Die Maßregel der Führungsaufsicht. Arbeiten im multiprofessionellen Team. Unterstützung durch die Polizei

Führungsaufsicht und Polizei. Ergebnisse einer Befragung


Masterarbeit, 2015

74 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Die Maßregel Führungsaufsicht - Arbeiten im multiprofessionellen Team unter besonderer Berücksichtigung der Unterstützung durch die Polizei
1.1 Was ist ein multiprofessionelles Team im Rahmen der Führungsaufsicht und, gehört die Polizei dazu?
1.2 Von der Polizeiaufsicht zur Führungsaufsicht

2 Rückfallgefährdete Sexual - und Gewaltstraftäter è Risikotäter
2.1 Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Polizei - die Entstehung von HEADS
2.2 Was ist HEADS?

3 Planung der Befragung - Organisation der Durchführung
3.1 Erarbeitung des Forschungsvorhabens
3.2 Zielgruppendefinition, Entscheidung für die Erhebungsmethodik
3.3 Entwicklung des Erhebungsinstrumentes
3.4 Zusammenstellung der Stichprobe

4 Auswertung und Analyse des Datenmaterials
4.1 Berlin - Auswertung und Analyse der Daten
4.1.1 Einleitende Auswertung
4.1.2 Informationen zur Anzahl der Überwachten
4.1.3 Auswertung zur Informationsweitergabe
4.1.4 Auswertung der Kontaktaufnahme zu den überwachten Probanden
4.1.5 Auswertung der Frage zum Umgang mit Weisungsverstößen
4.1.6 Auswertung der Fragen zum landeseigenen Überwachungskonzept bzw. der Verwaltungsvorschrift
4.1.7 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Bewährungshilfe
4.1.8 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Führungsaufsichtsstelle
4.1.9 Auswertung der Fragen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht
4.1.10 Auswertung der Fragen zur Sanktionsmöglichkeit des § 145a StGB
4.2 Mecklenburg-Vorpommern – Auswertung und Analyse der Daten
4.2.1 Einleitende Auswertung
4.2.2 Informationen zur Anzahl der Überwachten
4.2.3 Auswertung zur Informationsweitergabe
4.2.4 Auswertung der Kontaktaufnahme zu den überwachten Probanden
4.2.5 Auswertung der Frage zum Umgang mit Weisungsverstößen
4.2.6 Auswertung der Fragen zum landeseigenen Überwachungskonzept bzw. der Verwaltungsvorschrift
4.2.7 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Bewährungshilfe
4.2.8 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Führungsaufsichtsstelle
4.2.9 Auswertung der Fragen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht
4.2.10 Auswertung der Fragen zur Sanktionsmöglichkeit des § 145a StGB
4.3 Thüringen – Auswertung und Analyse der Daten
4.3.1 Einleitende Auswertung
4.3.2 Informationen zur Anzahl der Überwachten
4.3.3 Auswertung zur Informationsweitergabe
4.3.4 Auswertung der Kontaktaufnahme zu den überwachten Probanden
4.3.5 Auswertung der Frage zum Umgang mit Weisungsverstößen
4.3.6 Auswertung der Fragen zum landeseigenen Überwachungskonzept bzw. der Verwaltungsvorschrift
4.3.7 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Bewährungshilfe
4.3.8 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Führungsaufsichtsstelle
4.3.9 Auswertung der Fragen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht
4.3.10 Auswertung der Fragen zur Sanktionsmöglichkeit des § 145a StGB
4.4 Zusammenfassung der Ergebnisse aus den anderen teilnehmenden Bundesländern
4.4.1 Einleitende Auswertung
4.4.2 Informationen zur Anzahl der überwachten Probanden
4.4.3 Auswertung zur Informationsweitergabe
4.4.4 Auswertung der Kontaktaufnahme zu den überwachten Probanden
4.4.5 Auswertung der Frage zum Umgang mit Weisungsverstößen
4.4.6 Auswertung der Fragen zum landeseigenen Überwachungskonzept bzw. der Verwaltungsvorschrift
4.4.7 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Bewährungshilfe
4.4.8 Auswertung der Fragen zur Zufriedenheit mit der Führungsaufsichtsstelle
4.4.9 Auswertung der Fragen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht
4.4.10 Auswertung der Fragen zur Sanktionsmöglichkeit des § 145a StGB

5 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.1 Organisation der Polizei im Rahmen der Überwachungstätigkeit
5.2 Informationen durch INPOL
5.3 Kontaktaufnahme zu überwachten Probanden
5.4 Umgang mit Weisungsverstößen
5.5 Einschätzungen zum landeseigenen Überwachungskonzept
5.6 Zusammenarbeit mit Bewährungshilfe und Aufsichtsstelle
5.7 Einschätzung der gesetzlichen Vorschriften zur Führungsaufsicht
5.8 Sanktionsmöglichkeiten des § 145a StGB

6 Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1

Abbildung 2

Abbildung 3

Abbildung 4

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Abbildung 7

Abbildung 8

Abbildung 9

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Abbildung 11

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Abbildung 20

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Abbildung 22

Abbildung 23

Abbildung 24

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Abbildung 26

Abbildung 27

Abbildung 28

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Abbildung 30

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Abbildung 32

Abbildung 33

Abbildung 34

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Abbildung 37

Abbildung 38

1 Die Maßregel Führungsaufsicht - Arbeiten im multiprofessionellen Team unter besonderer Berücksichtigung der Unterstützung durch die Polizei

Die nicht freiheitsentziehende Maßregel der Führungsaufsicht verfolgt das Ziel, verurteilte Straftäterinnen und Straftäter, i. d. R. nach Vollverbüßung einer entsprechenden Haftstrafe bzw. nach Erledigung oder im Rahmen einer zur Bewährung ausgesetzten freiheitsentziehenden Maßregel, durch Hilfe und Unterstützung, aber auch mittels Kontrolle des Verhaltens und gerichtlicher Weisungen, von weiteren Straftaten abzuhalten.

