Die Gründung der USPD vor 100 Jahren in Gotha am 6. April 1917. Eine sozialistische Alternative?


Libro Especializado, 2017

80 Páginas


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Die „Führungscrew“ der USPD

3. Auf dem Weg zur Spaltung

4. Der Gründungskongress in Gotha April 1917

5. Die USPD 1917 – 1922: Stichworte der weiteren Entwicklung

6. Erinnerungen und Wertungen zur Gründungsgeschichte der USPD

7. 1917 – 2017: Was ist an dieser Geschichte der USPD heute noch oder heute wieder relevant?

Anhang
A: Stärke der USPD in einzelnen Reichstagswahlkreisen
B: Biographien der führenden USPD-Funktionäre in Leitungspositionen
C. Die Entwicklung der Opposition gegen die Kriegskredite 1914-1916

Literaturliste

1. Einleitung und Fragestellung

Der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands) ist innerhalb der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bis heute – im Vergleich zur Geschichte der SPD oder der KPD – weniger Aufmerksamkeit beschieden.[1] Keine der beiden anderen Arbeiterparteien beriefen sich später auf die USPD. Nach einer ersten Veröffentlichung von Eugen Prager im Jahr 1922[2], Redakteur der USPD-Zeitung „Freiheit“, erschienen nach einem wissenschaftlichen Halbschlaf von 53 Jahren im Jahr 1975 drei voneinander unabhängige Arbeiten über die USPD: vom englischen Historiker David W. Morgan[3], vom Amerikaner Robert W. Wheeler[4] sowie meine Arbeit[5] ; einige regionale oder lokale Arbeiten folgten.[6]

Wozu sich an 100 Jahre Gründung der USPD erinnern, die bereits nach 5 Jahren (1922) auseinanderbrach? Parteigründungen gab es immer wieder, die nach kurzem Aufblühen genauso schnell wieder verglühten oder völlig einflusslos wurden. Ich nenne beispielsweise in der Weimarer Republik den Sozialistischen Bund (Ledebour 1924-1931), den Leninbund (1928-1933) oder die SAPD (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands, 1931ff.), in der Bundesrepublik die GVP (Gesamtdeutsche Volkspartei, 1952-1957), die Partei Rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei, 2000-2007) oder die Piratenpartei (seit 2006). Fast immer bildete ein wichtiges Thema den Grundstein der neuen Partei. So unterschiedlich diese Parteien jeweils waren, gab es keine Erweiterung auf allgemeine demokratische Problembereiche, keine Integration unterschiedlicher politischer Flügel in der neuen Partei, keine innerparteiliche Demokratie und auch keine nennenswerte parlamentarische Vertretung in der Weimarer Republik bzw. in der Bundesrepublik Deutschland.

Aber gerade hier unterschied sich die USPD von den genannten Parteien: bei den Reichstagswahlen 1920 wählten fast 5 Millionen Wahlberechtigte die USPD, die mit über 80 Mandate in den Reichstag einzog. Noch erstaunlicher: Die USPD hatte 1920 mehr als doppelt so viele Mitglieder wie die SPD 2015, obwohl sich die Wahlbevölkerung im selben Zeitraum fast verdoppelt hatte.[7] Insofern war die USPD 1919/1920 ein (wenn auch nur kurzes) sozialistisches Erfolgsmodell, das einen Rückblick auch nach 100 Jahren sinnvoll erscheinen lässt. Im Folgenden geht es vor allem um die Gründungsgeschichte der USPD, die Gründe des Scheiterns der USPD[8] sind bereits an anderer Stelle beschrieben.

Am 6. April 1917 wurde nach einer Abspaltung von der (Mehrheits-) Sozialdemokratie (MSPD) in Gotha die USPD gegründet. Vertreten waren auf dieser Konferenz verschiedene Flügel (Lager, Fraktionen) der alten Sozialdemokratie, die sich einig waren in der Ablehnung der Bewilligung der Kriegskredite. Über gemeinsame weitere Ziele nach Ende des Weltkrieges gab es sehr unterschiedliche Positionen. Hier ist eine der Gründe für das kurze „Leben“ der USPD zu suchen. Nach Erfolgen in der Novemberrevolution (und Mitarbeit im Rat der Volksbeauftragten) wurde die USPD bei den Reichstagswahlen von 1920 zweitstärkste Partei im deutschen Reichstag. Kaum zwei Jahre später war von der USPD nach ihrem Votum auf dem Hallenser Parteitag zum Beitritt in die III. Internationale nicht mehr viel zu erkennen: die Partei war faktisch verschwunden, etwa ein Drittel der Mitglieder ging zur KPD, ein weiteres Drittel zurück zur SPD und der Rest engagierte sich nicht mehr in einer Partei.

Die Sozialdemokratie vor dem 1. Weltkrieg war keine inhaltlich homogene Organisation. Politisch unterschiedliche Gruppierungen warben unter dem Dach der Sozialdemokratie für Unterstützung ihrer Positionen. Der „verbale Radikalismus“ August Bebels band die verschiedenen Gruppierungen - Parteispaltungen gab es so nicht. Dieter Groh nannte seine Untersuchung über die Vorkriegssozialdemokratie zu Recht „Negative Integration und revolutionärer Attentismus“[9] und Arthur Rosenberg spricht vom „passiven formalen Radikalismus“[10]. Bereits bei der Revisionismus­debatte um Eduard Bernsteins ‘Probleme des Sozialismus‘ (1896/97) und bei der Massenstreikdebatte (1905) zeigte sich, dass es drei Flügel in der SPD gab: die Linken (Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg, Clara Zetkin), die Mitte/das ‚Zentrum‘ (August Bebel, Hugo Haase, Karl Kautsky) und die Rechten (Carl Legien, Phillip Scheidemann, Gustav Noske, Friedrich Ebert). Unter dem gemeinsamen Dach stritten sie parlamentarisch und außerparlamentarisch um den besten Weg zum Sozialismus; es gab eine große verbale Übereinstimmung in internationalen Fragen (2. Internationale), in der Ablehnung der Monarchie, Arbeit im Parlament und in den Gewerkschaften. Gemeinsam waren als Fernziel die Verwirklichung des Sozialismus und die Ablehnung eines Angriffskrieges. Durchaus kontroversen Diskussionen wurden in dem von Karl Kautsky redigierten theoretischen Organ „Die Neue Zeit“ ausgetragen.

Diese drei politischen Flügel in der Vorkriegssozialdemokratie finden sich – wenn auch in unterschiedlicher Stärke - in der 1917 gegründeten USPD wieder: Eduard Bernstein auf der rechten, auf der anderen Seite Theodor Liebknecht und Curt Geyer und quasi in der Mitte Karl Kautsky, Georg Ledebour und Hugo Haase.

Im Folgenden wird zunächst wird nach Gemeinsamkeiten innerhalb der Leitung, der ersten “Führungscrew“ der USPD gefragt. Danach sollen die wichtigsten Stationen der innerparteilichen Entwicklung der parlamentarischen Opposition in der SPD seit Beginn des 1. Weltkrieges nachgezeichnet werden, die zu ihrer Spaltung und zur Gründung der USPD im April 1917 geführt haben, um am Ende der Frage nachzugehen, was diese kurze Geschichte der USPD nach 100 Jahren noch heute relevant macht.

2. Die „Führungscrew“ der USPD

Vergleicht man die Biographien der USPD-Vorstände zwischen 1917 und 1922, so kann man deutliche Parallelen erkennen:

Die Vorsitzenden der parlamentarischen Oppositionsgruppe, der SAG (Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft 1916-1917, der parlamentarischen Vertretung der sozialdemokratischen Abweichler vor der Gründung der USPD) Hugo Haase[11], Georg Ledebour[12] und Wilhelm Dittmann[13] wurden kaum ein Jahr später Vorsitzende (Haase, Ledebour) bzw. Parteisekretär (Dittmann) der neu gegründeten Partei USPD.

Alle drei waren langjährige Mitglieder des deutschen Reichstages: Hugo Haase 1897-1906¸1912-1918; Georg Ledebour 1900-1918, 1920-1924 und Wilhelm Dittmann 1912-1918, 1920-1933.

