Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung


Bachelorarbeit, 2016

75 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise
1.3 Aufbau und Struktur der Arbeit

2 Theoretische Grundlagen und Begriffserklärungen
2.1 Der Kompetenzbegriff
2.1.1 Berufliche Handlungskompetenz
2.1.2 Berufliche Handlungskompetenz in der Pflege
2.2 Das Lerntagebuch
2.2.1 Die Stärke der schriftlichen Reflexion
2.2.2 Reflexion über das Lernen mit dem Lerntagebuch
2.2.3 Reflexion über die eigene Person mit dem Lerntagebuch
2.2.4 Die Auswirkungen des Lerntagebuches auf die Lernenden
2.2.5 Selbstregulierendes Lernen
2.2.6 Strukturierung von Lerntagebüchern
2.2.7 Einführung von Lerntagebüchern
2.2.8 Das Lerntagebuch in der Pflege
2.3 Einbettung des Lerntagebuches als Reflexionsinstrument in ausgewählte pflegefachdidaktische Modelle
2.3.1 „Pflege gestalten lernen“ nach Fichtmüller und Walter
2.3.2 Interaktionistische Pflegedidaktik nach Darmann-Finck
2.3.3 „Selbstständigwerden in der Pflegepraxis“ von Bohrer
2.3.4 Kompetenztheoretisches Modell nach Olbrich

3 Empfehlungen zur konzeptionellen Umsetzung des Lerntagebuches in der Pflegeausbildung
3.1 Verortung im Dienstplan
3.2 Verortung im Lehrplan
3.3 Information und Begleitung der Teilnehmer
3.4 Freiräume zur Bearbeitung des Lerntagebuches
3.5 Beispielhafte Gestaltung eines Lerntagebuches
3.5.1 Auswahl der Themenschwerpunkte
3.5.2 Erstellung der Leitfragen
3.6 Die Auswertung des Lerntagebuches

4 Schlussbetrachtung und Ausblick

5 Literatur- und Quellenverzeichnis

6 Anhang

7 Eidesstattliche Erklärung

HAWK Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen Fakultät für soziale Arbeit und Gesundheit BA – Studiengang Pflegepädagogik

Bachelor-Thesis

Der Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung

Maren Lüdemann-Hein, 10.08.2016

maren@heinmarco.de

Westfeld 34a, 21635 Jork

Abstract (deutsch):

Um die Lernenden in der Pflegeausbildung bei der Entwicklung ihrer beruflichen Handlungskompetenz zu unterstützen, bedarf es des Einsatzes von geeigneten Lernmethoden. Eine Möglichkeit stellt das Lerntagebuch dar. Es ermöglicht zum einen die Förderung der Selbstreflexion der Lernenden in der praktischen und auch in der theoretischen Ausbildung. Zum anderen hilft es die Selbststeuerung von Lernprozessen positiv zu beeinflussen. Im Lerntagebuch kann der persönliche Lernbedarf festgelegt werden, über Leitfragen werden Verknüpfungen zum bisherigen Wissen und zur beruflichen Praxis hergestellt. Der Einsatz des Lerntagebuches im Rahmen eines geeigneten fachdidaktischen Modells sowie eine klare und zielorientierte Gestaltung unterstützen den Erfolg des Einsatzes im Verlauf der Pflegeausbildung.

Das Ergebnis der Literaturrecherche zeigt, dass ein wertvoller Beitrag zur Kompetenzentwicklung geleistet werden kann, jedoch hängt es sehr davon ab, wie die Lernenden dieses Angebot annehmen, denn in der Durchführung sind sie selbstverantwortlich für ihren Lernprozess. Aus diesem Grunde gilt es, die Gestaltung des Lerntagebuches so zu wählen, dass bei den Lernenden das Interesse für diese Lernmethode geweckt wird und so nachhaltiges Lernen ermöglicht werden kann.

Exemplarisch wird dies durch eine konzeptuelle Darstellung eines Lerntagebuches für die Pflegeausbildung dargelegt. Vorgesehen ist der Einsatz dieses Lerntagebuches zu Beginn eines Ausbildungsjahrgangs in dem ersten siebenwöchigen Praxiseinsatz. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung orientiert sich an dem theoretischen Lehrplan einer Gesundheits- und Kinder-/Krankenpflegeschule in Anlehnung an das Curriculum für die theoretische Ausbildung in der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege von Oelke und Menke(2005).

Schlüsselwörter:

Kompetenz, Lernprozess, Lerntagebuch, Selbstgesteuertes Lernen, Reflexion

HAWK Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen Fakultät für soziale Arbeit und Gesundheit BA – Studiengang Pflegepädagogik

Bachelor-Thesis

The use of “learning diaries” in the practical education of nurses

Maren Lüdemann-Hein, 10.08.2016

maren@heinmarco.de

Westfeld 34a, 21635 Jork

Abstract (englisch)

Supporting students during their training as nurses requires appropriate learning methods.

One method is the learning diary. On the one hand it enables self-reflection in practice and in theoretical teaching. On the other hand it provides positive influence on self-directed learning processes. Within this diary, personal demands of a student concerning the learning progress can be defined. Central questions guarantee connections to existing knowledge and practical work.

The implementation of a learning diary under an appropriate technical didactic and a target oriented design can make the diary usage a success during the nurses’ education.

The results of literature research show, that it is possible to achieve valuable contribution in regards to the development of competencies. This is only possible if the students accept this offered method. The students themselves are responsible for their progress in learning.

Therefore it is key to design the diary in a way, so the students will be interested in it which enables sustainable learning. As an example the concept of a learning diary is developed for the scope of the education of nurses. It is designed for usage during the beginning of an apprenticeship within the first 7 weeks of practical work. Its main content focusses on the theoretical curriculum of a health care school in dependence on the curriculum of the theoretical education of geriatric care, nursing and child health care from Oelke and Menke (2005).

Keywords: competence, learning process, learning diary, self-directed learning, reflection

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Dimensionen der Reflexion, eigene Darstellung, inhaltlich angelehnt an: Hilzensauer (2008, S.9f.), Schneider (2013, S. 109)

Tabelle 2 Kernelemente eines Lerntagebuches, Winter (2010, S. 262)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die praktische Pflegeausbildung[1] sei gekennzeichnet durch die Verortung des Lernens direkt im beruflichen Alltag. Müller (2009) betont, dass sich die besondere Nachhaltigkeit des Lernens zum einen dadurch zeige, dass es mit konkreten Arbeitshandlungen verbunden sei, die von den Lernenden[2] erlebt und reflektiert würden, zum anderen, dass es im Kontakt mit Angehörigen der Berufsgruppe stattfinde. Die Möglichkeit für unmittelbare Rückmeldungen auf bereits bekannte Handlungsstrategien ermögliche eine individuelle Unterstützung des einzelnen Lernenden (Müller, 2009, S. 48).

Müller (2008) erläutert Lernen als einen Vorgang, „bei dem sich Menschen Strategien bzw. deren Elemente aneignen, um eine Frage zu beantworten, ein Problem zu lösen oder eine Anforderung zu bewältigen“ (Müller, 2008, S. 30).

Dies verdeutlicht, dass beim Lernen nicht nur theoretische Inhalte vermittelt werden sollen, sondern dass auch konstruktivistische Lernstrategien in Form von selbstorganisierten Lern- und Reflexionsmethoden einen bedeutsamen Stellenwert im Lernprozess hätten (Schlömmer, 2014, S. 6).

Allerdings erfolge das Lernen am Lernort Praxis durch stetig steigende Anforderungen an die Pflegenden eher zufällig. Konstruktive Rückmeldungen an die Lernenden sowie eine Reflexion von Pflegesituationen fände wenig Raum im Ausbildungsalltag (Stechmann, 2013, S. 6). Viel zu häufig übernähmen Lernende unreflektiert Handlungsstrategien von den Mitarbeitern auf den Stationen. Die Gefahr der Übernahme von fehlerhaften Handlungsmustern liege dabei sehr nah (Müller, 2008, S. 30).