Um dieses - zugegebenermaßen - hochgesteckte Ziel zu erreichen, wurde die Arbeit im Rahmen der Führungsaufsicht, aber auch der Bewährungshilfe, in den letzten Jahren auf immer mehr Schultern verteilt. Im Zuge der Reform der Führungsaufsicht im Jahr 2007 wurden zunächst auf Bundesebene die Forensischen Ambulanzen mit strafbewehrten Vorstellungsweisungen einbezogen1, durch die Einführung einschlägiger Verwaltungsvorschriften wurde sodann auf Länderebene die Zusammenarbeit mit der Polizei intensiviert. In allen Bundesländern wurden Konzepte zum Umgang mit besonders gefährlichen und rückfallgefährdeten Sexual- bzw. auch Gewaltstraftätern erarbeitet und eingeführt. In diesem Zusammenhang wurde die Polizei im Grunde genommen „über Nacht“ ein wichtiger Ansprechpartner für die Bewährungshilfe und die Führungsaufsichtsstellen. Vor diesem Hintergrund ist mit dieser Arbeit beabsichtigt, den Status quo der Kooperation zu eruieren und zu bewerten.

Im Rahmen einer Befragung konnte ein Großteil der Bundesländer zur Teilnahme an der Evaluation gewonnen werden. Die Befragung diente dem Ziel, zum einen den Stand der Kooperation von Polizei, Führungsaufsichtsstelle und Bewährungshilfe in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen, zum anderen sollte sie im besten Fall Ansätze zur Verbesserung der Zusammenarbeit aller Beteiligten liefern.

Im Ergebnis der Befragung, dies kann bereits vorweg genommen werden, ist die Polizei ein sehr gefragter Partner, wenn es um die Kontrolle der Weisungen zur Führungsaufsicht im Sinne der Gefahrenabwehr und zu Präventionszwecken geht. Ob die Polizei mit dieser Einordnung ebenfalls mitgehen kann, oder ob sich aus ihrer Sicht noch Verbesserungsbedarf ergibt, werde ich im Folgenden versuchen aufzudecken.

1.1 Was ist ein multiprofessionelles Team im Rahmen der Führungsaufsicht und, gehört die Polizei dazu?

Den etwas provokanten Titel dieser Arbeit kann man sicher als streitbar bezeichnen, ein nicht unerheblicher Teil der Bewährungshelferinnen und Bewährungshelfer in Deutschland sehen sich aktuell sicherlich nicht mit der Polizei in einem multiprofessionellen Team, den Polizistinnen und Polizisten wird es ähnlich ergehen. Dies liegt zum einen in der noch relativ jungen Tradition der Führungsaufsicht/Bewährungshilfe in Deutschland, zum anderen gibt es auch einige Hürden in rechtlicher Hinsicht.

Unter einem multiprofessionellen Team versteht man die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Professionen und Berufsgruppen, die sich einem Ziel verschrieben haben. „Ein multiprofessionelles interdisziplinäres Team entwickelt durch enge Zusammenarbeit und kontinuierlichen Austausch eine eigene Identität. Individuelle Berufszugehörigkeiten und hierarchische Positionen rücken dabei zugunsten des gemeinsamen Zieles in den Hintergrund.“ (Bausewein/Roller, 2010)

In diesen Kontext würde ich die Zusammenarbeit im Rahmen der Führungsaufsicht gerne einordnen wollen, wenn auch die Zugangsvoraussetzungen unterschiedlicher kaum sein können…

Ohne bereits jetzt schon näher auf die Problematik des Datenschutzes eingehen zu wollen, muss festgehalten werden, dass die Polizei in Bezug auf Führungsaufsicht, bis zur Einführung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften, eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat. Diese Feststellung erscheint mir besonders wichtig, da sich an den gesetzlichen Rahmenbedingungen in StGB und StPO in diesem Zusammenhang nichts verändert hat.

Erst die Einführung der Verwaltungsvorschriften der Länder2 jedoch, hat das Bewusstsein für die gemeinsame Aufgabe geschaffen und den institutionellen Grundstein für die Zusammenarbeit gelegt.

Diese Zusammenarbeit war bei der Einführung der Führungsaufsicht im Jahre 1975 nicht vorgesehen: „Überhaupt sollte der Eindruck vermieden werden, als handele es sich bei der Führungsaufsicht um eine Aufsicht mit in erster Linie polizeilichen Mitteln und zu in erster Linie polizeilichen Zwecken. Auch sollte die Polizeibehörde nur insoweit in Erscheinung treten, als dies unumgänglich erforderlich ist, um nicht durch das regelmäßige Auftreten von Polizeibeamten die Resozialisierung des unter Führungsaufsicht Stehenden zu gefährden.“ (Deutscher Bundestag 1973)

Eine möglicherweise ablehnende Haltung der Sozialen Dienste der Justiz gegenüber den Ermittlungsbehörden entspringt also durchaus auch einem rechtsgeschichtlichen Ursprung, den es zu untersuchen gilt.

1.2 Von der Polizeiaufsicht zur Führungsaufsicht

Ein Blick in die Entwicklung der Führungsaufsicht zeigt auf interessante Weise, dass sich Geschichte zwar nicht wiederholt, wir aber dennoch Lehren aus ihr ziehen können. Die Polizeiarbeit im Rahmen von Sicherungsmaßnahmen nach Verbüßung einer Freiheitsstrafe geht bis ins späte Mittelalter zurück. Die Erwägungen, die sich aus den Vorläufern der Polizeiaufsicht ergaben, sind durchaus mit der Motivation heutiger Sichtweisen vergleichbar. Aus präventiven Gründen sollte die Polizei durch Überwachung die Lebensführung von Haftentlassenen beeinflussen und dadurch neue Straftaten verhindern.

