Vorgehensweise mit einer Skizzierung des untersuchten US-Pharmamarktes aufgegriffen (Abschnitt 1.2) und daraus ein erster möglicher Branchenzyklus abgeleitet (Abschnitt 3.3). Weinert gibt den Leitgedanken vor: „Insoweit bestimmen der Bran- chenzyklus und die übrigen relevanten Branchenmerkmale gewissermaßen die Wahrscheinlichkeit, mit der Unternehmensakquisitionen in der Branche erfolgreich sind.“10
Grundsätzlich ist das Erzielen von Synergieeffekten - in ihrer Folge können, wie eingangs bereits erwähnt, auch Branchenstrukturveränderungen eintreten - eines der wesentlichen Ziele von horizontalen strategischen Unternehmensakquisitionen. Sie sind deshalb auch der Ausgangspunkt des Modells von Weinert (zur Abgrenzung von anderen Akquisitionstheorien bzw. - ansätzen, siehe Abschnitt 2.2).11
Die durch eine strategische Unternehmensakquisition „zusammenkommen- den“ Ressourcen werden bzw. sollen durch den Zusammenschluss auch genutzt werden. Der Akquisitionserfolg im Sinne einer Veränderung des Unternehmenswertes des akquirierenden Unternehmens (Käufer) ergibt sich, indem die Synergieeffekte um die Integrationskosten vermindert und um Werteffekte korrigiert werden. Wesentlich beeinflusst wird diese „For- mel“ von den tatsächlich vorhandenen und genutzten Umsetzungschancen (Tab. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 2: Grundmodell des Akquisitionserfolges nach Weinert (2010)12
Eine Umsetzungschance wird nicht im positiven Sinne wahrgenommen bzw. wird von vornherein ausgeschlossen, wenn es beispielsweise zu einer sogn. Desinvestition kommt. Daneben gibt es in Theorie und Praxis natür- lich weitere Möglichkeiten einer Misserfolgskontrolle (Abschnitt 2.3). Aus Machbarkeitsgründen muss auf diese allerdings verzichtet werden.13
Damit liegt der Fokus beim Feststellen von „Erfolgen“ bei horizontalen strategischen Unternehmensakquisitionen auf diesen Desinvestitionen. D.h. im Umkehrschluss: Liegen solche beim gekauften Unternehmen vor bzw. sind bei der empirischen Untersuchung keine zu finden, so war die Unternehmensakquisition erfolgreich oder nicht erfolgreich.
Weinert zählt, nach intensiver Diskussion des Desinvestitionsverfahrens, folgende Sachverhalte nicht als Desinvestition:14
- Kurzfristiger Verkauf bzw. Schließung/Insolvenz strategisch nicht pas- sender (quasi zwangsweise) miterworbener und nicht integrierter Unternehmensteile.
- Verkauf von Teilen des akquirierten Unternehmens zur Erfüllung der vorher im Zusammenhang mit der Genehmigung festgelegten Auflagen der Wettbewerbsbehörden.
- Verkauf bzw. Schließung/Insolvenz nach erfolgreichem Ressourcen- transfer, wenn die Desinvestitionsabsicht (Stichwort: „Ausschlachten“ des erworbenen Unternehmens, Anm.) bereits beim Erwerb erkennbar bzw. beabsichtigt war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 3: Grundmodell der Desinvestitionsbewertung nach Weinert (2010)15
Desinvestitionen werden nach sechs modelltheoretisch definierten weiteren Entwicklungen des gekauften Unternehmens bewertet (Tab. 3):
- Keine Desinvestition
- Teilweise Desinvestition
- Vollständige Desinvestitionen
- Desinvestition mit anderen Unternehmensteilen
- Rückabwicklung der Desinvestition
- Schließung oder Insolvenz.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 4: Branchenlebenszyklus und Erfolgswahrscheinlichkeit (-prognose) horizontaler strategischer Unternehmensakquisitionen nach Weinert (2010)16
Im Ergebnis der Untersuchung von Weinert zeigt sich, dass der Anteil der Desinvestitionen (Desinvestitionsquote) umso höher wird, je ungünstiger die Erfolgswahrscheinlichkeit (Erfolgsprognose) - basierend auf der Phase des Branchenzyklus - war.
So sind im Allgemeinen Synergieeffekte in der Entstehungs- und der Wachstumsphase besser zu erzielen (Bewertung „Plus“) als z.B. die Chancen einer Umsetzung durch eine mangelnde Unternehmensgröße wahrgenommen werden können (Bewertung „Minus“).
Gleichzeitig werden in der Reife- und Degenerationsphase zu hohe Integrationskosten als kaum vermeidbar bewertet, was folglich zu einer „Minus “- Bewertung führt (Tab. 4).