Sie sind mindestens 20 Jahre vor Beginn des 1. Weltkrieg in die SPD eingetreten und wurden von der Vorkriegssozialdemokratie entscheidend geprägt: Haase (Mitglied seit 1887), Ledebour (Mitglied in der SPD seit 1890) und Dittmann (Mitglied seit 1894).

Alle waren hauptberuflich Politiker: als Reichstags- oder Landtagsabgeordnete oder als Redakteur einer sozialdemokratischen Zeitung Für alle gilt: sie waren Kriegsgegner der ersten Stunde; keiner hat von sich aus aktiv die Spaltung der Sozialdemokratie betrieben; sie wollten Meinungsfreiheit auch gegenüber der Mehrheit im Reichstag; sie wollten für ihre Position kämpfen und hofften, auf die Dauer die Mehrheit der sozialdemokratischen Mitglieder von ihren Positionen zu überzeugen. Alle wollten „die Massen“ der Arbeiter erreichen und nicht als kleine Sekte existieren.

Sie waren Gegner der „putschistischen“ Aktionen der im Weltkrieg entstandenen Spartakusgruppe, Gegner des Kommunismus, nach 1919 Gegner der III. kommunistischen Internationalen.

Sie unterschätzten allerdings den Machtwillen und die Durchsetzungsfähigkeit des rechten Flügels der SPD (Friedrich Ebert, Phillip Scheidemann, Gustav Noske).

Als neue Parteivorsitzende und in Abkehr von der alten Sozialdemokratie veränderten sich ihre Positionen, sie wurden radikaler in ihren Forderungen, schufen ein eigenes Profil. Ihr Ziel war „eine sozialistische Republik als Alternative zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft“[14] nicht erst in ferner Zukunft sondern unmittelbar. Konkrete Vorstellungen über die nächsten Schritte waren, wenn überhaupt, nur rudimentär entwickelt. Sie schafften es nach Ende des 1. Weltkrieges allerdings nicht, die verschiedenen Flügel zusammenzuhalten, aus der freien, solidarischen Diskussion die Kraft zu schöpfen, unter einem gemeinsamen Dach eine links-sozialistische Alternative zur alten Sozialdemokratie und zur entstehenden kommunistischen Partei zu entwickeln.

Die späteren Vorsitzenden der USPD, Arthur Crispien[15], Ernst Däumig[16] und Adolf Hoffmann[17] gingen 1922 wieder zur SPD zurück, nur die „jungen“ Parteisekretäre, Wilhelm Koenen[18], Walter Stoecker[19], Otto Gäbel[20] und Bertha Braunthal[21], im Gründungsjahr der USPD zwischen 26 und 31 Jahre alt, gingen zur KPD und fanden dort ihre politische Heimat.

Curt Geyer[22], einer der Wortführer der jungen Linken in der USPD, formulierte in seinen in den 1960er Jahren niedergeschriebenen Erinnerungen:

„Das war in der Partei eine Frage der Generationen wie eine Frage der Tradition. Die älteren Politiker und Parlamentarier der Partei verstanden unter Politik das, was die Sozialdemokratie der Vorkriegszeit darunter verstanden hatte, wir Jungen dagegen waren Aktivisten, die unmittelbar in die Ereignisse eingreifen und den Gang der Geschichte bestimmen wollten.“[23]

Inwieweit hier ein inhaltliches Unterscheidungsmerkmal zwischen diesen beiden Altersgruppen gegeben war, wäre noch genauer zu verfolgen. Fest steht, dass sich die Jungen für die russische Februarrevolution 1917 und auch für die Bolschewisten begeisterten; diese russischen Revolutionäre redeten nicht nur über den Sozialismus, sondern suchten aktiv, stellvertretend für die Arbeiter und Bauern, ihn real umzusetzen. Ihr bedenkenloses Umsetzen des eigenen Machtanspruchs könnte sehr wohl die „Jungen“ in der USPD beeindruckt haben. Wenn Curt Geyer schreibt: „Die russische Revolution schien alle meine Anschauungen und Erwartungen zu bestätigen und feuerte meinen Drang nach Aktivität an,“[24] so zeigte dies den jungen Radikalen deutlich.

Die verbale Unterstützung der älteren USPD-Reichstagmitglieder für die russische Revolution war zwar vorhanden: Es gibt „nur einen Weg der Rettung – und da stimmen wir überein mit ihnen [den russischen Bolschewisten] -: Hilfe bringt nur der internationale Klassenkampf“[25], so Hugo Haase im Reichstag; aber eine konkrete praktische Umsetzung erfolgte nicht.

Diese Dialektik zwischen den „jungen Aktivisten“ und den „älteren Parlamentariern“ prägte die USPD zwischen 1917 und 1919 und trieb sie zu einer immer deutlicheren Abkehr von der Vorkriegssozialdemokratie. Auf der einen Seite waren das Vorantreiben neuer Ideen (Arbeiter- und Soldatenräte), neuer Ziele (Sozialisierung, Betriebsrätegesetz), Friedensverhandlungen mit den Alliierten deutlich zu spüren. Auf der anderen Seite war die konsequente Ausnutzung parlamentarischer Möglichkeiten erkennbar, das Zulassen alternativer Aktionsformen der „Jungen“, den Focus auf erreichbare Zwischenschritte mit „den Massen der Arbeiter“, ohne das Endziel aus dem Auge zu verlieren, deutliche Streikunterstützungen ab April 1917, aber ablehnend gegenüber einem spontanen Sprung aus der Realität hin zu einem Reich des sozialistischen Glückseligkeit: Diese lebendige Diskussion und auch Aktion trieb die USPD von der rein parlamentarischen Oppositionspolitik der Kriegsgegner hin zu einer „sozialistischen Alternative“.

Ein weiter zu erklärendes Unterscheidungsmerkmal war die soziale Basis der USPD-Mitglieder: Die qualifizierten Facharbeiter tendierten eher zur USPD[26], während die jungen Radikalen, ehemalige Soldaten, später in der Weimarer Republik die Unqualifizierten, Arbeitslosen, eher zur KPD tendierten bzw. sich nach 1920 überhaupt nicht mehr politisch engagierten – bis Ende der 20er Jahre mit der NSDAP ein neues Betätigungsfeld für diese soziale Schichtung entstand.

3. Auf dem Weg zur Spaltung

Am 28. Juni 1914 wurde Franz Ferdinand, der Thronfolger der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie, in Sarajevo durch einen 19-jährigen bosnischen Terroristen erschossen – der Anlass, der im August 1914 zum Ausbruch des 1. Weltkrieges führte.

Für die Sozialdemokratie galt vor dem Sommer 1914 uneingeschränkt der Beschluss der 2. Internationale (Stuttgart 1907):

„Droht der Ausbruch eines Krieges, so sind die arbeitenden Klassen und deren Parlamentarische Vertretungen in den beteiligten Ländern verpflichtet, alles aufzubieten, um durch die Anwendung der ihnen am wirksamsten erscheinenden Mittel den Ausbruch des Krieges zu verhindern, die sich je nach Verschärfung des Klassenkampfes und der Verschärfung der allgemeinen politischen Situation naturgemäß ändern.