Anhaltspunkte zu den ersten niedergeschriebenen Sicherungsmaßnahmen fanden sich bereits in der Constitutio Criminalis Carolinae (CCC) Karls V. vom 27. Juli 1532. Gemäß den Artikeln 127 und 161 konnte man von staatlicher Seite bei entsprechender vorangegangener Straftat eine Wegweisung erhalten oder mit einer Prangerstrafe belegt werden.3

„Konkret gesetzlich erwähnt wurde das Sicherungsmittel der Polizeiaufsicht im Strafgesetzbuch Joseph II. von Österreich (1787). Dort hieß es in § 32 „…, dass der Schuldige auch nach ausgestandener Strafe durch angemessene Zeit unter der Aufmerksamkeit der Polizei in Ansehung seiner Aufführung und ehrbaren Nahrungserwerbung gehalten werde“. (Fernholz-Niemeier, 1992)

In der Folgezeit nahm eine große Zahl der deutschen Bundesstaaten Bestimmungen über die Polizeiaufsicht auf. „Die preußische Kriminalordnung bestimmte bereits 1805 in § 410, dass „der Richter Haftentlassenen, von den weitere Straftaten zu befürchten sind

Die unterschiedliche Ausgestaltung der polizeilichen Aufsicht und ihre Handhabung führte schließlich 1870 mit dem Zusammenschluss mehrerer Staaten im Norddeutschen Bund, zu einer einheitlichen Regelung der Polizeiaufsicht. Dabei wurde allein der Exekutiven, nämlich der Polizei, die Betreuungs- und Kontrollfunktion zugeteilt (vgl. Jacobsen in Dertinger/Marx 1990, 12). Diese aus dem StGB des Norddeutschen Bundes übernommenen Paragraphen (§§ 38, 39 StGB a.F.) wurden 1871 in das Reichsstrafgesetzbuch übernommen und blieben bis 1975 nahezu unverändert (vgl. Fernholz-Niemeier 1992, 3ff).“ (Krimpedia, Führungsaufsicht)

Nach Erklärung des StGB für das Norddeutsche Reich zum Reichsgesetz wurden erste Forderungen nach Abschaffung bzw. Reformen erhoben, hauptsächlich weil Kritiker die Polizeiaufsicht als resozialisierungsfeindlich ansahen. Bereits 1911 wurde das Instrument einer Schutzaufsicht mit Resozialisierungsgedanken erstmals diskutiert, und in der Folgezeit kam es zu Reformbewegungen aber auch zu rückläufigen Entwicklungen. Während des Nationalsozialismus gab es die sogenannte Schutzhaft, insbesondere für den politisch motivierten Gegner. In der Nachkriegszeit wurde der alte Reformgedanke der Resozialisierung wieder aufgegriffen (vgl. Kwaschnik 2008, 66ff). Die Große Strafrechtskommission arbeitete am Konzept einer „Sicherungsaufsicht“, die in den Entwurf eines Strafgesetzbuchs 1962 einging. Kritik an diesem nach wie vor repressiven Entwurf resultierte dann im Konzept der „Führungsaufsicht“, deren Schwerpunkt auf der stärkeren Betonung eines Betreuungsangebotes lag. Die Führungsaufsicht fand dann letztlich im 2. Strafreformgesetz 1969 ihren Niederschlag, wurde 1974 vom Bundestag verabschiedet und am 01.01.1975 gesetzlich eingeführt (vgl. Floerecke 1989,12ff).

Lediglich für eine kurze Zeitspanne, nämlich mit Schaffung der Führungsaufsicht im Jahre 1975 bis ins Jahr 2006, also bis zur Schaffung von HEADS4 in Bayern, spielte die Polizei nur eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Überwachung rückfallgefährdeter Straftäter. Mit Einführung der Führungsaufsicht wurde die Polizeiaufsicht abgeschafft, Resozialisierung und Mitverantwortung5 wurden groß geschrieben. Die Bewährungshilfe kümmerte sich fortan auch um sogenannte Vollverbüßer, Maßregelabbrecher und zur Bewährung entlassene Maßregelpatienten, das ganze firmierte unter dem Dach der Führungsaufsicht. Mit vergleichsweise geringer Ausstattung und gegen den Widerstand vieler Bewährungshelfer sollte die Führungsaufsicht zu einem sozialtherapeutischen Ambulatorium, bzw. gar zu einem „Service-Center für alle Formen und Bereiche der Behandlung von Straftätern in Freiheit werden“ (Quadt, 1976).

Letztlich dümpelte die Führungsaufsicht aber über viele Jahre mehr schlecht als recht vor sich hin, je nach Ausstattung kam ihr in zahlreichen Bundesländern nicht mehr als ein Schattendasein zu. Die rechtlichen Regelungen galten als kompliziert, die Maßnahmen der ambulanten Maßregel ließen sich kaum durchsetzen. Dies führte dazu, dass Mitter der 2000er Jahre ernsthaft über die Abschaffung der Führungsaufsicht in der damaligen Form diskutiert wurde.

Aufsehenerregende Kriminalfälle im Bereich der Sexual- und Gewaltdelinquenz in den 1990er Jahren ließen das öffentliche Interesse am Schutz vor „gefährlichen“ Straftätern stetig steigen. Dies führte unter anderem zum Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten im Jahr 1998 sowie 2003 zum Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften. Im Zuge dessen kam es auch zu einer Reformbewegung in den Bestimmungen zur Führungsaufsicht, die in den Jahren 2007, 2010 und 2011 zu einer Erneuerung führten. Ziel der Reformen war eine effizientere Handhabung und eine Vereinfachung der rechtlichen Regelungen.6

In diese Zeit fiel auch die politische Forderung, rückfallgefährdete Sexual- bzw. Gewaltstraftäter mit Hilfe der Polizei intensiv zu überwachen, die Technologisierung hielt vermehrt Einzug in die Arbeit der Justiz.7

Mit der bundesweiten Einführung der Verwaltungsvorschriften zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexual- bzw. Gewaltstraftäter wurde die Polizei erneut mit der Aufsicht der Klientel der Führungsaufsicht bzw. Bewährungshilfe betraut. Die Polizei hat in zahlreichen Bundesländern die Initiative bei der Kontrolle dieses Personenkreises in die Hand genommen und beeindruckt sowohl durch ihre Ausstattung, als auch durch ihre Präsens in der Fläche.