Dies hat die Autorin dazu veranlasst, sich intensiv damit zu beschäftigen, wie Lernende bei der bewussten Reflexion ihres eigenen Handelns begleitet und motiviert werden können. Als ein dafür geeignetes Instrument bietet sich z. B. das Lerntagebuch zur Unterstützung der Kompetenzentwicklung in der praktischen Pflegeausbildung an.

1.1 Ausgangssituation und Problemstellung

Im Alltag der pflegerischen Berufsausbildung werden Praxisanleiter und Lernende vor zunehmend schwierige Ausbildungssituationen in der Pflegepraxis gestellt. Begründen lasse sich diese Situation durch die Zunahme von älteren und hochaltrigen Menschen sowie von chronischen und multimorbiden Erkrankungen, die eine wachsende Qualitätsanforderung an Pflegende notwendig mache (Müller, 2009, S. 8).

Erschwerend zu der erhöhten Kompetenzanforderung kam es im letzten Jahrzehnt in der Krankenhaus- und Pflegelandschaft durch einen tiefgreifenden Strukturwandel zu einem Abbau von Krankenhausbetten. Dies ging sowohl mit einer gravierenden Personalreduktion als auch mit einer grundsätzlichen Verkürzung der Liegezeiten von Krankenhauspatienten einher. Die Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs) bewirke eine erhebliche Zunahme der Anzahl der Patienten. Dies hätte zu einer verstärkten Arbeitsverdichtung im Pflegealltag geführt (Abeler, 2013, S. 153). Das Pflegethermometer (2014) belegt dies wie folgt in Zahlen: 2012 seien 18,6 Millionen Patienten in deutschen Kliniken versorgt worden, 19,2% mehr als im Jahre 1995. Die Verweildauer der Patienten sei gesenkt worden von 10,8 auf 7,6 Tage. Gleichzeitig sei es zu einem Abbau von Pflegestellen gekommen. Seien 1995 nach amtlichen Angaben noch 322.109 Pflegende beschäftigt worden, so seien es in 2012 bei veränderten Rahmenbedingungen nur noch 285.264 Beschäftigte (Deutsches Institut für angewandte Pflegeforschung, 2014).

Unter diesen Bedingungen werden Lernende am Lernort Praxis[3] häufig ohne ausreichende Praxisanleitung und Aufsicht mit der Durchführung von komplexen Pflegemaßnahmen beauftragt. Die Auszubildenden müssen Lücken im Stellenplan kompensieren und mithelfen, den Alltag zu bewältigen. Folglich gelinge ein Transfer von erklärendem Theoriewissen zu praxisrelevantem Handlungswissen nur sehr eingeschränkt, wie in Studien von Darmann (2004) und Holoch (2003) nachgewiesen werden konnte (Darmann, 2004, S. 197ff., Holoch, 2003, S. 246ff.).

Allerdings seien die ausbildenden Praxiseinrichtungen gemäß §2 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung in der Gesundheits- und Krankenpflege (KrPflAPrV) verpflichtet, die Lernenden langsam an die autonome Durchführung der beruflichen Aufgaben heranzuführen, um das Erreichen des Ausbildungsziels, die berufliche Handlungskompetenz, zu unterstützen (Dielmann, 2004, S. 60).

In einer aktuellen Befragung des Landespflegerates Baden-Württemberg (2014) wurden Praxisanleiter und Pflegepädagogen zum Thema Praxisanleitung befragt. Die Studie ergab, dass nur in 22 % der gezielt vorgenommenen Anleitungssituationen die Durchführung im gesetzlich geforderten Rahmen stattfinde (Landespflegerat, Baden-Württemberg, 2014). Baden-Württemberg definiert den gesetzlichen Rahmen für die Praxisanleitung in der praktischen Ausbildung 2010 im Landespflegegesetz §20 Abs.4 u. a. mit einem Umfang von mindestens 25 Stunden pro Auszubildenden je Schulhalbjahr. Als Begründung für das Nichterreichen der gesetzlich vorgegebenen Zeit wird der Personalmangel angeführt (Landespflegerat, Baden- Württemberg, 2014).

Diese Ergebnisse unterstreichen den Eindruck von Gieseke (2009), der beschreibt,

… statt pädagogisch aufbereiteter Lernsituationen findet nur eine berufstypische unspezifische Sozialisation im Vorbeigehen statt, der ausbildungsbezogene Informationsfluss geschieht weitgehend zufällig durch die Lernlandschaft (Gieseke, 2009, S. 478).

Um dem entgegenzuwirken und die Kompetenzbildung nachhaltig zu fördern, seien reflexive Prozesse für die Lernenden zu initiieren und zu unterstützen. Beweggründe und Einflussfaktoren des eigenen beruflichen Handelns könnten dadurch bewusst gemacht werden und seien die Grundlage für Weiterentwicklung (Müller, Koeppe, 2008, S. 6).

Aus diesen Darstellungen ergibt sich die Frage, wie Auszubildende bei der bewussten Reflexion ihres eigenen Handelns begleitet werden können. Als ein dafür geeignetes didaktisches Instrument bietet sich das Lerntagebuch an, welches den Kompetenzgewinn in der praktischen Pflegeausbildung unterstützen kann.

Aus dieser Betrachtung stellen sich folgende Forschungsfragen:

1. Welche Chancen ergeben sich aus dem Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung für die Entwicklung von beruflicher Handlungskompetenz?
2. Welche Elemente müssen bei der Gestaltung eines Lerntagebuches berücksichtigt werden, um die Entwicklung einer beruflichen Handlungskompetenz in der praktischen Pflegeausbildung zu unterstützen?

1.2 Zielsetzung und Vorgehensweise

Ziel der Bachelorarbeit ist es, aufzuzeigen, dass sich durch den Einsatz eines Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung die Möglichkeit bietet, die Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz durch die Förderung der Selbstreflexionskompetenz zu unterstützen. In einem beispielhaften Konzept, welches für Auszubildende zu Beginn der Pflegeausbildung im ersten Praxiseinsatz für eine Dauer von sieben Wochen erstellt wurde, wird dieses realisiert.

In dieser Arbeit zeigt der Literaturvergleich, dass das Thema Lerntagebuch in der allgemeinen Pädagogik sowohl in Deutschland, als auch in anderen Ländern in den allgemein– und berufsbildenden Schulen sowie in der universitären Ausbildung eine Rolle spielt. Durch die Literatur lässt sich belegen, dass die Methode bekannt ist und in den oben genannten Bildungseinrichtungen Verwendung findet. Allerdings beschreibt Winter (2014, S. 269), dass Lerntagebücher in verschiedenen Zusammenhängen genutzt würden, und es erscheine dadurch unklar, welche Verbreitung sie hätten.

Für die Pflegeausbildung lässt sich in deutscher Sprache ein empirisches Forschungsergebnis zum Einsatz eines Lerntagebuches finden. Drei weitere Artikel aus pflegewissenschaftlichen Zeitschriften beschreiben die Umsetzung und Auswertung dieser Lernmethode. Hier findet es demnach vereinzelt seine Anwendung.

1.3 Aufbau und Struktur der Arbeit

Nach einer Darstellung der Ausgangssituation werden die Problematik, die Ziele sowie die Vorgehensweise der Arbeit (siehe Kapitel 1 - Einleitung) beschrieben.

In Kapitel 2 werden die theoretischen Aspekte des Lerntagebuches untersucht sowie die Bedeutung der Reflexionsfähigkeit als eine zentrale Kompetenz verdeutlicht. Die allgemeine Kompetenzorientierung wird in den Zusammenhang der Pflegeausbildung, insbesondere der praktischen Ausbildung, gestellt. Des Weiteren werden die Chancen des Lerntagebuches zur Bewusstmachung von Lernprozessen am Lernort Praxis unter Berücksichtigung ausgewählter fachdidaktischer Modelle aufgezeigt.

