Willensfreiheit und die Grenzen der Erziehung. Theorien nach Arthur Schopenhauer und David C. Rowe


Trabajo de Seminario, 1999

16 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


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Abstract
Arthur Schopenhauer befasst sich in seiner Preisschrift Über die Freiheit des Willens mit der
Willensfreiheit und dem Willen des Menschen. Gleichzeit analysiert er den Charakter, der sich
als fester kern im Menschen nur schwer erziehen und damit umformen lässt. Zu ganz ähnlichen
Ergebnissen kommt der amerikanische Psychologe David C. Rowe in seinem neuen Buch Gene-
tik und Sozialisation. Beide Autoren sind nicht weit voneinander entfernt, so wird es diese Arbeit
aufzeigen, wobei der Schwerpunkt auf Schopenhauers Analyse in seiner Preisschrift gelegt wer-
den wird.
Arthur Schopenhauer, in his quotation on the freedom of the will, deals with the freedom of wil-
derness and the will of man. At the same time, he analyzes the character that is difficult to edu-
cate and transform as a solid core in man. The American psychologist David C. Rowe comes to
quite similar conclusions in his new book Genetics and Socialization. Both authors are not dis-
tant from each other, so it will show this work, with the focus on Schopenhauer's analysis being
laid in his analysis.

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Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung ... 4
II. Begriffsbestimmungen der Freiheit und der Selbstbewusstseins ... 5
III. Der Wille vor dem Selbstbewusstsein und der Wille vor dem Bewusstsein anderer
Dinge ... 6
IV. Die Eigenschaften des Menschen ­ der Charakter ... 8
V. Die Grenzen der Erziehung ­ Forschung der Gegenwart ... 11
VI. Schopenhauers Schluss und höhere Ansicht ... 12
VII. Zusammenfassung und Ergebnisse ... 14
IX. Literaturverzeichnis ... 16

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I. Einleitung
Es ist durchaus müßig, immer auf die Aktualität eines Denkers hinzuweisen, was immer irgend-
wie nach Rechtfertigung klingt, weil man sich mit ihm (noch) zu beschäftigen wagt. Wie immer
dies ausgelegt wird, möchte ich den Versuch im Falle Arthur Schopenhauers unternehmen. Was
sich hinter dem Titel dieser Seminararbeit verbirgt, ist wie folgt darzulegen: sie basiert auf der
Preisschrift Über die Freiheit des Willens von Schopenhauer, die er für die Königlich Norwegi-
sche Gesellschaft der Wissenschaften zu Drontheim 1839 verfasst hat. Sie stellt folgende Frage:
,,Lässt sich die Freiheit des menschlichen Willens aus dem Selbstbewusstsein beweisen?" Scho-
penhauer versucht darauf eine Antwort zu geben. Letzten Endes bezieht sich die Frage auf die
generelle Willensfreiheit des Menschen. Viele Philosophen haben sich schon z. T. lange bevor
Schopenhauer es getan hat, mit diesem Thema beschäftigt, einige davon zitiert Schopenhauer
und / oder setzt an ihren Systemen an. So z. B. Aristoteles, Cicero, Augustinus, Spinoza, Hume
und Kant um nur einige anzuführen. Da dies für die vorliegende Untersuchung nicht weiter
wichtig ist, wird diesem Rückblick keine Beachtung zukommen, lediglich Kant wird angeführt,
weil Schopenhauer sich direkt auf ihn bezieht und sogar teilweise seine Gedanken daraus entwi-
ckelt. Deshalb entfällt eine Auseinandersetzung mit dem Kapitel ,,Vorgänger". Schopenhauer
polemisiert meist nur und die Betrachtung soll sich auf die Zeit nach ihm, bzw. mit den eventuel-
len Vorwegnahmen der heutigen Behandlung des Themas beschäftigen. Es erfolgt eine Explika-
tion des Textes, während dieser wird auf neue Ergebnisse verwiesen, oder es werden Erklärun-
gen dazu gegeben. Die Frage, die sich somit stellt lautet wie folgt: wie weit ist Schopenhauer mit
seiner Preisschrift an der heutigen Diskussion, besonders in Hinsicht auf die Genetik? Die zahl-
reich angeführten Zitate im folgenden Text ließen sich nicht vermeiden, weil man Schopenhauer
mit seiner unvergleichlichen Art selbst zu Wort kommen lassen muss. Sie wurden nach der
Preisschrift: Über die Freiheit des Willens zitiert
1
Diese Schrift werde ich in Kontrast zu Genetik und Sozialisation des US-Psychologen David C.
Rowe setzen. Dabei werden sich Übereinstimmungen der beiden Autoren ergeben, die klar die
Aktualität Schopenhauers belegen. Wobei der Schwerpunkt der Arbeit auf Schopenhauers Frei-
heitsbegriff liegt. Im Teil II zeige ich Schopenhauers Entwicklung der Freiheit aus dem Selbst-
bewusstsein um dann in Teil III den Willen näher zu bestimmen. Teil IV wird sich dann intensiv
1
I
n: Kleinere Schriften der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt 1962, Seite 520 ­ 627 zitiert. Es werden
im Folgenden die entsprechenden Seiten angegeben. Bei der Gliederung des Textes habe ich mich weitgehend an
die Einteilung Schopenhauers gehalten.

