Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Themeneinleitung und Fragestellungen
2 Sportler und Sportlerinnen als Personenmarke
2.1 Besonderheiten bei Sportathleten und -athletinnen
2.2 Eigenschaften und Voraussetzungen von Personenmarken im Sport
3 Personenmarketing bei Fußball-Nationalspielern und -Nationalspielerinnen
3.1 Personenmarketing bei Fußball-Nationalspielern
3.2 Personenmarketing bei Fußball-Nationalspielerinnen
4 Zusammenfassung und Fazit
5 Literatur- und Quellenverzeichnis
1 Themeneinleitung und Fragestellungen
Mario Götze und Benedikt Höwedes sind Markenbotschafter von Mercedes-Benz. Am Vorabend des Automobilsalons in Genf gab der deutsche Autohersteller Anfang März 2012 bekannt, dass die beiden Fußball-Nationalspieler auch über die Fußball-Europameisterschaft hinaus – Mercedes ist offizieller Partner des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und schaltet verschiedene Kampagnen mit den DFB-Kickern – für den Stuttgarter Konzern werben. Der 24-jährige Höwedes und der vier Jahre jüngere Götze sollen laut Mercedes hauptsächlich für das Kompaktwagensegment stehen und eine junge Zielgruppe ansprechen. Erschienen ist die von der Agentur Jung von Matt entwickelte Kampagne unter dem Claim „Der Pulsschlag einer neuen Generation“. In der Pressemitteilung des Konzerns und auf Horizont.net – laut Eigenbeschreibung ein Portal für Marketing, Werbung und Medien – erklärt der Konzern-Marketingchef, warum sich Mercedes ausgerechnet für Götze und Höwedes entschieden hat.
„,Beide Spieler stehen für den Pulsschlag einer neuen Generation. Sie sind sportlich, jung und angriffslustig und zeigen eine neue, erfrischende und begeisternde Art von Ästhetik, Selbstbewusstsein und Dynamik. Daher passen sie perfekt zur neuen Generation unserer Fahrzeuge in der Kompaktklasse‘, erklärt Marketingchef Joachim Schmidt“ (Mercedes.de, 2012).
Laut Bild.de (2012) zu demselben Thema läuft der Vertrag der beiden Nationalspieler bis 2013. Mario Götze soll demnach 500.000 Euro pro anno aus dem Testimonial- und Markenbotschafter-Engagement verdienen.
Allein dieses Fallbeispiel zeigt, dass offensichtlich immer mehr Sportler und insbesondere Fußballer bei Unternehmen als Werbefiguren begehrt sind. Das Interesse gerade an der kickenden Zunft ist laut Schaaf (2011a) augenscheinlich, wie sie in einer Längsschnitt-Untersuchung zum Thema Testimonialwerbung mit Sportlern in deutschen Publikumszeitschriften feststellt.
„Im Rahmen dieser Kampagnen werden überwiegend männliche Protagonisten des Fußballsports – aktive und ehemalige Nationalspieler, Trainer und Manager/Funktionäre – als Testimonials verpflichtet. Dieser hohe Bedarf der werbetreibenden Wirtschaft ist durchaus nachvollziehbar, da die Fußballprominenz die werberelevanten Leistungseigenschaften eines erfolgreichen Markenbotschafters in vollem Umfang erfüllt. Neben einer hohen Medienpräsenz der ausgeübten Sportart sowie des Sportakteurs selbst verfügt der Fußball über den höchsten gesellschaftlichen Stellenwert in allen sozialen Milieus, sodass sich eine sehr breite Bevölkerungsschicht erreichen lässt“ (Schaaf, 2011a, S. 82).
Auch auf den gesamten internationalen Fußballsektor lässt sich dieser Trend bestätigen. Zahlen, die das französische Magazin „France Football“ veröffentlicht und von deutschen Medien aufgegriffen wurden, bestätigen, dass die Einnahmen generell und die Werbeerlöse im Besonderen von Fußballern gestiegen sind. Von seinen 2011 verzeichneten Einnahmen in Höhe von 33 Millionen Euro generierte der argentinische Weltfußballer Lionel Messi vom FC Barcelona allein 21 Millionen Euro aus Werbeverträgen und damit exakt doppelt so viel seines Gehaltes. Weitere 1,5 Millionen Euro verdiente sich der Offensivspieler aus Prämien. Damit zählt Messi zu den bestbezahltesten Fußballern der Welt (vgl. Welt.de, 2012). Eine Ende des werblichen Engagements ist auch im Hinblick seiner anhaltenden sportlichen Erfolge (unter anderem brach der Offensivspieler mit 91 Pflichtspieltreffern im Kalenderjahr 2012 den mehr als 40 Jahre währenden Torrekord von Gerd Müller) nicht in Sicht: Aktuell wirbt der Argentinier in einem TV-Spot zusammen mit dem US-Basketballer Kobe Bryant für Turkish Airlines (Handelblatt.com, 2012) .
