Schulverweigerung. Ursachen und Konsequenzen für das Lehrerhandeln


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2014

13 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

1.Einleitung

2.Begriffsbestimmung

3.Ursachen

4.Fallbeispiel

5.Konsequenzen für das Lehrerhandeln

6.Fazit

7.Literaturangabe

1. Einleitung

Schulverweigerung ist ein Phänomen, das in Deutschland längst keine Ausnahmeerscheinung mehr ist. Obwohl das Problem keineswegs neu ist, haben die Debatten um Schulversäumnisse in den letzten Jahren stark zugenommen. War Schulverweigerung in den 90er Jahren noch ein Thema für eine kleine Anzahl auf Schule und Jugendhilfe spezialisierte Kräfte, so steigt in unserer heutigen Gesellschaft das öffentliche Interesse. Es wird mehr Aufmerksamkeit darauf gerichtet, wie man gefährdeten Jugendlichen einen sinnvollen Ausweg bieten kann. Von pä­dagogischen Maßnahmen einerseits und ordnungspolitischen Interventionen andererseits ist die Rede (Simon / Uhlig 2002, S. 11).

Über die genaue Anzahl derjenigen Jugendlichen, die sporadisch oder kontinuierlich dem Unterricht fernb leiben, gibt es kaum offizielle bundesweite Statistiken, weshalb es schwierig ist genaue Aussagen darüber zu treffen. Repräsentative Studien basieren häufig nur auf kom­munaler oder regionaler Ebene. So besagt eine von der Hochschule Magdeburg- Stendal durchgeführte Studie in einer Kreisstadt, dass von 560 befragten Schülerinnen und Schülern 44 % schon einmal die Schule geschwänzt haben (Simon / Uhlig 2002, S.12).

Wenn Kinder oder Jugendliche nicht zum Unterricht erscheinen, kann das die unterschied­lichsten Gründe haben. Die verschiedenen Formen von Schulverweigerung werden in dieser Arbeit aufgezeigt und erläutert. Anhand eines Fallbeispieles wird vor allem auf die Schulangst Bezug genommen. Dabei werden zugrunde liegenden Ursachen, Präventions- und Interventi­onsmöglichkeiten genauer betrachtet.

2. Begriffsbestimmung

Vor dem Hintergrund der Neupädagogisierung des Begriffs „Schulverweigerung“ haben sich zahlreiche Begrifflichkeiten wie „Schulmüdigkeit“, „Schulabsentismus“ oder „Schulverdros­senheit“ entwickelt. Diese weisen zahlreiche Überschneidungsbereiche auf und werden oft als Synonyme verwendet. Nach Platzer werden unter Schulverweigerung „ ganz unterschiedliche Phänomene von der Teilnahme lo sigkeit am Unterricht bis hin zu Störungen [...] und Unter­richtsverweigerung, Schulmüdigkeit und Schulverdrossenheit sowie ausgeprägte Schulpho­bien verstanden.“ (Platzer 2001, S. 331). Bis heute gibt es keine allgemein gültige und inter­national vergleichbare Definition des Begriffs.

Ricking beschreibt Schulverweigerung als das dauerhafte und immer wiederkehrende Ver­säumnis des Unterrichts ohne ausreichende Begründung (Schreiber-Kittel / Schröpfer 2002, S. 35). Weiter unterscheidet Thimm je nach Häufigkeit und Dauer drei Verweigerungsformen: Gelegenheitsschwänzen, Regelschwänzen und Intensivschwänzen (Thimm 2000, S.162). Das Gelegenheitsschwänzen bezieht sich zunächst nur auf das sporadische Fernbleiben von soge­nannten Eckstunden. Regelmäßiges Schwänzen einzelner Fächer, das Fehlen an einzelnen Tagen oder Wochen bezeichnet der Autor als Regelschwänzen. Vom Intensivschwänzen ist dann auszugehen, wenn Jugendliche über mehrere Wochen oder Monate nicht am Unterricht teilnehmen. Dabei ist nochmals zwischen umkehrbarer und unumkehrbarer Schulverweige­rung zu unterscheiden. Bei letzterer besteht keinerlei Kontakt mehr zur Schule und deren Ak­teuren, während bei der umkehrbaren Verweigerung weiterhin soziale Kontakte zu Mitschü­lern oder Lehrern gepflegt werden (ebd., S. 163).