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mit dem Charakter des Menschen befassen, bevor im Teil V Rowe zu Wort kommen soll und
den Kontrast zum Denken Schopenhauers bildet. Teil VI gibt das Ergebnis von Schopenhauers
Analyse der Freiheit wider.
II. Begriffsbestimmungen der Freiheit und der Selbstbewusstseins
Schopenhauer entwickelt sein Werk von der Frage ausgehend: lässt sich die Freiheit des mensch-
lichen Willens aus dem Selbstbewusstsein beweisen? Er führt danach mit Begriffsbestimmungen
in seine Abhandlung ein. Der Freiheitsbegriff ist ein negativer, er wird gedacht durch die Abwe-
senheit alles Hindernden und Hemmenden. Die Freiheit wird in drei Unterarten geteilt: Die phy-
sische Freiheit ist das Können ohne physische Hindernisse. Die politische Freiheit ist ebenfalls
unter die physische Freiheit zu fassen. Das Gehinderte ist der Wille. Der Begriff der Freiheit
lässt sich somit positiv denken. Das, was den Willen hindern kann, wäre z. B. Kerker oder eine
Lähmung, demnach also kein physisches und materielles Hindernis. Der Mensch, der nach sei-
nem Willen handelt, ist frei. Es wird allerdings keine Rücksicht auf das genommen, was auf den
Willen Einfluss haben kann. Das Können ohne physische Hindernisse wird hier lediglich be-
leuchtet. Schopenhauer räumt also durchaus einen gewissen Möglichkeitsspielraum ein. Aller-
dings hier schon eine Willensfreiheit zu vermuten, wäre nach Schopenhauer ein Irrtum. Die in-
tellektuelle Freiheit, die am Ende der Abhandlung behandelt wird, betrifft die freiwillige und
unfreiwillige Denkkraft. Schopenhauer kommt gleich zur dritten Art, der moralischen Freiheit,
darunter ist die freie Willensentscheidung zu verstehen. Sind die Menschen durch bloße Motive,
wie z. B. Drohungen, Versprechungen usw. überhaupt frei? Die Motive können nie so stark
hemmen wie die physischen Hindernisse. Es kann immer stärkere Gegenmotive geben. Frei be-
deutet, dem eigenen Willen gemäß! Die Kernfrage ist: kannst Du wollen? Dem freien kommt
keine Notwendigkeit zu! Es ist das absolut Zufällige. Die Freiheit ist nicht von Ursachen bzw.
Notwendigkeit oder von zureichenden Gründen abhängig. Schopenhauer erklärt das Selbstbe-
wusstsein so: ,, Das Bewußtsein des eigenen Selbst im Gegensatz des Bewußtseins anderer Din-
ge, welches letztere das Erkenntnisvermögen ist." (528). Der größte Teil unseres Bewusstseins
ist eben dieses Bewusstsein anderer Dinge. Das Erkenntnisvermögen bezieht sich auf die reale
Außenwelt, es verhält sich ihr gegenüber anschaulich auffassend, um das so sinnlich Aufge-
nommene zu Begriffen zu verarbeiten. Des eigenen Selbst wird man sich bewußt als eines Wol-
lenden. Das Wollen ist der Gegenstand des Selbstbewusstseins. Gemeint sind aber nicht nur Wil-
lensakte, sondern auch Affekte und Leidenschaften gehören dazu. Dies erklärt Schopenhauer
damit, dass diese beim Erreichen oder Verfehlen eines Willens beteiligt sind. Die Willensstre-