In Kapitel 3 wird ein beispielhaftes Konzept zur Implementierung eines Lerntagebuches für die Pflegepraxis erstellt.

In Kapitel 4 werden die Forschungsfragen beantwortet und die Chancen eines Lerntagebuches für die Pflegeausbildung erörtert.

2 Theoretische Grundlagen und Begriffserklärungen

In der beruflichen Ausbildung habe sich die Entwicklung von beruflicher Handlungskompetenz als zentraler Wortgebrauch in Theorie und Praxis etabliert und werde dort als Qualifikationsanforderung betrachtet (Elsholz, 2002, S. 32). Um diese Begrifflichkeit einordnen und verstehen zu können, bedarf es u. a. einer Erläuterung des Kompetenzbegriffes sowie der beruflichen Handlungskompetenz. Darauf folgt die theoretische Beschreibung des Lerntagebuches als ein Instrument zur Unterstützung der Selbstreflexionsfähigkeit. Zum Abschluss richtet die Autorin den Blick auf das Reflexionsverständnis von ausgewählten didaktischen Modellen.

2.1 Der Kompetenzbegriff

Kompetenz wird durch eine Vielzahl von Personen und Institutionen nicht einheitlich definiert.

Nach Erpenbeck und Sauter (2007, S. 63) sei der Kompetenzbegriff vor vier Jahrzehnten noch klar gefasst worden. Kompetent sei im zurückliegenden Verständnis eine Person, die für eine spezielle Aufgabe zuständig sei – wie z. B. das Pflegepersonal für die pflegerische Unterstützung von Patienten.

Die Wissenschaftler Chomsky (1960) und White (1959) hätten die ersten Schritte in die Richtung gemacht, die dem heutigen Kompetenzbegriff an Bedeutung zugewiesen werde. Chomsky (1960) bezeichne die Fähigkeit zur Produktion von Ausdrücken und Sätzen mit begrenztem Wortschatz und einer Reihe von Regeln als Sprachkompetenz (Erpenbeck, Sauter, 2007, S. 63).

White (1959) habe betont, dass Kompetenz weder genetisch angeboren noch als Reifeprozess zu verstehen sei. Kompetenzen seien nach White (1959) vom Individuum selbst hervorgebrachte Handlungsfähigkeiten, die selbstmotiviert in Auseinandersetzung mit der Umwelt herausgebildet würden (Erpenbeck, Sauter, 2007, S. 64).

Weinert (2001, S. 27f.) beschreibt Kompetenzen nicht nur als kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten von Individuen, mit welchen Probleme lösbar seien, sondern auch als motivierte Bereitschaft, diese in verschiedensten Situationen flexibel und sinnvoll einzusetzen.

Für Löwisch (2000) sei Kompetenz immer mit Zuständigkeit, Qualifikation, menschlichem Handeln, Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit verbunden (Löwisch, 2000, S.96, zit. n. Sahmel, 2009, S. 7).

North und Reinhardt (2005) hingegen sprechen von Kompetenz, wenn Wissen in eine Handlung umgesetzt würde, da oftmals Begriffe wie Qualifikation, Fähigkeit, Ressource mit dem Kompetenzbegriff gleichgesetzt würden (North, Reinhardt, 2005, S. 29).

Sie definieren Kompetenz als

… die Fähigkeit situationsadäquat zu handeln. Kompetenz beschreibt die Relation zwischen den an eine Person oder Gruppen herangetragenen oder selbst gestalteten Anforderungen und ihren Fähigkeiten bzw. Potenzialen, diesen Anforderungen gerecht zu werden (North, Reinhardt, 2005, S. 29).

Die Definition der Kultusministerkonferenz, als die für den Pflegeberuf am häufigsten verwendete Kompetenzbeschreibung, beschreibt Kompetenz wie folgt:

Kompetenz stellt im Gegensatz zur tatsächlich erbrachten Leistung (Performanz) eine Disposition dar. Sie befähigt eine Person, konkrete Anforderungssituationen zu bewältigen. Performanz ist anders als Kompetenz grundsätzlich beobachtbar und spielt daher eine wesentliche Rolle in der Leistungsbemessung (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011, S. 32).

Im Rahmen des Vergleiches zwischen den pädagogischen, psychologischen und soziologischen Diskursen zum Kompetenzbegriff kommt Kaufhold (2006) zu folgendem Ergebnis:

Trotz der zahlreichen Anhaltspunkte hinsichtlich der Kompetenzstrukturen konnten 1) der Handlungsbezug, 2) der Situations- und Kontextbezug, 3) die Subjektgebundenheit sowie 4) die Veränderbarkeit als gemeinsame Merkmale für Kompetenz herausgestellt werden (Kaufhold, 2006, S. 235).

Die Ausführungen verdeutlichen, dass sich die Kompetenzen eines Menschen nicht in einer Tätigkeit oder an einem Arbeitsplatz zeigen. Anstelle dessen sind Kompetenzen beobachtbar in der Ausführung von Handlungen, durch die der Mensch Situationen zu bewältigen versteht.

Um Situationen im beruflichen Zusammenhang aufzugreifen, nutzt die Autorin den Begriff der „Handlungskompetenz“. Dieser soll im Folgenden näher erläutert werden.

2.1.1 Berufliche Handlungskompetenz

Die Orientierung an Kompetenzen als Ziele von beruflichen Bildungsprozessen sei in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts durch das Gutachten des Deutschen Bildungsrates angestoßen worden. Der Bildungsrat beabsichtige eine stärkere Verknüpfung allgemeiner und beruflicher Bildung (Elsholz, 2002, S. 33).

Ausgehend von diesem neuen Verständnis sehe die Kultusministerkonferenz der Länder die Förderung der Entwicklung von Handlungskompetenz als das zentrale Ziel der Berufsausbildung (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011, S. 14 ff.).

Handlungskompetenz wird vom Sekretariat der Kultusministerkonferenz beschrieben als

… die Bereitschaft und Befähigung des Einzelnen, sich im beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Situationen sachgerecht, durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011, S.15).

Hierdurch wird deutlich, dass die Berufsausbildung einen ganzheitlichen und berufsübergreifenden Lernprozess anstrebt, in der z. B. die Fähigkeit zum eigenverantwortlichen Handeln einen besonderen Stellenwert einnimmt. Was durchaus auch eine Bedeutung aufweist für das private Leben des Lernenden.

Fachkompetenz, Selbstkompetenz (als Ersatz für den Begriff Humankompetenz) sowie Sozialkompetenz bilden die Dimensionen der Handlungskompetenz und werden zu Konkretisierung durch das Sekretariat der Kultusministerkonferenz folgendermaßen unterteilt:

Fachkompetenz Die Bereitschaft und Fähigkeit, auf der Grundlage fachlichen Wissens und Könnens Aufgaben und Probleme zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbstständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen.

Selbstkompetenz Bereitschaft und Fähigkeit, als individuelle Persönlichkeit die Entwicklungschancen, Anforderungen und Einschränkungen in Familie, Beruf und öffentlichem Leben zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen, eigene Begabungen zu entfalten sowie Lebenspläne zu fassen und fortzuentwickeln. Sie umfasst Eigenschaften wie Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein. Zu ihr gehören insbesondere auch die Entwicklung durchdachter Wertvorstellungen und die selbstbestimmte Bindung an Werte.

Sozialkompetenz Bereitschaft und Fähigkeit, soziale Beziehungen zu ebnen und zu gestalten, Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen sowie sich mit anderen rational und verantwortungsbewusst auseinanderzusetzen und zu verständigen. Hierzu gehört insbesondere auch die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011, S. 15).