2 Rückfallgefährdete Sexual - und Gewaltstraftäter è Risikotäter

Der Schutz vor rückfallgefährdete Sexual- bzw. auch Gewaltstraftätern ist das überwiegende Ziel der Verwaltungsvorschriften der Länder. Während in allen Bundesländern Sexualstraftäter ausnahmslos überwacht werden, finden Gewaltstraftäter nur in den Richtlinien Mecklenburg-Vorpommerns, Hamburgs und Rheinland Pfalz´ Erwähnung.

Die grundlegende Ablehnung von Sexual-, aber auch Gewaltstraftaten, ist ein Ausfluss von modernen und entwickelten Gesellschaften, in den Gleichberechtigung angestrebt und das Recht auf körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung eine besondere Bedeutung erlangt hat. Durch die mediale Aufbereitung von Nachrichten und die damit verbundene Sensibilisierung der Öffentlichkeit, wird ein besonderes Klima der Aufmerksamkeit geschaffen, das aber nicht immer hilfreich für die tatsächliche Bewertung sein muss.

Zieht man die Zahlen zu einschlägigen Rückfalluntersuchungen zu Rate, sind Sexualstraftäter mit einer Rückfallgefahr von etwa 20 Prozent relativ ungefährdet, erneut einschlägig aufzufallen.8 Bezieht man nun noch die Rückfallgefahr bei Tötungsdelikten mit ein, die ebenfalls mit 20 Prozent sehr niedrig liegt, muss man feststellen, dass der klassische Rückfalltäter, wie ihn die Öffentlichkeit zu erkennen vermag, möglicherweise gar nicht unter den Sexual- und Gewaltstraftätern zu finden ist.9

2.1 Intensivierung der Zusammenarbeit mit der Polizei - die Entstehung von HEADS

Am 01.10.2006 führte der Freistaat Bayern als erstes Bundesland eine Konzeption zur Überwachung von rückfallgefährdeten Sexualstraftätern ein. Die Konzeption entstand in Zusammenarbeit der Staatsministerien der Justiz und des Verbraucherschutzes, des Inneren und des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Diese Arbeitsgruppe bildete sich auf Grund des aufsehenerregenden Rückfalls des Straftäters Martin P., der nicht mal ein Jahr nach der Entlassung aus 9jähriger Haft erneut einen sexuell motivierten Mord an einem Jungen beging. Bei der Nachbereitung dieses Falles durch eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Mitgliedern der Justiz, der Bewährungshilfe, der Jugendhilfe und der Polizei, fiel der Bedarf einer besseren Zusammenarbeit der einzelnen Stellen auf und führte letztlich zur Entwicklung von HEADS.

Die HEADS-Zentralstelle befindet sich in München und ist dem Kommissariat 16 des Polizeipräsidiums München angegliedert (nicht wie in anderen Bundesländern dem LKA). Inzwischen sind fünf Beamte bei der Zentralstelle (und eine Angestellte mit ca. 50% der Arbeitszeit), zehn HEADS-Sachbearbeiter auf Präsidialebene (und jeweils ein Vertreter) und über 70 HEADS-Ansprechpartner auf Inspektionsebene tätig, wobei alle außer den Mitarbeitern der Zentralstelle auch andere polizeiliche Aufgaben erfüllen.

Nach einem Jahr im Betrieb wurde das HEADS-Konzept Anfang 2008 evaluiert und anschließend überarbeitet. Ziel der Evaluation war die Feststellung der Effizienz und der Akzeptanz des Verfahrens bei den Beteiligten. Änderungen/Präzisierungen fanden vor allem bei der Beschreibung der Zielgruppe und der Kategorisierung (Einführung einer vierten Kategorie für Sexualstraftäter bei denen die Führungsaufsicht abgelaufen ist, die sich bereits mehrere Jahre in der Datenbank von HEADS befinden und die weiterhin als rückfallgefährdet eingeschätzt werden) statt, sowie bei der Beschreibung der „Maßnahmen der regionalen Dienststellen und der Dokumentation in HEADS“. Darüber hinaus gab es eine Änderung bei der Berücksichtigung des Jugendrichters im Verfahren und der Dienststellenbezeichnung der Zentralstelle HEADS. Mit Stand 27.03.2009 wurde die überarbeitete Fassung des HEADS-Konzepts herausgegeben.

2.2 Was ist HEADS?

HEADS steht für Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter und bezeichnet nicht nur die Datei zur Erfassung der Straftäter, sondern auch die gesamte Konzeption zur Überwachung rückfallgefährdeter Sexualstraftäter in Bayern. Als Ziele werden angegeben:

Die Reduzierung des Risikos der Begehung einer neuen Straftat bei besonders rückfallgefährdeten Sexualstraftätern und der Schutz der Bevölkerung durch

- Erkennen und dauerhafte Lokalisierung dieses Personenkreises
- Optimierung des Informationsflusses zwischen Justiz, Justiz- bzw. Maßregelvollzug und Polizei in Bezug auf die Täter
- Erfassung der relevanten Täterinformationen in einer eigenen EDV-Anwendung (HEADS)
- Informationsbewertung durch besonders geschulte Beamte
- Entwicklung von eigenen Interventionsstrategien und Beratung der Basisdienststellen bei deren Umsetzung der Maßnahmen
- Koordination und Dokumentation der getroffenen Maßnahmen
- Verbesserung der Ermittlungsunterstützung in herausragenden Fällen schwerer Sexualdelinquenz durch gemeinsamen Einsatz von ViCLAS und HEADS (Modus-Täter-Überprüfung)“ (aus: HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S. 3f.).