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bungen aus dem Selbstbewusstsein, also von innen, beziehen sich aber immer auf etwas Äuße-
res. Dies ist jedoch schon der Bereich des Bewusstseins anderer Dinge. Im nächsten Teil wird
uns der Wille in zweierlei Weise beschäftigen.
III. Der Wille vor dem Selbstbewusstsein und der Wille vor dem Bewusstsein ande-
rer Dinge
Wenn ein Mensch will, so will er auch etwas: sein Willensakt ist allemal auf einen Ge-
genstand gerichtet und lässt sich nur in Beziehung auf einen solchen denken. Was heißt
nun: etwas wollen? Es heißt: der Willensakt, welcher selbst zunächst nur Gegenstand
des Selbstbewußtseins ist, entsteht auf Anlass von etwas, das zum Bewußtsein anderer
Dinge gehört, also ein Objekt des Erkenntnisvermögens ist, welches Objekt in dieser
Beziehung Motiv genannt wird und zugleich der Stoff des Willensaktes ist, indem dieser
darauf gerichtet ist, d. h. irgendeine Veränderung daran bezweckt, also darauf reagiert:
in dieser Reaktion besteht sein ganzes Wesen (532).
Im Selbstbewusstsein liegt das Gefühl, dass ich tun kann was ich will. Es können ganz entgegen-
gesetzte Handlungen als gewollt gedacht werden, das Entgegengesetzte kann man somit tun,
wenn man will. Dies einen freien Willen zu nennen, wäre völlig falsch, denn aus dem Selbstbe-
wusstsein lässt sich jedoch nicht die Willensfreiheit er- und beweisen. Schopenhauer fragt wei-
ter, ob der Willensakt durch das Motiv mit Notwendigkeit hervorgerufen wird. Die Willensfrei-
heit hängt von äußeren Umständen ab, deshalb kann das Selbstbewusstsein nichts darüber aussa-
gen. Das im Selbstbewusstsein liegende Gefühl: ,,Ich kann tun was ich will", begleitet uns stän-
dig. Es entspringt tief in unserem Inneren und geht dann in die anschauliche Welt über. Das Be-
wusstsein ist die Brücke zwischen der Innen- und Außenwelt. Sagt ein Mensch: ,,Ich kann tun
was ich will, will ich nach links gehen, so geh´ ich nach links, will ich nach rechts gehen, so geh´
ich nach rechts, also bin ich frei". Er hat dann zwar Recht, nur der Wille liegt schon in der Vo-
raussetzung, d. h., man fragt nicht nach den Folgen, sondern nach den Gründen des jeweiligen
Wollens. Das Tun hängt vom Wollen ab. Das Erkenntnisvermögen ist nach außen gerichtet.
Schopenhauer befasst sich mit den Wesen, die einen Willen haben, d. h. er beschäftigt sich mit
den Sinneserfahrungen und dem Verstand, der objektive Auffassungen verarbeiten kann. Man
kommt durch Sinneserfahrungen zu Wahrnehmungen, zu der Veränderung in Raum und Zeit,
also zu dem Gesetz der Kausalität, welches a priori gegeben ist. Alle Veränderungen treten daher
unausbleiblich ein, auf eine Ursache folgt eine Wirkung mit Notwendigkeit. Die Kausalität zeigt
sich an jedem Objekt (Körpern, Pflanzen, Tieren und Menschen) anders, deshalb spaltet Scho-
penhauer die Kausalität in drei Formen: In die Ursache im engsten Sinn, sie bewirkt Verände-
rungen in der anorganischen Welt (in der Physik und der Chemie). Als zweite Form den Reiz.

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Reize findet man bei Pflanzen. Diese Art der Ursachen bestimmt die Veränderung bei Pflanzen
und die Funktionen von den Körpern der Tiere. Die Motivationen werden als drittes angeführt.
Sie bestimmen die Bewegungen der Tiere. Das Tier hat bloß anschauende Auffassungen der Au-
ßenwelt. Ferner haben Tiere nur eine Vorstellung der Gegenwart. Schopenhauer erklärt dies wie
folgt:
... die großen Vorzüge des Menschengeschlechts vor allen übrigen möglich werden,
nämlich Sprache, Besonnenheit, Rückblick auf das Vergangene, Sorge für das Künftige,
Absicht, Vorsatz, planmäßiges, gemeinsames Handeln vieler, Staat, Wissenschaften,
Künste usf. Alles dieses beruht auf der einzigen Fähigkeit, nichtanschauliche, abstrakte
allgemeine Vorstellungen zu haben, die man Begriffe ( d. i. Inbegriffe der Dinge ) nennt,
weil jeder derselben vieles Einzelne unter sich begreift. Dieser Fähigkeit entbehren die
Tiere ... sie haben daher keine andere als anschauliche Vorstellungen und erkennen
demnach nur das gerade Gegenwärtige, leben allein in der Gegenwart. (552)
Die Motive der Tiere müssen daher anschaulich und gegenwärtig sein. Das Tier hat deshalb we-
nig Wahl, das stärkste Motiv bestimmt zwangsweise seinen Willen. Der Mensch kann nun mit-
telst seines Denkvermögens die Motive, deren Einfluss auf seinen Willen er spürt, in beliebiger
Ordnung abwechselnd und wiederholt sich vergegenwärtigen, um sie seinem Willen vorzuhalten,
welches Überlegen heißt: er ist deliberationsfähig und hat vermöge dieser Fähigkeit eine weit
größere Wahl als dem Tiere möglich ist. Hierdurch ist er allerdings relativ frei, nämlich frei vom
unmittelbaren Zwang der anschaulichen gegenwärtigen, auf seinen Willen als Motive wirkenden
Objekte, welchem das Tier schlechthin unterworfen ist: der Mensch dagegen bestimmt sich un-
abhängig von den gegenwärtigen Objekten nach Gedanken, welche seine Motive sind. Damit
räumt Schopenhauer dem Menschen an dieser Stelle eine Freiheit ein, die es ihm ermöglicht,
eine durchaus wohlüberlegte Handlung auszuführen. Doch:
...[ Diese Willensfreiheit ] ist jedoch eine bloß relative, nämlich in Beziehung auf das
anschaulich Gegenwärtige, und eine bloß komparative, nämlich im Vergleich mit dem
Tiere. Durch sie allein die Art der Motivation geändert, hingegen die Notwendigkeit der
Wirkung der Motive im mindesten nicht aufgehoben oder auch nur verringert. (554)
An dieser Stelle wird gezeigt, dass diese relative Freiheit keinesfalls das Kausalitätsgesetz außer
Kraft setzen kann. Schopenhauer gibt ein weiteres Beispiel für die fehlende Willensfreiheit bei
Tieren: ,,Der Hund steht zaudernd zwischen dem Ruf seines Herrn und dem Anblick einer Hün-
din: das stärkste Motiv wird seine Bewegung bestimmen; dann aber erfolgt sie so notwendig wie
eine mechanische Wirkung" (559). Durch die Motivation ist der Mensch jedoch nicht frei, der
Wille ist zu schwankend. Das Ich kann dies wollen, ist aber hypothetisch und führt den Zusatz

