Die ambivalente Darstellung Saladins in der "Historia" von Wilhelm von Tyrus und den "Annales Stadenses" von Albert von Stade

Vom realpolitischen Herrscher zum Antichristen


Term Paper, 2015

14 Pages, Grade: 3

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Wilhelm von Tyrus - Ein christlicher Historiograph im Orient

3. Darstellung Saladins in Historia rerum in partibus transmarinis gestarum

4. Albert von Stade, ein biographischer Überblick

5. Darstellung von Saladin in Annales Stadensis

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis:
7.1 Quellenverzeichnis:
7.2 Literaturverzeichnis:

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit der Darstellung von Saladin in den christlichen Werken von Wilhelm von Tyrus Historia1 und Albert von Stades Annales Stadenses2 . Konkret geht es um die Frage, wie sich die Darstellung von Saladin durch christliche Autoren nach dem Fall von Jerusalem verändert hat. Dazu muss vor allem auf die Entstehungsgeschichte der Werke und die Arbeitsweise der Autoren eingegangen werden, um die Darstellung Saladins als Feindbild der Christenheit nach dem Fall Jerusalems zu verstehen.

Wilhelm von Tyrus nimmt im Rahmen der Kreuzfahrerüberlieferungen eine besondere Stellung ein. Er war der einzige Kreuzzugschronist, der den Großteil seines Lebens und bis zu seinem Tod, laut Meyer 1186, in Palästina gelebt hat3. Wegen seiner Tätigkeit als Erzbischof und Kanzler von Jerusalem fanden neben geistlichen Themen auch realpolitische Konflikte Platz in seiner Historia, die die Ereignisse bis zum Jahr 1183/4 aufgreift.4 Deshalb erhält die Quelle besondere Beachtung in dieser Hausarbeit, beschreibt sie Saladin ohne Vorbelastung durch die Eroberung Jerusalems 1187. Folglich ist diese Beschreibung befreit von heilsgeschichtlichen Einordnungen Saladins und bietet die Ausgangslage für eine Darstellung des Realpolitikers Saladin. Zur Analyse von Wilhelm von Tyrus Leben, seiner Arbeitsweise und den Besonderheiten seines Werkes, wird die Forschungsarbeit von Rudolf Hiestand5, Thomas Rödig6 und Rainer Christoph Schwinges7 herangezogen8.

Infolge der Eroberung des Königreiches Jerusalem im Jahr 1188 nahm das Interesse an Saladins Leben und seiner Person immens zu. Es war ein einschneidendes Erlebnis für die gesamtchristliche Welt und erschütterte das christlich-abendländische Selbstverständnis. Folglich nahmen auch kontinentaleuropäische Werke die Beschreibungen des Eroberers Saladin in ihre Aufzeichnungen auf, darunter Albert von Stade in seinen Annales Stadenses. Er begann die Arbeit an seinem Werk im Jahr 1240 im Benediktinerorden St. Marien in Stade führte sie bis zum Jahr 1256 fort. Darin enthalten ist folgende Einordnung Saladins in die christliche Heilsgeschichte: Eodem anno abbas Ioachim sic de antichristo prophetavit: Cum fuerint expleti 1260 anni, nascetur antichristus. Et hic pro sanctissimo 9 Saladin wird in Tradition des Antichristen gesetzt und erscheint als das Feindbild der Christenheit schlechthin. Wie Stade zu dieser Einschätzung kam, soll durch die Forschungsarbeit von Karl Fiehn10 und Gerda Maeck11 aufgezeigt werden. Nach der Vorstellung der beiden Quellen kann nun auf die Entwicklung zwischen den beiden Quellen eingegangen werden. Es soll geklärt werden, warum sich das Feindbild von Saladin als Antichrist in Kontinentaleuropa durchgesetzt hat, anstatt des realpolitischen Machtpolitikers.