Falls der Krieg dennoch ausbrechen sollte, so ist es die Pflicht, für dessen rasche Beendigung einzutreten und mit allen Kräften dahin zu streben, die durch den Krieg herbeigeführte wirtschaftliche und politische Krise zur Aufrüttelung des Volkes auszunutzen und dadurch die Beseitigung der kapitalistischen Klassenherrschaft zu beschleunigen.“[27]

Aber die Angst vor der eigenen Courage, die Angst um die Organisation (der Parteivorsitzende Friedrich Ebert wurde mit Parteikasse sicherheitshalber in die Schweiz geschickt[28] ), die öffentliche Kriegsbegeisterung, der sich viele Reichstagsabgeordneten nicht entziehen konnten, das geschickte Verhalten der rechten Führer (Eduard David: „sich von überkommenen Vorstellungen loszusagen, umzulernen“[29] ), das Argument gegen das Zarenreich und das Abrücken der anderen nationalen sozialdemokratischen Parteien in der 2. Internationale: Von der klaren, theoretischen, pazifistischen Position von 1907 blieb nicht mehr viel übrig. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion beschloss am 3. August 1914 (mit 78 gegen 14 Stimmen[30] ), den Antrag der Reichsregierung auf Kriegskreditbewilligung zu unterstützen, den Fraktionszwang zu beschließen, der von allen Abgeordneten eingehalten wurde und ausgerechnet den Partei- und Fraktionsvorsitzenden Hugo Haase, einen Kritiker dieser Position, damit zu beauftragen, diese Kriegsunterstützung der Fraktion im Reichstag zu verkünden. So erklärte der Partei- und Fraktionsvorsitzende Hugo Haase am 4. August 1914 vor dem Reichstag – gegen seine eigene Überzeugung:

„Jetzt stehen wir vor der ehernen Tatsache des Krieges. Uns drohen Schrecknisse der feindlichen Invasionen. Nicht für oder gegen den Krieg haben wir heute zu entscheiden, sondern über die Frage der für die Verteidigung des Landes erforderlichen Mittel. […] Unsere heißen Wünsche begleiten unsere zu den Fahnen gerufenen Brüder ohne Unterschied der Partei.

Für unser Volk und seine freiheitliche Zukunft steht bei einem Sieg des russischen Despotismus, der sich mit dem Blute der Besten des eigenen Volkes befleckt hat, viel, wenn nicht alles auf dem Spiel. Es gilt, diese Gefahr abzuwehren, die Kultur und die Unabhängigkeit unseres eigenen Volkes sicherzustellen. Da machen wir wahr, was wir immer betont haben: Wir lassen in der Stunde der Gefahr das eigene Vaterland nicht im Stich.“[31]

Damit war klar, dass dem Wortradikalismus der Sozialdemokratie keine entsprechenden Taten folgen würden: Ein Auseinanderdriften dieser großen sozialdemokratischen Partei war vorgezeichnet. Die Opposition bestand bereits aus den bekannten drei sehr unterschiedlichen Gruppierungen: die Linke um Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Clara Zetkin[32] und Franz Mehring, die später als Spartakusgruppe bezeichnet wurde (ab 31.12.1918 Kommunistische Partei Deutschlands), die Pazifisten um Eduard Bernstein, die nach Ende des 1. Weltkrieges keinen Grund einer weiteren Spaltung sehen sollten, und das „marxistische Zentrum“ um Karl Kautsky, Hugo Haase, Rudolf Hilferding, die erst 1922 den Weg zurück zur SPD gehen sollten, sowie die sehr kleine Gruppe um den sozialistischen „Querdenker“ Georg Ledebour. Dieser schloss sich keiner dieser Richtungen an, führte im Herbst 1922 die USPD weiter, wurde 1924 aus der „Rest-USPD“ ausgeschlossen und führte den ‚Sozialistischen Bund‘ – eine Abspaltung der „Rest-USPD“ – weiter, bis dieser dann 1931 in der SAPD aufging.

Von den 18 Reichstagsabgeordneten, die im März 1916 die Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft (SAG), dem parlamentarischen Vorläufer der USPD, gründeten, gehörten 7 Abgeordnete bereits zu den ersten 14 Abgeordneten, die sich am 3. 8. 1914 in der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion gegen die Bewilligung der Kriegskredite ausgesprochen hatten: Wilhelm Bock, Curt Geyer, Hugo Haase, Alfred Henke, Joseph Herzfeld, Georg Ledebour und Ewald Vogtherr. Im Anhang C werden für die Zeit von 1914-1916 die Namen der Minderheiten bei Fraktionsbeschlüssen, die Nein-Sager im Parlament und diejenigen Namen zusammengetragen, die vor der Abstimmung den Plenarsaal des Reichstages verlassen hatten, um ihren Protest trotz der Fraktionsdisziplin halb-öffentlich zur Schau zu stellen.

Der Reichstag verabschiedete sich bis zum Dezember 1914; das Kriegsgeschehen innerhalb dieses halben Jahres machte schnell deutlich, dass es sich nicht um einen Verteidigungskrieg gegen die ‚russische Aggression‘ handelte: Der langandauernde Stellungskrieg war schon bald nach der Marne-Schlacht im Herbst 1914 erkennbar.

Ende November tagte die sozialdemokratische Reichstagsfraktion erneut zur Vorbereitung der Reichstagssitzung am 3. Dezember, um über einen Fünfmilliarden-Kredit zu beraten. Die äußerst kontroverse Diskussion, unter anderem ging es auch hier wieder um die Fraktionsdisziplin bei abweichendem Verhalten, ergab intern eine Ablehnung weiterer Kriegskredite durch 17 Mitglieder.[33] Im Reichstag erklärte der Parteivorsitzende Hugo Haase noch ganz im Sinne der Mehrheit der sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten:

„Den Krieg, dessen tiefere Ursache die ökonomischen Interessengegensätze bilden, haben wir bis zum letzten Augenblick bekämpft. Noch sind aber die Grenzen unseres Landes von feindlichen Truppen bedroht. Daher muss das deutsche Volk auch heute noch seine ganze Kraft für den Schutz des Landes einsetzen. Die Sozialdemokratie bewilligt deshalb die geforderten neuen Kredite.“[34]

Liebknecht jedoch stimmte als einziger auch im Reichstag offen gegen die Kreditvorlage[35]. In Abwägung zwischen Fraktionsdisziplin und Parteiprogramm entschied er sich für das Letztere; ein Beschluss des Fraktionsvorstandes war zu erwarten:

„Der Vorstand der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion stellt fest, dass der Genosse Liebknecht entgegen dem alten Brauch der Fraktion, der durch einen ausdrücklichen Beschluss für den vorliegenden Fall erneuert wurde, gegen die Kriegskreditvorlage gestimmt hat. Der Vorstand bedauert diesen Bruch der Disziplin, der die Fraktion noch beschäftigen wird, aufs tiefste.“[36]

Damit wurde bereits im Dezember 1914 deutlich, wie die Fraktion mit abweichenden Positionen umgehen würde: Fraktionsdisziplin, keine öffentliche Diskussion, bei abweichendem Verhalten Maßregelung (die Abkehr von der Fraktionsdisziplin wird als Vertrauensbruch sanktioniert), bis schließlich Ausschluss aus der Fraktion, d.h. durchgängig den Druck erhöhen, die Möglichkeit einer offenen Auseinandersetzung verhindern.

Bei der 3. Kriegskreditbewilligung (20. März 1915) stimmte neben Karl Liebknecht auch Otto Rühle offen im Reichstag dagegen, während 30 sozialdemokratische Abgeordnete vor der Abstimmung den Saal verließen, eine Form des kleinen Widerspruchs: die Fraktionsdisziplin sollte nicht offen durchbrochen werden.[37]

Nachdem eine offene innerparteiliche Klärung zur Frage der Kreditbewilligung in der sozialdemokratischen Partei und Presse nicht geführt wurde, ging die parteiinterne Opposition mit zwei unterschiedlichen Verlautbarungen an die Öffentlichkeit. Zunächst wurde am 9. Juni 1915 ein von Liebknecht und Ledebour initiiertes und formuliertes Protestschreiben und Flugblatt gegen die Burgfriedenspolitik der Reichstagsfraktion an den Vorstand der SPD veröffentlicht, das von fast 1000 oppositionellen Partei- und Gewerkschaftsmitgliedern unterzeichnet worden war.[38]

In dem Protestschreiben wurde formuliert:

„Keinem, der noch länger zögert, kann fürderhin Gutgläubigkeit und Unkenntnis zugebilligt werden. Der Tatbestand liegt unzweideutig; die Situation ist vom letzten Nebel geklärt. Die Alternative lautet schlechthin: Parteirettung oder Parteizerstörung. […] Wir fordern, dass Fraktion und Parteivorstand endlich ohne Zaudern dem Parteiverderben Einhalt tun, den Burgfrieden aufsagen und auf der ganzen Linie den Klassenkampf nach den Grundsätzen des Programms und den Parteibeschlüssen, den sozialistischen Kampf für den Frieden eröffnen. Die Verantwortung für alles, was sonst kommt, fällt denen zu, die die Partei auf die abschüssige Bahn getrieben haben und ferner darauf erhalten wollen.“[39]

Betrachtet man die Funktionärsliste nach dem Herkunftsorten, um etwas über die frühe Stärke der Opposition zu erfahren, so lassen sich folgende Aussagen treffen: mehr als 60% aller Unterschriften stammen aus sechs Bezirken: Berlin (über 40%), aus Hanau (über 4%), Düsseldorf (4%), Crimmitschau(Sachsen) (3,5%), Gotha (fast 3%) und Stuttgart (gut 2,5%). Diese Zahlen korrespondieren mit den Wahlergebnissen 1919 und 1920 (siehe Exkurs im Anhang) bis auf eine Ausnahme: Hanau, das auch politisch eine Sonderrolle spielte.[40]

1927 machte Gustav Laukant auf einen Aspekt aufmerksam, der in der bisherigen Forschung kaum beachtet worden ist: Die Rolle der Frauen im 1. Weltkrieg. Sie mussten nicht nur in Fabriken die Arbeit der Männer übernehmen, die eingezogen waren, sie kämpften auch an vorderster Front gegen die Burgfriedenspolitik der Mehrheitssozialdemokratie.