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mit sich: wenn ich nicht jenes andere wollte. Das Wollen - Können hebt sich auf .Motive und
Gegenmotive werden erst zur möglichen Tat, wenn eines überwiegt, dann erfolgt die Tat jedoch
mit Notwendigkeit. Freiheit ist also hier nicht gegeben, weil die Einflüsse von außen zu stark
wirken.
Es ist durchaus weder Metapher noch Hyperbel, sondern ganz trockene und buchstäbli-
che Wahrheit, daß, sowenig eine Kugel auf dem Billard in Bewegung geraten kann, ehe
sie einen Stoß erhält, ebensowenig ein Mensch von seinem Stuhle aufstehen kann, ehe
ein Motiv ihn wegzieht oder treibt: dann aber ist sein Aufstehn so notwendig und unaus-
bleiblich wie das Rollen der Kugel nach dem Stoß. Und zu erwarten, daß einer etwas tu-
e, wozu ihn durchaus kein Interesse auffordert, ist wie erwarten, daß ein Stück Holz sich
zu mir bewege ohne einen Strick, der es zöge. (564)
Diese Aussage beweist, wie Schopenhauer sich stringent an die Ursache­Wirkungs-
Konstellation hält. Es gibt allem Anschein nach keinen Ausweg aus dieser. Ursachen können
auch in Gedanken liegen, die miteinander streiten, bis der Mächtigste den entscheidenden Aus-
schlag gibt. Dann läuft alles weitere nach dem Kausalgesetz ab. Es ist nach Schopenhauer falsch,
die Ursachenlosigkeit wegen der Unsichtbarkeit zu verleugnen, weil nicht das Auge sondern der
Verstand urteilt. Deshalb wäre die Willensfreiheit ein Wunder ­ eine Wirkung ohne Ursache!
IV. Die Eigenschaften des Menschen ­ der Charakter
Die Tat lässt sich nicht aus dem Motiv herleiten, sondern man muss hierzu auch den Charakter
genau kennen:
1.) Den empirischen Charakter lernt man durch die Erfahrung kennen, und zwar den der Anderen
sowie den eigenen. Man stellt fest, ob man bestimmte Eigenschaften hat oder nicht (z. B. Ge-
rechtigkeit, Mut, Uneigennützigkeit). Das stärkere Motiv übt seine Gewalt über den Willen aus
und eine Entscheidung fällt anders aus als wir am Anfang vermuteten. Seine Freunde prüft man
auf Vertrauen und sonstige Eigenschaften. Schopenhauer behauptet: ,,Wer einmal etwas getan,
wird es vorkommendenfalls wieder tun. Im Guten wie im Bösen" (569).
2.) Der konstante Charakter bleibt das ganze Leben hindurch der Gleiche, somit ändert sich der
Mensch nie. Wer Vertrauen einmal missbraucht hat, dem wird kein Vertrauen mehr entgegenge-
bracht. Man vertraut auf denjenigen, dem man immer vertrauen konnte. Wird dies enttäuscht, so
wird nicht das Motiv, sondern der Charakter getadelt, der sich durch ein solches Motiv bestim-
men ließ. Der entstandene Makel haftet dem betreffenden Menschen immer an. Schopenhauer
schildert eine durchaus alltägliche Situation, die in den meisten Fällen so verläuft. Begriffe wie
Vertrauensperson oder Loyalität zeugen davon. Den Charakter des Menschen kann man nicht