2. Wilhelm von Tyrus - Ein christlicher Historiograph im Orient

Die Person des Historiographen Wilhelm von Tyrus und sein Werk Historia rerum in partibus transmarinis gestarum 12 (eine Kreuzzugschronik in 23. Büchern13 ) fand in der neuzeitlichen historischen Forschung sehr viel Beachtung und Anerkennung14 Das Wissen über das Leben Wilhelm von Tyrus ist sehr beschränkt, die wenigen Erkenntnisse über ihn stammen aus seinem Werk selbst und werden in der Forschung kontrovers diskutiert. Geburtsort und Jahr entziehen sich genauerer historischer Kenntnis.15 Ebenso ist das Todesjahr des Historiographen in der frühhistorischen Forschung unklar.16 Vermutlich sei er um 1130 geboren und laut Mayer im Jahre 1186 verstorben.17 Man geht davon aus, dass Wilhelm von Tyrus aus einer wohlhabenden, bürgerlichen Schicht entstammte, die im 12. Jahrhundert in das Königreich Jerusalem einwanderte.18 Bis zu seinem 14. Lebensjahr absolvierte er ein Studium in einem Kloster in Palästina. Schwinges vermutet, dass Tyrus wegen dem eingeschränkten Lehrmöglichkeiten für Christen im Orient nach Europa reiste.19 Fast 20 Jahre studierte Wilhelm von Tyrus an verschiedenen Schulen in Kontinentaleuropa und kehrte erst nach Beendigung seiner Ausbildung 1165 nach Palästina zurück. Dort gelangte er schnell wegen seinem vertrauensvollen Verhältnis zu Almarich I. in Schlüsselpositionen der Verwaltung Jerusalems. Nach dem Amt des Kanonikus wurde er 1167 zum Archidiokonat in Tyrus ernannt und übernahm sogar die jurisitische Ausbildung des Königssohn Balduin.20 Sein geistliches Amt vermischte sich immer mehr mit politischen Aufgaben. So reiste er schon vor der Königskrönung Balduin IV. als diplomatischer Vertreter Jerusalems nach Byzanz, um für ein Bündnis gegen Ägypten zu werben.21 Spätestens mit der Inthronisierung Balduins IV. hatte der spätere Historiograph seine politische Sphäre als Kanzler mit der geistlichen Funktion als Erzbischof von Tyrus 1175 verbunden.

Durch seine guten Vernetzungen am königlichen Hof und seine herausragende Stellung in politischen und geistlichen Ämtern im Königreich Jerusalem, eignet sich seine Quelle besonders als direkter Zugang über die historischen Ereignisse der Kreuzfahrerzeit. Diese Arbeit begann von Tyrus nach Schwinges 1167 angeregt durch König Almarich I. Idee eine Chronik für Jerusalem zu verfassen.22 Dagegen sieht Rödig die starke Verbundenheit von Tyrus zu Jerusalem als Hauptfaktor, die ihm zum Schreiben der Historia veranlasste.23 Die Verfassung der Bücher begann am Ende des Jahres 1169 und wurde im Jahre 1184 mit dem XXIII. Buch abgeschlossen. Das Werk Wilhelm lässt sich in zwei Bereiche einteilen. Im ersten Teil seiner Historia behandelt der Chronist die Vor- und Frühgeschichte Jerusalems. Dabei benutze er Vorlagen anderer Historiographen, die er in seinem Werk nicht namentlich erwähnt.24 In der Forschung wird Wilhelm von Tyrus unterstellt, dass er sehr kritisch und objektiv mit Daten und Zeugenberichten umgegangen ist, weil er vom heilsgeschichtlichen Schema abweicht.25 Dadurch wird deutlich, dass von Tyrus einen eher politisch-historisch Schreibstil nutzte und versuchte die gesammelten Fakten zusammenhängend, emotionslos und in der chronologischen Reihenfolge wiederzugeben.26 Wilhelm von Tyrus lässt kaum Wertungen über Geschehnisse in seine Chronik einfließen. Als Beispiel wird von Meyer, die Patriarchenwahl des Heraklius von Jerusalem genannt, wobei von Tyrus selbst kandidierte und die Wahl verlor.27 Auf dieser Grundlage urteilt Schwinges über von Tyrus als „ Meister der Geschichtsschreiber “.28 Kritik dazu weist Rödig auf, der von Tyrus Schreibstil an Sallust angelehnt sieht. Dieser nutzte die direkte, ungefilterte Meinungs- und Beurteilungswiedergabe von Zeitzeugen sowie Quellenberichten und täuschte damit eine besonders hohe Objektivität vor.29 Diese Beurteilungen zur Quelle sollen im nächsten Kapitel zu der Beurteilung von Saladin bei von Tyrus mitgedacht werden.

[...]


1 Alle im folgenden Verweise von Albert von Stade beziehen sich auf Annales Stadenses, ed. Johann Michael Lappenberg (MG SS XVI, 283 ff.), Hannover 1859. Für die deutsche Übersetzung der Veweise wurde die Edition Stade, Albert von: Annales Stadenses, hg. und übers. von Franz Wachter (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Band LXXII, 2. Aufl.), Leipzig 1896 verwendet.

