Wie legitimiert sich Herrschaft? Konstellationen der Naturzustands- und Gesellschaftsvertragstheorien von Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau

Mit abschließendem Bezug auf Hannah Arendts Theorie von Macht und Gewalt


Dossier / Travail, 2016

12 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Naturzustandtheorien – in welchem Zustand lebt der Mensch in „freier Natur“?
2.1. Der Naturzustand bei Hobbes
2.2. Der Naturzustand bei Rousseau
2.3. Vergleich: Hobbes und Rousseau

3. Allgemeine Struktur des Gesellschaftsvertrages – wieso bedarf der Mensch die Gesellschaft anderer und warum geht er einen „Vertrag“ mit ihnen ein?
3.1. Der Gesellschaftsvertrag bei Hobbes
3.2. Der Gesellschaftsvertrag bei Rousseau
3.3. Vergleich: Hobbes und Rousseau

4. Hannah Arendt: Der Unterschied zwischen Macht und Gewalt – Was kann der Einzelne, was der Zusammenschluss von Menschen ausüben?

5. Wie legitimiert sich Herrschaft und was kann der Mensch „leisten“?

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Hobbes und auch Rousseau liefern auf die Frage: „Wie legitimiert sich Herrschaft?“ eine, im Gegensatz zur vorherrschenden, vorhistorischen Auffassung eine neue Antwort.

Sie versuchen einen vorpolitischen Zustand zu postulieren – den Naturzustand, in dem der Mensch in keiner Gesellschaft lebt und zu keinem politischen Akt Beziehung nimmt.

Dieser Naturzustand beschreibt den Menschen in seiner „reinen“ Form – er versucht zu beschreiben, was der Mensch ist und wodurch er sich auszeichnet.

Auch versuchen sie im weiteren Schritt zu erklären, ob der Mensch den Zusammenschluss mit Menschen benötigt und inwiefern er autark lebend glücklicher und zufriedener sein könne.

Die beiden Autoren verfolgen die gleichen Ansätze, doch haben sie bezüglich des naturellen Menschen zwei unterschiedliche Auffassungen – dennoch sehen sie beide den (theoretischen) Gesellschaftsvertrag unabdingbar für die Bevölkerung.

Im Folgenden möchte ich die beiden Naturzustandstheorien von Rousseau und Hobbes miteinander vergleichen – sie gegenüber stellen – nicht aber entscheiden, welche der Theorien „besser“ ist.

Das gleiche Verfahren werde ich auf die Gesellschaftsvertragstheorien der beiden Philosophen anwenden, um in einem Exkurs die Theorien auf den Ansatz von Hannah Arendt, bezüglich Macht und Gewalt, anzuwenden.

Geklärt werden soll also Folgendes:

Wie verhält sich der Mensch von Natur aus – ist er ein von Natur aus gesellschaftliches Wesen oder spaltet er sich von Anderen ab um ein Leben frei von sozialen Verpflichtungen zu leben?

Wenn er sich in soziale Gefüge einbringt, wie verhält er sich dort? Inwiefern benötigt er diese Form des sozialen Umgangs; wer kontrolliert die Gemeinschaft oder kontrolliert sie sich selbst?

Gibt es einen Unterschied zwischen Macht und Gewalt? Wenn ja, worin besteht der Unterschied? Kann der Mensch in einer Gesellschaft Macht und Gewalt ausüben – was kann er als einzelne Person verrichten?

Wie legitimieren sich Herrschaften – durch einen Vertrag mit einer übergeordneten Instanz oder durch einen Vertrag zwischen ihnen?

2. Naturzustandstheorien – in welch einem Zustand lebt der Mensch in „freier Natur“?

Wird in der Philosophie oder auch im allgemeinen Sprachgebrauch von dem „Naturzustand“ gesprochen, so meint man einen vorpolitischen Zustand – es gibt keine staatliche Gewalt, die das Leben der Menschen lenkt. Zudem wird der Zustand rein fiktiv, theoretisch konstituiert. Der Naturzustand basiert auf keinen historischen Fakten und hat lediglich eine systematische Funktion (zur Erklärung des Gesellschaftsvertrages) inne.