Zu den aufgeführten Kompetenzen gehören als wichtige Bestandteile die Methodenkompetenz, die kommunikative Kompetenz und die Lernkompetenz. Diese werden im Folgenden beschrieben:

Methodenkompetenz erläutere die Bereitschaft sowie die Fähigkeit, Aufgaben und Probleme zielgerichtet und planmäßig zu bearbeiten.

Die Fähigkeit und die Bereitschaft, kommunikative Situationen zu verstehen und zu gestalten, werde als kommunikative Kompetenz beschrieben. Das beinhalte das Erfassen von eigenen Bedürfnissen und Absichten sowie auch der Bedürfnisse und Absichten des Kommunikationspartners, die wahrgenommen, verstanden und verbalisiert würden.

Als Lernkompetenz werde die Bereitschaft und Fähigkeit verstanden, selbstständig und gemeinsam mit anderen Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen einzuordnen. Es könnten Lernstrategien und Lerntechniken entwickelt werden zur Unterstützung eines lebenslangen Lernprozesses, die im Beruf oder über den Beruf hinaus genutzt würden (Sekretariat der Kultusministerkonferenz, 2011, S. 16).

Diese allgemeingültigen Kompetenzbeschreibungen lassen sich neben der Pflegeausbildung auf vielfältige Berufsausbildungen beziehen und können dort jeweils ergänzt oder weiterentwickelt werden.

Doch was macht die berufliche Handlungskompetenz im Pflegeberuf aus? Dies wird anknüpfend näher erläutert.

2.1.2 Berufliche Handlungskompetenz in der Pflege

Eine verbindliche Beschreibung von beruflicher Handlungskompetenz im Sinne von Pflegekompetenz gebe es - abgesehen von der Kultusministerkonferenz (KMK) formulierten Handlungskompetenz – nicht (Kirchhof, 2007, S. 96).

Um sich einer Darstellung von Handlungskompetenz in der Pflege zu nähern, würden in der Literatur häufig zwei Modelle aufgegriffen. Zum einen das Stufenmodell zur Pflegekompetenz der amerikanischen Pflegewissenschaftlerin Benner (1994) und zum anderen das Kompetenzmodell mit vier Dimensionen pflegerischen Handelns von Olbrich (2009) (Sahmel, 2009, S. 17f.). Olbrich (2009) knüpfe mit ihrem Modell der Pflegekompetenz an Benner (1994) an und komme damit zu einer differenzierten Betrachtung von Pflegekompetenzen (Sahmel, 2009, S. 18).

Olbrich (2010) geht davon aus, dass Pflegesituationen einzigartig seien. Sie betont in ihrer Definition von Pflegekompetenz die Subjektgebundenheit:

Es ist immer die Person in ihrer Gesamtheit, die sich zu sich selbst und in Bezug zu anderen Personen einschließlich der situativen Umwelt ausdrückt. Somit kann Kompetenz von mir definiert werden: Pflegekompetenz ist die Stärke der Person. Sichtbar wird diese Kompetenz in den Dimensionen von situativ - beurteilendem, reflektierendem und aktiv - ethischem Handeln (Olbrich, 2010, S. 57).

Diese Definition veranschaulicht, dass ohne Reflexion der Pflegenden, sei es durch eine Fremd- oder auch Selbstreflexion, kein pflegekompetentes Verhalten möglich ist.

Dieses Verständnis wird unterstützt durch die Anforderungen des zukünftig geplanten Pflegeberufsgesetzes (PfIBG), welches mit dem ersten Ausbildungsjahrgang ab 2018 starten werde. Entsprechend der Gesetzgebung sei die Vermittlung von fachlichen und personalen Kompetenzen einschließlich der zugrunde liegenden methodischen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen und der zugrunde liegenden Lernkompetenzen sowie der Fähigkeit zum Wissenstransfer und zur Selbstreflexion im Ausbildungsziel gemäß §5 (PfIBG) verortet (Bundesministerium für Gesundheit, 2016).

Hierdurch wird dargelegt, dass Reflexion im Zusammenhang mit Bildung immer mehr an Bedeutung gewinne (Bundesministerium für Gesundheit, 2016) und somit in der Pflegeausbildung angestrebt werden soll.

Anschließend wird das Lerntagebuch als ein Instrument zur Unterstützung der Selbstreflexionsfähigkeit in der Pflegeausbildung näher beschrieben.

2.2 Das Lerntagebuch

Verschiedene Reflexionsmethoden hätten das Ziel, die Lernenden anzuleiten, sich des eigenen Lernens bewusst zu werden, Erfahrungen auszutauschen und sich metakognitive Kompetenzen anzueignen (Berens, 2012, S. 429ff.). Eine Möglichkeit der Reflexion ergebe sich aus dem Lerntagebuch[4], welches von De Jong und Abt-Zegelin (2003, S. 876) zur Unterstützung des Wachstums der eigenen Persönlichkeit als ein Hilfsmittel betrachtet wird.

Nach Martin (2015) sei der Kern von Lerntagebüchern, eine Möglichkeit an Orten oder in Medien wiederkehrend sprachliche oder bildliche Darstellungen zu Lernprozessen zu machen. In der praktischen Anwendung würden sich die Lerntagebücher in ihrer Form, Struktur und Funktion oft erheblich unterscheiden (Martin, 2015, S. 185).

Winter (2014) hingegen erklärt, eine allumfassende Beschreibung und auch Definition, was ein Lerntagebuch sei, was hineingehöre und was es bewirken solle, gäbe es nicht. Er ist der Überzeugung, dass dies auch nicht notwendig sei, da das Lerntagebuch viele Möglichkeiten biete. In einem Lerntagebuch könnten neben der Reflexion eigener Gedanken auch Gefühle und Erkenntnisse angeführt werden. Es könne darüber hinaus als ein Inhaltsprotokoll, als ein Arbeitsbericht, als eine Analyse von Arbeitsweisen oder auch als eine Unterrichtevaluation genutzt werden (Winter 2014, S. 276).

Rambow und Nückles (2002) sowie Gläser-Zikuda und Hascher (2007) sind der Ansicht, das Lerntagebuch diene der Dokumentation und Evaluation von individuellen Lernprozessen und werde vom Lernenden, als persönliches Dokument in Form eines Ordners oder Heftes geführt (Rambow, Nückles 2002, S. 113, Gläser-Zikuda, Hascher 2007, S. 11).

Rambow und Nückles (2002, S. 113) heben die große Bedeutung der Kontinuität, mit der das Lerntagebuch bearbeitet werde, hervor. Über einen längeren Zeitraum (z. B. einen Praxisausschnitt oder begleitend für einen ganzen Kurs) seien regelmäßige Eintragungen über die eigenen Lernaktivitäten und gegebenenfalls deren Bewertung notwendig.

2.2.1 Die Stärke der schriftlichen Reflexion

Die Reflexion mit Hilfe eines Lerntagebuches erfolgt schriftlich. Dies ermögliche den Lernenden, ihre Gefühle und Gedanken beim Schreiben zu verlangsamen (Ruf, Gallin, 1991, S. 18ff.). Das Aufschreiben der Gedanken zwinge den Schreibenden zu konkretisieren, was er „wirklich“ meine. Eigenes Wissen bzw. eigene Erfahrungen würden aufgeschrieben und in eine Form gebracht. Der Text sei dann als eine „externe Repräsentation“ verfügbar, die beliebig oft gelesen und überarbeitet werden könne (Nückles et al., 2010, S. 41). Außerdem helfe das Schreiben in Form eines Tagebuches „sich frei zu schreiben“ und sich Erlebtes mit all den persönlichen Widersprüchen bewusst zu machen und zu ordnen. „Eine Situation oder ein Erlebnis zu benennen, ist der erste Schritt Richtung Veränderung“ (Wächter, Käser 2005, S. 679).

Neben der Reflexion über den Lernprozess, so Rambow und Nückles (2002, S. 114), würden weitere Zielsetzungen erreicht werden können, z. B. könne die Schreibleistung, die Kreativität und die Ausdrucksweise der Lernenden, sowie das kritische Denken verbessert werden.