Bei dem Zweitplatzierten ist die Kluft zwischen den Einnahmequellen sogar noch deutlicher. Der englische Fußballer David Beckham erzielte im Jahr 2011 26 Millionen Euro aus Werbeverträgen, während ihm seine Arbeitgeber (AC Milan und Los Angeles Galaxy) „nur“ 4,8 Millionen Euro plus 700.000 Euro Prämien überwiesen. Der Drittplatzierte Cristiano Ronaldo erhielt im gleichen Jahr mit 13 Millionen Euro das größte Gehalt. Der portugiesische Torjäger von Real Madrid verzeichnete zudem 15,5 Millionen Euro aus nachgelagerten Wertschöpfungsbereichen wie Werbung (ebd.). Auch in anderen Sportarten scheint eine gezielte Vermarktung lukrativ zu sein. Schierl (2011) stellte beispielsweise fest, dass der US-amerikanische Golfprofi Tiger Woods 1999 sogar „mehr als das Elffache seiner Preisgelder mit Werbung oder Sonstigem“ verdiente (Schierl, 2011, S. 327).
Während männliche Sportler und vor allem erfolgreiche Fußballer in Deutschland auf den ersten Blick also durchaus satte Erlöse aus „Nebenverdiensten“ erzielen können, scheint Personen-Vermarktung bei den weiblichen Pendants weitaus schwieriger zu sein. Immerhin – so ist der subjektive Eindruck – ist die Unternehmenswerbung mit Testimonials aus dem Frauenfußball nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2011 im eigenen Land nicht mehr (oder nicht mehr in dem Maße wie vor der WM) existent.
In dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, ob Fußballerinnen tatsächlich schwieriger zu vermarkten sind und – falls dies der Fall sein sollte – warum dies so ist. Dabei sollen anhand ausgewählter Beispiele von Nationalspielern und -spielerinnen zum einen die möglichen Strategien der a) Verbände und zum anderen der b) werbetreibenden Unternehmen beleuchtet und in Punkto der Geschlechter verglichen werden. Die anscheinende werbliche Überpräsenz der deutschen Nationalspielerin Fatmire „Lira“ Bajramaj im Zuge der FIFA-Weltmeisterschaft der Frauen 2011 in Deutschland sowie weitere Darstellungen der Nationalmannschaft in außerfußballerischen Kontexten (Mode-Fotostrecke in der Zeitschrift „Brigitte“ / Schaaf, 2011b, S. 6f) legen der Verdacht nahe, dass möglicherweise gerade im Frauenfußball ästhetische Gesichtspunkte eine große Rolle bei der Einzelsportlervermarktung spielen.
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen, wird zunächst im folgenden Abschnitt auf die theoretische Verortung und die Besonderheiten der Personen- beziehungsweise Einzelsportlervermarktung eingegangen. Im Anschluss daran sollen einzelne Beispiele die im vorigen Absatz beschriebenen Strategien der Verbände und Unternehmen beleuchten, ehe im Schlussteil ein Vergleich und Fazit folgt.
2 Sportler und Sportlerinnen als Personenmarke
Bekannte und berühmte Sportler und Sportlerinnen werden schnell als Stars oder Sportstars bezeichnet. Ostermann (2009, S. 29) stellt fest, dass Massenmedien in der heutigen Zeit ohne Stars undenkbar seien. In der Forschungsliteratur fehlt nach wie vor eine einheitliche Definition des Star-Phänomens oder des Star-Seins. Konsens herrscht darüber, dass die Relation zu anderen Menschen derselben Gruppe (z.B. zur Gruppe der Schauspieler), die soziale sowie die zeitliche und geographische Dimension bei der Bezeichnung des Star-Seins eine Rolle spielt. Das heißt, dass Stars in einigen geographischen Räumen und zu gewissen Zeitpunkten oder über Zeiträume von einigen sozialen Gruppen als Star wahrgenommen werden, von anderen wiederum nicht (ebd.). Demnach reicht es zu einem Starstatus,
„lediglich in weiten Kreisen der Bevölkerung bekannt und beliebt zu sein. Warum und mit welchem Verdienst man zum Star geworden ist, spielt keine große Rolle. Stars können gleichzeitig auch als Vorbilder fungieren, müssen es aber nicht zwangsläufig sein. Die Begeisterung für einen Star heißt noch lange nicht, auch seine Eigenschaften zu schätzen. […] Einen Star kann man lieben, aber dabei man selbst bleiben.“ (Ostermann, 2009, S. 29; Hervorhebung im Original).
Für das Personenmarketing hat das Star-Sein nach Schierl (2011) eine besondere Bedeutung, wonach der Star-Begriff sogar synonym für die „(Premium-)Personenmarke angesehen werden“ kann (Schierl, 2011, S. 328).
Global gefasst sind Marken generell „ein in der Psyche des Konsumenten oder sonstiger Bezugsgruppen der Marke fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“ (Meffert, Burmann & Koers, 2002, S. 6). Marken werden von werbetreibenden Unternehmen mit Stars gleichgesetzt und können als „zentrales Marketinginstrument“ bedeutsam werden (Schierl, 2011, S. 328). Für Rein und Kollegen (2006) funktionieren Stars ähnlich wie Firmen- oder Produktnamen, weswegen hier von Personenmarken gesprochen werden kann:
„[T]he term brand in the person marketing field […] is a more encompassing and acceptable term for people in sectors such as business and the professions who are uncomfortable with terms such as celebrity, star, and icon. Second, the concept of brand has more marketing theory, tools, and applications from the commercial world in contrast to prior visibility terms, which had been developed with historical figures and entertainers” (Rein, Kotler, Hamlin & Stoller, 2006, S. 17).
2.1 Besonderheiten bei Sportathleten und -athletinnen
Berühmte und international bekannte Sportstars wie beispielsweise der Fußballer Cristiano Ronaldo, der kürzlich zurückgetretene Formel 1-Rekordweltmeister Michael Schumacher, die ehemalige Weltklasse-Biathletin Magdalena Neuner oder der Ex-Basketballer Michael Jordan, der sich schon vor Jahren aus dem aktiven Basketball zurückgezogen hat, sind längst selbst eigene Marken, die auch namensgebend für verschiedene Produkte stehen können. Das Numeronym „CR7“ – die Initialen Cristiano Ronaldos zusammen mit seiner bevorzugten Rückennummer 7 – ist ein weit geläufiges Synonym für den portugiesischen Fußballer geworden und darüber hinaus auch Namensgeber für eine Schuhserie seines Ausrüsters Nike. Michael Schumacher hat mit seinen stilisierten Initialen „MS“ für ein eigenes Markenzeichen gesorgt und generierte nach seinem Comeback in der Formel 1 2010 weiter Werbeinnahmen aufgrund seiner hohen Bekanntheit und Beliebtheit. Auch nach ihrem Rücktritt vom aktiven Biathlon erzielt die deutsche Magdalena Neuner Einnahmen aus Werbeverträgen. Die Doppel-Olympia-Siegerin zählt nach wie vor zu den bekanntesten Sportlerinnen und präsentiert sich unter anderem als Markenbotschafterin für den Energiekonzern Eon.
Ein Paradebeispiel, wie man seinen Produktlebenszyklus auch nach dem Karriereende als aktiver Sportler am Laufen hält, ist der US-amerikanische Basketballspieler Michael Jordan. Zu seinen Anfängen unterschrieb Jordan einen Fünf-Jahres-Vertrag bei Sportausrüster Nike, was Jordan Einnahmen in Höhe von rund 500.000 Dollar per anno einbrachte (Rohlmann, 2010). Nike kreierte für ihn eine Schuh- und Bekleidungslinie unter der Bezeichnung „Jumpman“. Bis heute wird an jedem Geburtstag Michael Jordans ein neues Modell der „Air Jordan“-Schuhe plus zahlreiche weitere (Sonder-)Modelle unter dieser Bezeichnung auf den Markt gebracht. Jordan kassiert Schätzungen zufolge jährlich 40 Millionen Dollar von Nike, dessen Firmensitz sich im „Michael Jordan Building“ in Beaverton (Oregon, USA) befindet (Rohlmann, 2010, S. 117).