1.2 Eigener Untersuchungsansatz zur Erfolgsmessung von Unternehmensakquisitionen im US-Pharma-Bran- chenzyklus
Das Ergebnis von Weinert zeigt für die vier untersuchten Branchen recht unterschiedliche Ergebnisse auf (Tab. 5). Für die vorliegende Arbeit von zentraler Bedeutung ist der 100%-Wert für die zwölf untersuchten Transaktionen mit günstiger Erfolgswahrscheinlichkeit unter den TOP 10 der weltweiten Pharmabranche.
Sie stützen die Hypothese, dass Unternehmen in der Wachstumsphase bei Unternehmensübernahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit (negativen) Desinvestitionen rechnen müssen. Ganz im Gegensatz zu Unternehmen der degenerativen PKW-Industrie, die mit einer 80%-Wahr- scheinlichkeit mit Desinvestitionen rechnen müssen (müssten).
Für die (weltweite) Pharma-Industrie wurde dabei von Weinert von folgenden erfolgsrelevanten Branchenmerkmalen ausgegangen:17
- Der Untersuchungszeitraum 1994 - 2004 signalisiert im Lebenszyklus noch die Wachstumsphase.
- Die Branche ist weltweit wenig konzentriert. Auf die TOP 10 entfielen 2005 lediglich 41% des Branchenumsatzes.18
- Die Pharmaunternehmen weisen hochgradig individuelle Produktportfo- lios auf. Dies ist aufgrund der großen Produktvielfalt - insbesondere aufgrund der Patentrechte - und der geringen Marktanteile der Masse der Unternehmen nicht weiter verwunderlich.19 Insgesamt müssen auch etwa 30.000 ICD-differenzierte Krankheiten und Therapien abgedeckt werden.20
- Die Ertragssituation war in den untersuchten Jahren zwischen 1998 bis 2004 mit Nettorenditen von durchschnittlich 16% „hervorragend“.
- Die Branche ist längst etabliert und kann insoweit die Bedeutung und Werthaltigkeit von Unternehmen und Ressourcen einschätzen. Mitunter spricht die seit Jahren ausgeprägte Ranking-Kultur dafür. Unsicherheiten bestehen jedoch hinsichtlich latenter Gesundheitsrisiken pharmazeutischer Präparate, die Kostenrisiken von Forschung und Neupatentierungen21 und internationalen Handelsregelungen.22
- Die (sehr großen) Unternehmen der Branche verfügen über eine erheb- liche, weiter zunehmende Akquisitionserfahrung.
- Patentabläufe wirken zudem in Verbindung mit hohen Wachstums- und Ertragserwartungen der Investoren als Akquisitionstreiber. Die Unter- nehmensakquisitionen dienen dazu, das erodierende Produktportfolio wieder aufzufüllen.23 Unternehmen, „die sich hinsichtlich ihrer Ressourcenstruktur ergänzen könnten, finden sich auch innerhalb der gleichen geographischen Region und im gleichen Kulturkreis.“24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 5: Zusammenhang zwischen Erfolgswahrscheinlichkeit (-prognose) und Desinvestiti- onen nach Weinert (2010)25
Diese Branchenmerkmale bilden eine erste Grundlage der vorliegenden Arbeit. Sie werden durch die zwangsweise nur kursorische wirtschaftshisto- rische Untersuchung des US-Pharmamarktes und der auf sie wirkenden Einflussgrößen (Abschnitt 3.1) ergänzt. Die vorliegende Literatur zu einigen großen Pharmaunternehmen in Deutschland und die über weite Zeiträume eng „vernetzte“ (Chemie)Branche beider Länder, ermöglicht zur Absiche- rung eines US-Branchenzyklus, einen kurzen Vergleich mit der US-Chemie- bzw. Pharmaindustrie (Abschnitt 3.2).
Auf der Grundlage der Skizzierung von Lebenszyklen nationaler Branchen (Abschnitt 2.4) ermöglichen diese Vorarbeiten eine erstmalige Ableitung eines Branchenlebenszyklus für die US-Pharmaindustrie (Abschnitt 3.3) mit der von Weinert (2010) plausibel nachgewiesenen Wachstumsphase wohl um 1990 bis nach 2004. Der vergleichende Ansatz hilft auch die bestehen- den (Statistik)Lücken bei der Betrachtung eines Zeitraums von über 125 Jahren zu überbrücken.
Dem empirischen Hauptteil geht dazu die Darstellung der Grundlagen und Definitionen voraus (Abschnitt 2). Diese soll verdeutlichen, aus welchen Impulsen heraus es zu Unternehmensakquisitionen kommt und wie der Erfolg von solchen (theoretisch) gemessen werden kann.
Die eigene empirische Untersuchung basiert auf der Untersuchung von mittlerweile historischen Unternehmenskäufen der heutigen Top 10 US- amerikanischen Pharma-Unternehmen unter den TOP 25, die aus dem 12th Annual Pharm Exec 50 von 2011 (Pharmaceutical Executive) entnommen sind. Mit fortschreitender empirischer Untersuchung wurde das Sample der zehn Pharmaunternehmen auf neun reduziert und Mylan Inc. als Generika- hersteller ausgeschlossen. Weiter untersucht wurden die bleibenden TOP 9 forschenden Pharmaunternehmen.