Dies scheinen bedeutungsvolle Fähigkeiten für das berufliche Handeln zu sein, z. B. für die Pflegeprozessdokumentation. Außerdem sei ein positiver Einfluss auf die Kommunikation und Interaktion zwischen Lernenden und Lehrenden zu beobachten (Winter, 2014, S. 268).

Das Hauptziel eines Lerntagebuches ist die kontinuierliche Reflexion des eigenen Lernprozesses. Doch wie gelingt die Selbstreflexion mit dem Lerntagebuch?

2.2.2 Reflexion über das Lernen mit dem Lerntagebuch

Das Verb „reflectere“ aus dem lateinischen bedeutet „rückwärts biegen/drehen“, „umwenden“ oder „umstimmen“ (PONS, 2003, S. 780). In der Physik meint Reflexion von Licht, dass es an einer spiegelnden Oberfläche zurückgeworfen wird.

Reflexion im Zusammenhang mit Lernen und beruflichem Handeln könnte also interpretiert werden als Rückblick auf eine erlebte Situation. Dabei könne sich die Reflexion sowohl auf die konkrete Handlung beziehen als auch auf die eigene Person als handelndes Subjekt (Müller, 2009, S. 52).

Durch eine Reflexion soll die bewusste Wahrnehmung und Beobachtung des eigenen Verhaltens zur Förderung der beruflichen Kompetenzen erlernt werden. Nach Bohrer (2009, S. 41) solle der Lernende über etwas nachdenken, es vertieft betrachten, etwas prüfen.

Um im Kontext des Lernens erfolgreich zu reflektieren, ist es wichtig, sich mit den drei Stufen der Reflexion – Lerngegenstand, Lernhandlung und Lernvermögen – die im Modell von Hilzensauer (2008, S. 1) beschrieben werden, auseinanderzusetzten. Die Reflexionsebenen bieten eine Struktur, durch die die Lernenden sich u. a. Abläufe von Handlungen vergegenwärtigen können. Bei der Reflexion würden die einzelnen Ebenen miteinander in einen Zusammenhang gebracht (Hilzensauer, 2008, S. 1). Sie können aber auch isoliert voneinander betrachtet werden.

Nachfolgend wird das dreistufige Modell zur Förderung der Reflexionskompetenz in einer Tabelle vorgestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Dimensionen der Reflexion, eigene Darstellung, inhaltlich angelehnt an Hilzensauer (2008, S. 9f.), Schneider (2013, S. 10).

Nach Schneider (2013, S. 10) sei das Lerntagebuch als ein Reflexionsinstrument zur Förderung der Reflexionsfähigkeit auf allen drei Ebenen der Reflexion geeignet.

Auch für Löser (2008) dient die Reflexion, im Besonderen die Selbstreflexion, dazu, über das eigene Lernvermögen nachzudenken, Erkenntnisse zum Handeln zu gewinnen, Wissen weiterzuentwickeln und einen reibungslosen Praxistransfer zu gewährleisten.

Durch ein schrittweises Heranführen unter Berücksichtigung der Reflexionsebenen könne eine beständige Reflexion im Lernprozess bewirkt werden. Mittels aktiver Gestaltung von Reflexionen im Lernprozess unter Berücksichtigung von gemachten Erfahrungen könne eine Zunahme aller Kompetenzbereiche – insbesondere im pflegerischen Handeln - unterstützt werden (Löser, 2008, S. 125ff.).

Auch für Rambow und Nückles (2002, S. 114) würden die Lernenden durch den Einsatz eines Lerntagebuches zur Reflexion angeregt werden, die auf zwei Ebenen stattfinden könne. Die Autoren definieren die Ebenen anders:

Auf der kognitiven Ebene reflektiere der Lernende die Lerninhalte, denen sie aktuell gegenüberstünden, ein weiteres Mal mit dem Ziel, das Geschehene durch die schriftliche Nachbereitung zu vertiefen. Es entwickele sich so ein sogenannter „roter Faden“, an dem entlang die Inhalte strukturiert würden. Organisationsstrategien würden dadurch optimiert werden können. Zusätzlich erfolge eine Verknüpfung des Lernstoffes mit bereits bestehenden Wissensstrukturen, z. B. durch das Heranziehen eigener Erfahrungen, woraus sich Elaborationsstrategien entwickeln würden (Rambow, Nückles, 2002, S. 114, Falk, 2010, S. 124). Elaborationsstrategien würden beim Lernen die Integration des neuen Stoffes in das bisher Gelernte unterstützen, in dem neue Wissensinhalte durch gezielte Lerntätigkeiten und Reflexion mit bereits bestehenden Wissensstrukturen in Verbindung gesetzt würden (Falk, 2010, S. 124, Hascher, 2007, S. 298).

Auf der metakognitiven Ebene würde das eigene Lernen und Verstehen im Sinne eines Monitorings reflektiert (Rambow, Nückles, 2002, S. 114). Der Lernende sei beim Führen eines Lerntagebuches aufgefordert, während der Bearbeitung einer Aufgabe ablaufende Lernprozesse, Schwierigkeiten, Erfolgserlebnisse, Einstellungen, Gefühle niederzuschreiben (Kaiser, Kaiser, 1999, S. 36).

In der genauen Betrachtung der unterschiedlichen Reflexionsansätze wird deutlich, dass die vier Kompetenzbereiche der beruflichen Handlungskompetenz durch den Einsatz des Lerntagebuches erfolgreich entwickelt werden können.

2.2.3 Reflexion über die eigene Person mit dem Lerntagebuch

Nach Schlömmer (2014) sei die Reflexion für den Prozess der Selbsterkenntnis von besonderer Bedeutung. Der Schlüssel zum eigenständigen Denken und Handeln liege in der Reflexion über die eigene Persönlichkeit (Schlömmer, 2014, S. 43). Auch Greif (2008) setzt sich umfassend mit dem Konstrukt der Selbstreflexion auseinander. Er sieht die Selbstreflexion als ein in jedem Menschen vorhandenes Potential zur Selbstveränderung (Greif, 2008, S. 20).

Individuelle Selbstreflexion ist ein bewusster Prozess, bei dem eine Person ihre Vorstellungen oder Handlungen durchdenkt und expliziert, die sich auf ihr reales und ideales Selbstkonzept beziehen. Ergebnisorientiert ist die Selbstreflexion, wenn die Person dabei Folgerungen für künftige Handlungen oder Selbstreflexionen entwickelt (Greif, 2008, S. 40).

Hier wird deutlich, dass der Erfolg von Lernprozessen sehr stark davon abhängt, wie Lernende sich in ihrer Person oder auch in ihrer Rolle als Auszubildende sehen. Sind sie z. B. einverstanden mit der zeitweilig dominanten und bevormundenden Kommunikation, die zwischen Pflegenden und Patienten zu beobachten ist, oder widerstrebt dies ihrem Verständnis einer gleichberechtigten Kommunikation zwischen Menschen in einem Arbeitsbündnis? In diesen Situationen kann die Selbstreflexion der Lernenden in einem Lerntagebuch sehr hilfreich sein, um ein Bewusstsein entwickeln zu können, für ihre Art der Kommunikation in der Arbeit mit anderen Menschen. Mit diesen Erkenntnissen kann der eigene Lernprozess gezielt ausgerichtet werden.

Die vorangegangene Darstellung zeigt die Komplexität des Selbstreflexionsprozesses. Er ist für das menschliche Handeln und das Lernen sehr wichtig und hat einen engen Bezug zu einer kontinuierlichen Kompetenzentwicklung in der beruflichen Entwicklung.

Im Folgenden wird beschrieben, welche Auswirkungen das Lerntagebuch auf die Lernenden haben kann.