2.1. Der Naturzustand nach Hobbes

Für Hobbes ist der Mensch prinzipiell vernünftig – ein rational denkendes Wesen, das allerdings eigennützige Interessen verfolgt, aber dennoch „frei“ ist:

„Die Freiheit, die jeder Mensch besitzt seine eigene Macht nach Belieben zur Erhaltung seiner eigenen [...] zu gebrauchen und folglich alles zu tun, was er nach seiner eigenen Urteilskraft und Vernunft als das hierfür geeignetstes Mittel ansieht.“

Zudem ist es „einem Menschen verboten, das zu tun, was sein Leben vernichten oder ihn der Mittel zu seiner Erhaltung berauben kann.“ (Hobbes, 1986, S. 107).

Die Menschen besäßen nahezu alle gleiche körperliche als auch geistige Fähigkeiten, aus denen der gleiche Anspruch aller auf alle Güter entsteht:

„Wo es kein Mein, das heißt kein Eigentum gibt, keine Gerechtigkeit, und wo keine Zwangsgewalt errichtet wurde, das heißt, wo es keinen Staat gibt, gibt es kein Eigentum, da alle ein Recht auf alles haben." (Hobbes, 1986, S. 110).

Auch der Stärkste könne sich niemals voll sicher sein: Denn die Schwachen können sich zusammen tun um ihn, beispielsweise während des Schlafes, zu töten.

Aus dem gleichen Anspruch auf die Güter entstehe ein Interessenskonflikt, da diese nur begrenzt verfügbar sind.

Der Mensch handelt demnach in einem Umfeld voller Konkurrenz, Misstrauen und Ruhmsucht : „Es herrscht ständige Furcht und Gefahr eines gewaltsamen Todes und das Leben des Menschen ist einsam, armselig, widerwärtig, vertiert und kurz.“ (Hobbes, 1986, S. 105).

Wie man bereits vermuten kann, endet dies in einer Eskalation der Umstände: Der Mensch versucht seine Existenz durch Aufbau von Macht vor Übergriffen und vor Konkurrenz zu schützen – welches zwangsläufig in einem Krieg Aller gegen Alle (bellum omnia contra omnes) ausartet.

In dieser extremen Ausnahmesituation – dem Krieg – sei der Mensch von Furcht, Angst und Unsicherheit getrieben.

Um dieser Angst und Furcht entgegenzuwirken, ihr zu entgehen und um in einer schutzvollen Situation leben zu können, bedürfe der Mensch einer dritten, übergeordneten Instanz – erst die Errichtung des Gemeinwesens kann die „wahre Vorsorge für die Selbsterhaltung und dadurch für ein zufriedeneres Leben“ (Hobbes, 1986, S. 141) sein.

Aus dieser Gleichheit entstehe die „Gleichheit der Hoffnung, unsere Ziele zu erreichen.“ (Hobbes, 1986, S. 105).

Der Naturzustand ist für Hobbes demnach ein Kriegszustand, aus dem der Mensch durch einen Gesellschaftsvertrag (s. 3.1.) entkommt und in welchem die Menschen von Natur aus nicht friedlich zusammen leben können.

2.2. Der Naturzustand nach Rousseau

Rousseau knüpft zum Teil an die Naturzustandstheorie von Hobbes an – doch lehnt er die These eines selbstsüchtigen Menschen im Naturzustand tendenziell ab.

Für ihn beinhaltet der Naturzustand friedlich allein lebende, materiell und physisch autarke Individuen: Der natürliche Mensch ist „mit der ganzen Natur in Frieden“ (Rousseau, 1997, S. 305). Die Mitmenschen stellen keine Gefahr dar – der Mensch ist lediglich auf die Selbsterhaltung (und nicht Besitzergreifung) bedacht.