Für diese heute neun größten US-Pharma-Unternehmen (Abschnitt 4.1 sowie Tab. 20) werden dann, anhand der allgemein zugänglichen jeweiligen Firmenhistorie (Internet), Informationen über erkennbare Unternehmensübernahmen (Transaktionen) ermittelt. Dabei wird der gesamte Zeitstrahl von etwa 100 Jahren - soweit quellenseitig möglich - abgebildet. Anschließend werden die Unternehmen anhand der bereits dargestellten sechs bis sieben Merkmale beschrieben (Abschnitt 4.2)26.
Die Diskussion und ein Fazit der Ergebnisse bilden den Abschluss der Ar- beit (Abschnitt 5). Dabei wird versucht Übereinstimmungen und - soweit erkennbar - Abweichungen zum Modell von Weinert herauszuarbeiten. Mit Hypothesen wird versucht, die Ursachen hierfür, z.B. der deutlich längere Betrachtungszeitraum und modifizierter Branchenlebenszyklus, näher zu bestimmen.
2 Grundlagen und Definitionen
2.1 Wachstum und Unternehmensakquisition
Nach Ansoff (1966) hat ein Unternehmen vier mögliche Grundstrategien zur Erzielung von Wachstum: eine Marktdurchdringungs-, eine Marktentwicklungs-, eine Produktentwicklungs- und eine Diversifikationsstrategie.27 Diese vier Strategien entwickelte Ansoff aus einer Produkt-Markt-Matrix, wobei er jeweils zwischen der Beibehaltung bestehender und der Entwicklung neuer Märkte und Produkte unterschied.28
Mit der Strategie der Marktdurchdringung wird das Ziel verfolgt, Unterneh- menswachstum in bereits bestehenden Märkten mit alten Produkten zu er- reichen. Essentielles Ziel der Marktdurchdringungsstrategie ist die Erhö- hung des relativen Marktanteils, was durch eine erhöhte Marktpenetration erreicht werden kann.
Unter dem strategischen Ziel der Marktentwicklung versteht man die Imp- lementierung bereits bestehender Produkte auf neuen Märkten. Der Begriff des „neuen Marktes“ muss dabei allerdings differenziert betrachtet werden. In der Regel ist eine Modifikation gängiger Produkte notwendig, um neue Märkte zu nutzen. Neue Märkte können aber auch in Form von neuen Ab- nehmergruppen, Distributionskanälen oder einer Internationalisierung vor- liegen, so dass durch erhöhte Absatzmengen Größendegressionseffekte genutzt werden können.29
Die Produktentwicklungsstrategie zielt auf die Optimierung des Leistungs- portfolios ab. Hierbei besteht die Strategie darin, durch eine Entwicklung neuer Produktmerkmale oder äußerlicher Anpassung der Produkte, einen gesteigerten Kundennutzen zu generieren und so Marktanteile bei der vorhandenen Zielgruppe auf dem Markt auszubauen.30
Mit dem Begriff Diversifikation beschreibt man eine Wachstumsstrategie der planmäßigen Ausdehnung der bisherigen Schwerpunkttätigkeit einer Unternehmung auf vor- und nachgelagerte, angrenzende oder völlig neue Märkte und Leistungsbereiche.31
Zur Umsetzung der von Ansoff dargestellten Wachstumsstrategien stehen Unternehmen zahlreiche Formen zur Verfügung. Diese lassen sich den drei Gruppen internes Wachstum, Kooperation und externes Wachstum zuord- nen.
Im Gegensatz zum internen erfolgt das externe Wachstum mittels Angliederung bereits bestehender wirtschaftlich und rechtlich selbstständiger Unternehmen (Unternehmensakquisitionen). Hierbei spricht man auch von einem anorganischen Wachstum des betreffenden Unternehmens.
Diese Maßnahmen zielen auf die Übernahme vorhandener Unternehmen durch kapitalmäßige Zusammenfassung in Form von Unternehmensakquisi- tionen, -fusionen oder Beteiligungen.32 Ein externer Unternehmenserwerb erlaubt eine rasche Expansion des Leistungsangebotes in neue Teilmärkte, ohne mit den Problemen von existierenden Markteintrittsbarrieren konfron- tiert zu werden. Nachteilig sind die mitunter hohen Akquisitionskosten und die regelmäßig auftretenden Integrationsprobleme des neuen Unterneh- mens. Weiterhin sind rechtliche Aspekte des Kartell- und Wettbewerbsrech- tes zu beachten.33
Für das weitere Verständnis ist eine Betrachtung der verschiedenen begriff- lichen Abgrenzungen erforderlich. Untersuchungsgegenstand der Diplom- arbeit ist das externe Unternehmenswachstum mit Hilfe von Akquisitionen. Dabei können Akquisitionen nach verschiedenen Kriterien klassifiziert wer- den.34 Die klassische Methode nimmt eine Einteilung anhand der Akquisitionsrichtung vor. Demzufolge lassen sich drei Akquisitionsarten abgrenzen: horizontale, vertikale und konglomerate.
Unter einer horizontalen Akquisition versteht man die Übernahme eines Unternehmens auf derselben Produktions- und Handelsstufe, wobei die Produktionstiefe definitionsgemäß konstant bleibt.35 Falls es durch die Ak- quisition zu einer quantitativen Steigerung des Produktprogramms ohne qualitative Änderungen kommt, spricht man von einer horizontalen Akquisi- tion ohne Produkterweiterung. Erweitert sich das Produktionsprogramm dagegen um ähnliche Produktgruppen, so handelt es sich um eine Akquisi- tion mit Produktausweitung.
2.2 Akquisitionsziele und -theorien
So vielfältig Akquisitionstypologien und deren Ausprägungen auch sind, so unterschiedlich sind die Erklärungsansätze, die das Entstehen von Unternehmenszusammenschlüssen zu erklären versuchen.
So beschäftigt sich die Transaktionskostentheorie nicht nur mit Unternehmenszusammenschlüssen, sondern mit allen Arten ökonomischer Organisationen.36 Grundgedanke der Theorie ist die Annahme, dass jeder Marktteilnehmer Transaktionskosten verhindern will. Unter Transaktionskosten sind sowohl pagatorische Kosten der Nutzung des Marktes, wie z.B. Anbahnungs- und Vereinbarungskosten, als auch kalkulatorische Kosten zu verstehen, zu denen auch Opportunitätskosten zählen.37
Nach der Ressourcentheorie liegt die Haupttriebkraft für Unternehmensakquisitionen dagegen in der Ausnutzung sich ergebender Synergieeffekte durch Ressourcenergänzung.
Der Industrieökonomik, auch Monopoly Theory genannt, obliegt die Grundidee, die Verhandlungsmacht des eigenen Unternehmens gegenüber Lieferanten, Wettbewerbern und Nachfragern zu stärken und gleichzeitig durch Akquisitionen die Branchenstruktur homogener zugestalten.
Nach der Umverteilungstheorie (Raidertheorie) werden Unternehmensakquisitionen durchgeführt, um Vermögenswerte zwischen Stakeholdern der Zusammenschlussunternehmen umzuverteilen. Die Möglichkeit zur Umverteilung ergibt sich aus Informationsasymmetrien, einem den Wert des Gesamtunternehmens übersteigerten Wert der Unternehmensteile und Unterbzw. Überbewertungen der Unternehmen.
Im Gegensatz zu den oben genannten Ansätzen unterliegen Unternehmenszusammenschlüsse, die dem Ansatz der Empire Building Theory folgen, keinen rationalen betriebswirtschaftlichen Motiven. Unternehmensakquisitionen werden in diesem Falle durchgeführt, da sich beteiligte Manager Vorteile erhoffen (Managerialism).
Nach der Steuerhypothese werden schließlich Unternehmensakquisitionen durchgeführt, um Steuervorteile, beispielsweise durch Nutzung von Verlustvorträgen zu erzielen.38
2.3 Erfolgsmessung von Unternehmensakquisitionen
In der Literatur hat sich bis heute keine Methode zur Erfolgsmessung tatsächlich durchgesetzt, wenngleich in jüngeren Studien fast ausschließlich die Verwendung kapitalmarktorientierter Untersuchungen zu beobachten ist.39 In der gängigen Praxis haben sich vor allem fünf gängige Methoden etabliert, welche im Weiteren kurz vorgestellt werden.
Hierzu gehört auch die oben angesprochene kapitalmarktorientierte Erfolgsanalyse.40 Hierbei wird die Reaktion des Kapitalmarktes auf die Ankündigung einer Akquisition beobachtet. Zu Messung bedarf es nun der Berechnung der abnormalen Rendite. Die abnormale Rendite gibt die Abweichung der nach der Ankündigung beobachteten Rendite der Aktie von einer hypothetischen, ohne die Ankündigung erwarteten Rendite der Aktien, in einem festgelegten Untersuchungszeitraum an.41
Selbstverständlich ist eine Börsennotierung der zu beobachteten Unter- nehmen Voraussetzung für eine Erfolgsmessung. In der Literatur besteht Uneinigkeit darüber, für welchen Zeitraum die abnormale Rendite ermittelt werden soll.42 Ebenso ist unklar in wiefern es zu einer Verzerrung kommt, indem Aktienmärkte unverhältnismäßig auf Akquisitionen oder deren An- kündigungen, reagieren.
