Es ist durchaus müßig, immer auf die Aktualität eines Denkers hinzuweisen, was immer irgendwie nach Rechtfertigung klingt, weil man sich mit ihm (noch) zu beschäftigen wagt. Wie immer dies ausgelegt wird, möchte ich den Versuch im Falle Arthur Schopenhauers unternehmen. Was sich hinter dem Titel dieser Seminararbeit verbirgt, ist wie folgt darzulegen: sie basiert auf der Preisschrift „Über die Freiheit des Willens von Schopenhauer“, die er für die Königlich Norwegische Gesellschaft der Wissenschaften zu Drontheim 1839 verfasst hat. Sie stellt folgende Frage: ,,Lässt sich die Freiheit des menschlichen Willens aus dem Selbstbewusstsein beweisen?“ Schopenhauer versucht, darauf eine Antwort zu geben.
Diese Schrift werde ich in Kontrast zu Genetik und Sozialisation des US-Psychologen David C. Rowe setzen. Dabei werden sich Übereinstimmungen der beiden Autoren ergeben, die klar die Aktualität Schopenhauers belegen, wobei der Schwerpunkt der Arbeit auf Schopenhauers Freiheitsbegriff liegt. Im Teil II zeige ich Schopenhauers Entwicklung der Freiheit aus dem Selbstbewusstsein, um dann in Teil III den Willen näher zu bestimmen. Teil IV wird sich dann intensiv mit dem Charakter des Menschen befassen, bevor im Teil V Rowe zu Wort kommen soll und den Kontrast zum Denken Schopenhauers bildet. Teil VI gibt das Ergebnis von Schopenhauers Analyse der Freiheit wider.
Letzten Endes bezieht sich die Frage auf die generelle Willensfreiheit des Menschen. Viele Philosophen haben sich schon z. T., lange bevor Schopenhauer es getan hat, mit diesem Thema beschäftigt, einige davon zitiert Schopenhauer und/oder setzt an ihren Systemen an. So z. B. Aristoteles, Cicero, Augustinus, Spinoza, Hume und Kant, um nur einige anzuführen. Da dies für die vorliegende Untersuchung nicht weiter wichtig ist, wird diesem Rückblick keine Beachtung zukommen, lediglich Kant wird angeführt, weil Schopenhauer sich direkt auf ihn bezieht und sogar teilweise seine Gedanken daraus entwickelt.
Häufig gestellte Fragen zu "Über die Freiheit des Willens"
Was ist das Hauptthema von Schopenhauers "Über die Freiheit des Willens"?
Das Hauptthema ist die Untersuchung der Willensfreiheit des Menschen, insbesondere in Bezug auf das Selbstbewusstsein und den Einfluss von Charakter und Motiven auf Handlungen. Schopenhauer argumentiert gegen die Willensfreiheit im herkömmlichen Sinne und untersucht, inwieweit menschliches Handeln durch innere und äußere Faktoren determiniert ist.
Welche Rolle spielt das Selbstbewusstsein in Schopenhauers Analyse der Willensfreiheit?
Schopenhauer untersucht, ob die Freiheit des menschlichen Willens aus dem Selbstbewusstsein bewiesen werden kann. Er kommt zu dem Schluss, dass das Selbstbewusstsein zwar das Gefühl vermitteln kann, frei zu sein, aber nicht ausreicht, um die Willensfreiheit zu beweisen. Der Wille ist immer auf etwas Äußeres gerichtet, und somit beeinflussen Motive und äußere Umstände den Willen stark.
Wie definiert Schopenhauer den Begriff der Freiheit?
Schopenhauer definiert Freiheit als die Abwesenheit von Hindernissen. Er unterscheidet zwischen physischer, politischer und moralischer Freiheit. Moralische Freiheit bezieht sich auf die freie Willensentscheidung, die jedoch nach Schopenhauer durch Motive und den Charakter des Menschen beeinflusst wird.
Was versteht Schopenhauer unter dem Charakter des Menschen und wie beeinflusst er die Willensfreiheit?
Schopenhauer unterscheidet zwischen dem empirischen und dem konstanten Charakter. Der empirische Charakter ist durch Erfahrung erkennbar, während der konstante Charakter das ganze Leben hindurch gleich bleibt. Er argumentiert, dass der individuelle Charakter angeboren und von der Natur gegeben ist. Dieser angeborene Charakter, in Verbindung mit den Motiven, bestimmt die Handlungen eines Menschen, was die Willensfreiheit einschränkt.
Was sind die Grenzen der Erziehung laut Schopenhauer und wie vergleicht sich das mit der modernen Forschung?
Schopenhauer glaubt, dass die Erziehung zwar die Erkenntnis verbessern kann, den Charakter selbst jedoch nicht verändern kann. Er vergleicht den Versuch, den Charakter durch Erziehung zu ändern, mit dem Versuch, Blei in Gold zu verwandeln. Dies ähnelt der modernen Forschung, insbesondere den Erkenntnissen der Genetik und Sozialisation, die betonen, dass die elterliche Erziehung Grenzen hat und dass die Gene einen erheblichen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben.
Was ist Schopenhauers Schlussfolgerung bezüglich der Verantwortung und Zurechnungsfähigkeit?
Schopenhauer argumentiert, dass Menschen für ihren Charakter verantwortlich sind, auch wenn die Handlungen aus diesem Charakter und den gegebenen Motiven resultieren. Er bezieht sich auf den kantischen Begriff des intelligiblen Charakters, der außerhalb der Erscheinungswelt liegt und somit nicht der Kausalität unterworfen ist. Obwohl die moralische Freiheit fehlt, müssen Täter bestraft werden, um als Gegenmotiv für noch nicht begangene Verbrechen zu wirken.
Welche Bedeutung haben Motive in Schopenhauers Theorie?
Motive spielen eine entscheidende Rolle, da sie zusammen mit dem angeborenen Charakter die Handlungen eines Menschen bestimmen. Schopenhauer vergleicht die Wirkung von Motiven mit Ursachen in der unbelebten Natur. Nur wenn es gelingt, die Motive, und insbesondere die Gegenmotive die durch Vernunft zugänglich sind, im Willensprozess zu berücksichtigen, kann eine bewusste Handlungsentscheidung getroffen werden.
Wie modern ist Schopenhauers Ansatz?
Die Untersuchung betont, dass Schopenhauer seiner Zeit voraus war, insbesondere in Bezug auf die Grenzen der Erziehung und den Einfluss angeborener Eigenschaften. Seine Gedanken spiegeln einige Ergebnisse der modernen Genforschung wider und bieten weiterhin relevante Einblicke in die Frage der Willensfreiheit und moralischen Verantwortung.
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- Dr. Manfred Klein (Author), 1999, Willensfreiheit und die Grenzen der Erziehung. Theorien nach Arthur Schopenhauer und David C. Rowe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354411