2.2.4 Die Auswirkungen des Lerntagebuches auf die Lernenden

Zukünftig Pflegende sollen durch die Pflegeausbildung in die Lage versetzt werden, in unterschiedlichen Situationen zu handeln, d.h. sie müssen Probleme erfassen, Lösungen entwickeln und Handlungsentscheidungen treffen (Bohrer, 2009, S.15).

Panke-Kochinke (2011) erläutert: Berufliche Kompetenzentwicklung könne sich besonders in der Ausbildung in einem Prozess reflektierter Praxiserfahrung vollziehen (Panke-Kochinke, 2011, S. 40). Das bedeutet nicht, dass Lernende innerhalb des Betriebes effizienter und effektiver funktionieren würden. Der Zweck der Reflexion sei die Förderung der „Fähigkeit zu Kritik, Gestaltung und Verantwortung der eigenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse“ (Keuchel, 2005, zit.n. Löwenstein, Sahmel, 2013, S. 45).

Eine mögliche Form der Anregung zur Unterstützung des Lernprozesses der Lernenden kann die Bearbeitung eines Lerntagebuches darstellen.

Insgesamt verlagere sich die Verantwortung des Lernprozesses durch den Einsatz des Lerntagebuchs auf den Lernenden selbst. Er entscheide, in welchen Bereichen des Lernstoffes noch Vertiefung notwendig sei. Der Lernende sei somit aktiv an seinem Lernprozess beteiligt und motiviere sich selbst (Rambow, Nückles, 2002, S. 114).

Damit spielt die Fähigkeit zu selbstregulierenden Lernen eine wesentliche Rolle für den Erfolg des Lernprozesses.

2.2.5 Selbstregulierendes Lernen

Zur Verdeutlichung orientiert sich die Autorin an der Definition von Götz und Nett (2011), die selbstregulierendes Lernen wie folgt definieren:

Selbstreguliertes Lernen ist eine Form des Erwerbs von Wissen und Kompetenzen, bei der Lerner sich selbstständig und eigenmotiviert Ziele setzen sowie eigenständige Strategien auswählen, die zur Erreichung dieser Ziele führen und durch Bewertung von Erfolgen bezüglich der Reduzierung der Ist-Soll-Differenz Ziele und Aktivitäten im Hinblick auf eine Erreichung des Soll-Zustandes prozessbegleitend modifizieren und optimieren (Götz, Nett, 2011, S. 146).

Entsprechend dieser Definition sei für die Initiierung von selbstreguliertem Lernen ein Bündel an Fähigkeiten und Fertigkeiten erforderlich (Götz, Nett, 2011, S. 146).

Dazu würden neben einer intrinsischen Motivation, Kenntnisse über die eigenen Lernbedürfnisse, die Festlegung eigener Lernziele, das Erfassen vorhandene Ressourcen für das Lernen, sowie das Wählen und Anwenden von Lernstrategien und die Evaluation von Lernergebnissen gehören (Sahmel, 2015, S. 188). Diese Ausführungen zeigen auf, dass sich die Arbeit mit dem Lerntagebuch weitestgehend selbst- und nicht fremdgesteuert gestaltet. Es setzt die Eigenaktivität des Lernenden voraus und trägt durch die Selbstreflexion zur Selbstständigkeit der Lernenden bei. Damit kommt es zu einer Veränderung des Lernprozesses und des Lernergebnisses. Das selbstgesteuerte Lernen zeige sich demnach nicht als eine „Methode“, sondern es beinhalte eine veränderte Haltung dem Lernprozess gegenüber (Herold, Herold, 2011, S. 98). Für die Lernenden bedeute es die Notwendigkeit, bekannte Routinen aufzugeben und sich auf neue Lernsituationen einzulassen. Daraus ergebe sich ein Wechsel von „Lernen müssen“ zu „Lernen wollen“ (Herold, Herold 2011, S. 98).

Die Lernenden können ihren Lernprozess mit eigenen Entscheidungen im besonderen Maße beeinflussen.

Siebert (2009, S. 27ff.) führt nachfolgende Merkmale der Selbststeuerung an, die in Lernarrangements Berücksichtigung finden:

- Lernerzentrierung statt Lehrerzentrierung
- Aktiv agierende statt passiv konsumierende Lernende
- Zeitlich flexible statt feste Lernzeiten
- Variable räumliche statt feste Lernorte
- Lernergebnisautonomie statt vorgegebener Lernergebnisse
- Frei wählbare statt vorgegebener Lernergebnisse
- Frei wählbare statt vorgegebener Lerninhalte
- Selbstbewertung statt Fremdbewertung
- Selbstreflexion statt Fremdreflexion (Gnahs et al. 1998, zit. n. Siebert, 2009, S. 27).

Zwischen diesen jeweiligen Bereichen werden von den Lehrenden Entscheidungen sowohl für die Unterrichte als auch für die Begleitung in der Praxis getroffen. Durch die ausgeprägte Lernerzentrierung, den aktiv agierenden Lernenden und der ständigen Selbstreflexion, birgt das Lerntagebuch viele Anteile von selbstgesteuertem Lernen. Wenn aber das Lerntagebuch wenig strukturiert sei und wenig Vorgaben durch den Lehrenden gegeben würden, könnten unsichere Lernende durch die geforderte Selbststeuerung überfordert oder unmotiviert reagieren (Siebert, 2009, S. 67).

2.2.6 Strukturierung von Lerntagebüchern

In der Literatur würden unter dem Stichwort Lerntagebuch sehr unterschiedliche Konzepte beschrieben (Winter, 2014, S. 270). Unterschieden werden könnten einerseits strukturierte Formen, in denen Lernende mit Hilfe von vorbereiteten Reflexions- und Berichtebögen stärker gelenkt und beim Reflektieren unterstützt würden (Kuckeland, 2011, S. 40ff.). Andererseits gebe es nach Winter (2007) „voll entwickelte offene“ Lerntagebücher, die es den Lernenden ermöglichen würden, nach individuellen Vorstellungen das Lernen zu reflektieren (Winter, 2007, S. 113). Nach Kuckeland (2011) sei eine Verbindung aus beiden als sinnvoll zu bewerten, Leitfragen könnten parallel zur freien Reflexion bearbeitet werden (Kuckeland, 2011, S. 40).

Innerhalb der Struktur könne es in einem Lerntagebuch einen öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil geben, wobei der nichtöffentliche Teil ausschließlich für die Lernenden selbst bestimmt sei und nicht von anderen eingesehen werden solle (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2006).

Nückles et al. (2010) weisen auf die Notwendigkeit von Leitfragen (Prompts) hin, um die lernförderlichen und selbstregulatorischen Aktivitäten beim Lerntagebuchschreiben gezielt anzuregen (Nückles et al. 2010, S. 40). Beispielhaft sollen in der nachfolgenden Übersicht Leitfragen für die Erstellung eines Lerntagebuches vorgestellt werden, die zugleich an mögliche Kernelemente gekoppelt sind.

Für die Autorin sind die Kernelemente Strukturierungshilfen, auf die die Reflexion gerichtet ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Kernelemente eines Lerntagebuches (Winter, 2010, zit. n. Kuckeland, 2011, S. 40)

Der Schlüssel für einen differenzierten und strukturell anspruchsvollen Schreibprozess scheine darin zu liegen, einerseits die Eigentätigkeit der Lernenden mit einer offenen Frage anzuregen, andererseits aber den Schreibauftrag so konkret zu formulieren, dass mit dem Schreiben ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Lernstoff, Vorwissen und aktiver Aneignung hergestellt würde (Zeder, 2006, S. 471).

Auch Hübner et al. (2009, S. 125) konnten nachweisen, dass das freie Schreiben von Lerntagebüchern zu einem suboptimalen Einsatz des selbstgesteuerten Lernens führe und unterstreicht damit die Notwendigkeit der angeführten Strukturen. Leitfragen (Prompts) würden sowohl kognitive als auch metakognitive Prozesse beim Lernenden anregen, ohne den Schreibenden in seinen Ausführungen einzuschränken (Hübner et al., 2009, S. 134).