Die jahresabschlussorientierte Erfolgsmessung ist die in Studien am häu- figsten benutzte Methode zur Erfolgsmessung.43 Als Bemessungsgrundlage dienen dieser Methode Daten aus den Jahresabschlüssen der zu untersu- chenden Unternehmen. Entsprechend der doppelten Informationszielset- zung des Jahresabschlusses - „Einblick in die Vermögens- und Finanzlage“ sowie „Einblick in die Ertragslage“ - kann zwischen finanzwirtschaftlicher und erfolgswirtschaftlicher Bilanzanalyse differenziert werden.44
Die Aussagekraft der Erfolgsgrößen Gewinn, Verlust und Cashflow ist aller- dings gering, da sie Inputgrößen wie den Faktoreinsatz nicht berücksichti- gen. Aus diesem Grund, aber auch aus der Notwendigkeit, Erfolgsgrößen verschiedener Unternehmen miteinander vergleichen zu können, werden in der Regel relative Größen in Form von Rentabilitätszahlen verwendet. Die gängigsten Rentabilitätskennzahlen sind Eigen- und Gesamtkapitalrentabili- tät.45
Ebenso wie die kapitalmarktorientierte Erfolgsmessung hat auch die jahres- abschlussorientierte Methode den Nachteil der Quantifizierbarkeit. Es ist praktisch unmöglich zu prognostizieren wie sich ein Unternehmen, welches einen Unternehmenszusammenschluss vollzogen hat, ohne diese Akquisi- tion entwickelt hätte.
Eine weitere Methode zur Feststellung des Erfolges von Unternehmenszu- sammenschlüssen ist die Befragung des an der Akquisition beteiligten Ma- nagements des übernehmenden Unternehmens.46 Diese Befragungen ha- ben den Vorteil, dass man zum einen Zugang zu unternehmensinternen Daten erhält, zum anderen aber auch Einblick in die Einschätzungen des Managements erlangt. Außerdem bietet dieses Verfahren die Möglichkeit, den Erfolg eines Zusammenschlusses an den angestrebten Zielen zu mes- sen.47
Der Nachteil dieser Methodik ist eine mögliche Verzerrung durch das Verhalten der Befragten und deren Bereitschaft. So stellen beispielsweise Befragte einen Zusammenschluss, der unter ihrer Federführung stattfand, erfolgreicher dar, als dieser in Wirklichkeit war.
In verschiedenen Studien wird zur Messung des Diversifikationserfolges auch die Desinvestitionsquote herangezogen.48 Das Desinvestitionsverfahren untersucht ob und wann ein erworbenes Unternehmen wieder veräußert oder liquidiert wird und schließt daraus auf einen potentiellen Erfolg oder Misserfolg der Akquisition. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein Unternehmen - abgesehen von einigen wenigen Sonderfällen - eine erfolgreiche Geschäftseinheit nicht verkaufen oder schließen wird.
Das Problem dieser Methode liegt darin, dass es in der Realität eine Vielzahl von Gründen für eine Desinvestition gibt. Desinvestitionen können sogar als zielgerichtete Handlung zur Erhöhung des Aktionärsvermögens interpretiert werden, wenn z.B. unprofitable Unternehmen gekauft, saniert und mit Gewinn wieder verkauft werden oder wenn eine Bewertung der Summe aller Unternehmensteile einen höheren Wert ergibt als die Bewertung des Unternehmens als Ganzes.
Einige US-amerikanische Studien verwenden zur Messung des Akquisitionserfolges schließlich die Marktposition.49 Diese Methode definiert den Indikator für Erfolg als Marktposition des zu untersuchenden Unternehmens. Dabei wird die Marktposition eines Unternehmens anhand des Marktanteils bestimmt. Marktpositionsorientierte Analysen untersuchen die Veränderungen der Marktposition des akquirierenden Unternehmens infolge des Unternehmenszusammenschlusses.50
Kritiker dieser Methode heben hervor, dass eine exakte Marktabgrenzung sehr schwierig und subjektiv ist. Auch die alleinige Fokussierung auf den Einflussfaktor Unternehmenszusammenschluss auf die Marktposition ver- zerrt die Realität. Porter identifiziert in diesem Zusammenhang fünf Kräfte: Wettbewerb zwischen konkurrierenden Unternehmen im Markt, die Ver- handlungsmacht von Zulieferern, die Verhandlungsmacht der Käufer, die Bedrohung durch Substitutionsprodukte sowie die Gefahr durch den Markteintritt neuer Wettbewerber.51
2.4 Lebenszyklus nationaler Branchen
Das Konzept von Lebenszyklen von Branchen basiert im Kern darauf, dass zu Beginn einer „neuen“ Branche relativ kleine Einheiten, im Extremfall so- gar nur (mehrere) Einzelpersonen als Erfinder oder Innovateure anzutreffen sind. Dies trifft überschlägig bei allen Branchen zu, deren Beginn auf die Erfindung einer Basisinnovation zurückgeht.