2 Alle im folgenden Verweise von Wilhelm von Tyrus beziehen sich auf Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, ed. R.B.C. Huygens, (Bd. I-II Corpus Christianorum, Cintinunatio Mediaevalis 63), Turnhout 1986. Für die deutsche Übersetzung der Verweise wurde die Edition Tyrus, Wilhelm von: Historia rerum in partibus transmarinis gestarum, hg. und übers. von Eduard und Rudolf Kausler, (Geschichte der Kreuzzüge und des Königreichs Jerusalem. Aus dem lateinischem des Erzbischofs Willhelm von Tyrus), Stuttgart 1840 verwendet.

3 Hiestand, Rudolf: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelms von Tyrus, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 34, 1978, S. 348.

4 Rödig, Thomas (Hgg): Kreuzzugsideologie und Toleranz, Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters; Bd.5) Stuttgart 1977, S.12.

5 Hiestand, Rudolf: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelms von Tyrus, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 34, 1978, S. 345-380.

6 Rödig, Thomas (Hgg.): Zur politischen Ideenwelt Wilhelms von Tyrus. (Europäische Hochschulschriften 03, Geschichte und Hilfswissenschaften, BD. 429) Frankfurt am Main - Bern- New York- Paris 1990.

7 Schwinges, Rainer Christoph (Hgg.): Kreuzzugsideologie und Toleranz. Studien zu Wilhelm von Tyrus (Monographien zur Geschichte des Mittelalters; Bd.5) Stuttgart 1977.

8 Hierbei handelt es sich trotz ihres Alters um Standwerke zur Forschungsdebatte um Wilhelm von Tyrus.

9 Stade, Chronik, 1188, 35f. In ebendemselben Jahre prophezeiete der Abt Joachim soüber den Antichristen: „ Wenn 1260 Jahre erfüllt sein werden, wird der Antichrist geboren werden “ . Und dieser wurde für sehr heilig gehalten. “

10 Fiehn, Karl: Albertus Stadensis - Sein Leben und seine Werke, in: Historische Vierteljahresschrift, Zeitschrift für Geschichtswissenschaft u. für Latein. Philologie des Mittelalters, 26, Dresden 1931, S. 536 - 572.

11 Maeck, Gerda: Die Weltchronik des Albert von Stade - Ein Zeitzeugnis des Mittelalters. Studien zur Geschichtsschreibung Alberts von Stade, Norderstedt 2001.

12 Diese Historia behandelt den Zeitraum 1127 bis 1184. Sie ist alleine dokumentiert als abendländischchristliche Quelle den Zeitraum diesen Zeitraum der Kreuzzüge. Ohne das Werk von Wilhelm von Tyrus wäre man auf die Deutungen byzantinischer und arabischen historiographischen Werke angewiesen, Schwinges, Kreuzzugsideologie und Toleranz, S. 16 f.

13 Ein Drittel der Kreuzzugschronik handelt über den Ersten Kreuzzug und die Eroberung Jerusalems. Der Rest des Werkes richtet sich bis 1184 den Regierungszeiten der Könige in Jerusalem.

14 Für eine Zusammenfassung zum Forschungsstand vgl. Hiestand: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelm von Tyrus, S.16.

15 Rödig: Zur politischen Ideenwelt, S.12.

16 Hiestand: Zum Leben und zur Laufbahn Wilhelm von Tyrus, S. 346 f., sowie Mayer, Eberhard Hans: Kreuzzüge und lateinischer Osten, London 1983, S.182.

17 Ebd., S.201.

18 Schwinges: Kreuzzugsideologie und Toleranz., S.19.

19 Ebd, S.22 f.

20 Ebd., S.29.

21 Rödig Zur politischen Ideenwelt, S. 12.

22 Schwinges: Kreuzzugsideologie und Toleranz, S. 36 f.

23 Rödig: Zur politischen Ideenwelt, S.14 f.

24 Ebd, S.39.

25 Ebd., S.40.

26 Ebd., 77.

27 Mayer: Kreuzzüge und lateinischer Osten, S. 182 f.

28 Schwinges: Kreuzzugsideologie und Toleranz, S.16.

29 Rödig: Kreuzzugsideologie und Toleranz, S.55.

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Details

Title
Die ambivalente Darstellung Saladins in der "Historia" von Wilhelm von Tyrus und den "Annales Stadenses" von Albert von Stade
Subtitle
Vom realpolitischen Herrscher zum Antichristen
College
University of Cologne  (Mittelater)
Grade
3
Year
2015
Pages
14
Catalog Number
V351105
ISBN (eBook)
9783668376052
ISBN (Book)
9783668376069
File size
465 KB
Language
German
Keywords
darstellung, saladins, historia, wilhelm, tyrus, annales, stadenses, albert, stade, herrscher, antichristen
Quote paper
Anonymous, 2015, Die ambivalente Darstellung Saladins in der "Historia" von Wilhelm von Tyrus und den "Annales Stadenses" von Albert von Stade, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351105

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