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bessern oder ändern, sondern man kann ihm (dem Menschen) nur zeigen, dass sein Streben mit
diesem Charakter, ihn mit größeren Gefahren und Mühseligkeiten zum Ziel bringt, als dies durch
Ehrlichkeit, Arbeit usw. der Fall wäre. Durch die Erkenntnis ist es möglich, eine Besserung zu
erreichen. Die Motive wirken durch Notwendigkeit, sie müssen den Weg durch die Erkenntnis
gehen. So arbeitet alle Erziehung: sie muss die Vernunft ausbilden. Dadurch wird es möglich,
dem Menschen Motive zu erschließen, die ihm bis dahin verborgen waren. Der Mensch kann
somit bei gleichen äußeren Umständen zu einer ganz anderen Situation gelangen, als zuvor. Dies
kann durch Begreifen der Umstände erfolgen. Die moralische Einwirkung beschränkt sich nur
auf die Berichtigung der Erkenntnis, mehr kann nicht unternommen werden:
...und das Unternehmen, die Charakterfehler eines Menschen durch Reden und Morali-
sieren aufheben und so einen Charakter selbst, seine eigentliche Moralität umschaffen zu
wollen, ist ganz gleich mit dem Vorhaben, Blei durch äußere Einwirkung in Gold zu
verwandeln oder eine Eiche durch sorgfältige Pflege dahin zu bringen, daß sie Apriko-
sen trüge (573).
3.) Der individuelle Charakter ist angeboren: er ist von der Natur gegeben. Bei gleicher Erzie-
hung und gleicher Umgebung zeigen zwei Kinder den unterschiedlichsten Charakter und dieser
bleibt das ganze Leben lang der Gleiche. Die Tugenden und Laster sind angeboren und von der
Erziehung nicht zu beeinflussen. (Dazu ein Beispiel von Schopenhauer: Nero hatte den Seneca
zum Erzieher...). Der angeborene Charakter ist mit dem vererbten Charakter gleichzusetzen. Die
Konsequenz hieraus wäre, dass der Charakter, d. h. die Eigenschaften des Menschen weitgehend
festgelegt sind, doch damit nicht genug, denn Schopenhauer setzt noch folgendes hinzu, was
zeigt, dass die Willensfreiheit wieder nicht zu retten ist, denn:
...Woraus hingegen unter der Annahme der Willensfreiheit Tugend und Laster oder
überhaupt die Tatsache, daß zwei gleich erzogene Menschen unter völlig gleichen Um-
ständen und Anlässen ganz verschieden, ja entgegengesetzt handeln, ist schlechterdings
nicht abzusehn. Die tatsächliche, ursprüngliche Grundverschiedenheit der Charaktere ist
unvereinbar mit der Annahme einer solchen Willensfreiheit, die darin besteht, daß jedem
Menschen in jeder Lage entgegengesetzte Handlungen gleich möglich sein sollen (575).
Die Unterschiedlichkeit der Handlungsweisen verschiedener Menschen liegt weder im Subjekti-
ven, noch im Objektiven. Den Ursprung der verschiedenen Handlungsweisen könnte man allen-
falls noch zwischen Subjekt und Objekt legen, je nachdem, wie das Objekt von unterschiedlichen
Subjekten erkannt würde. Dies würde in die richtige oder falsche Erkenntnis münden. Der ange-
borene Charakter sorgt dafür, dass eine Ungleichheit von Anfang an vorliegt, so ist es nicht mög-
lich, dass der Mensch sich für zwei entgegengesetzte Handlungen entscheiden kann. Durch Um-

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welteinflüsse, die auf den Charakter einwirken können (Zufall, Vorsehung) und den Menschen
zu einem anderen Handeln bringen würden, hätten zur Folge, dass der Mensch erst recht nicht
moralisch verantwortlich wäre, da die Handlung aus einer äußeren Macht wie z. B. einem Urhe-
ber der Welt (Gott) entsprungen wäre.
...Die Notwendigkeit, mit der ... die Motive wie alle Ursachen überhaupt wirken, ist kei-
ne voraussetzungslose. Jetzt haben wir Ihre Voraussetzung, den Grund und Boden, wo-
rauf sie fußt, kennengelernt: es ist der angeborene individuelle Charakter. Wie jede Wir-
kung in der unbelebten Natur ein notwendiges Produkt zweier Faktoren ist, nämlich der
hier sich äußernden allgemeinen Naturkraft und der diese Äußerung hier hervorrufenden
einzelnen Ursache; geradeso ist jede Tat eines Menschen das notwendige Produkt seines
Charakters und des eingetretenen Motivs. Sind diese beiden gegeben, so erfolgt sie un-
ausbleiblich (577).
Eine andere Tat, könnte nur entstehen, wenn ein anderes Motiv oder ein anderer Charakter vor-
handen wäre. Durch den schwer erforschbaren Charakter und das ,,undurchsichtige" Motiv/ oder
Gegenmotive, die nur in den Gedanken des Menschen liegen, ist die Tat auch nicht voraussag-
bar. Durch den angeborenen Charakter, aber auch durch äußere Umstände, sind die Ziele und
Zwecke die der Mensch anstrebt im Wesentlichen vorausbestimmt. Zu erwarten, dass ein
Mensch bei gleichem Anlass einmal so, ein andermal aber ganz anders handelt, ist nach Scho-
penhauer völlig unmöglich.
...Wünschen, daß irgendein Vorfall nicht geschehen wäre, ist eine törichte Selbstquäle-
rei: denn es heißt etwas absolut Unmögliches wünschen und ist so unvernüftig wie der
Wunsch, daß die Sonne im Westen aufginge. Weil eben alles Geschehene, Großes, wie
Kleines, streng notwendig eintritt ist es durchaus eitel, darüber nachzudenken, wie ge-
ringfügig und zufällig die Ursachen waren, welche jenen Vorfall herbeigeführt haben
und wie so sehr leicht sie hätten anders sein können: denn dies ist illusorisch; indem sie
alle mit ebenso strenger Notwendigkeit eingetreten sind und ebenso vollkommener
Macht gewirkt haben wie die, infolge welcher die Sonne im Osten aufgeht. Wir sollen
vielmehr die Begebenheiten, wie sie eintreten, mit eben dem Auge betrachten wie das
Gedruckte, welches wir lesen, wohl wissend, daß es dastand, ehe wir es lasen (583).
Bei diesen Gedankengängen fällt es schwer, zuzustimmen, denn wie oft geschieht es, dass man
die Zeit zurückdrehen möchte, um den möglicherweise begangenen Fehler und Unzulänglichkei-
ten korrigieren zu können, weshalb hat man Probleme damit hat, dies anzunehmen. Aber Scho-
penhauer zeigt hier die Konsequenz aus dem vorher Gesagten: der Mensch handelt durch den
angeborenen Charakter, in Verbindung mit den äußeren Ursachen, die dem strengen Kausalitäts-
gesetz unterliegen.