Einer der Vorreiter dieser Branchenzyklen, war hinsichtlich der Analyse und Interpretation gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der zivilisierten - heute würde man sagen westlichen Welt - u.a. Kondratieff: Seit dem späten 18. Jh. konnten bislang fünf Kondratieffzyklen empirisch nachgewiesen werden (Abb. 1). Der dritte Langzyklus (3. Kondratieff) wurde durch die Erfindung der Elektrizität und dem Entstehen der Chemiebranche ausgelöst und von etwa 1880 - 1930 getragen.52
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Bisherige Kondratieff-Zyklen im Überblick53
Dieser lange Zyklus wird angeführt, da die in der vorliegenden Arbeit zu betrachtende Pharmaindustrie aus dieser Chemiebranche wesentlich mit entstanden ist. In beiden Fällen - bei den langen Wellen und den Branchen- zyklen - beginnt es mit dem beschriebenen Impuls bzw. isoliert von einan- der erfolgenden Initialzündungen: Diese erste Phase wird als „Entste- hungsphase“ bezeichnet (vgl. hierzu die graphische Darstellung in Abb. 3 in Abschnitt 3.3).54
Strategien, Produkt- und Prozesstechnologie sind zunächst uneinheitlich.55 Die Ressourcenunterschiede, die Produkt- und Verfahrenstechnologie, die Vertriebs- und Verkaufswege, die bedienten Kunden (später Märkte) usw. zwischen den Entrepreneuren und Klein- bzw. Kleinstunternehmen sind höchst unterschiedlich. Standards können sich noch nicht herausbilden. Patente und Markenrechte bilden erste Abgrenzungen. Damit können sich Standards herausbilden, die mitunter Voraussetzung für das Kaufinteresse einer größeren Anzahl von Verbrauchern in der nachfolgenden Wachs- tumsphase sind.
Zu Beginn der Wachstumsphase treten neue Anbieter auf: Sie sind auf die sich ergebenden Chancen aufmerksam geworden. Das bringt naturgemäß neue Wettbewerber mit sich, die über andere (größere) finanzielle, techno- logische, geografische und wissensmäßige Ressourcen verfügen, Nach Weinert kommt es zu Produktinnovationen in leicht vermindertem Umfang, und zu Prozessinnovationen in großem Umfang. Es ist gleichzeitig aber weiterhin von einer großen Diversivität der Ressourcen auszugehen, die zunehmend Intransparenz in den Unternehmensmarkt bringen.
Im Laufe der Wachstumsphase scheiden weniger erfolgreiche Unterneh- men aus der Branche aus oder werden von erfolgreicheren Wettbewerbern übernommen. Häufig stellt sich die Gründerkonstellation als nicht tragfähig heraus. Gleichzeitig steigt damit erstmals der Konzentrationsgrad. Dies führt zu einer Zusammenführung der Ressourcen von Unternehmen und einer verbesserten und - häufig zwischen den Wettbewerbern - auch ähnli- chen Nutzung derselben.
Um im Wettbewerb zu bestehen - auch die Kundenwünsche werden diffe- renzierter - nehmen die Produktdiversifikation und das Ausmaß der Aus- landsdiversifikation zu. Im Vergleich mit den folgenden zwei Phasen der Reife- und Degeneration bestehen deutliche Ressourceunterschiede zwi- schen den agierenden Unternehmen. Es ist daher nach Weinert, von an- fänglich hohen, später mittleren Verbundeffekten durch komplementäre Ressourcen und unterschiedlich gut genutzte Ressourcen auszugehen.
Im Verlaufe der nun folgenden Reifephase nehmen diese Ressourcenunterschiede weiter ab: Technologien sind weit unter den Anbietern gestreut, die Produkte werden durch die Transparenz auf der Verbraucherseite zunehmend austauschbar. Das hohe Marktvolumen verhindert (noch) das Ausscheiden „schwächerer“ Unternehmen.
Die internationalen Märkte nehmen ebenso zu wie zunehmende Prozessinnovationen, Kostensenkungsstrategien und Nachahmungen. Neue Produkte zu platzieren wird schwierig und teuer. Zukäufe bringen geringere Verbundeffekte als noch in der Wachstumsphase. Am Ende der Reifephase und in der - letztendlich den Branchenzyklus abschließenden - Degenerationsphase bestehen nur mehr geringe Ressourcenunterschiede zwischen den Unternehmen einer Branche.
Von zentralem Interesse für die vorliegende Arbeit sind die - aus der knappen - Schilderung abzuleitenden bzw. zu erwartenden unterschiedlichen Erfolgswahrscheinlichkeiten bei horizontalen strategischen Unternehmensakquisitionen in allen vier Phasen: Das Synergiepotential ist in der Wachstums- und Reifephase höher als in der Anfangs- und Endphase.