Zielgruppe von HEADS sind Sexualstraftäter, die gem. § 181b StGB zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr oder wegen Tötungsdelikten mit sexueller Komponente oder unklarer Motivlage zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt wurden und bei denen auf Grund der Vollverbüßung Führungsaufsicht eintritt (§ 68f. Abs. 1 Satz 1 StGB) oder die aus dem Vollzug einer stationären Maßnahme der Besserung und Sicherung (§§ 63, 64 StGB) entlassen werden müssen (§ 67d Abs. 4,5,6 StGB), bzw. bei denen es sich um Bewährungsfälle handelt, die zunächst sozialprognostisch positiv bewertet wurden, im Verlauf der Bewährung jedoch ein erhöhtes Risiko entwickelten (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S.4)

Die Eingruppierung von Straftätern in den von HEADS überwachten Personenkreis nehmen die zuständigen Stellen der Justiz (Führungsaufsichtsstellen) durch die Einschätzung als Risikoproband vor. Eine weitere interne Kategorisierung findet durch die polizeiliche Zentralstelle statt und widmet sich der Frage, wie intensiv eine Begleitung/Überwachung stattfinden soll. Hierbei werden die HEADS-Probanden auf Grund ihrer Täterpersönlichkeit, des Verhaltens im Straf- oder Maßregelvollzug und der Bewertung der Anlasstat(en) in vier Kategorien unterteilt (vgl. HEADS-Konzeption vom 27.03.2009, S.5f.)

3 Planung der Befragung - Organisation der Durchführung

Die Befragung der Polizei zur „Überwachung von rückfallgefährdeten Gewalt- und Sexualstraftätern“ wurde mit Hilfe einer quantitativen Methode, nämlich der Befragung mittels Fragebogen durchgeführt. „Bei der quantitativen empirischen Sozialforschung geht es darum, Phänomene in Form von Modellen, Zusammenhängen und insbesondere zahlenmäßigen Ausprägungen auf möglichst objektive Weise zu beschreiben, grundlegende Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge zu entdecken und überprüfbar zu machen.“10 Ich wählte diese Forschungsmethode, da ich mir hiervon nützliche Informationen für die Zusammenarbeit versprach und eine intensive Auseinandersetzung mit den Befragten erhoffte.

3.1 Erarbeitung des Forschungsvorhabens

Im Rahmen meiner Tätigkeit als Sozialarbeiter in der Führungsaufsichtsstelle liegt es nahe, sich mit der Rolle der Polizei in der Führungsaufsicht zu beschäftigen. Vor diesem Hintergrund interessierte mich, wie die Polizei die Zusammenarbeit mit den Sozialen Diensten und den Aufsichtsstellen einschätzt. Meine Teilnahme als Befragter zur Evaluation der Führungsaufsicht durch den Lehrstuhl für Kriminologie der Universität Tübingen11 sowie die Kontakte zu dem durchführenden wissenschaftlichem Mitarbeiter, Herrn Dr. Alexander Baur, bestätigten den Eindruck, dass es in diesem Bereich bisher kaum wissenschaftliche Untersuchungen gab.

Die Schaffung der Verwaltungsvorschriften zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexual- bzw. auch Gewaltstraftätern in allen Bundesländern sieht die enge Kooperation der Polizei mit den Aufsichtsstellen und den Sozialen Diensten vor. Da hierzu nach meinen Recherchen jedoch bisher nur punktuell bzw. noch gar nicht geforscht wurde, nahm ich mir vor, diese Zusammenarbeit im Rahmen meiner Masterarbeit näher zu untersuchen. Ziel meiner Beobachtungen sollte sein herauszufinden, ob es einen Status quo in der Kooperation zwischen den wichtigsten Akteuren der Führungsaufsicht gibt und wie sich die Zusammenarbeit in der Führungsaufsicht gestaltet. Meine Hypothese hierzu lautet: Eine Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei in Deutschland sieht die Führungsaufsicht und die damit im Zusammenhang stehenden Verwaltungsvorschriften im Rahmen ihrer Aufgabenerledigung als hilfreich an.

3.2 Zielgruppendefinition, Entscheidung für die Erhebungsmethodik.

Die Definition der Zielgruppe war bei dieser Befragung nur auf den ersten Blick eindeutig. Beschäftigt man sich näher mit den Strukturen der Polizei in Deutschland, stellt man fest, dass es auf Grund der föderalen Ausrichtung erhebliche Unterschiede in der Verwaltung gibt. Letztlich war ich an diesem Punkt auf die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Verantwortlichen angewiesen, hierzu verweise ich auf Punkt 3.4 „Zusammenstellung der Stichprobe“.

Im Besonderen wollte ich im Rahmen meiner Forschungsarbeit die Praktiker ansprechen, da diese vor Ort täglich mit der Umsetzung der Verwaltungsvorschriften und den strafprozessualen Aufgaben der Führungsaufsicht konfrontiert sind. Die Strukturen des öffentlichen Dienstes und damit einhergehende Hürden machten es notwendig, das Forschungsdesign hier anzupassen und entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Verantwortungsträgern in den Innenministerien und Landeskriminalämtern zu leisten. Schließlich kann man eine Befragung der Basis im Polizeiapparat nur mit Unterstützung der Leitungsebene durchführen. In diesem Zusammenhang wurde schnell deutlich, dass die anzuwendende Erhebungsmethodik möglichst gut in den Ablauf der Polizeiarbeit passen und transparent sein musste. Des Weiteren sollte eine relativ große Gruppe an Polizistinnen und Polizisten befragt werden, um möglichst stichhaltige und repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Hierzu war es notwendig, die Befragung bundesweit durchzuführen, da in den einzelnen Bundesländern in der Regel nur Wenige mit der Überwachung von Probandinnen und Probanden der Führungsaufsicht vertraut sind.