Allein diese Beispiele zeigen, dass Ostermann (2009) mit seiner Behauptung, wonach Wirtschaftswissenschaften mittlerweile bestrebt darin seien, „Marken zu individuellen Marken-Persönlichkeiten mit einzigartigen Merkmalen – in Annäherung an die Individualität des Menschen – zu machen“ (Ostermann, 2009, S. 31), richtig liegt und sich ein Versuch der Vermenschlichung von Marken beobachten lässt, der „auch vor dem professionellen Sport nicht halt gemacht hat (ebd.). Schierl (2011) sieht deswegen in Sportlern vor allem aufgrund ihrer hohen Medienpräsenzen, Werbeerlöse und der Tatsache, dass (Spitzen-)Sportler aus Nischen- oder Randsportarten nicht allein von Ihrem Sport leben können, nicht nur Produzenten von sportlicher Leistung:
„Sportler sind im kommerzialisierten Veranstaltungssport nicht mehr nur Akteure innerhalb des eigensinnigen, selbstbezüglichen Systems Sport und orientieren ihre Handlungen nicht nur an dessen genuiner, interessenloser Eigengesetzlichkeit. Vielmehr sind sie primär Produzenten sportlicher Leistung, welche weiterverwertet wird. Sie sind somit Wirtschaftssubjekte, die i.d.R. versuchen, im Markt ihre direkt sportbezogenen oder über Anschlussleistungen generierbaren Erlöse zu maximieren (Schierl, 2011, S. 327).
Im Gegensatz zu anderen (Berufs-)Gruppen mit Prominentenstatus oder aus der Medienlandschaft bieten Sportler und Sportlerinnen aufgrund der hohen Verbreitung des Sports in den Medien sowie dessen breite Akzeptanz in der Bevölkerung – was Einschaltquoten oder Zuschauerzahlen bei Sportveranstaltungen belegen – gute kommunikative Bedingungen. Schaaf und Nieland (2011a) sehen seit der Einführung des dualen Rundfunksystems 1984 die hohe Bedeutung des Mediensports als publizistischer Inhalt weiter erhöht. Für sie ist die mediale Darstellung von Sport, Sportveranstaltungen und seinen Protagonisten durch die privaten Sendeanstalten entscheidend: „Sport wird nicht nur umfänglicher als zuvor, sondern auch zunehmend unterhaltend aufbereitet. Sportliche Ereignisse, Handlungen und Personen werden entsprechend kontinuierlich wie seriell thematisiert“ (Schaaf & Nieland, 2011a, S. 15). Die Orientierung an zunehmend unterhaltende Elemente bringt eine verstärkte Personalisierung durch die Massenmedien mit sich, was wiederum für erhöhte Bekanntheits- und Aufmerksamkeitswerte für die Protagonisten aus dem Sport sorgt (Schaaf & Nieland, 2011a, S. 16).
2.2 Eigenschaften und Voraussetzungen von Personenmarken im Sport
Wie bereits in den voran gegangenen Abschnitten erklärt, können Personenmarken genau wie andere Marken definiert und als solche behandelt werden. Schierl (2011) zufolge erfüllen diese in dem Teilsystem Sport die gleichen Funktionen wie Konsumgüterwaren. Zum einen können Personenmarken die Informationskosten senken. Das heißt, dass „beispielsweise Wettbewerbe und Spiele mit Stars als Spitzenspiele ausgewiesen werden“ (Schierl, 2011, S. 329) wodurch der – mitunter vielleicht nicht derart fachkundige – Rezipient dem Sportereignis eine hohe oder erhöhte Wertigkeit beimisst. Eng mit diesem Punkt verknüpft benennt Schierl (2011) die Reduktion von Risiken als zweite, wichtige Funktion, wonach Sportveranstaltungen als Erfahrens- und Vertrauensgut mit Stars das Risiko minimieren, „ein nur sehr unterklassiges Spiel oder einen mittelmäßigen Wettbewerb zu sehen“. Das Angebot von Identifikation und die ideelle Nutzenstiftung ist dem Autor zufolge die dritte Funktion, die gerade im Sport und bei der Entstehung von parasozialer Interaktion und parasozialen Beziehungen bedeutsam ist und wodurch die Aufmerksamkeit gegenüber der Person(enmarke) gesteigert werden kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sportstars ein hohes Marken-Potenzial und „somit einen hohen psychisch-ideellen und einen hohen ökonomischen Wert besitzen [können]“ (Schierl, 2011, S. 330).
[...]