Außerdem unterscheiden die meisten Autoren zwischen aktiver und passiver Schulverweige­rung. Aktive Schulverweigerer zeigen ihrer Außenwelt deutlich, dass sie nicht gewillt sind den schulischen Anforderungen nachzukommen. Entweder bleiben sie der Schule gänzlich fern oder aber machen im Unterricht durch aggressives und destruktives Verhalten auf sich aufmerksam (Schreiber-Kittel / Schröpfer 2002, S. 39).

Passive Schulverweigerer dagegen sind zwar im Unterricht anwesend, entziehen sich den An­forderungen jedoch geistig. Sie träumen oft vor sich hin und haben nichts zum Unterricht bei­zutragen. Auch entschuldigtes Fehlen in einem nicht nachvollziehbaren Maße ist eine Art von passiver Verweigerung. Diese Schülerinnen und Schüler sind daher sehr unauffällig, weshalb sie oft erst spät als Schulverweigerer identifiziert werden (Reißig 2001, S. 9).

Häufig lässt sich die aktive Form der Schulverweigerung jedoch nicht eindeutig von der pas­siven trennen und eine geht in die andere über.

Basierend auf den Ursachen für die jeweilige Form der Schulverweigerung lassen sich diffe­rentialdiagnostisch wiederum die Begriffe Schulangst, Schulphobie und dissoziales Schul­schwänzen voneinander abgrenzen (Gutscher 2009, S. 5).

„Wenn die schulische Situation [...] für das Kind so angstbesetzt ist, dass es beim Zwang, die Schule besuchen zu müssen, mit psychischen oder psychosomatischen Reaktionen antwortet, dann spricht man von Schulangst. Vorwiegend ist sie in Leistungs- oder Prüfungssituationen zu bemerken“ (Schertler 2004, S. 789). Schulangst wird demnach durch Situationen ausgelöst, die in direktem Zusammenhang mit der Schule stehen. Angstauslösend können zum Beispiel Leistungsschwierigkeiten sowie ein gestörtes Verhältnis zu Lehrern oder Mitschülern sein (Rankl 1994, S.102). Häufig gehen Symptome wie Ruhelosigkeit, erhöhte Atemgeschwindig­keit, Konzentrationsschwierigkeiten, Übelkeit oder Schlafstörungen mit solchen Ängsten ein­her (Gutscher 2009, S. 5).

Bei der Schulphobie handelt es sich um eine nicht direkt auf die Schule gerichtete Angst. Vielmehr sind es Trennungsängste von Bezugspersonen in der Familie, die schließlich zu Schulverweigerung führen. Auch andere innerfamiliäre Problemlagen oder phobische Ängste, wie Sozialphobien können hier Auslöser sein. Neben extremer Ängstlichkeit sind Übelkeit oder Bauch- und Kopfschmerzen charakteristisch für eine Schulphobie (Schmidt / Blanz 1989, S.39).

Das sogenannte Schulschwänzen ist durch Unlust und Herumstreunen gekennzeichnet. Hier wird die Schule zugunsten anderer Aktivitäten vermieden und der Schulalltag als „lästig“ empfunden. Diese Art der Schulverweigerung wird auch als dissozial bezeichnet, da sie ge­genüber der Schulangst und Schulphobie nicht durch Ängste hervorgerufen wird (Gutscher 2009, S. 8).

3. Ursachen

Betrachtet man die möglichen Ursachen für Schulverweigerung, stellt man fest, dass diese sehr vielschichtig sind und oft miteinander zusammenhängen. „Auf monokausale Zusammen­hänge wird man bei der Suche nach den Gründen für die Schulverweigerung nicht treffen.“ (Reißig 2001, S. 10).

Die einzelnen Faktoren, die zu Schulverweigerung führen, können auf drei Ebenen angesie­delt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Ursachenebenen fur Schulverweigerung (Reißig 2001, S. 10)

Die erste Ebene wird als Faktoren der weiteren Umwelt bezeichnet. Mit weiterer Umwelt sind gesellschaftliche Entwicklungen gemeint. Denn auch gesellschaftliche Veränderungsprozesse können auf die Wert- und Normvorstellungen von Schulerinnen und Schulern Einfluss neh­men. So kann z.B. der steigende gesellschaftliche Leistungsdruck, der sich auch auf die schu­lischen Anforderungen auswirkt, dazu fuhren, dass Kinder und Jugendliche uberfordert wer­den und deshalb im schlimmsten Fall nicht mehr zur Schule erscheinen (ebd., S. 11).

Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist die nähere Umwelt. Dabei spielt vor allem die Fami­lie eine wichtige Rolle. Diese übt während der Jugend und Kindheit einen enormen Einfluss auf die soziale und psychische Entwicklung aus. Sie beeinflusst auch Lern- und Sozialerfah­rungen und damit den zukünftigen Lebensverlauf der Jugendlichen (Kracke 2009, S. 77). Grundsätzlich kommt Schulverweigerung in allen sozialen Schichten vor. Dennoch gibt es in sozial benachteiligten Haushalten eine überdurchschnittliche Anzahl an Schulversäumnissen. Dies kann daran liegen, dass diese Familien der Schule keine besondere Bedeutung zumessen und kein großes Interesse am Lernfortschritt der Kinder zeigen (Ricking 2006, S. 85). Auch Freundschaften zu anderen Jugendlichen leisten einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeits­entwicklung und können so auch entscheidende Auswirkungen auf das Verweigerungsverhal­ten haben.

Zudem sollte die eigene Persönlichkeit bei der Suche nach Ursachen Berücksichtigung finden. Nach Reißig sind „individuelle Voraussetzungen wie beispielsweise eine hohe soziale Kom­petenz, hohe Frustrationstoleranz, gute Kommunikationsfähigkeiten oder die so genannten

Sekundärtugenden [...] oftmals protektive Faktoren bei schulischen sowie allgemeinen Problemlagen.“( Reißig 2001, S. 12).

Die Schule selbst zählt auch zu den Auslösern für Schulverweigerung. Beziehungen zu be­stimmten Lehrpersonen oder Mitschülern können beispielsweise eine Verweigerungshaltung hervorrufen. Auch die Unterrichtsqualität und das Klassenklima können entscheidenden Ein­fluss auf schulverweigerndes Verhalten nehmen (ebd., S.11). Auf die Frage wie Schulen und deren Lehrpersonal dem entgegenwirken können, wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch Bezug genommen.

4. Fallbeispiel

Bei dem vorliegenden Fallbeispiel handelt es sich um ein Gespräch zwischen einem dreizehn­jährigen Schüler, dessen Mutter und einem Psychologen. Der Fall wird aus der Sicht des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. med. Gerhard Gutscher, im Rahmen eines Vortrages geschildert:

„Der 13jährige Mark kommt mit seiner Mutter in meine Praxis. Wir sitzen uns am Schreib­tisch gegenüber und ich frage, was beide zu mir führt. Er beginnt: „Weil ich Angst vor der Schule habe.“ Ich frage nach, seit wann er dies habe und er antwortet: „Seit letzten Dienstag. Ich war in der Schule 2. Stunde und wir hatten in Biologie das Thema Lunge. Ich habe das nicht so besonders interessant gefunden und deshalb mit meinem Nebensitzer geschwätzt. Dann habe ich einen Druck in der Brust gemerkt. Ich habe ganz hektisch geatmet, das Herz hat schneller geschlagen und ich habe Angst gekriegt. In der nächsten Stunde hatten wir Chemie. Mit dem Lehrer komme ich nicht besonders gut aus. Er nimmt mich fast nie dran und wenn dann spricht er mich mit „Herr Meier“ an und lacht mich manchmal aus. Mir ist es furchtbarpeinlich.“ Weiter berichtete er, dass es in der Stunde wieder so ähnlich gelaufen sei. Ihm sei es sowieso in den Tagen nicht besonders gut gegangen, weil er eine Magenverstim­mung hatte. Jetzt sei ihm wieder schlecht geworden. Deshalb habe er seine Mutter angerufen und gebeten, ihn nach Hause zu holen. Die Mutter ergänzt, dass sie ihn in diesem Schuljahr schon ein paar Mal, vom Unterricht habe abholen müssen. Er klage dann öfters über Bauch­weh.

[...]

Fin de l'extrait de 13 pages

Résumé des informations

Titre
Schulverweigerung. Ursachen und Konsequenzen für das Lehrerhandeln
Université
Johannes Gutenberg University Mainz
Note
1,0
Auteur
Année
2014
Pages
13
N° de catalogue
V354677
ISBN (ebook)
9783668409828
ISBN (Livre)
9783668409835
Taille d'un fichier
461 KB
Langue
allemand
Mots clés
schulverweigerung, ursachen, konsequenzen, lehrerhandeln
Citation du texte
Lena Zell (Auteur), 2014, Schulverweigerung. Ursachen und Konsequenzen für das Lehrerhandeln, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354677

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