Im Ergebnis meiner Überlegungen entschied ich mich methodisch dafür, die Erhebung mittels eines schriftlichen Fragebogens durchzuführen. Dieses Erhebungsinstrument erschien mir sinnvoll, um zum einen große Fallzahlen untersuchen zu können, zum anderen wollte ich den Anspruch auf Repräsentativität der Studie gewährleisten. Die Messung zählbarer Eigenschaften mittels Fragebogen und die Auswertung durch statistische Instrumente erschienen mir sinnvoll, um meine bereits aufgestellte Hypothese zu untersuchen. Die Erhebung durch einen schriftlichen Fragebogen durchzuführen, versprach weiterhin das notwendige Maß an Transparenz, welche mir bei der Befragung einer sensiblen Behörde wie der Polizei, unbedingt notwendig erschien. Da quantitative Erhebungen über einen geringen Freiheitsgrad verfügen, sind sie direkt und neutral und in einem hohen Maß strukturiert. Dies hat den weiteren Vorteil, dass die Befragung in der Regel auch - zumindest im Falle eines hohen Rücklaufs - aussagekräftige Daten hervorbringt.

Ebenso gehören zu den Vorzügen einer schriftlichen Umfrage in Zeiten von Internet und elektronischem Schriftverkehr, die geringen finanziellen Aufwendungen zur Umsetzung des Forschungsvorhabens. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu erwähnen, dass ich von der Durchführung einer Onlinebefragung Abstand genommen habe. Dies findet seine Begründung im Hauptsächlichen darin, dass ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln weder den Datenschutz, noch die notwendige Transparenz gewährleisten konnte. Weiterhin habe ich es als fraglich angesehen, ob die Polizeiverwaltung überhaupt bereit gewesen wäre, eine „Online-Befragung“ außerhalb des polizeieigenen Intranets zu akzeptieren. Es war von meiner Seite nicht davon auszugehen, dass die Polizei die Befragung im eigenen Intranet eingestellt und technisch begleitet hätte, zumal der Aufwand für mich und auch die teilnehmenden Bundesländer nicht überschaubar gewesen wäre.

Es bleibt deshalb in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Organisationsaufwand mittels schriftlichem Fragebogen und nicht „Online“ für mich wesentlich geringer und letztlich geeigneter war, da für die Durchführung der Befragung kein weiteres technisches Knowhow erforderlich war. Ein womöglich störender und verzerrender Einfluss durch technische Barrieren wurde dadurch ebenfalls ausgeschlossen und die Anonymität blieb in jedem Fall gewahrt.

Die zu erwähnenden Nachteile einer schriftlichen Befragung, aber auch der „Online“ - Umfrage, bestehen darin, dass der Antwortprozess nicht begleitet werden kann. Es kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die zu Befragenden die Interviewbögen auch wirklich gewissenhaft und konsequent durchgearbeitet haben. Dies kann zum einen am mangelnden Interesse zu den Hintergründen der Befragung liegen, oft bestimmen aber auch Zeitdruck und Überlastung das Handeln der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es ist darauf hinzuweisen, dass Fragebögen möglicherweise nur widerwillig ausgefüllt werden können, wenn der Sinn der Befragung nicht verstanden wird oder generell eine ablehnende Haltung gegenüber der Thematik besteht.

Auf Grund der geplanten hohen Anzahl der zu Befragenden sowie der Hürden innerhalb des Polizeiapparates, überwiegen meines Erachtens jedoch eindeutig die Vorteile der schriftlichen Befragung mittels Interviewbogen.

3.3 Entwicklung des Erhebungsinstrumentes

Das Design des Fragebogens habe ich dahingehend ausgerichtet, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Hintergrund der Befragung nachvollziehen und ohne große Einarbeitung mit der Beantwortung der Fragen beginnen können. Ziel war es, die Fragen klar und unmissverständlich zu formulieren, die Handhabung des Fragebogens sollte leicht fallen. Ich habe mich bei der Erstellung des Fragebogens der Fragebogensoftware „Grafstat“ bedient. Mithilfe des Programms habe ich die Fragebögen erstellt, gestaltet und gedruckt. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch, dass die erhobenen Daten sinnvoll erfasst und verwaltet werden können, was ebenfalls durch „Grafstat“ ermöglicht wird. Abschließend war es notwendig, die erfassten Daten auswertbar zu machen und die Ergebnisse schlüssig darbieten zu können.12

An den Anfang des Fragebogens stellte ich eine kurze Erläuterung der Hintergründe der Befragung, informierte über die Ziele der Befragung und das Rückmeldeprocedere. Einleitende Angaben sollten mehr über die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Befragung in Erfahrung bringen. So war es beispielsweise interessant für mich, wie viele Frauen und Männer an dem Forschungsvorhaben teilnahmen, welches Diensterfahrungsalter vorlag und in welcher Laufbahn sich die zu Befragenden befanden.

Von Wichtigkeit war selbstverständlich auch, in welchem Bundesland die zu Befragenden beschäftigt waren und welches Überwachungskonzept zum Einsatz kam. Interessant war in diesem Zusammenhang auch, wie viele FA-Probanden generell überwacht wurden, wie viele davon unter das landeseigene Überwachungskonzept gefallen sind und ob Probanden mit einer Elektronischen Aufenthaltsüberwachung überwacht wurden.

Da die Polizei ihre Informationen über die Probanden der Führungsaufsicht im Hauptsächlichen über das bundesweit einheitliche Informationssystem „INPOL“ bezieht, war es meines Erachtens notwendig, zu den Erfahrungen mit diesem System zu recherchieren.13 Ich habe in diesem Zusammenhang Fragestellungen konzipiert, die im Rahmen einer semantischen Differenzierung (Polaritätsprofil) abstufende Antwortmöglichkeiten (sehr hilfreich bis gar nicht hilfreich, in sieben Stufen) vorgaben.14 Diese Antwortoptionen geben den zu Befragenden die Chance, differenzierte Vorstellungen über bestimme Sachverhalte auszudrücken. So macht es etwa einen Unterschied, ob gefragt wird: „Ist das INPOL System hilfreich?“ oder ob die Fragestellung lautet: „Für wie hilfreich halten Sie die Informationen im INPOL System?“. Die Anzahl der Antwortvorgaben muss dabei überschaubar und aussagekräftig bleiben, links und rechts von der mittleren Position müssen gleich viele Antwortmöglichkeiten vorhanden sein, da sonst möglicherweise die Seite mit der Überzahl an Kategorien bevorzugt wird.15