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V. Die Grenzen der Erziehung ­ Forschung der Gegenwart
Hier zeigt sich ein moderner Gedanke, der ein Beweis der Aktualität Schopenhauers sein könnte.
David C. Rowe stellt in seinem Buch Genetik und Sozialisation die praktisch gleiche These auf,
dass die elterliche Erziehung Grenzen hat. Rowe zeigt dies aber an dem Hintergrund der Gene-
tik, was jedoch letztlich gar nicht weiter entscheidend ist, denn es geht hier ebenfalls um den
angeborenen Charakter Der Einfluss der Erziehung auf die Persönlichkeitsentwicklung der Kin-
der ist gering. Gemeinsame Umwelteinflüsse schaffen nicht die vielen Verhaltensähnlichkeiten
in Familien. Die Wirkung der elterlichen Gene bestimmt das Verhalten ihrer Kinder, wobei Er-
ziehungsstil und die Genvariation übereinstimmen können. Genauso können Persönlichkeits-
merkmal (das ist der angeborene Charakter Schopenhauers) und Kopien der Gene übereinstim-
men, da der Gen ­ Effekt ein Erziehungsstil der Eltern und der Gen ­ Effekt des Kindes, das
Persönlichkeitsmerkmal ist. Die Beziehung zwischen Erziehungsstil und Persönlichkeitsmerkmal
ist akausal. Das gemeinsame Auftreten von Erziehungsstil und Verhalten sagt nicht, dass der
Eine das Andere verursacht, es ist nicht zu beweisen. Die Weitergabe der Kultur findet gleich-
wertig innerhalb und außerhalb der Familie statt. Es muss ein Gen für ,,aus jeder Quelle lernen"
und nicht nur ein Gen für ,,nur aus der Familie lernen" geben. Die größten Überlebenschancen
hatten, bzw. haben Individuen mit dem erst genannten Gen, sie sind weitaus wandlungsfähiger
beim Ändern oder lernen von neuen, bzw. besseren Verhaltensweisen. Umgekehrt können Eltern
von ihren Kindern lernen und sogar deren Verhalten nachahmen. Der Kulturfluss geht sozusagen
zu den Eltern zurück. Erwünschte wie unerwünschte Persönlichkeitsmerkmale in menschlichen
Populationen können nicht auf elterliches Streben oder Versagen zurückgeführt werden. Rowe
führt das Beispiel des Rauchens an: der Einfluss der Erziehung (das Rauchen oder Nichtrauchen
der Eltern, ob Zigaretten im Haus vorhanden oder nicht vorhanden sind) ist völlig gleichgültig.
Das Rauchen der Eltern kann durch genetisches Erbe das Rauchen des Kindes verursachen. Die
Rolle der Eltern wäre somit passiv, es würde nicht über den sozialen Weg gehen.
Gibt es kulturelle Änderungen, so ist es falsch nur dieses in Betracht zu ziehen, denn die Gene
haben die Möglichkeit, sich ebenfalls zu verändern (Gen ­ Variation). Es kann z. B. passieren,
dass sich schlechte Eigenschaften ausbreiten, oder umgekehrt, gute Eigenschaften. Je nach dem
welche relativen Reproduktionsraten der Genträger hat und wie hoch die Überlebensrate der
Nachkommen dieser Träger ist. Es käme so zu selektiven Prozessen, in dem die genetische Vari-
abilität genauso verschiedenartig ist, wie die Kontexte der menschlichen Gesellschaften. Eine
Gen ­ Variation könnte auch mit einer wachsenden oder zurückgehenden Kriminalität in Ver-
bindung stehen, allerdings muss hierbei die kulturelle Weitergabe ebenfalls berücksichtigt wer-