3 US-Chemie- und Pharmaindustrie seit Ende des 19. Jh.
3.1 Relevante Einflussgrößen für die Entwicklung in den
USA
Im Vordergrund stehen hier Kenngrößen, die eine erste Einschätzung eines Branchenzyklus mit Hilfe der Bevölkerungs-, der Wirtschaftsentwicklung, der relevanten Branchenentwicklung(en) aber auch der politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Ereignisse erlauben.56
Für die Branchenentwicklung, zunächst der Chemie- und später der daraus sich sich entwickelnden Pharmaindustrie, werden unterschiedliche Indikatoren herangezogen. Aus diesen sollen Unternehmensgrößen einschl. der weltweiten Einordnung der US-Pharmabranche (Welthandel), die Marktreife sowie Branchenspezifika eingeschätzt werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 6: Einwohner und -struktur sowie Haushalte der Vereinigten Staaten von Amerika 1890 und 201057
[...]
1 Zu Begriff und Formen sowie Zielsetzungen von Unternehmensakquisitionen, Unter- nehmenszusammenschlüssen bzw. auch Merger & Acquisitions siehe u.a. Wöhe/ Dö- ring (2010): S. 250-256.
2 Vgl. zu den Prozentangaben Weinert (2010): S.1.
3 Weinert (2010).
4 Zum Begriff „horizontale strategische Akquisitionen“ siehe die näheren Erläuterungen im Kapitel 2.1 der vorliegenden Diplomarbeit nach Weinert (2010): S.3.
5 Zur Erläuterung des Branchen-Lebenszyklus siehe Abschnitt 2.4 dieser Arbeit in Anleh- nung an Weinert (2010): S. 23ff.
6 Vgl. zur Beschreibung des Samples Weinert (2010), S. 59ff.
7 So beläuft sich die Anzahl der Pharmaunternehmen aller Größenordnungen in Deutsch- land 2009 auf 903, davon allerdings nur 5,5 Prozent (50 Unternehmen) mit über 100 Mitarbeitern, vgl. hierzu z.B. BPI (2011), S. 8. Der VFA (2012) gibt weitere 45 for- schende Pharma-Unternehmen an, welche meist Tochterunternehmen weltweit tätiger Pharmaunternehmen, sind.
8 Eigene Darstellung nach Weinert (2010): S. 57, 67f., 77, 88, 102 mit eigenen Einschät- zungen (*).
9 Weinert diskutiert hierzu die unterschiedlichen Erfolgsfaktoren und wählt dann die sie- ben aufgeführten Faktoren aus. Vgl. hierzu Weinert (2010): S. 13-18 und S. 66 sowie zu den vier untersuchten Branchen dann S. 68-72, 77-80, 83-86 und 88-94.
10 Weinert (2010): S. 56.
11 Vgl. hierzu und zum Folgenden Weinert (2010): S. 20-23.
12 Eigene Darstellung nach Weinert (2010): S. 22.
13 Vgl. zur Bewertung der verschiedenen Verfahren zur „Erfolgsmessung“ von Unterneh- mensakquisitionen Weinert (2010): S. 18: „Demnach kann sich eine Untersuchung branchenspezifischer Erfolgsfaktoren strategischer horizontaler Unternehmensakquisiti- onen nicht auf einen gesicherten Stand der Erfolgsfaktorenforschung stützen.“.
14 Vgl. Weinert (2010): S. 63f.
15 Eigene Darstellung nach Weinert (2010): S. 67.
16 Quelle: Eigene Darstellung nach Weinert (2010): S. 54.
17 Vgl. Weinert (2010): S. 77-80, insbesondere auch Abb. 7 auf S. 78, Abb. 8 auf Seite 79.
18 Dies bestätigt auch die eingeschätzte Marktgröße der Pharmaindustrie in Tab. 1.
19 So waren allein mit Stand Juni 2011 insgesamt 137.400 Arzneimittel im deutschen Arz- neimittelinformationssystem (AMIS) registriert. Der Bestand der Arzneimitteldatenbank umfasst Dokumente zu zugelassenen und ehemals zugelassenen Arzneimitteln (ab Stichtag 30.04.1990) sowie zugehörige beschiedene und offene Änderungsanzeigen. Vgl. DIMDI (11.06.2012).
20 ICD bedeutet International Classification of Diseases - ein von der Weltgesundheitsor- ganisation herausgegebenes Manual aller anerkannter Krankheiten und Diagnosen. Durch den ICD10 ist es möglich eine internationale Klassifikation von Diagnosen vorzu- nehmen. Vgl. hierzu u.a. MedKolleg (10.06.2012).
21 Die Patentlaufzeit beträgt in der Pharmaindustrie 20 Jahre. Die tatsächliche Verwer- tungszeit ist jedoch kürzer, da von der Patenanmeldung des Wirkstoffes bis zur Markt- zulassung des fertigen Arzneimittels aufgrund der erforderlichen Tests und Prüfungen nicht weniger als zehn Jahre vergehen. Vgl. vbw (2008): S. 62.