„So endete die Frauendemonstration 1915 vor dem Reichstag mit der Verhaftung W. Piek und E. Adena, die eine weiße Fahne mit unserer Parole trugen. Für die Forderung der Entlassung Rosa Luxemburgs aus dem Frauengefängnis Barnim demonstrierten die Frauen ebenfalls. Überhaupt waren sie es, die in dieser Zeit rührig und ihre revolutionäre Pflicht restlos erfüllten, und dafür in Gefängnissen und in Schutzhaft büßen mussten. Die Frauen waren es auch, die zuerst gegen den mit hinterhältigen Mitteln zur Niederhaltung der Opposition arbeitenden Parteivorstand vorgingen.“[41]

10 Tage später – am 19.Juni 1915 - veröffentlichte die Leipziger Volkszeitung den Aufruf „Das Gebot der Stunde“[42], verfasst von Eduard Bernstein, Hugo Haase (noch Vorsitzender der SPD und der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion) und Karl Kautsky. Darin wurde dargelegt, warum gerade jetzt „die Stunde der Entscheidung“ gekommen sei: Der Krieg sei ein Eroberungskrieg geworden, die Konservativen hätten sich „unumwunden für Annexionen ausgesprochen“, der König von Bayern habe sich „in Bezug auf die Ausdehnung unserer Grenzen im Westen ausgesprochen, um günstigere Verbindungen zum Meer zu bekommen“. Es sei jetzt Aufgabe der Sozialdemokratie, der „Partei des Friedens“, auf der Grundlage freier Vereinbarung gegen Eroberungspläne einen Frieden ohne Annexion anzustreben:

„Wir zweifeln nicht, dass unsere Partei diejenigen Folgerungen ziehen wird, die sich für unsere parlamentarische und außerparlamentarische Haltung hieraus ergeben. Mit den schönsten Überlieferungen der Sozialdemokratie steht die Zukunft unseres Volkes auf dem Spiel, seine Wohlfahrt und seine Freiheit. Hat unsere Partei nicht die Macht, die Entscheidungen zu treffen, so fällt doch uns die Aufgabe zu, als treibende Kraft die Politik in der Richtung vorwärts zu drängen, die wir als die richtige erkannt haben.“[43]

Gerade mit dem Hinweis auf die außerparlamentarischen Aktionen wurde - noch innerhalb der Partei - ein weiterer Schritt im Machtkampf zwischen Mehrheit und Minderheit in der Partei gewagt. Die Mehrheit von Parteivorstand und Reichstagsfraktion reagierte unmittelbar:

„Es lag sonach nicht der mindeste Anlass zu einem derartigen Pronunziamento [Aufruf zum Sturz der Regierung, h.k.] vor. Wenn darin von der Einmütigkeit der Partei geredet wird, so sind wir der Überzeugung, dass diese durch nichts schwerer gefährdet wird als durch ein solches Vorgehen.“[44]

Bei der am 20. August 1915 beantragten vierten Kriegskreditbewilligung stimmten in der Fraktion 30 Sozialdemokraten gegen den Antrag, 36 Abgeordnete der Fraktion verließen rechtzeitig den Plenarsaal.[45]

Im September 1915 trafen sich oppositionelle Sozialisten aus vielen europäischen Ländern zu einer internationalen Konferenz („Zimmerwalder Bewegung“) in der Schweiz, um zu beraten, wie in Zukunft die internationale Zusammenarbeit organisiert werden könnte, nachdem die II. Internationale den 1. Weltkrieg und nationalstaatliche Loyalitäten in den verschiedenen sozialdemokratischen Parteien nicht hatte verhindern können. Hier wurden bereits erste Schritte für eine neue Internationale gelegt, die 1919 zur Gründung der III. Internationalen in Moskau führte und nach bolschewistischem Vorbild zentralistisch aufgebaut war.[46]

Vor der fünften Kriegskreditbewilligung am 21. Dezember 1915 kam es fast zum Bruch der Fraktion. Prager spricht von einer „Gewitterstimmung“[47], nachdem Hugo Haase eindringlich für eine Freigabe der Abstimmung geworben hatte:

„Ich würde es als eine Tat weitsichtiger Taktik der Fraktion ansehen, wenn die Fraktion dann, wenn in zunehmenden Maß die Minderheit wächst, wenn man sagen kann und muss, dass sich die Minderheit in eine Mehrheit verwandeln wird, dass sie dann den Standpunkt der Toleranz annimmt […] Man sagt, dieses Vorgehen führe zur Spaltung. Nein, es führt nicht zur Spaltung. Wenn aber die Fraktion sich anders verhalten würde, dann würde die Intoleranz zur Spaltung tatsächlich führen“[48]

Hermann Molkenbuhr antwortete darauf: „Das beabsichtigte Sondervorgehen ist eine Spaltung, nicht nur der Fraktion, sondern auch der Partei.“[49] Obwohl der Minderheitenfraktion am Ende dieser sehr kontroversen Diskussion gegen 21 Stimmen ein offenes Votum im Reichstag untersagt wurde, verließen vor der Abstimmung 22 Sozialdemokraten den Reichstag und 20 Abgeordnete stimmten im Reichstag offen gegen die Kriegskreditvorlage. Friedrich Geyer erklärte im Namen dieser 20 Abgeordneten:

„Unsere Landesgrenzen und unsere Unabhängigkeit sind gesichert, nicht Einbruch feindlicher Heere droht uns, wohl aber geht unser Reich wie das übrige Europa bei Fortsetzung des Krieges der Gefahr der Verarmung seiner Kultur entgegen. […] Es gilt, dem in allen Ländern hervortretenden und wachsenden Friedensbedürfnis einen kräftigen Antrieb zu geben. Unseren Friedenswillen und unsere Gegnerschaft gegen Eroberungspläne können wir nicht vereinbaren mit der Zustimmung zu den Kriegskrediten. Wir lehnen die Kriegskredite ab.“[50]

Das hatte Konsequenzen innerhalb der sozialdemokratischen Fraktion. Noch wurde ein Ausschluss aus der Fraktion nicht beschlossen, aber in dieser Sonderaktion „ein Disziplinbruch bedauerlichster Art erblickt. Die Sonderaktion zerstört die Einheit der parlamentarischen Aktion in der schwierigsten politischen Lage und ist darum auf das Schärfste zu verurteilen.“[51]

Noch am 7. Januar 1916 erklärte Haase auf der Sitzung des Parteiausschusses: „Wer die Partei spalten will, wird in mir den schärfsten Gegner finden. […] So wenig wie die Spaltung der Partei wird die Spaltung der Fraktion beabsichtigt.“[52]

Nach intensiver kontroverser Diskussion beschloss der Parteiausschuss mit 29 gegen 11 Stimmen, dass die öffentliche Erklärung der 20 Reichstagsabgeordneten „aufs schärfste zu verurteilen [ist]. Diese Sonderaktion ist zugleich ein schroffer Bruch mit den besten Überlieferungen der Arbeiterbewegung und gefährden die Einheit und die Schlagkraft der Partei in bedrohlicher Weise. […] Insbesondere verdient das Verhalten des Genossen Haase die schärfste Missbilligung. Indem Haase sich an dem Disziplinbruch beteiligte, hat er aufs neue und in noch schlimmerer Weise als durch das ‚Gebot der Stunde‘ gegen die Pflicht verstoßen, die ihm sein Amt als Vorsitzender der Parteiorganisation auferlegt.“[53]

Weniger Tage später, am 12. Januar 1916 wurde – quasi als „letzten Schuss vor den Bug“ - Karl Liebknecht aus der Fraktion ausgeschlossen, da er in fortgesetzten Handlungen ohne Abstimmung mit der Fraktion durch Kleine Anfragen die Reichsregierung angeprangert hatte. Damit war Liebknechts Rede- und Antragsrecht entscheidend eingeengt.[54]

Durch diese beiden Entscheidungen des Parteiausschusses und der Fraktion der Sozialdemokratie im Januar 1916 wurde der Trennungsprozess durch einen faktischen Herauswurf in die Wege geleitet.