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den. Allerdings gibt es kein ,,Kriminalitätsgen", die Genstruktur in solchen Gen ­ Variationen ist
weitaus komplexer, als das ein einzelnes Gen einen derartigen Prozess auslösen könnte. Gen ­
Variationen können auch durch Krankheiten, bzw. deren Erregern ausgelöst werden, d. h., es
werden Gene gebildet, die gegen bestimmte Bakterien und Viren immun sind, diese wären dann
möglicherweise in der Lage, die Persönlichkeitsmerkmale zu verändern. Die genauen Funktio-
nen der Gen ­ Variabilität ist momentan noch nicht ausreichend erforscht. Man muss noch auf
weitere entscheidende Ergebnisse warten.
Im Augenblick wird versucht, die Theorie einer Gen ­ Umwelt ­ Koevolution aufzustellen. Sie
beschäftigt sich mit der gleichzeitigen Beachtung des genetischen und des kulturellen Erbes.
Beide werden sie von Generation zu Generation weitergegeben, sind jedoch unabhängig vonei-
nander, sie sind unterschiedlichen Gesetzen und Mechanismen unterworfen: die geschlechtliche
Reproduktion und die Gene gehen zurück auf physische Abschnitte der DNS. Das kulturelle Sys-
tem verlässt sich auf den Informationstransfer zwischenmenschlichen Gedächtnissen. Damit sich
Empfehlungen einer anderen Erziehung wegen sozialen Problemen überhaupt verwirklichen lie-
ßen, müsste die Erblichkeit eine viel weniger wichtige Rolle für das betreffende Persönlich-
keitsmerkmal sein, als die gemeinsame Erziehungskomponente der Variation aussagt. Die Ver-
änderungen der Erziehungsstile erreichen möglicherweise nur eine sehr geringe Abnahme unse-
rer sozialen Probleme.
2
Doch nun wieder zurück zu Schopenhauer.
VI. Schopenhauers Schluss und höhere Ansicht
An dieser Stelle interessiert Schopenhauer die Frage nach der Verantwortlichkeit und der Zu-
rechnungsfähigkeit. Er versucht sie folgendermaßen zu beantworten: die Taten entstehen aus
dem gegebenen Charakter und den gegebenen Motiven. Wobei der moralische Grundcharakter
vom Subjekt ausgeht. Dem Bewusstsein entspringt das Gefühl der Verantwortlichkeit, der Zu-
rechnungsfähigkeit für unsere Handlungen und der Gewissheit, dass wir Täter unserer Taten
sind. Der Verantwortung, der sich der Täter bewusst wird, betrifft nicht die Tat, sondern seinen
Charakter. Für diesen fühlt er sich verantwortlich und wird von den anderen Menschen für ihn
verantwortlich gemacht. Er wird wegen seines Charakters verachtet und/ oder gehasst. Die Frei-
heit muss also im Charakter liegen, denn sie liegt nicht in den einzelnen Handlungen. Schopen-
hauer geht den kantischen Weg des empirischen und intelligibelen Charakters: der empirische
Charakter ist eine Erscheinung in Raum und Zeit, somit also der Kausalität unterworfen, also
2
Vgl. Rowe, David C: Genetik und Sozialisation. Die Grenzen der Erziehung. Weinheim: 1997. Kap. 1 u. 7.

13
vollkommen determiniert, in ihr gibt es keine Freiheit und somit keine Schuld. Um moralisch
schuldig zu sein, muss der Mensch moralisch frei sein.
Nach dem Intelligibelen Charakter desselben aber ( ob wir zwar davon nichts als bloß
den allgemeinen Begriff desselben haben können ) würde dasselbe Subjekt dennoch von
allem Einflusse der Sinnlichkeit und Bestimmung durch Erscheinungen freigesprochen
werden müssen, da ... mithin keine Verknüpfung mit Erscheinungen als Ursachen ange-
troffen wird, so würde dieses tätige Wesen, so fern in seinen Handlungen von aller Na-
turnotwendigkeit, als die lediglich in der Sinnenwelt angetroffen wird unabhängig und
frei sein.
3
Der intellektuelle Charakter ist keine Erscheinung, d. h. er ist nicht durch die Erscheinungswelt
beeinflussbar. Es kann somit keine Gebote der Moral geben. Diese Auffassung wird heute noch
geteilt: John Hospers (Die Reichweite menschlicher Freiheit) ist ebenfalls der Meinung, dass ein
moralisches Tadeln der begangenen Taten entfallen müsste, weil man für den eigenen Charakter
nicht verantwortlich ist. Durch diese Freiheit des Menschen sind alle Taten sein eigenes Werk,
obwohl sie aus dem empirischen Charakter kommen. Die Freiheit ist transzendental, d. h., sie
liegt nicht in der Erscheinungswelt (Sinnenwelt). Subjektiv fühlt jeder: er tut was er will, objek-
tiv erfolgt die Handlung jedoch nachdem Kausalitätsgesetz, somit liegt die Freiheit nicht in den
Handlungen. Schopenhauer argumentiert metaphysisch, er meint, diese Untersuchung kann nicht
auf dem Fundament der Wissenschaft basieren, da der Charakter schwer erforschbar (dies war in
der Tat im 19. Jh. so) ist, daher ist seine Theorie weder begründbar, noch beweisbar. Daher
spricht Schopenhauer vom ,,Mysterium der Freiheit". Um dem individuellen Charakter gemäß zu
handeln, dürfen die Motive nicht durch ein behindertes Erkenntnisvermögen blockiert sein. Die
Motive müssen unverfälscht sein. Sind sie jedoch verfälscht (z. B. durch Drogen) und der Wille
entscheidet dadurch falsch, dann sind diese Taten nicht strafbar.
Im allgemeinen also sind als unter Abwesenheit der intellektuellen Freiheit begangenen
alle die Verbrechen anzusehn, bei denen der Mensch entweder nicht wußte, was er tat,
oder schlechterdings nicht fähig war zu bedenken, was ihn davon hätte abhalten sollen,
nämlich die Folgen der Tat. In solchen Fällen ist demnach nicht zu strafen (626).
Trotz des Fehlens der moralischen Freiheit ist der Täter zu bestrafen, denn:
Die hingegen, welche meinen, daß schon wegen der Nichtexistenz der moralischen Frei-
heit und daraus folgender Unausbleiblichkeit aller Handlungen eines gegebenen Men-
schen kein Verbrecher gestraft werden dürfte, gehen von der falschen Ansicht der Strafe
3
Kant, Immanuel: Kritik der reinen Vernunft A 541/B 569.