22 Vgl. hierzu beispielhaft, dass erstmals in Indien ein Pharmaunternehmen gezwungen wird, ein Patent an einen Generika-Hersteller weiterzugeben: Das Krebsmittel Nexavar der Bayer AG, Leverkusen soll, von der indischen Natco Pharma Limited, Hyderabad produziert, nur noch einen Bruchteil kosten. Handelsblatt (11.06.2012).
23 Dieser Fakt könnte nach Einschätzung des Verfassers aber auch, in Verbindung mit den genannten Risiken von Forschung und Neu-Patentierung, tendenziell auf die Reife- phase der (westlichen) Pharmabranche hinweisen.
24 Weinert (2010): S. 80. Zum Themenkomplex Kulturkreise, siehe u.a. Huntington (1997): S. 122. Huntington führt acht führende Weltzivilisationen auf, wobei die westliche bevölkerungsmäßig auf Platz 4 nach der sinischen, islamischen und hinduistischen liegt. An achter und letzter Stelle liegt die japanische Zivilisation, sprich Kulturkreis. Die Synopse in Abschnitt 3.2. zeigt allerdings, dass im 19. Jh. und in der 1. Hälfte des 20. Jh. von einer stark national geprägten Entwicklung auszugehen ist.
25 Quelle: Eigene Darstellung nach Weinert (2010): S. 102.
26 Vgl. S. 10f. der vorliegenden Arbeit.
27 Vgl. Ansoff (1966): S. 132.
28 Vgl. Dörr (2000): Grenzüberschreitende Unternehmenszusammenschlüsse, S. 5.
29 Vgl. Welge/ Al-Laham (2001): S. 439.
30 Vgl. Macharzina (2003): S. 252.
31 Vgl. Welge/ Al-Laham (2001): S. 445.
32 Vgl. Dörr (2000): S. 6f.
33 Vgl. Dörr (2000): S. 7.
34 Vgl. Pausenberger (1989): S. 621-626.
35 Vgl. hierzu sowie zum Folgenden Dörr (2000): S. 8 und 8f.
36 Vgl. Williamson (1990): S. 18.
37 Vgl. Oehlrich (1999): S. 12.
38 Vgl. Weinert (2010): S. 6.
39 Vgl. Geyer (1994): S. 276.
40 Einen Überblick über einige durchgeführte kapitalmarktorientierte Untersuchungen gibt beispielsweise Bühner (1990): S. 105-113.
41 Vgl. Jung (1993): S: 6; Bühner (1992): S. 449.
42 Die in empirischen Studien angewendeten Untersuchungszeiträume variieren zwischen 2 Tagen und 61 Monaten, d.h. gut fünf Jahren und beziehen sich teilweise ausschließ- lich auf den Zeitraum vor der Ankündigung, teilweise auf den Zeitraum sowohl vor als auch nach der Ankündigung. Vgl. beispielsweise Asquith (1983): S. 51-83; Dodd (1980): S. 105-137.
43 Vgl. Schüle (1992): S. 105.
44 Vgl. Burger (1995): S. 5.
45 Vgl. Schüle (1992): S. 105.
46 Diese Methodik wird beispielsweise angewendet bei Kaufmann (1990).
47 Vgl. Jung (1993): S. 12.
48 Vgl. hierzu die bei Weinert (2010): S. 12f. angegebenen Quellen.
49 Marktpositionsorientierte Erfolgsmessungen nutzt z.B. Hopkins (1987): S. 535-547.
50 Dörr (2000): S. 73f.
51 Porter (1991): S. 95-117.
52 Eine ausführliche Darstellung dieser Mega-Theorie von Nikolai Kondratieff ist zu entnehmen bei Nefiodow (2006): S. 1-27.
53 Vgl. Allianz Global Investors (23.06.2012), S. 6.
54 Aus Platzgründen wird an dieser Stelle auf eine (Vorab-)Wiederholung einer allgemein gültigen Darstellung des Kurvenverlaufs bei einem Branchenzyklus verzichtet.
55 Vgl. zum folgenden Abriss des Branchenzyklus Weinert (2010), S. 30ff. und S. 49ff. Auf die dort verwiesene Literatur wird in der Kürze der Darstellung nicht eingegangen.
56 Eine teilweise ähnliche Indikatorenauswahl findet sich bei Cassel (1987): S. 4, 16, 25, 43, 44. Durch den Schwerpunkt der Betrachtung auf die Jahre nach 1980 finden sich dort aber auch Indikatoren wie (Struktur) der Gesundheitsausgaben, Finanzierung des Gesundheitswesens, Vertriebssystem, F + E-Aufwendungen, Anzahl Markteinführung neuer Medikamente, Export-/Importstatistiken usw. Einige werden ebenfalls mit interna- tionalen Vergleichen konfrontiert (S. 10).
57 Census 1890 nach Brockhaus-Konversationslexikon, 16/1898, S. 235, U.S. Census Bureau (01.06.2012).
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.