Die endgültige Trennung und damit das Entstehen der SAG, „Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“, quasi dem parlamentarischen Vorläufer der USPD, erfolgte im März 1916 vor, während und nach den Beratungen zum Not-Etat, der am 24. März 1916 vom Reichstag verabschiedet wurde. In der Fraktionssitzung am Vormittag des 24. März 1916 wurde kursorisch über den Not-Etat – als formale Weiterführung des alten Etats über den 1. April 1916 hinaus – diskutiert, auch inwieweit es mehr als eine Fortsetzung sei. Haase ergriff mehrfach das Wort, jedoch ohne Hinweis darauf, dass er im Reichstag eine anderslautende Rede halten werde. Dittmann schreibt in seinen Erinnerungen:

„In einer Zusammenkunft am Abend dieses Tages [i.e. 23.3.1916, h.k.], in welcher Haase nicht anwesend sein konnte, beschlossen diese Fraktionsmitglieder, darunter auch ich, den Not- Etat im Plenum abzulehnen und Haase eine Rede zur Begründung dieses Standpunktes halten zu lassen. Um zu verhindern, dass diese Absicht durch die Mehrheit der Fraktion oder die bürgerlichen Parteien vereitelt werden könnte, wurde beschlossen, der Fraktion davon keine Mitteilung zu machen.“[55]

„Um eine Vereitelung dieses Vorhabens vorzubeugen, teilte Hugo Haase im Einverständnis mit seinen Freunden erst unmittelbar vor Eröffnung der Reichstagsverhandlung dem Fraktionsvorstand mit, dass er reden würde; immerhin noch so frühzeitig, dass die Mehrheitsanhänger die Möglichkeit zu früherer Wortmeldung hätten. Der Mehrheitler bemächtigte sich eine maßlose Wut.“[56]

Im Reichstag erklärte Haase am 24.3.1916:

„In allen Ländern haben die Massen den leidenschaftlichen Willen zum Frieden. […] Wir Sozialisten, die wir den Krieg verabscheuen und mit aller Kraft ihn zu verhindern uns bemüht haben, widersetzen uns selbstverständlich seiner Verlängerung (große Unruhe – Glocke des Präsidenten), […] wenn es sich nur darum handelte, die Unversehrtheit des Reiches und die Unabhängigkeit unseres Volkes aufrecht zu erhalten, [so hätten] wir wahrscheinlich schon den Frieden erzielen können.“[57]

Hasses Rede im Reichstag wurde zehnmal vom Parlamentspräsidenten unterbrochen, um der parlamentarischen Unruhe – auch in der sozialdemokratischen Fraktion - fertig zu werden und Haase auf das Thema zurückzuführen. Am Ende formulierte der Präsident:

„Ich frage nunmehr das Haus, ob es dem Herrn Abgeordneten Haase das Wort weiter gestatten will. Ich bitte die Herren, die es ihm nicht weiter gestatten wollen, sich von ihren Plätzen zu erheben. (Geschieht. — Rufe: auch Sozialdemokraten! — Lebhaftes Bravo.) Das ist die Mehrheit. (Mehrfache Rufe von den Sozialdemokraten: Gegenprobe! — Andauernde Bewegung.)“[58]

Die parlamentarische Form der Mundtotmachung von Haase durch den Präsidenten des Reichstages ist durchaus ungewöhnlich; zwar hat er stets das Recht, einem Abgeordneten das Wort zu entziehen, falls er nicht „zur Sache“ sprach; aber diese Form des „Abwürgens“ war neu. Karl Liebknecht hatte bereits ähnliche Erfahrungen des Mundtotmachens erfahren müssen.[59] Damit war zwar die Rede von Haase ‚abgewürgt‘ und die Turbulenz im Reichstag war vorüber, nicht jedoch die inner-sozialdemokratische Auseinandersetzung.

Diese Rede war für die Mehrheit der Fraktion nicht mehr tragbar. Noch am selben Tag, unmittelbar nach der Reichstagssitzung beschloss die sozialdemokratische Fraktion nach dieser unangekündigten Rede Konsequenzen:

„Dadurch [Rede ohne Ankündigung, h.k.] wird sein Disziplinbruch zum Treubruch. Nachdem die Fraktion bereits am 12. Januar die damalige Sonderaktion [Liebknecht] aufs schärfste gerügt hatte, sieht sie sich nunmehr gezwungen zu erklären, dass Haase und diejenigen Fraktionsmitglieder, welche die gemeinsam gefassten Beschlüsse gröblich missachten und öffentlich durchkreuzen, dadurch die aus der Fraktionszugehörigkeit entspringenden Rechte verwirkt haben.“[60]

Die Minderheit erklärte daraufhin noch am selben Tag:

„Die sozialdemokratische Fraktion des Reichstages hat uns heute mit 58 gegen 33 Stimmen, bei 4 Stimmenthaltungen, der ‚aus der ‚Fraktionszugehörigkeit entspringenden Rechte‘ beraubt. Dieser Beschluss macht es uns unmöglich, innerhalb der Fraktion auch ferner die Pflichten zu erfüllen, die uns durch die Wahl als Abgeordnete der sozialdemokratischen Partei auferlegt sind. Wir sind uns bewusst, getreu den Grundsätzen der Partei und den Beschlüssen der Parteitage gehandelt zu haben. Um so die Pflicht gegenüber unseren Wählern auch weiterhin erfüllen zu können, sind wir genötigt, uns zu einer Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft zusammen zu schließen.

Den völlig unbegründeten Vorwurf des Disziplinbruchs und des Treuebruchs weisen wir zurück.“[61]

Damit war der erste Teil der Spaltung der Arbeiterbewegung vollzogen. Hugo Haase legte zwei Tage später den Fraktionsvorsitz und den Vorsitz der sozialdemokratischen Partei wenig freiwillig[62] nieder. Die große sozialdemokratische Fraktion war gespalten. Dies war in erster Linie nicht der Wunsch der Minderheit: sie wollte Rede- und Handlungsfreiheit innerhalb der sozialdemokratischen Partei und nicht eine neue Partei gründen. Aber die Minderheit war von der Mehrheit aus der Fraktion herausgedrängt worden: der Weg von der SAG zu einer eigenständigen Partei war damit vorgezeichnet. In drei Konferenzen wurde das endgültige Schicksal der einheitlichen Arbeiterbewegung besiegelt:

Im September 1916 tagte eine Reichskonferenz der Sozialdemokratie Deutschlands[63], die letzte gemeinsame Konferenz der verschiedenen Flügel der Vorkriegs-sozialdemokratie, im Januar 1917 tagte die SAG mit der Spartakusgruppe[64] und drei Monate später war der Gründungskongress der USPD im April 1917 in Gotha.[65]

Diesen drei Konferenzen gilt nunmehr Aufmerksamkeit:

Nachdem zunächst auf der Reichskonferenz im September 1916 über Verfahrensfragen, wie z.B. Delegationsmodus, Geschäftsordnung, Redezeit für Referenten und Korreferenten (mit/ohne Schlusswort am Ende der Diskussion) heftig gerungen wurde, konnten die drei Hauptreferate gehalten werden: zuerst Philipp Scheidemann über „Die Politik der Partei“[66], dann Friedrich Ebert über „Die Tätigkeit des Parteivorstandes“[67] und als Redner der Opposition der ehemalige Vorsitzende der Sozialdemokratie Hugo Haase[68]. Auch wenn Friedrich Ebert als Konferenzvorsitzender zu Beginn formulierte: „Unsere Absicht in dieser Konferenz, das will ich offen aussprechen, ist lediglich das Bestreben, die Einheit der Partei zu wahren und ihre Aktionsmöglichkeiten zu sichern“[69], so glaubte wohl keiner, dass das Ergebnis dieser Konferenz eine neue Form der Einheit werden könnte. Zu tief waren bereits die Gräben und die gegenseitigen Verletzungen geworden, zu deutlich zeigten sich bereits grundsätzliche politische Unterschiede, als dass eine Einigung während des Krieges möglich erschien. Es wurde eher gerechtfertigt statt überzeugt, von der jeweils anderen Seite eine Einsicht in die eigene Position erwartet statt einen Kompromiss zu suchen.