Besonders interessant war anhand der praktischen Umsetzung der Polizeiarbeit im Rahmen der Führungsaufsicht für mich, ob regelmäßig Kontakt zu den Probanden besteht und wenn ja, aus welchen Gründen. Dies hat den Hintergrund, dass die Überwachungskonzepte in der Regel Gefährderansprachen durch die Polizei vorsehen, die in diesem Zusammenhang durchgeführt werden. Gefährderansprachen haben ihre gesetzliche Grundlage in den Landespolizeigesetzen und sollen dem potenziellen Gefährder signalisieren, dass ein polizeiliches Interesse an seiner Person besteht.16 Aus meiner beruflichen Erfahrung weiß ich, dass Gefährderansprachen oft mit Schwierigkeiten verbunden sind, da die Bewährungshilfe sie nicht immer als hilfreich im Rahmen der Betreuungsarbeit wahrnimmt und die Polizei sich mit einer zusätzlichen Aufgabe konfrontiert sieht.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Recherche zum Umgang mit Weisungsverstößen. Der Weisungsverstoß im Rahmen der Führungsaufsicht gemäß 145a StGB ist ein Antragsdelikt, und wird auch nur auf Antrag der Aufsichtsstelle verfolgt. Um gegen § 145a StGB zu verstoßen, muss neben dem strafbewehrten Weisungsverstoß auch der Zweck der Maßregel gefährdet sein. Diese Feststellung obliegt der Aufsichtsstelle nach Rückkoppelung mit der Bewährungshilfe und der Forensischen Ambulanz gemäß § 68a Abs. 6, 7 S. 2 StGB. Nicht selten gehen hier die Auffassungen der Beteiligten hinsichtlich der Gefährdung des Maßregelzweckes auseinander, was einer genaueren Untersuchung bedarf.

Bezüglich der Fragen zum landeseigenen Überwachungskonzepts war es interessant zu erfahren, wie ausreichend und sinnvoll diese von den Befragten eingeschätzt werden und ob es Verbesserungsvorschläge zur inhaltlichen Ausgestaltung gibt.

Da die Reihenfolge der Fragen keine versteckte Wertung zum Ausdruck bringen sollte, habe ich im Anschluss an die Erkundigungen zum Überwachungskonzept die Zufriedenheit in der Zusammenarbeit mit der Bewährungshilfe sowie der Aufsichtsstelle hinterfragt und gleichzeitig um Verbesserungsvorschläge gebeten. Mir war es wichtig, diesen Fragenkomplex nicht zu früh anzubringen, um einerseits nicht sprichwörtlich „mit der Tür ins Haus zu fallen“ und andererseits eine gewisse Vertiefung mit der inhaltlichen Fragestellung zuzulassen.

Abschließend konfrontierte ich die zu Befragenden noch einmal mit den gesetzlichen Grundlagen zur Führungsaufsicht und bat um Verbesserungsvorschläge zur Ausgestaltung. Weiterhin sollte die Sanktionsmöglichkeit des § 145a StGB kritisch hinterfragt werden und diesbezüglich ein Meinungsbild aus polizeilicher Sicht herausgearbeitet werden.

Das Design des Fragebogens habe ich zunächst im Rahmen eines „Pretests“ überprüft, nach der Rückmeldung durch die Beteiligten – insbesondere Polizistinnen und Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Lehrstuhl für Kriminologie an der Universität Greifswald, Bernd Geng - wurden einige Verbesserungen vorgenommen. Das Muster eines Fragebogens habe ich im Anhang dieser Arbeit beigefügt.

3.4 Zusammenstellung der Stichprobe

Die Gruppe der zu Befragenden im Rahmen meines Forschungsvorhabens war von Beginn an relativ eindeutig, ich wollte ein Meinungsbild der mit Führungsaufsicht befassten Polizistinnen und Polizisten einholen. Da die „Szene“ in den einzelnen Bundesländern relativ überschaubar schien, habe ich mich nach einigen Überlegungen dazu entschlossen, die Befragung tatsächlich bundesweit „anzubieten“. Dies geschah zum einen vor dem Hintergrund, dass ich ein möglichst breites Meinungsbild einholen wollte, zum anderen wollte ich mich nicht von Beginn an auf bestimmte Bundesländer festlegen, da die Unterschiede in der Organisation der Führungsaufsicht doch teilweise beträchtlich sind. Des Weiteren war von vorne herein absehbar, dass sich keinesfalls alle Bundesländer an dem Forschungsvorhaben beteiligen würden, teils aus sehr unterschiedlichen Gründen. Dies ist fernerhin durch die Organisationsstruktur der Polizei in den einzelnen Bundesländern zu erklären, obendrein werden wissenschaftliche Forschungen außerhalb des Polizeiapparates nicht generell unterstützt und bedürfen der Mitwirkung der Behördenleitung. Dies kann unter Umständen zu erheblichen bürokratischen Hürden führen, die auf Grund des Forschungsvorhabens eines Masterstudenten nicht zwingend „umschifft“ werden.

Um die Befragung repräsentativ zu gestalten, war es deshalb notwendig, in jedem Fall die Führungsebene innerhalb der Polizei für die Befragung zu gewinnen. Mit Unterstützung des kriminologischen Lehrstuhls der Universität Greifswald und dank der Vermittlung des Landeskriminalamts Mecklenburg-Vorpommerns, konnte ich ohne große Schwierigkeiten die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in den Kriminalämtern der Länder auf meine Befragung aufmerksam machen und für eine Teilnahme werben. Der Lehrstuhlinhaber des Fachbereichs Kriminologie an der Universität Greifswald, wandte sich in diesem Zusammenhang mit einem eigens erstellten Schreiben an die Landeskriminalämter.