2.2.7 Einführung von Lerntagebüchern

Eine durchdachte und systematische Einführung der Lernenden ist unumgänglich, um die Wirkung des Instruments Lerntagbuch zu optimieren und eine Resignation bei den Lernenden zu vermeiden.

Dabei solle auf das Ziel und den Nutzen der Verwendung des Lerntagebuches eingegangen werden. Ergänzend zu den Informationen trage das Zeigen eines Lerntagebuchbeispiels ebenfalls zu einer Verbesserung des Lernerfolges bei, denn dadurch werde die Umsetzung der Leitfragen bzw. der Strategieanwendung anschaulich und nachvollziehbar (Zeder, 2006, S. 472).

Die Bearbeitung solle während des Unterrichts bzw. während der Arbeitszeit erfolgen und gelte damit als echte Arbeitszeit (Kuckeland, 2011, S. 40). Durch die zur Verfügung gestellte Unterrichtszeit signalisiere die Lehrperson den Lernenden die Bedeutung und Wertigkeit des Instruments, das zur weiteren Motivation bei den Lernenden beitrage (Zeder, 2006, S. 473). Je transparenter die Einführung gestaltet sei, desto eher gelinge es, eine Akzeptanz zu erreichen und Widerstände aufzuheben (Bauer, 2008, S. 32).

Diese Vorgehensweise fördere die Partizipation im Lernprozess, die ein Teil einer konstruktivistischen Lernkultur sei (Holtschmidt, 2013, S. 339f.).

Zur besseren Orientierung der Lernenden empfiehlt es sich, zu Beginn eine schriftliche Einleitung in Form einer Gebrauchsanweisung in das Lerntagebuch zu integrieren.

Für den Einsatz sei es empfehlenswert, die Bearbeitung des Tagebuches durch formatives Feedback zu begleiten (Nückles et al., 2010, S. 47).

Zeder (2006) sieht die Beurteilung und damit die Einsichtnahme in die Reflexionshefte als einen zentralen Erfolgsfaktor der Bearbeitung. Eine Benotung würde zur Motivation der Lernenden beitragen. Zu berücksichtigen sei, die Bewertungskriterien dabei transparent zu halten. Außerdem erscheine es sinnvoll, in einem persönlichen Gespräch die Qualität der Selbstreflexion innerhalb des Lernjournals zu reflektieren (Zeder 2006, S. 473).

Winter (2007, S. 113ff.) sieht hingegen eine andere „Motivationsquelle“ - die persönliche Zuwendung der Lehrperson zu den Berichten und Überlegungen der Lernenden, die z. B. in Form von kleinen inhaltlichen Kommentaren und Dialogangeboten ausgedrückt würden. Er betont, dass sich alle Versuche zur Bewertung von Lerntagebüchern in einem sehr komplexen Feld bewegen würden und individuell gestaltet werden müssten, wenn sie der Sache gerecht werden wollten. Es falle sehr schwer, die Qualität guter Lernreflexion zu benennen,

… daher solle es eher darum gehen, die Schüler dazu anzuregen und dabei zu unterstützen, Reflexionen zu formulieren, statt diesen beurteilend gegenüberzutreten (Winter 2007, S. 114).

Für dieses mündliche Feedback bzw. den Austausch über die Arbeit mit dem Lerntagebuch beschreibt Winter (2007, S. 113) folgende Dimensionen, die einen roten Faden für das Feedback geben:

- Bewusstheit des Vorgehens in der Aufgabe
- Reflexion der eigenen Motive und Fähigkeiten
- Fähigkeit, zur eigenen Arbeit Distanz zu gewinnen
- Realistische Bezugnahme auf Ziele, Kriterien und vorgegebene Kompetenzbeschreibungen
- Einschätzungen der Bedingungen des Lernens und ihre Beeinflussbarkeit (Winter, 2007, S. 113).

Die erfolgreiche Arbeit mit einem Lerntagebuch ist von vielen unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig. Diese sind zu berücksichtigen, wenn sowohl für Lehrende als auch für Lernenden positive Erfahrungen ermöglicht und die schulische Lehr- und Lernarbeit bereichert und nachhaltig verbessert werden sollen.

Zeder (2006, S.470ff.) konnte nach einer quasi-experimentellen Feldforschung mit drei Versuchsklassen und einer Vorher-/Nachher- Messung Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung und den Einsatz von Lernjournalen in der Praxis (Lernbereich Wirtschaft und Gesellschaft an kaufmännischen Berufsschulen in der Schweiz) aufstellen.

Die Autorin hat ihre Aspekte als Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeit mit dem Lerntagebuch in einer Tabelle zusammengefasst. Diese gesammelten Voraussetzungen gelten für die Autorin als Grundlage für die Erstellung des Lerntagebuches (siehe Anhang S. A-1). Zeder (2006) beschreibt hier, neben weiteren Verfassern, konkrete Hinweise zur Gestaltung und Arbeit mit dem Lerntagebuch. Z. B. gibt sie vor, das Lerntagebuch nicht Lerntagebuch sondern als Lernjournal, Reflexionsbuch, Arbeitsbuch, Kompetenzbuch oder als Handbuch zu betiteln. Damit würden negative Assoziationen, die bei den Lernenden im Zusammenhang mit Lernen häufig auftauchen würden, von vornherein umgangen (Zeder, 2006, S. 221).

2.2.8 Das Lerntagebuch in der Pflege

In der Pflege wurde schon ab Mitte der 80er Jahre mit dem Journalschreiben begonnen, um die Distanz zwischen Theorie und Praxis zu minimieren. Durch Reflexion solle die Anwendung von Wissen in der Pflege transparenter gestaltet werden (Sailer, 2000, S. 247). Aktuell werde es in der praktischen Pflegeausbildung als lernförderndes Instrument eingesetzt.

Wächter und Käser (2005, S. 676ff.) erläutern den Einsatz des Lerntagebuches im Verlauf der Pflegeausbildung. Die Lernenden seien hierfür beauftragt worden, mindestens zweimal pro Woche ihre theoretischen Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen zu dokumentieren.

Nach Wächter und Käser (2005, S. 684) sei der Umgang mit dem Lerntagebuch auf die Metakognition, das reflexive Lernen sowie auf Handlungsorientierung ausgerichtet.

Kristel (2003, S. 135) beschreibt einen ähnlichen Ansatz. Lernende wurden aufgefordert, im Lerntagebuch täglich fünf bis zehn Minuten zu dokumentieren. Dabei sollen Fragen wie: „Was habe ich heute getan?“, „Was habe ich daraus gelernt?“, „Was werde ich anders machen?“, gestellt und beantwortet werden (Kristel, 2003, S. 135). Offene Fragen aus der Pflegepraxis könnten so thematisiert werden, des Weiteren entstehe eine Übersicht über eigene Leistungen und Lernfortschritte. Theoretische und praktische Inhalte könnten somit verbunden werden, allerdings seien sie immer in einem bestimmtem Handlungskontext zu sehen (Kristel, 2003, S. 135).

Schlömmer (2014) untersucht in einem Praxisforschungsprojekt das Reflexionsverhalten von Auszubildenden in der praktischen Pflegeausbildung mit und ohne Unterstützung des Lerntagebuches sowie die Bedeutung von reflexiven Schreibprozessen. Festzustellen sei, dass das Schreiben des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung bei allen Lernenden zu einer verbesserten Reflexion der Lernprozesse führe. Reflexive Kompetenzen könnten durch verbesserte metakognitive Lernstrategien und verbesserte Transferleistungen aufgezeigt werden (Schlömmer, 2014, S. 1).