Zudem lehnt Rousseau den Gedanken ab, dass es kaum Unterschiede in der Bevölkerung gibt. Diese Unterschiede werden allerdings nicht ausgenutzt.

Rousseau spricht dem Menschen eine besondere Charaktereigenschaft zu (die einzige soziale Regung): das Mitleid – der Mensch möchte anderen Menschen nicht von Natur aus etwas Böses; er empfinde einen Widerwillen, anderen Menschen Übel zu wollen (Vgl. Rousseau, 1997, S. 151).

Es findet also nicht, wie in Hobbes Auffassung, ein Krieg Jeder gegen Jeden statt – stattdessen herrscht eine idyllische Harmonie. Das Volk ist weder schlecht, noch gut.

Doch ist der Naturzustand keine Konstante; es finden Entwicklungen statt.

Die Gesellschaft gelange zu verschiedenen Entwicklungsstufen, in denen das materielle Gut die Ungleichheit zwischen der Bevölkerung entstehen lasse. Es entstehe eine aufbauende Klassengesellschaft – die Selbstliebe wird zur Selbstsucht und die natürliche Freiheit geht verloren (Vgl. Mensching, 2003, S. 37).

Durch Privateigentum entstehen Rousseau nach Konflikte.

Die einzige Möglichkeit, diesen Verlust zu verkraften, ist es, ihn zu kompensieren.

Durch die Vergesellschaftung – den Verlust des Naturzustandes – entwickelt der Mensch negative Eigenschaften: Er wird eitel, misstrauisch und rachsüchtig.

2.3. Vergleich: Hobbes und Rousseau

Während bei Hobbes der Mensch im Naturzustand eher negativ angehaucht ist, widerspricht Rousseaus Theorie diesem völlig.

Das von Hobbes dargestellte Individuum im Naturzustand bedient sich seiner individuellen Rechte und der Freiheit sich alles aneignen zu dürfen – was zwangsläufig zu einem Krieg zwischen den einzelnen Parteien führt und dem Menschen keine Ruhe zukommen lässt. Der Mensch ist voller Furcht, Angst und Unsicherheit. Er kennt vor allem den Feind, weniger den Freund.

Bei Rousseau verhält sich dies anders: Der Mensch ist frei, friedlich, autark und besorgnislos. Der Mensch ist von Natur aus kein Wesen, das der Gesellschaft benötigt. Erst durch die Gesellschaft anderer wird er eingeengt und kann sich nicht mehr so entfalten wie im Naturzustand. Es entstehen durch die Gemeinschaft gewisse Missstände – wie Neid, Selbstsucht und Klassen. Zudem kann er so etwas wie Mitleid empfinden, welches bei Hobbes vollkommen ausgeschlossen ist – der Mensch ist demnach nicht von Natur aus nur an Eigenem interessiert, sondern kann sich auch in andere hineinversetzen.

[...]

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Wie legitimiert sich Herrschaft? Konstellationen der Naturzustands- und Gesellschaftsvertragstheorien von Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau
Sous-titre
Mit abschließendem Bezug auf Hannah Arendts Theorie von Macht und Gewalt
Auteur
Année
2016
Pages
12
N° de catalogue
V346539
ISBN (ebook)
9783668357969
ISBN (Livre)
9783668357976
Taille d'un fichier
547 KB
Langue
allemand
Mots clés
herrschaft, konstellationen, naturzustands-, gesellschaftsvertragstheorien, thomas, hobbes, jean-, jacques, rousseau, vergleich, bezug, hannah, arendts, theorie, macht, gewalt
Citation du texte
Laura Wolf (Auteur), 2016, Wie legitimiert sich Herrschaft? Konstellationen der Naturzustands- und Gesellschaftsvertragstheorien von Thomas Hobbes und Jean-Jacques Rousseau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/346539

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