Wie bereits angedeutet, war es Ziel dieser Befragung, ein repräsentatives Bild der Arbeit der Polizei im Rahmen der Führungsaufsicht in den einzelnen Bundesländern im Sinne einer quantitativen empirischen Sozialforschung zu zeichnen. Da hierfür selbstverständlich auch die Datenmenge repräsentativ sein musste, sollten auch die Dienststellenleitungen in die Befragung mit einbezogen werden. Ziel war es, die Stichprobe, also die Aussagen der Befragten, in Relation zur Gesamtheit der Mitarbeiterschaft zu stellen. Dies ist, um es vorweg zu nehmen, nur in drei Bundesländern gelungen. Letztlich hat sich in der praktischen Durchführung des Forschungsvorhabens herausgestellt, dass die Strukturen in den Ländern so unterschiedlich sind, dass die Befragung in der angedachten Form im Grunde genommen nur von kleinen bis mittelgroßen Ländern problemlos durchgeführt werden konnte. Nicht alle Bundesländer haben in ihrer Polizeistruktur vor Ort Ansprechpartner im Rahmen ihrer Überwachungskonzepte, oft ist die Überwachung der Probanden der Führungsaufsicht nicht auf spezielle Verantwortungsebenen aufgeteilt. Dies hätte in letzter Konsequenz in diesen Bundesländern bedeutet, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, oder zumindest ein repräsentativer Teil davon, hätte befragt werden müssen. Verständlicherweise waren die betroffenen Bundesländer hierzu nicht bereit, weiterhin hätte eine solche Befragung den Umfang dieser Forschungsarbeit bei weitem gesprengt. Dennoch habe ich in diesem Zusammenhang forschungsrelevante Rückmeldungen erhalten, dies meist aus den Organisationszirkeln der für die Umsetzung der Überwachungskonzepte verantwortlichen Landeskriminalämter.

4 Auswertung und Analyse des Datenmaterials

Mit Hilfe der Fragebogensoftware „Grafstat“ wurde die Datenerhebung und Auswertung der Ergebnisse vorgenommen.

Folgende Länder beteiligten sich an dem Forschungsvorhaben:

- Bayern (Verwaltungsvorschrift HEADS = Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter)
- Berlin (Verwaltungsvorschrift SPREE = Sexualstraftäter Prävention (bei) Rückfallgefahr (durch) Eingriffsmaßnahmen und Ermittlungen)
- Bremen (Verwaltungsvorschrift HEADS = Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter)
- Hessen (Verwaltungsvorschrift ZÜRS = Zentralstelle zur Überwachung besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter)
- Mecklenburg-Vorpommern (Verwaltungsvorschrift FoKuS = Für optimierte Kontrolle und Sicherheit)
- Niedersachsen (Verwaltungsvorschrift K. U. R. S. = Konzeption zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern)
- Saarland (Verwaltungsvorschrift Rahmenrichtlinie zum Schutz der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Sexualstraftätern)
- Sachsen (Verwaltungsvorschrift ISIS = Informationssystem zur Intensivüberwachung besonders rückfallgefährdeter Sexualstraftäter)
- Sachsen-Anhalt (Verwaltungsvorschrift RiMS = Risikomanagement für besonders rückfallgefährdete Sexualstraftäter)
- Schleswig-Holstein (Verwaltungsvorschrift KSKS = Kieler Sicherheitskonzept Sexualstraftäter)
- Thüringen (Verwaltungsvorschrift HEADS = Haft-Entlassenen-Auskunfts-Datei-Sexualstraftäter)

Zunächst beginne ich meine Auswertung und Analyse der Daten mit den Ländern Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen um mich danach den Ländern Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig - Holstein zu widmen.

[...]


1 Vgl. Morgenstern 2006, S. 152; auch Hahn 2007, S. 7.

2 Hier ist zunächst auf HEADS Bayern, im Jahre 2006 zu verweisen.

3 Vgl. Fernholz-Niemer 1992, S. 3, 4

4 Vgl. Bayrisches Staatsministerium der Justiz 26.10.2014.

5 Vgl. Lindenberg 2014, S. 22

6 Vgl. Bundestagsdrucksache 16/1993, S. 1.

7 Vgl. Lindenberg 2014, S. 23

8 http://www.krimz.de/sexrueckfall.html

9 http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/DE/Legalbewaehrung-nach-strafrechtlichen-Sanktionen.pdf?__blob=publicationFile

10 http://www.uibk.ac.at/iezw/mitarbeiterinnen/senior-lecturer/bernd_lederer/downloads/quantitativedatenerhebungsmethoden.pdf

11 Vgl.: http://www.jura.uni-tuebingen.de/einrichtungen/ifk/forschung/abgeschlossen/fuehrungsaufsicht

12 Vgl.: http://www.grafstat.de/

13 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/INPOL abgefragt am 11.10.2014

14 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Semantisches_Differenzial

15 Vgl.: http://www.uibk.ac.at/iezw/mitarbeiterinnen/senior-lecturer/bernd_lederer/downloads/quantitativedatenerhebungsmethoden.pdf, S. 17

16 Vgl.: http://www.dvjj.de/sites/default/files/medien/imce/documente/veranstaltungen/dokumentationen/c.pdf

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Die Maßregel der Führungsaufsicht. Arbeiten im multiprofessionellen Team. Unterstützung durch die Polizei
Untertitel
Führungsaufsicht und Polizei. Ergebnisse einer Befragung
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Lehrstuhl für Kriminologie)
Veranstaltung
Kriminologie
Note
2,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
74
Katalognummer
V351025
ISBN (eBook)
9783668379497
Dateigröße
6185 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriminiologie, Bewährungshilfe, Führungsaufsicht
Arbeit zitieren
Bernd Kammermeier (Autor:in), 2015, Die Maßregel der Führungsaufsicht. Arbeiten im multiprofessionellen Team. Unterstützung durch die Polizei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351025

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