Wenn Hugo Haase formulierte: „Es wäre im höchsten Maße wünschenswert, wenn die Genossen endlich jetzt dahin kämen, der Regierung die Gefolgschaft aufzusagen“[70], so schwang bereits der Vorwurf mit, sie würden es doch nicht tun.

Und natürlich wurde auch „nach draußen“ gesprochen im Wissen, dass diese Reden in den Parteizeitungen oder in Extrabroschüren abgedruckt werden würden.

Zum Vorwurf, die Minderheit wolle einen Frieden um jeden Preis, führte Hugo Haase aus:

„Nein, das wollen wir nicht, aber draußen im Lande und nicht nur bei den Arbeitern höre ich oft genug das Wort: Wenn doch der Krieg zu Ende käme, ganz gleich wie er zu Ende kommt. (Lebhafter Widerspruch) Oft genug wird gesagt, lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Wir wollen nicht den Frieden um jeden Preis, wir wollen nicht in die Gewalt Russlands kommen, auch nicht unter die Gewalt irgendeines anderen Staates, wir wollen nicht den Despotismus stärken, wir wollen nicht den englischen Imperialismus unterstützen, aber wir wollen – und das bitte ich Sie zu beachten – um keinen Preis die Fortsetzung dieses Krieges.“[71]

Und zum Schluss seiner langen Rede:

„Genossen! Wir wollen die Einheit der Partei, aber nicht eine Partei, in der dem Imperialismus offen oder versteckt Konzessionen gemacht werden. Wir wollen die Einheit der Partei, aber nicht eine Partei, die die Kolonialpolitik unterstützt […] Wir sind gegen eine Partei, in der die Schutzzoll-Bereicherungspolitik eine Förderung erfährt. (Beifall der Opposition). Wir wollen nicht eine Partei, in der der Klassenkampf abgeschwächt wird. (Lebhafte Zustimmung der Opposition.). Parteigenossen! Wir wollen die Einheit der Partei, aber auf dem festen granitenen Boden des sozialdemokratischen Programms. Wir wollen sie als internationale Sozialisten! (Stürmischer Beifall und Händeklatschen bei der Opposition).“[72]

So wurde jede positive Teilaussage zugleich mit einer Kritik an der Mehrheitssozialdemokratie verbunden und einer Einheit unter der Führung der SAG das Wort geredet. Ähnliches – mit umgekehrten Vorzeichen – wurde von der Mehrheit und dem Parteivorstand geäußert:

Ebert formulierte in seinem Referat über die Tätigkeit des Parteivorstandes:

„Noch ein Wort zur Schlammflut anonymer Flugschriften. Ist es an sich schon verwerflich, Parteiauseinandersetzungen in anonymen Flugschriften auszutragen, so übersteigt die dabei angewandte Methode an niedriger Gesinnung und Verleumdungssucht alles Dagewesene (Lebhaftes Sehr richtig!) Die Tendenz all dieser Sudeleien läuft darauf hinaus, die im Vordergrunde der Arbeiterbewegung stehenden Körperschaften und Personen zu verdächtigen, um sie unmöglich zu machen.“[73]

Hatte Ebert noch zu Beginn der Konferenz erklärt: „Unsere Absicht in dieser Konferenz, das will ich offen aussprechen, ist lediglich das Bestreben, die Einheit der Partei zu wahren und die Aktionsmöglichkeit zu sichern“[74], so war in seiner Rede von dieser Offenheit nicht mehr viel zu spüren. Die Gegensätze, die bis zu Handgreiflichkeiten bei Eberts Rede führten[75], zeigten deutlich, dass keine der beiden Seiten zu einem Kompromiss bereit war.

Eugen Prager fasst das Ergebnis der Reichskonferenz mit den Worten zusammen: „In der Diskussion stellte sich bald heraus, dass die Hoffnung, die Reichskonferenz werde zu einer Abschwächung der Gegensätze führen, sich nicht erfüllen konnte.“[76]

Eine zeitnahe andere Entwicklung verschärfte den Konflikt entscheidend. Die Mehrheit der Vorwärts-Redakteure, des Berliner Zentralorgans der Sozialdemokratie, stand der oppositionellen Minderheit sehr nahe und berichtete auch entsprechend. Konsequenzen waren seit August 1914 immer wieder Verbote der Zeitung durch das Militär.

[...]


[1] Zum Gründungs-Jahrestag sind zu verschiedenen Zeitpunkten Aufsätze erschienen:
1927: „1917-1927 10 Jahre USPD“, in, Klassenkampf Jg.6 (1927) Nr. 14 (8. April 1927) Beilage, 8 Seiten. Hier auch diverse Aufsätze zur Gründung der USPD: Angelika Balabanoff, „Die deutsche Opposition und die Internationale“ (S.2); J. Steinberg, „Den unabhängigen Sozialisten zum Gruß“ (S.2); Georg Davidsohn „Was bedeutet das Wort ‚unabhängig‘?; [1] „10 Jahre Kampf. Einige Worte zur Entstehung der USPD geschrieben von G[ustav] L[aukant]“ (S.3).
1987: Dieter Engelmann, ‘Zum 70. Gründungsjahr der USPD‘, in , Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 29.Jg. (1987), [Ost-] Berlin, SS.324-334.
1992: Elke Leonhard, „Die Spaltung der SPD 1917. Zur Gründung der USPD vor 75 Jahren“, in, Sozialdemokratischer Pressedienst, 47. Jg., 10. April 1992, SS. 2- 4.
1907: Jochen Schröder, Vor 90 Jahren - in Gotha entsteht eine neue Partei‘, in, Urania-Akzente. Urania Kultur- und Bildungsverein Gotha, Bd.12, 2007, Heft 1, S 9.
2017: Das abgekündigte Zeitschriftenheft: 1917 bis 2017: 100 Jahre USPD: Indes. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft 2016, Heft 04 ist noch nicht erschienen.

[2] Eugen Prager, Geschichte der USPD. Entstehung und Entwicklung der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Verlagsgenossenschaft Freiheit, Berlin 1922. Zu Eugen Prager liegt eine hervorragende Biographie vor, die auch als pdf-Datei heruntergeladen werden kann: Ilse Fischer, Rüdiger Zimmermann , „Unsere Sehnsucht in Worte kleiden“ Eugen Prager (1876-1942). Der Lebensweg eines sozialdemokratischen Journalisten, Historisches Forschungszentrum der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2005 (http://library.fes.de/pdf-files/bibliothek/03263.pdf)

[3] David W. Morgan, The Socialist Left and the German Revolution. A History of the German Independent Social Democratic Party 1917-1922, Ithaca and London 1975.

[4] Robert F. Wheeler, USPD und Internationale. Sozialistischer Internationalismus in der Zeit der Revolution, Frankfurt/Main Berlin Wien 1975.

[5] Siehe Hartfrid Krause, USPD. Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Frankfurt/Main 1975.