14
aus, daß sie eine Heimsuchung der Verbrechen ihrer selbst wegen, ein Vergelten des Bö-
sen mit Bösem aus moralischen Gründen sei. Ein solches aber, wenngleich Kant es ge-
lehrt hat wäre absurd, zwecklos und durchaus unberechtigt (627).
Das Gesetz, die Androhung der Strafe hat den Zweck, Gegenmotiv für noch nicht begangene
Verbrechen zu sein. Diese Gegenmotive wirken durch den Intellekt, indem sie dem Willen vor-
zuhalten sind. Gelingt dem Intellekt dies nicht, so gibt es keine Wirkung der Gegenmotive und
die Schuld geht auf den Intellekt über, weil dieser, wie bereits erwähnt, nicht zur Erscheinungs-
welt gehört, ist er folglich nicht der Strafe unterworfen. Die Gesetze der Moral haben mit dem
Willen zu tun.
VII. Zusammenfassung und Ergebnisse
Die Untersuchung hat sehr explizit den Standpunkt Schopenhauers herausgearbeitet und gezeigt,
dass er in der Theorie des streng notwendigen Kausalnexus` bleibt, er ist dadurch also ein De-
terminist, denn er behauptet, keine Person würde jemals frei handeln können. Jeder Mensch kann
nur so handeln, wie er eben gehandelt hat. Diese Theorie kam mit dem mechanisch ­ naturwis-
senschaftlichen Denken der Neuzeit auf. Man kann in diesem Zusammenhang fragen, ob Scho-
penhauer den Menschen nur als ein Stück Natur betrachtet? Ist der Mensch nicht mehr als das?
Ich würde letzterem zustimmen, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass der Mensch heute in den
Wissenschaften (ins besondere der Biologie) auch ,,nur" ein Stück Natur ist. Er ist beispielsweise
ein Genotyp und damit auch ein Teil der Evolution.
Was aber mit Schopenhauer bleibt, ist gleichwohl nahezu alles, jedenfalls jenes, wonach
zunächst der Sinn steht. Seine Absage an eine These der Willensfreiheit ist keine Absage
an die Handlungsfreiheit und entsprechend auch keine Absage an die politische Freiheit.
Die Absage an die Willensfreiheit bedeutet nicht, dass es auch keine Freiheit zu wohl-
überlegter Lageanlyse gäbe, keine Freiheit zur bedachtsamen Entscheidung von Hand-
lungsalternativen und schließlich keine Freiheit des Handelns selbst.
4
So gibt es noch ein einigermaßen versöhnliches Resultat der Abhandlung Schopenhauers, ob-
wohl die Willensfreiheit nicht nachzuweisen war.
Abschließend kann die Frage der Aktualität Schopenhauers bejaht werden. Natürlich liegen Wel-
ten zwischen den Arbeiten von Rowe und Schopenhauer, auch war die Biologie in dieser Zeit
noch nicht soweit entwickelt, aber Teilergebnisse der Genforschung hat Schopenhauer durchaus
schon vorweggenommen, wie sich eindrucksvoll darstellte. Er eilte seiner Zeit voraus, wie dies
4
Ebeling, Hans: Freiheit, Gleichheit, Sterblichkeit. In: Salaquarda, Jörg.Wege der Forschung. Band 602. Darmstadt
1985. S. 299­304.

15
auch schon anderen Wissenschaftlern gegangen ist und wie sich zeigte, ist er auch bei anderen
modernen Auffassungen Wegbereiter gewesen, so etwa bei der Frage nach der moralischen
Schuld und der Kritik des Strafsystems, wenn er sich dagegen wehrt, Böses mit Bösem zu ver-
gelten.

16
IX. Literaturverzeichnis
Ebeling, Hans: Freiheit, Gleichheit, Sterblichkeit. In: Salaquarda, Jörg.
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Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Willensfreiheit und die Grenzen der Erziehung. Theorien nach Arthur Schopenhauer und David C. Rowe
Universidad
Justus-Liebig-University Giessen  (Philosophie)
Calificación
1,7
Autor
Año
1999
Páginas
16
No. de catálogo
V354411
ISBN (Ebook)
9783668405141
ISBN (Libro)
9783668405158
Tamaño de fichero
750 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Erziehung, Wille, Willensfreiheit, Arthur Schopenhauer, David C. Rowe
Citar trabajo
Dr. Manfred Klein (Autor), 1999, Willensfreiheit und die Grenzen der Erziehung. Theorien nach Arthur Schopenhauer und David C. Rowe, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354411

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