Gregor von Tours, am 30. November 538 oder 539 geboren und 573 zum Bischof von Tours erhoben, lebte und wirkte bis zu seinem Tod um 594 in einer Zeit strukturellen Umbruchs. Jussen markiert für die Gallia den Zeitraum von 400 bis 600 als Übergang von der römischen hin zur fränkischen Herrschaft, der „letztlich die gesamte kulturelle Semantik neu geordnet hat“. Infolge des Verlusts vom römischen Kaiserhof als Legitimationsrahmen für lokale Herrschaft, so Jussen, gewann die ecclesia als einzig fortbestehender Referenzrahmen für die lokalen Aristokraten zunehmend an Attraktivität. Um 600 übte eben diese Schicht die Lokalherrschaft im Bischofsamt aus. Wenngleich Anton Jussens Argumentation relativiert und in einer „Umstellung der Wertungskategorien“ die Hauptursache für diese Entwicklung sieht , so teilen sie dennoch die Beobachtung, dass in jenem Zeitraum geistliche und weltliche Herrschaft im Bischofsamt vereint wurden. Der für die politisch-soziale Entwicklung der Gallia prägende Wandel der lokalen Herrschaftsform weitete die Funktion der Bischöfe konsequenterweise um weltliche Rechte und Pflichten aus.
Gregors von Tours Zehn Bücher Geschichten empfehlen sich in mehrfacher Hinsicht als Quelle zur Untersuchung der Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft. Verfasst in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts , fällt ihre Entstehungsphase genau in jene Zeit, in der die Entwicklung zur Bischofsherrschaft abgeschlossen wurde. Gregors von Tours Interpretation einer Weltgeschichte berührt ab dem IV. der X Bücher dessen Zeitgeschichte. Er schrieb die Bücher so, dass sie eine „angemessene, pädagogisch didaktische Präsentation historischer Gegenstände“ aus seinem Selbstverständnis als Bischof heraus boten. Dieser Fakt impliziert sowohl Chancen als auch Schwierigkeiten. Chancen, weil der Ansatz, Fragen nach Funktionen und Funktionenwandel im Bischofsamt insbesondere im 6. Jahrhundert mithilfe einer Quelle, die selbst von einem Bischof in dieser Zeit verfasst worden ist, beantworten zu wollen, einleuchtend scheint. Schwierigkeiten, weil Gregors von Tours pädagogische Zielsetzungen besondere Ansprüche an eine Analyse seiner Zehn Bücher Geschichten stellen. So vermittelte Gregor von Tours die von ihm sorgfältig ausgewählten, historischen Gegenstände bevorzugt über eine an Personen orientierte Geschichtsschreibung. Eine Erläuterung von strukturellen Veränderungen im Bischofsamt ist also nicht direkt in seinem Geschichtswerk zu finden [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der wissenschaftliche Diskurs über die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in der Gallia zwischen 400 und 600
- Die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft infolge von Notwendigkeiten
- Die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft als Ausfüllen eines Machtvakuums in der Gallia
- Die Umdeutung des Bischofsamtes durch den senatorischen Adel infolge des Wegfalls des Kaiserhofes
- Die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft infolge neuer Wertungskategorien durch die Entfernung zum Kaiserhof
- Gregor von Tours Historiarum Libri Decem
- Die allgemeinen Anforderungen mittelalterlicher Historiographie an eine Quellenanalyse
- Die Historiarum Libri Decem im Spiegel der Intentionen Gregors von Tours
- Quellenanalyse der Historiarum Libri Decem
- Die Historiarum Libri Decem über die Etablierung der bischöflichen Stadtherrschaft
- Die Historiarum Libri Decem über die Etablierung der bischöflichen Stadtherrschaft infolge von Notwendigkeiten
- Die Historiarum Libri Decem über die Etablierung der bischöflichen Stadtherrschaft infolge der Ausübung des Bischofsamtes durch politisch-gesellschaftliche Eliten
- Die Historiarum Libri Decem über die Etablierung der bischöflichen Stadtherrschaft infolge von königlicher Delegierung
- Fazit
- Literatur- und Quellenverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in der Gallia zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert, basierend auf den "Zehn Büchern Geschichten" von Gregor von Tours. Sie analysiert den wissenschaftlichen Diskurs um die Etablierung dieser Herrschaftsform und untersucht die Aussagen Gregors von Tours im Kontext der allgemeinen Anforderungen mittelalterlicher Historiographie.
- Die verschiedenen Erklärungsmodelle für die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in der Gallia
- Die Rolle des Bischofsamtes in der sich wandelnden politischen Landschaft der Gallia
- Die Bedeutung von Gregors von Tours "Zehn Büchern Geschichten" als Quelle für die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft
- Die Intentionen Gregors von Tours in seiner Historiographie
- Die Analyse von Gregors von Tours Aussagen über die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema der Hausarbeit ein und erläutert die Relevanz der Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in der Gallia zwischen 400 und 600. Das erste Kapitel beleuchtet den wissenschaftlichen Diskurs über die Etablierung dieser Herrschaftsform, wobei die gängigsten Theorien und ihre Entwicklung vorgestellt werden. Das zweite Kapitel widmet sich Gregor von Tours "Zehn Büchern Geschichten", wobei die allgemeinen Anforderungen mittelalterlicher Historiographie und die Intentionen des Autors beleuchtet werden. Das dritte Kapitel analysiert Gregors von Tours Aussagen über die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in seinen "Zehn Büchern Geschichten" und setzt diese in Bezug zu den im ersten Kapitel dargestellten Theorien.
Schlüsselwörter
Bischöfliche Stadtherrschaft, Gallia, Frühmittelalter, Gregor von Tours, Historiarum Libri Decem, Quellenanalyse, Mittelalterliche Historiographie, Machtvakuum, Königliche Delegierung, Religiöse und weltliche Macht, Notwendigkeiten, Politisch-gesellschaftliche Eliten.
- Citation du texte
- Julia Sonne (Auteur), 2014, Die Etablierung bischöflicher Stadtherrschaft in Gregor von Tours "Zehn Bücher Geschichten", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/356608