[6] Alfred Hermann Die Geschichte der pfälzischen USPD, Neustadt a.d.W., 1989; Sylvia Neuschl, Geschichte der USPD in Württemberg oder Über die Unmöglichkeit einig zu bleiben, Esslingen 1983;Bernhard Grau, [Über Bayern:] Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD), 1917-1922, in, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44630; Volker Ulrich, Die USPD in Hamburg und im Bezirk Wasserkante 1917/18, in, Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, 79. Jg.,(1993) [mit weiteren lokalen Titelangaben]. Bernward Anton, Die Spaltung der bayerischen Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg und die Entstehung der USPD. Vorgeschichte – Verlauf – Ursachen, Dissertation Universität Augsburg, Typoskript, o.O., 2015

[7] Parteimitgliedschaft in der SPD 2015: 445.534, USPD 1920: 893.923.Siehe Krause, Zur Geschichte (s.o.Anm.5), S. 303.Wahlberechtigte 1920: 32,7 Mill. Wahlberechtigte 2013: 61,9 Mill.

[8] Siehe hierzu die Arbeit von Wheeler, USPD und Internationale (s. o. Anm. 4), der die Auseinandersetzungen um den Beitritt zur 3. Internationale – ein wesentlicher Grund des Scheiterns der USPD - detailreich dargestellt hat.

[9] Dieter Groh , Negative Integration. Die deutsche Sozialdemokratie am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Frankfurt Berlin Wien 1973.

[10] Arthur Rosenberg, Geschichte der Weimarer Republik, Frankfurt/Main 1961, S.12.

[11] Biographie Haase (1863-1919) im Anhang B. Fotos in den Biographien oft aus: Weber,Hermann und Andreas Herbst, Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918-1945, Berlin, 2004.

[12] Biographie Ledebour (1850-1947) im Anhang B.

[13] Biographie Dittmann (1874-1954) im Anhang B.

[14] Dieter Engelmann, Horst Naumann, Zwischen Spaltung und Vereinigung. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands in den Jahren 1917-1922, Berlin 1993, S. 65.

[15] Biographie Crispien (1875-1946) im Anhang B. Fotos zum größten Teil aus Weber,Hermann und Andreas Herbst, Deutsche Kommunisten. (s. o. Anm. 6).

[16] Biographie Däumig (1866-1922) im Anhang B.

[17] Biographie Hoffmann (1858-1930) im Anhang B.

[18] Biographie Koenen (1886-1963) im Anhang B.

[19] Biographie Stoecker (1891-1939) im Anhang B.

[20] Biographie Gäbel (1885-1953) im Anhang B.

[21] Biographie Braunthal (1887-1967) im Anhang B.

[22] Biographie Geyer (1891-1967) im Anhang B.

[23] Wolfgang Benz, Hermann Graml, Hrsgb., Die Revolutionäre Illusion. Zur Geschichte des linken Flügels der USPD. Erinnerungen von Curt Geyer, S tuttgart 1976, S.139. Siehe auch Heinrich August Winkler, Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik.1918-1924, Dietz-Verlag, Berlin / Bonn 1984, S.473f.

[24] Ebda., S.57.

[25] Haase am 29.November 1917 im Deutschen Reichstag, zitiert nach Krause, USPD (s.o.Anm.5) S.105. Siehe auch Uli Schöler, Herausforderungen an die Sozialdemokratie, Klartext-Verlag Essen 2016, S.109 „In den Reihen der USPD stieß die Oktoberrevolution zunächst auf (fast) ungeteilte Zustimmung.“

[26] Siehe „Zur Sozialstruktur: wer waren die USPD-Mitglieder“, in, Hartfrid Krause , Kontinuität und Wandel, Zur Geschichte der Unabhängigen Partei Deutschlands, (= Protokoll der USPD-Parteitage, Band 5), Verlag Detlev Auvermann: Glashütten, 1976, SS. 27-39 sowie weiter unten (Anm. 29) und: Anhang A: Exkurs zu den Reichstagswahlergebnissen.

[27] Internationaler Sozialisten-Kongress zu Stuttgart, 18. Bis 24. August 1907, Berlin 1907, S. 65 f; auch abgedruckt bei Prager, Geschichte (s.o. Anm.2), S.28.

[28] Vgl. Franz Osterroth / Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie, Band 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Dietz-Verlag: Berlin Bonn-Bad Godesberg, 1975, S.163.

[29] Prager, Geschichte (s.o. Anm.2) S.25.

[30] Siehe die Liste der Abweichler in der sozialdemokratischen Fraktionssitzung und im Reichstags 1914-1916 im Anhang C sowie Erich Matthias u. Eberhard Pikart. Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898-1918, Zweiter Teil [1914-1918], (=Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der Politischen Parteien), Droste-Verlag Düsseldorf 1966, S.3ff.

[31] Verhandlungen des Reichstages. Stenographische Berichte. XIII Legislaturperiode, II. Session, Bd.306, Sitzung vom 4. August 1914, S.8f; siehe auch Matthias, Reichstagsfraktion (s. o. Anm.29), S.3ff.

[32] Biographie Zetkin (1857-1933) im Anhang B.

[33] Siehe Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30), S.5f. „Ein Antrag von Henke auf Freigabe der Abstimmung mit dem Recht für die Minorität, ihre Abstimmung gleichfalls mit einer Erklärung motivieren zu dürfen, wurde […] gegen 7 Stimmen abgelehnt.“ (Ebda., S.7). Die Opposition der 17 Gegenstimmen war erst im Erstehen.

[34] Verhandlungen des Reichstages (s. o. Anm. 31), 3. Sitzung, 2.Dezember 1914, S.20.

[35] Das Reichstagsprotokoll verzeichnet nach der Abstimmung über die Kreditvorlage die Erklärung des Präsidenten „Es ist, soweit ich sehen kann, einstimmig – mit Ausnahme eines einzigen Abgeordneten“ angenommen (Ebda. S.22)

[36] Zitiert nach Eugen Prager, Geschichte (s.o. Anm.2), S.46, Hervorhebung im Original. Vgl. Siehe Matthias, Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30), S. 15 Anm.5 sowie SS.27ff sowie Protokolle der Sitzungen des Parteiausschusses der SPD 1912-1921, Verlag J. H. W. Dietz, Berlin Bonn 1980, hier Sitzung 12/13.Januar 1915, S.21.: „Verhalten Liebknechts als schweren Disziplinbruch scharf zu verurteilen“. Der fast monatlich zusammengetretene Parteiausschuss gibt durch die Wortprotokolle einen guten unmittelbaren Eindruck der innerparteilichen Auseinandersetzungen und Entwicklungen, die zur Spaltung der SPD führten. Da fast immer Vertreter aller Bezirke anwesend waren, wird die „Stimmung im Lande“ auf Funktionärsebene deutlich wiedergegeben.

[37] Siehe hierzu Prager, Geschichte (s.o. Anm.2), S.58 ff mit den Namen der Ablehner; Susanne Miller, Burgfrieden und Klassenkampf. Die deutsche Sozialdemokratie im Ersten Weltkrieg, Düsseldorf 1974, S.96 ff. Siehe zum Verlassen des Saales den Fraktionsbeschluss vom 2. Februar 1915: „Glaubt ein Fraktionsmitglied nach seiner Überzeugung an der geschlossenen Abstimmung der Fraktion nicht teilnehmen zu können, so steht ihm das Recht zu, der Abstimmung fern zu bleiben, ohne dass dies einen demonstrativen Charakter tragen darf“ (Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30), S.27, S. 47ff). „Ein Antrag auf Freigabe der Abstimmung wird mit 71: 18 Stimmen abgelehnt“(Ebda., S.48). Eine Missbilligung gegen Otto Rühle (allerdings kein Disziplinbruch wird in der Fraktion mit 67:17 Stimmen beschlossen. (Ebda.).

[38] Die fast 1000 Namen mit Ortsangabe sind neben dem Protestschreiben abgedruckt in: Dokumente und Materialien zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung. Reihe II, Band 1. Juli 1914-Oktober 1917, [Ost-]Berlin1958, SS. 169 – 185: S.172 f.); siehe auch Prager, Geschichte (s.o.Anm.2), S.69ff; siehe auch Ursula Ratz, Georg Ledebour 1850-1947, Berlin 1969, S.156.

[39] Dokumente (s. o. Anm. 38), S.172f.

[40] Eigene Auswertung der Unterschriftsliste; zu Hanau siehe hierzu: Hartfrid Krause, Revolution und Konterrevolution 1918/19 am Beispiel Hanau, 2.Aufl., Kronberg 1977.

[41] „10 Jahre Kampf. Einige Worte zur Entstehung der USPD geschrieben von G[ustav] L[aukant]“, in, Klassenkampf, Jg. 6 Nr. 14 (8. April 1927), S.3. Gustav Laukant stand auf dem linken Flügel und wurde nach 1922 zentraler Kassenwart der „Rest-USPD“ und leitete den Parteiverlag Klassenkampf.

[42] Abgedruckt u.a. in Prager, Geschichte (s.o. Anm. 2), SS. 72 ff; zuerst veröffentlicht in der Leipziger Volkszeitung, 19. Juni 1915, S.1.

[43] Letzter Absatz des „Gebot der Stunde“ – Hervorhebung im Original.

[44] Prager, Geschichte (s.o., Anm. 2), S.74. Vgl. die ausführliche Diskussion im Parteiausschuss vom 30. Juni 1915, in, Protokolle Parteiausschuss (s. o. Anm. 36) SS. 83ff.

[45] Wilhelm Dittmann, Erinnerungen. Bearbeitet und eigeleitet von Jürgen Rojahn, Frankfurt New York 1995, S. 367; Prager, Geschichte (s.o., Anm. 2), S.81; Namen: Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30), S.46f. Diese Kriegskreditbewilligung wurden – s- das offizielle Protokoll einstimmig angenommen mit dem in Klammern gesetzten stenographischen Hinweis „(Lebhafter Beifall – Heiterkeit)“ was vermutlich die Tatsache ausdrücken sollte, dass viele Abgeordnete vor der Abstimmung des Saal verlassen hatten. (Siehe Verhandlungen des Reichstages (s. o. Anm. 31), 14. Sitzung, 20. August 1915, S.240.

[46] Siehe Krause, USPD ( s.o. Anm.5) SS. 97-104 mit weiteren Literaturangaben.

[47] Siehe Prager, Geschichte (s.o.Anm.2), S.86.

[48] Zitiert nach Krause, USPD (s.o.Anm.5), S. 60f; vgl. Dittmann, Erinnerungen (s.o. Anm. 45), S.408.

[49] Zitiert nach Dittmann, Erinnerungen (s.o.Anm.45), S.409.

[50] Verhandlungen des Reichstages (s. o. Anm. 31), 25. Sitzung, 21.Dezember 1915, S.507f. Vgl. Prager, Geschichte (s. o. Anm.2 ) S.87; Krause, USPD ( s.o. Anm.5) S.62; Dittmann, Erinnerungen (s.o. Anm. 45) SS. 412 f.; Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30) S.133ff mit den Namen der Ablehner.

[51] Dittmann, Erinnerungen (s.o. Anm. 45), S. 416.

[52] „Protokoll der Sitzung des Parteiausschusses vom 7., 8. und 9. Januar 1916“, in, Protokolle der Sitzungen des Parteiausschusses der SPD 1912 bis 1921, B.1, Dietz-Nachf. Berlin, Bonn 1980, SS. 227 – 262, hier SS. 247.

[53] Ebda., S.261.

[54] Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30) S.153f. Fraktionsbeschluss mit 60:25 Stimmen; Namen in Ebda., S.155.

[55] Dittmann, Erinnerungen (s.o. Anm. 45), S. 455 f; ausführliche Berichte der Fraktionssitzung am 24.3.1916: Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30) SS. 166ff

[56] Ernst Haase, Hugo Haase. Sein Leben und Wirken, Berlin-Frohnau, o.J. [1929], S. S.36 f.

[57] Verhandlungen des Reichstages. XIII. Legislaturperiode. Bd. 307, Berlin 1916, 37. Sitzung, 24. März 1916, SS. 842-844, hier S. 844; vgl. Dittmann, Erinnerungen (s.o.Anm.43), S.457.

[58] Verhandlungen des Reichstages.(s. o. Anm.57), Bd.307, Sitzung vom 24.3.1916, Berlin 1916, S.844.

[59] So z.B. in der 14. Sitzung des Reichstages 20. August 1915, (s. o. Anm. 31, Bd.306,S.221). Auf die Anfrage Liebknechts, ob die Regierung auf der Grundlage des Friedens ohne Annexionen bereit sei, entgegnete Staatsminister v. Jagow, dass eine Antwort „als zurzeit unzweckmäßig“ abgelehnt wurde. Damit wurde Liebknechts kleine Anfrage abgefertigt; oder noch deutlicher als Antwort auf eine weitere kleine Anfrage von Dr. Leniald, Direktor im Reichsamt des Innern, stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat: „Der Herr Reichskanzler lehnt die Beantwortung dieser Frage ab.“(23. Sitzung, 14. Dezember 1915, in, Ebda., S.449).

[60] Ebda. S.458; Matthias , Reichstagsfraktion (s. o. Anm. 30) SS. 173-177; namentliche Abstimmung: S.176.

[61] Dittmann, Erinnerungen (s.o.Anm.45), S.459f. Veröffentlicht wurde diese ‚Erklärung der neuen Fraktion‘ im Vorwärts, 25. März 1916 (Nr.84) – siehe Ebda., Anm. 288, Kap.11, (Bd.3., S.1309); vgl. Prager, Geschichte (s. o. Anm.2 ) S.96.

[62] Auf der Sitzung des Parteiausschusses vom 27. März 1916 - bereits ohne Haase - wurde ein Schreiben von Haase an Ebert vorgelesen: „Ich wurde in Abwesenheit der erkrankten Genossin Zietz und gegen den Widersprich des Genossen Wengels von den Mitgliedern des Vorstandes dazu gedrängt, sofort [26.3.] eine Erklärung über meine fernere Zugehörigkeit zum Parteivorstand abzugeben. Obwohl ich darauf verwies, dass es im Interesse der Partei läge, wenigstens um einige Tage diese Angelegenheit hinauszuschieben, beharrten die Mitglieder des Parteivorstandes auf sofortiger Entschließung, mit dem Bemerken, dass sie eine Zusammenarbeit ablehnten.“ (Protokolle Parteiausschuss – Sitzung am 27.März 1916 (s. o. Anm. 36) S.2.,Reprint S.264.

[63] Protokoll der Reichskonferenz der Sozialdemokratie Deutschlands vom 21., 22. und 23. September 1916 in Berlin, Berlin 1916,

[64] Bericht über die gemeinsame Konferenz der Arbeitsgemeinschaft und der Spartakusgruppe vom 7. Januar 1917 in Berlin, hrsgg. Von Emil Eichhorn, Berlin 1921 [Anhang zum Gründungsparteitag – siehe die folgende Anmerkung]

[65] Protokoll über die Verhandlungen des Gründungs-Parteitages der USPD vom 6. Bis 8. April 1917 in Gotha, Berlin 1921. Mit Anhang: Bericht über die gemeinsame Konferenz der Arbeitsgemeinschaft und der Spartakusgruppe vom 7. Januar 1917 in Berlin, hrsgg. Von Emil Eichhorn, Berlin 1921.

[66] Protokoll Reichskonferenz (s.o.Anm.63), SS. 15 – 31.

[67] Ebda., SS.35-48.

[68] Ebda., SS.53-82.

[69] Ebda., S.3.

[70] Ebda., S.79.

[71] Ebda.

[72] Ebda., S.82.

[73] Eda., S.47.

[74] Ebda., S.3

[75] Siehe Ebda., S. 48f.

[76] Prager, Geschichte (s.o. Anm. 2), S.113.

Final del extracto de 80 páginas

Detalles

Título
Die Gründung der USPD vor 100 Jahren in Gotha am 6. April 1917. Eine sozialistische Alternative?
Autor
Año
2017
Páginas
80
No. de catálogo
V351493
ISBN (Ebook)
9783668383067
ISBN (Libro)
9783668383074
Tamaño de fichero
6528 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
gründung, uspd, gotha, alternative, unabhängige sozialdemokratische partei deutschland, USP, weimarer republik
Citar trabajo
Dr. Hartfrid Krause (Autor), 2017, Die Gründung der USPD vor 100 Jahren in Gotha am 6. April 1917. Eine sozialistische Alternative?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/351493

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