Hiernach wird anhand des Reflexionsverständnisses ausgewählter pflegefachdidaktischer Modelle herausgearbeitet, ob das Instrument Lerntagebuch als Methode zur Unterstützung der Reflexionsfähigkeit im Rahmen fachdidaktischer Modelle zum Einsatz kommen kann.

2.3 Einbettung des Lerntagebuches als Reflexionsinstrument in ausgewählte pflegefachdidaktische Modelle

Die Fachdidaktik in der Pflege sei nach Fichtmüller und Walter (2007) eine junge Disziplin, die den Ausbau pflegedidaktischen Wissens vor dem Hintergrund der derzeitigen Umstrukturierungen in der Pflegeausbildung, der wachsenden Qualifikationsanforderungen beruflich Pflegender und der Lehrerbildung für das Berufsfeld Pflege maßgeblich unterstützen und voranbringen solle (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 29). Mittlerweile sind einige pflegefachdidaktische Modelle veröffentlicht, denen gemein ist, dass sie das Lehren und Lernen in der Pflege strukturieren und professionalisieren. Didaktische Konzepte gäben einen Überblick, um Ziele, Inhalte und angewandte Methoden aufeinander zu beziehen. Sie böten dadurch eine konkrete Orientierung für pädagogisches Handeln. Spezifische Unterrichtsprinzipien sowie Rollenerwartungen von Lernenden und Lehrenden würden dargestellt (Oelke und Meyer, 2013, S. 27). Die Vorgaben der unterschiedlichen fachdidaktischen Modelle seien dabei auf keinen Lernort begrenzt, sondern zu gleichen Teilen in der Theorie und im Bereich der praktischen Pflegeausbildung zu nutzen (Fichtmüller und Walter, 2007. S. 30).

2.3.1 „Pflege gestalten lernen“ nach Fichtmüller und Walter (2007)

Über ein qualitatives Forschungsdesign beschäftigen sich Fichtmüller und Walter (2007) mit der Frage „Welche Phänomene das Lernen und Lehren in der beruflichen Pflege kennzeichnen?“. Aus ihren Untersuchungen leiteten sie für das Lernen und Lehren in der Pflegepraxis eine pflegedidaktische Grundlagentheorie ab (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 37). Die Forscherinnen erörtern hier folgende Probleme, die sich in der Pflegepraxis aufzeigen lassen:

- Problematischer Theorie- Praxistransfer
- Unterschiedliche Qualifikation von Anleitenden
- Unpassende Inhalte und Methoden der Wissensvermittlung in der Pflegepraxis
- Reproduktion von „altmodischen Rollenbildern“ und traditionellem Pflegeverständnis sowie Modellen interdisziplinärer Zusammenarbeit, funktionelle Anpassung als Resultat
- Mangelnde Reflexion (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 34).

Die erfassten Kategorien ordneten sie in

- Kernkategorien (z .B. pflegerische Einzelhandlungen, Arbeitsablaufgestaltung, Pflegearbeit organisieren, Lernen am Lernort Pflegepraxis) (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 205)
- Kategorien mittlerer Ebene (z .B. Aufmerksam-Sein, Urteilsbildung lernen) (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 361ff.)
- querliegende Kategorien (z. B. Theorie-Praxis-Verhältnis, Kondensstreifen des Wissens, Lernatmosphäre) (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 485ff.).

Das Zusammenfügen der einzelnen Kategorien zu der Theorie „Pflege gestalten lernen in der Pflegepraxis“ beschreibt die Einflussfaktoren auf das Lernen in der Praxis. Nach Fichtmüller und Walter (2007) werde Pflege durch die Ausführung von Einzelhandlungen erlernt. Relevant erscheine dabei, welche Bedeutung die Handlung für den Lernenden habe. Kaum lernrelevant erscheine die Durchführung von pflegerischen Handlungen. Interessanter seien Handlungen, welche die Nähe zur Medizin aufweisten (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 356ff.).

Des Weiteren sei von Bedeutung, inwieweit bei der Vorbereitung oder Durchführung einer Handlung eine sogenannte Handlungsproblematik auftrete. Situationen, in denen Schwierigkeiten oder Unsicherheiten auftreten würden, würden als Handlungsproblematiken bezeichnet. Es hänge von der Wahrnehmung der Lernenden ab, wie auf diese Handlungsproblematik reagiert würde. Auf welche Art und Weise diese Realität wahrgenommen und bewertet werde, werde als Gegenstandsaufschluss beschrieben und sei von dem individuellen Erwartungshorizont der Lernenden abhängig (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 662ff).

Je nach Ausgestaltung von Erwartungshorizont und Gegenstandsaufschluss identifizieren Fichtmüller und Walter (2007) verschiedene Lernwege mit denen die Lernenden auf diese Handlungsproblematiken reagieren würden:

- Der Gegenstandsaufschluss erfasse die individuelle Handlungsproblematik nur unzureichend, sie könne nicht wahrgenommen werden, sie werde ignoriert oder nur unzureichend bearbeitet (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 664f.).

Würden Lernende eine Handlungsaufforderung ignorieren und exkludierend weiterhandeln, werde ihr Gegenstandsaufschluss eingefroren und eine Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz bleibe aus (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 664f.).

- Das Auftreten von Handlungsproblematiken unterstütze die Aktivierung von Lernstrategien mit Erweiterung des Handlungsrepertoires. (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 664f.). Dies sei eine für das Lernen günstige Bedingung.

Fichtmüller und Walter (2007) belegen mit ihrer Forschungsarbeit, das Lernen am Lernort Praxis zu großen Teilen beiläufig und unstrukturiert geschehe und es sei vor allem an Praxisanleitung gebunden (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 666). In solchen Lernsettings werde Pflege durch Pflegemaßnahmen im Rahmen von Arbeitsabläufen gestaltet. Urteilsbildung, Aufmerksam-Sein und Kontaktgestaltung würden gegen Pflegetechnik, Informieren und Ablauforientierung in den Hintergrund treten (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 695). Die Reflexion gestaltete sich dann häufig so, dass auf Handlungsproblematiken aufmerksam gemacht werde, um die Handlung korrigieren zu können (Fichtmüller und Walter, 2007, S. 664f.).

[...]


[1] Die Kurzbeschreibung „Pflegeausbildung“ wird durchgängig benutzt für die laut Berufegesetz von 2003 verwendete Berufsbezeichnung: Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin bzw. zum Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger (Dielmann, 2004, S. 79).

[2] Im Nachfolgenden werden die Begriffe „Auszubildende“ und „Lernende“ im Plural synonym verwendet. Die Autorin der Bachelorarbeit verwendet aus Gründen der besseren Lesbarkeit die maskuline Geschlechterform. Die Ausführungen gelten gleichermaßen für männliche sowie weibliche Personen.

[3] Stellt neben dem Begriff Praxiseinsatz oder Stationseinsatz eine Ortsbeschreibung für die praktische Ausbildung dar (Bohrer, 2009, S.6).

[4] Begriffe wie Arbeitsbuch, Lernjournal, Reflexionsbuch, Kompetenzbuch werden im vorliegenden Text synonym verwendet.

Ende der Leseprobe aus 75 Seiten

Details

Titel
Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen  (Gesundheit)
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
75
Katalognummer
V353584
ISBN (eBook)
9783668398900
ISBN (Buch)
9783668398917
Dateigröße
1734 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lerntagebuch, Pflegeausbildung, didaktische Konzepte, berufliche Handlungskompetenz, Praxiseinsatz, Pädagogik, Lernmethodik, Didaktik, Selbstlernkompetenz, Reflexion, Pflege, Strukturierung von Lerntagebüchern, Reflexionsinstrument, Lernprozess, Lernljournal, Lernstrategien, Kernelemente, Pflegebrufegesetz, Lernort Praxis, Kompetenzbegriff, Metakognition, Konstruktivismus
Arbeit zitieren
Maren Lüdemann-Hein (Autor:in), 2016, Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/353584

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Einsatz des Lerntagebuches in der praktischen Pflegeausbildung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden