Touristische Angebotsoptimierung für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in Österreich


Thèse de Bachelor, 2016

80 Pages, Note: 3,0


Extrait


I. Inhaltsverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

III. Kurzfassung und Abstract

1. Einleitung
1.1. Problembeschreibung
1.2. Zielsetzung
1.3. Vorgehensweise

2. Barrierefreier Tourismus
2.1. Menschen mit Behinderung
2.2. Demographischer Wandel als Einflussfaktor
2.2.1. Geburtenrate (Fertilität)
2.2.2. Sterblichkeitsrate (Mortalität)
2.2.3. Zu-und Abwanderung (Migration)
2.2.4. Marktpotenzial mit Fokus auf blinde und sehbeeinträchtigte Personen

3. Touristische Angebote für Blinde und Sehbeeinträchtigte
3.1. Anforderungen aus der Nachfragersicht
3.2. ÖNORM B 1600 für Blinde und Sehbeeinträchtigte
3.3. Kriterien für einen barrierefreien Urlaub
3.4. Good Practice Beispiele

4. IST-Analyse Hotel Hirscher

5. Fazit

6. Qualitative Sozialforschung
6.1. Prinzipien der qualitativen Sozialforschung
6.2. Definition Interview
6.3. Formen und Dimensionen

7. Experteninterview
7.1. Definition Experteninterview
7.2. Definition Experte

8. Case Study - Hotel Hirscher
8.1. Infrastruktur
8.2. Architektur
8.3. Service
8.4. Kommunikation

9. Untersuchung
9.1. Vorstellung des Interviewleitfadens
9.2. Interviewpartner
9.3. Transkription der Interviewgespräche
9.4. Auswertung/Interpretation
9.4.1. Marktpotential der Zielgruppe in Österreich:
9.4.2. Grundsätzliche Anforderungen der Zielgruppe an einen Urlaub
9.4.3. Informationskanäle für die Zielgruppe
9.4.4. bauliche Optimierungen
9.4.5. Sensibilisierung der Mitarbeiter
9.5. Handlungsempfehlungen
9.6. Methodenkritik

10. Zusammenfassung der Ergebnisse BA2

11. Fazit

IV Repräsentative Literaturliste

V Anhang

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Die Pyramide der Barrierefreiheit

Abbildung 2:Zentrale Säulen eines barrierefreien Urlaubserlebnisses für Alle

Abbildung 3:Funktionsabhängige Mindestwerte für den Helligkeitskontrast

Abbildung 4:Vor gefährlichen Treppenabgängen

Abbildung 5: Übertragung der Pyramide der Barrierefreiheit auf die touristische Servicekette

III. Kurzfassung und Abstract

Die Grundmotivation für den Autor begründet sich aus Erlebnissen in seiner Kindheit zu dem Thema Sehbeeinträchtigung. Der Vater des Autors leidet seit seinem 2.Lebensjahr an einer sehr seltenen Augenerkrankung, welche die Sehstärke zuneh- mend beeinträchtigt und bis dato keine Chance auf Heilung zulässt. Besonders bei ge- meinsamen Urlauben waren die fehlenden Angebote für Personen mit Sehbeeinträchti- gungen offensichtlich. Es gab nur wenige Aktivitäten für ihn, die ihm dieselben Ur- laubsfreuden bescherten wie es für Menschen ohne Beeinträchtigung normal war. Des- wegen liegt es im Interesse des Autors nicht nur Ansätze zu Angeboten speziell für be- einträchtigte Menschen anzuführen, sondern auch die bestehenden touristischen Ange- bote barrierefreier zu gestalten.

Die leitende Fragestellung für diese Arbeit lautet: „Wie kann die touristische Angebotslandschaft für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in der österreichischen Tourismusindustrie optimiert werden?“

Eines der wichtigsten Erkenntnisse war, dass ein barrierefreies Angebot nur mit einwandfreier Zusammenarbeit zwischen dem touristischen Anbieter und dem Gesetzesgeber erstellt werden kann. Zudem müssen die Maßnahmen von allen Interessengruppen im touristischen Betrieb unterstützt werden, um eine bestmögliche Identifizierung unter diesen Gruppen zu schaffen.

The main motivation for the author is based on experiences with visual impairment dur- ing his childhood. The father of the author is suffering since his second birthday on a very rare eye disease that increasingly affects the eyesight and do not allow any chance of recovery so far. Particularly during holidays with the family the poor variety of offers for persons with visual impairments were evident. There were only few activities for him, which enables him the same enjoyment of holiday as it was normal for people with- out a disability. That's why it is not only interesting to show exclusive approaches to offers for disabled people, but to make the existing tourist offers accessible.

The research question for this bachelor thesis is: "How can the touristic offer landscape be optimized for blind and visually impaired people in the Austrian tourism industry?"

One of the key findings was that accessible offer only flawless cooperation between the tourist operators and the legislators. Furthermore, the activities to improve the offer have to be supported by all stakeholders in the touristic company. This is necessary to guarantee a good identification by all

1. Einleitung

Um diese Arbeit strukturiert zu verfassen, verdeutlicht der Autor zu Beginn mit einer Problembeschreibung den gegenwärtigen Ausblick auf die zukünftigen Herausforderun- gen für die österreichische Tourismusindustrie in Bezug auf blinde und sehbeeinträch- tigte Menschen. Dadurch soll ein Verständnis für die Relevanz dieser Zielgruppe in den kommenden Jahren erreicht werden und somit soll sich eine breitere Anerkennung, als ernstzunehmende Nachfrager nach maßgeschneiderten Angeboten, entwickeln. Der de- mographische Wandel nimmt dabei eine zentrale Rolle ein, da dieser mitentscheidend für das Wachstum dieser Zielgruppe in den nächsten Jahren sein wird. Doch auch es- sentiell ist die Darstellung des großen wirtschaftlichen Potenzials für touristische An- bieter.

In der Zielsetzung behandelt der Autor die folgenden Kapitel und verweist auf die hervorzuhebenden Details, welche die jeweiligen Kapitel unterstreichen sollen. Zudem wird die leitende Fragestellung angeführt, um dem Leser eine klare Vorstellung von dem Ziel dieser Arbeit zu ermöglichen.

In dem Punkt Vorgehensweise erklärt der Autor die exakte Reihenfolge der Kapitel und stellt dar welche relevanten Eckpunkte in den Kapitel behandelt werden. Der letzte Absatz im Punkt Vorgehensweise führt an, dass in der gesamten Arbeit aus Gründen der besseren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet wird.

1.1. Problembeschreibung

Laut Martin Lohmann, Geschäftsführer des Instituts für Tourismus- und Bäderfor- schung in Nordeuropa in Kiel, ist die sich wandelnde Altersstruktur eine der wichtigs- ten Komponenten der aktuellen demographischen Entwicklung. Da in den kommenden Jahren die Lebenserwartung laut einschlägigen Studien weiter steigen wird, wird auch die Zahl von potentiellen Gästen steigen, welche körperlich beeinträchtigt sind. Der de- mographische Wandel, gemessen anhand drei wichtiger Kennzahlen (Fertilität, Mortali- tät, Migration), wird das Bedürfnis nach barrierefreien und komfortablen Angeboten steigern. Die essentiellen Indikatoren hierfür sind die Geburtenhäufigkeit, die Lebens- erwartung und auch die Migration, also die Zu-und Abwanderung von Bevölkerungs- mitgliedern. Bedingt durch die steigende Lebenserwartung bei gleichzeitiger Abnahme der Geburtenhäufigkeit, prognostiziert sich ein bedeutender Wandel der Altersstruktur in Österreich. Mit zunehmendem Alter wächst das Risiko mit körperlichen Einschrän- kungen den Alltag zu bestreiten. (vgl. Lohmann 2007: 25)

Laut dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband werden Sehbeeinträchtigte folgendermaßen definiert:

„Ein Mensch ist sehbehindert, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontaktlinsen nicht mehr als 30 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Sehkraft erkennt. (Sehrest ≤ 30 %)“. „Ein Mensch ist blind, wenn er auf dem besser sehenden Auge selbst mit Brille oder Kontakt- linsen nicht mehr als 2 % von dem sieht, was ein Mensch mit normaler Seh- kraft erkennt. (Sehrest ≤ 2 %)“. (Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverein 2014: online)

Physische Einschränkungen, welche mit steigendem Alter immer wahrscheinlicher werden, wie eingeschränkte Beweglichkeit, beeinträchtigte Sehkraft oder vermindertes Sehen von Farben, bewirken bei den betroffenen Personen besondere Bedürfnisse um den Alltag erfolgreich bestreiten zu können. Die Personen sind des Öfteren durch die Beeinträchtigung eingeschüchtert und die gesamte Dienstleitungskette sollte es sich zum Ziel machen uneingeschränkten Tourismus anzubieten. Besonders Seniorenreisen sollten als eine ganzheitliche Marke vermarktet werden, bei der eine serviceorientierte Betreuung und eine respektvolle Behandlung im Vordergrund stehen sollte.

Barrierefreier Tourismus erzielt einerseits eine Erleichterung für betagte Personen einen Urlaub zu erleben, andererseits schafft es eine beträchtliche Verbesserung des Komforts für alle anderen Zielgruppen. (vgl. Schröder 2007: 95)

Besonders für blinde und sehbehinderte Menschen sind im Alltag Gefahren vorhanden, welche die persönliche Mobilität erheblich einschränken können.

Die touristische Angebotsstruktur für blinde und sehbeeinträchtige Personen in Österreich kann zudem durch Komfortsteigerung eine erhebliche qualitative Optimierung für den österreichischen Tourismus darstellen.

1.2. Zielsetzung

Das Ziel dieser Arbeit ist, Empfehlungen für das bestehende touristische Angebot für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in Österreich abzugeben. Dies erfolgt durch die Zusammenfassung wichtiger Begrifflichkeiten welche für den barrierefreien Tourismus ausschlaggebend sind. Des Weiteren spielt der demographische Wandel eine wesentli- che Rolle in Bezug auf die zukünftige Entwicklung der Zielgruppe. Hierfür wird auf die Parameter Fertilität, Mortalität, und Migration eingegangen. Auch das daraus resultie- rende Marktpotential wird dargestellt. Verschiedene Erkenntnisse aus einschlägigen Studien belegen zusätzlich die künftige Relevanz dieser Zielgruppe. Eine Abgrenzung auf die Sparte der Blinden und Sehbeeinträchtigten soll die konkreten Bedürfnisse dar- stellen. Anhand eines realen Betriebes, dem Hotel Hirscher in Altenmarkt, will der Au- tor das Angebot für Blinde und Sehbehinderte anführen und Ansätze für die weitere Verbesserung des Angebots schaffen.

Die leitende Fragestellung lautet:

„Wie kann die touristische Angebotslandschaft für blinde und sehbeeinträch- tigte Menschen in der österreichischen Tourismusindustrie optimiert werden?“

1.3. Vorgehensweise

Um die leitende Fragestellung angemessen beantworten zu können, werden zuerst allgemeine Begriffe wie Barrierefreiheit und Menschen mit Behinderung definiert und erklärt. Um die steigende Bedeutung von diesem Thema zu untermauern wird sich die Arbeit mit der Zukunftsfähigkeit der Branche auseinandersetzen. Es werden demographische Messgrößen angeführt, um die zukünftige Relevanz hervorzuheben. Zusätzlich wird auf das Marktpotenzial der Zielgruppe und die damit einhergehenden positiven Effekte auf die Tourismusindustrie eingegangen.

Um einen adäquaten Vergleich ziehen zu können zeigt der Autor im folgenden Punkt, welche Möglichkeiten in der Optimierung des touristischen Angebots bestehen. Hierbei wird wiederum auf bauliche und technologische Maßnahmen hingewiesen. So wird unter anderem die ÖNORM B 1600 als Richtlinie für barrierefreies Bauen vorgestellt. Die möglichen technologischen Maßnahmen zeigen Ansätze zur Webseitenoptimierung und entsprechenden Nutzung der wichtigsten Vermarktungskanäle. Die behandelte Zielgruppe benötigt zielgerichtete Vermarktungskanäle, die speziell auf die Bedürfnisse abgestimmt sind, um potenzielle Angebote überhaupt wahrnehmen zu können. So werden Beispiele angeführt, wie eine Homepage für stark sehbeeinträchtigte Personen konzipiert werden kann, um das Navigieren zu erleichtern.

Des Weiteren werden Ansätze zur bestmöglichen Sensibilisierung der Zielgruppe darge- stellt. Der nächste Punkt zeigt eine IST-Analyse des Hotels Hirscher, welche die bauli- chen und technologischen Adaptierungen für die betreffende Zielgruppe darlegt und die Sensibilisierung der Mitarbeiter auf Personen mit entsprechenden Beeinträchtigungen zeigt.

Der Schluss der Arbeit bildet das Fazit, welches alle gewonnenen Erkenntnisse nochmals zusammenfasst und die leitende Fragestellung beantwortet.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Seminararbeit die Sprachform des generischen Maskulinums angewendet. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.

2. Barrierefreier Tourismus

Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend bedeutet der Begriff Barrierefreiheit, dass

„(…) Gebäude, Einrichtungen, Gegenstände, Medien und Dienstleistungen so gestaltet werden, dass sie von jedem Menschen, unabhängig von einer eventuell vorhandenen Behinderung, uneingeschränkt benutzt werden können“. (Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2015: online)

In der englischsprachigen Publikationsreihe „Aspects of Tourism“ wird im Band „Best Practice in Accessible Tourism“ barrierefreier Tourismus wie folgt definiert:

„Accessible Tourism is a form of tourism that involves colloaborative processes between stakeholders that enables people with access requirements, including mobility, vision, hearing, and cognitive dimensions of access, to function independently and with equity and dignity through the delivery of universally designed tourism products, services and environments”. (Buhalis 2012: 3)

Diese englische Definition beschreibt den barrierefreien Tourismus als eine Form des Tourismus, welcher eine Chance zur Verbesserung von touristischen Produkten und Dienstleistungen sowie der Umwelt mit sich bringt.(vgl. Buhalis 2012: 3)

Neben den Definitionen des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft und der Publikationsreihe „Aspects of Tourism“ hat sich auch die Europäische Kommission im Oktober 2003 auf eine Definition des Begriffes „Barrierefreiheit“ festgelegt. In dem Bericht „2010- Ein hindernisfreies Europa für Alle“ wird der Begriff folgendermaßen definiert:

„Barrierefreiheit“ bedeutet die Schaffung von Orten und Gebäuden, welche allen Perso- nen der Gesellschaft es ermöglicht, diese sicher und bequem zu nutzen. Dies bedeutet ebenso, dass diese Gebäude uneingeschränkt zugänglich sind und sie vom Erdgeschoß bis zum obersten Stockwerk „benutzbar“ sind. Außerdem müssen entsprechende Mittel für ein selbstständiges Verlassen der Gebäude vorhanden sein. (vgl. Europäische Kom- mission 2003: online)

Des Weiteren legte die Europäische Kommission 4 Prinzipien fest, welche dem gesamten Bericht zu Grunde liegen:

- „Barrierefreiheit ist ein Anliegen aller Menschen und nicht nur einer Minderheit mit körperlichen Behinderungen.“
- „Das Thema der Barrierefreiheit sollte auf globale und integrierte Weise behandelt werden.“
- „Strategien zur Förderung der Barrierefreiheit können nur entworfen und umgesetzt werden, wenn die Menschen selbst, und die ihre Interessen vertretenden Regierungen, daran beteiligt sind.“
- „Barrierefreiheit ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen Entwicklung, da so die Lebensqualität verbessert und die städtische Umwelt lebenswerter gemacht wird.“ (Europäische Kommission 2003: online)

2.1. Menschen mit Behinderung

Um den Begriff Behinderung genauer einordnen zu können, bedarf es einer exakten Abgrenzung der verschiedenen Arten von Behinderungen. So sind laut der Enzyklopädie des Brockhaus beeinträchtigte Menschen in allen Altersgruppen vorhanden, die von den Auswirkungen einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung betroffen sind. Dies ist der Fall, wenn diese Auswirkungen auf einen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruhen, welche von dem für das jeweilige Lebensalter typischen Zustand abweichen. (vgl. Hitsch 2007: 10, zitiert nach Brockhaus 1996: 37)

Neben einer Definition und Abgrenzung der verschiedenen Arten von Behinderungen durch Wolfgang Hitsch, hat auch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft im Jahr 2015 eine Definition für Menschen mit einer Behinderung festgelegt. In ihrem Bericht definiert sie folgendermaßen:

Nach dem Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft liegt eine Behinderung vor, wenn die Partizipation von Menschen am wirtschaftlichen und gesell- schaftlichen Leben langfristig und beträchtlich beeinträchtigt ist. Behinderungen ent- stehen, wenn Personen wegen bestimmter Eigenschaften (körperliche Beeinträchtigung, gesundheitliche Schädigung) nicht die Fähigkeit besitzen, ungünstige Umweltfaktoren (Barrieren), wie beispielsweise Alltagsgegenstände, Einrichtungen oder soziale Fakto- ren, wie die Einstellung von anderen Menschen gegenüber beeinträchtigten Personen, zu überwinden. (vgl. Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft 2015: 12)

Als geistige Behinderung wird die Verminderung der intellektuellen Fähigkeiten wie z.B. der sprachlichen Entwicklung, welche eine Einschränkung bzw. Unfähigkeit der selbstständigen Lebensführung zur Folge haben, bezeichnet. Körperlich eingeschränkt sind jene Personen deren Körperfunktionen geschädigt sind. Dies sind also beispielsweise Blinde, Gehörlose und in ihrem Stütz- und Bewegungsapparat eingeschränkte Menschen. Seelisch beeinträchtigte Menschen sind jene, die unter Abweichungen des Verhaltens und Erlebens, wie beispielsweise an Neurosen oder an Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, leiden. (vgl. Hitsch 2007: 10)

2.2. Demographischer Wandel als Einflussfaktor

Der demographische Wandel kann den Tourismus an unterschiedlichen Stellen beeinflussen. Er kann direkten Einfluss auf die touristische Nachfrage (Volumen und Struktur) und den touristischen Arbeitsmarkt (Anzahl und Qualität der Arbeitskräfte) ausüben. Zudem hat er indirekte Folgen für touristische Arbeitsplätze und das touristische Angebot (Art und Qualität der tourismusspezifischen und ergänzenden Infrastruktur). (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2009: online)

Demographie ist laut Lohmann die Beschreibung von der Größe, Verteilung und Struk- tur von Populationen. Die Dimensionen, die dabei betrachtet werden, sind z.B. Geschlecht, Bildung, Wohnort, Einkommen Berufstätigkeit. Genauso ist aber auch eine Kombination der genannten Faktoren möglich. (vgl. Lohmann 2007: 25)

Die Demographie, auch bezeichnet als Bevölkerungswissenschaft, ist ein wichtiges Messinstrument für die Tourismusforschung. Besonders die sich wandelnde Alters- struktur wird die zukünftige touristische Nachfrage nachhaltig verändern. Faktoren welche die Demographie beeinflussen sind die Geburtenhäufigkeit, die Lebenserwar- tung und die Migration, also die Zu- und Abwanderung in dem jeweiligen Land. (vgl. Lohmann 2007: 25)

Um den demographischen Wandel in einem Land bestimmen und beschreiben zu kön- nen, sind gewisse Messdaten und Statistiken erforderlich. Die Demographie ist wie be- reits erwähnt eine Bevölkerungswissenschaft und deswegen sind die notwendigen Da- ten in der Bevölkerungsentwicklung zu finden. Der Prozess der Bevölkerungsentwick- lung ist ein langsamer sich vollziehender Prozess. Dies ruft einerseits Vorteile aber an- dererseits auch Nachteile für Forschende hervor. Die Vorteile sind, dass die Dynamik der Entwicklung voraussehbar ist und die Vorbereitung auf die jeweiligen Veränderun- gen langfristig gemacht werden kann. Ein Nachteil ist, dass Maßnahmen die einen Ein- fluss auf besagte Dynamik nehmen sollen, erst nach langen Zeiträumen wirksam wer- den. Aufgrund dessen ist es von essentieller Bedeutung sich kontinuierlich mit den zu erwartenden Entwicklungen, welche Größe und Struktur der Bevölkerung beeinflussen, auseinanderzusetzen, um möglichst bald auf zukünftige entscheidende Faktoren reagie- ren zu können. (vgl. Haehling von Lanzenauer 2007: 12)

Die Bevölkerungsentwicklung ist das Ergebnis aus dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Dazu gehören die aktuelle Bevölkerungsstruktur, die Geburten, die Sterbefälle und die räumlichen Bevölkerungsbewegungen (Zuwanderung, Abwanderung). Eine Möglichkeit zur Darstellung zukünftiger demographischer Entwicklungen sind die Bevölkerungsvorausschätzungen. Sie machen die zukünftige Bevölkerungsgröße und - struktur zahlenmäßig fassbar. Für Österreich erstellt die Statistik Austria regelmäßig Bevölkerungsvorausschätzungen. Die letzte wurde 2004 veröffentlicht und bietet Prognosen und Modellrechnungen für die Zeit bis zum Jahr 2075. (vgl. Österreichisches Institut für Familienforschung 2005: online)

2.2.1. Geburtenrate (Fertilität)

„Die Fertilitätsrate wird mit der „zusammengefassten Geburtenziffer“ gemessen, welche die durchschnittliche Anzahl von Kindern angibt, die eine Frau im Laufe ihres Lebens hätte, wenn die Verhältnisse des betrachteten Jahres während ihres 15. und 49. Lebensjahres gelten würden“. (Haehling von Lanzenauer 2007: 13)

In Österreich halbierte sich zwischen 1900 und 1928 die durchschnittliche Geburtenzahl pro Frau von fünf auf zwei Kinder. Mitte der 1930er Jahre lag die Gesamtfertilitätsrate bereits bei ca. 1,5 Kindern pro Frau. Lediglich in der sogenannten „Baby-Boom-Phase“ in den 1950er und 1960er Jahren lag die Fertilität wieder deutlich über dem Bestanderhaltungsniveau von zwei Kindern pro Frau. (vgl. Österreichisches Institut für Familienforschung 2005: online)

Einen Geburtenrückgang gibt es in den meisten entwickelten Ländern schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Man unterscheidet zwei demographische Übergänge:

Der erste demographische Übergang führte zur Reduzierung der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau von etwa fünf auf zwei.

Beim zweiten demographischen Übergang, der in den 1960er Jahren einsetzte, sank die Kinderzahl unter das Bestanderhaltungsniveau, d.h. eine Generation kann durch die nachfolgende zahlenmäßig nicht mehr vollständig ersetzt werden. (vgl. Österreichisches Institut für Familienforschung 2005: online)

2.2.2. Sterblichkeitsrate (Mortalität)

Die Mortalität bzw. Sterblichkeit ist neben der Fertilität eine der beiden Hauptbestand- teile der natürlichen Bevölkerungsentwicklung. Die Sterblichkeit ist die Zahl der Ster- befälle, die während eines Zeitraums bezogen auf die Bevölkerung eintreten. Es können Sterbefälle insgesamt oder untergliedert nach Alter und Geschlecht im Verhältnis zur jeweiligen Bevölkerungsgruppe definiert werden. Getrennt angeführt wird oft die Säug- lingssterberate, welche die Zahl der Sterbefälle von Kindern unter einem Jahr je 1.000 Lebendgeburten im gleichen Zeitraum darstellen soll. (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2007: online)

Eng verknüpft mit dem Begriff der Sterblichkeit ist die Lebenserwartung. Hierunter wird die durchschnittliche Zahl von weiteren Jahren verstanden, die ein Mensch in ei- nem bestimmten Alter nach den zum aktuellen Zeitpunkt geltenden Sterblichkeitsver- hältnissen voraussichtlich noch leben wird. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird anhand der Sterbetafel ermittelt, in welche die derzeitigen Sterbewahrscheinlich- keiten für die einzelnen Altersjahre eingehen. Es handelt sich um eine hypothetische Kennziffer, da sich die Sterbeverhältnisse im Laufe des weiteren Lebens bzw. in einzel- nen Altersgruppen und nach Geschlecht ändern können und sich in der Vergangenheit auch immer geändert haben. (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2007: onli- ne)

Angesichts der großen Fortschritte im Gesundheitswesen sowie den allgemeinen Le- bensbedingungen wie Ernährung, gestiegenem materiellem Wohlstand und Arbeitsbe- dingungen sinkt die Sterberate. Daraus folgend ergibt sich auch eine längere Lebens- dauer für Menschen in Österreich als auch weltweit. (vgl. Haehling von Lanzenauer 2007: 13)

2.2.3. Zu-und Abwanderung (Migration)

Der Begriff Migration bezeichnet die geographische Ortsveränderung von Menschen.

Man unterscheidet Binnenwanderungen über die Grenzen von Teilgebieten eines Landes und internationale Wanderungen über die Grenzen eines Landes.

Obwohl es keine Legaldefinition von Abwanderung bzw. Auswanderung und Zuwande- rung bzw. Einwanderung gibt, finden diese Begriffe eine häufige Verwendung. Beim Begriff Einwanderung wird verstanden, dass es sich nicht um einen vorübergehenden sondern um einen dauerhaften Aufenthalt handelt. Gleiches gilt im Hinblick auf die zeitliche Dauer für die Begriffe der Ab- und Auswanderung. Bei Inländern wäre die Ab- wanderung demzufolge ein vorübergehender Auslandsaufenthalt für eine unbestimmte längere Zeit, die Auswanderung jedoch ein Verlassen des Heimatlandes für immer. Mit zunehmenden Mobilitätsmöglichkeiten und steigender internationaler Arbeitsteilung, seit Ende des Ost-West-Konfliktes, haben die zirkuläre Migration und die Pendelmigra- tion an enormer Bedeutung gewonnen. Damit ist gemeint, dass Personen mehrfach, zum Teil auch mehrmals im Jahr bzw. in regelmäßigen zeitlichen Abständen, zu- und fort- ziehen. (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2007: online)

Nach Analyse der genannten Parameter im Zusammenspiel mit der zukünftigen Ent- wicklung des demographischen Wandels zeigt sich, dass sich bis zum Jahr 2030 die Zahl der 60- bis unter 75-Jährigen in Deutschland, um etwa 2 Millionen Menschen steigen wird. In Verbindung mit dem zu erwartenden Anstieg der Reiseintensität dieser Alters- gruppe kann angenommen werden, dass besonders der Seniorentourismus davon profi- tieren wird. Mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft wächst auch die Zahl der Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Das Ziel für Betriebe mit barriere- freien Angeboten sollte sein, dieser Gruppe die Möglichkeit zu geben, am Tourismus wieder partizipieren zu können. Dies wird vor allem durch angemessene Betreuungs- leistungen auf einem hohen qualitativen Niveau zu bezahlbaren Preisen erreicht wer- den. (vgl. Schröder et al. 2007: 97)

2.3. Marktpotenzial mit Fokus auf blinde und sehbeeinträchtigte Personen

Aus vorangegangen Begriffserklärungen und Definitionen zeichnet sich ab, dass eine Umsetzung von barrierefreien Angeboten zu einer wesentlichen Steigerung von Reiseintensität, Reisehäufigkeit und durchschnittlicher Tagesausgaben führen würde. Um dieses Steigerungspotenzial zu veranschaulichen, bedient sich der Autor des Modells der „Pyramide der Barrierefreiheit“. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Pyramide der Barrierefreiheit

Quelle: Neumann/Reuber, 2003, onl.

Die Pyramide der Barrierefreiheit zeigt einen Modellansatz, um einen Zusammenhang zwischen Ausmaß der Barrierefreiheit, Investitionsvolumen, Zahl der Anbieter und der erreichten touristischen Nachfrager darzustellen. Die gesamte Fläche der Pyramide soll den gesamten Markt barrierefreier touristischer Angebote in einer Region zeigen. In diesem Modell sind die touristischen Leistungen von unten nach oben hin immer stär- ker auf die individuellen Bedürfnisse und Wünsche der Nachfrager zugeschnitten; umso mehr nimmt die realisierte Barrierefreiheit nach oben hin zu, ebenso steigt das damit einhergehende spezifische Investitionsvolumen. Die Personenanzahl, welche an wach- sende individuelle Anpassung der Angebote und höhere Investitionsvolumen angewie- sen ist, also die Größe der Nachfrage, nimmt nach oben hin ebenso ab. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Daraus kann abgeleitet werden, dass ein Unternehmen im Tourismus nur dann eine barrierefreie Investition tätigen wird, wenn eine entsprechende Steigerung des Umsat- zes zu erwarten ist. Deswegen wird jeder Anbieter im touristischen Segment sein eige- nes Angebot nur soweit auf Barrierefreiheit umstellen, wie es wirtschaftlich tragbar ist. Die Rentabilität dieser Entscheidung hängt jedoch von vielen individuellen externen Faktoren wie Art der Urlaubsregion, Existenz anderer barrierefreier Angebote oder die Verfügbarkeit der Ressourcen, Personal und Kapital ab. Zusammenfassend kann festge- stellt werden, dass sich Angebote zugeschnitten auf Barrierefreiheit innerhalb des ge- samten Bereichs der Pyramide immer rentieren. (vgl. Neumann, Reuber: online)

Ein zusätzlicher Aspekt, welcher im Zusammenhang mit Reisenden mit Behinderung des Öfteren unterschätzt und übersehen wird, ist die Begleitung. Unsicherheiten auf Reisen und während des Urlaubs führen dazu, dass diese Zielgruppe nicht gerne alleine reist. Deswegen fallen die meisten Reisen dieser Gruppe in die Kategorie der begleiteten Gruppenreisen. Die Begleitperson übernimmt die Aufgabe bei der Bewältigung von Hürden und Barrieren, aber auch bei der Pflege Hilfe zu leisten. (vgl. Hitsch 2007: 66, zitiert nach Berdel et. al. 2002: 51)

Dass Barrierefreiheit ebenso eine Relevanz für alle Bevölkerungsschichten darstellt, zeigt eine Studie der Salzburg Research Forschungsgesellschaft. (vgl. Salzburg Research Forschungsgesellschaft 2008: online)

Barrierefreier Tourismus ist nicht nur für Menschen mit Beeinträchtigungen relevant, sondern bedeutet für alle Menschen eine wesentliche Steigerung an Komfort, Attraktivität und Qualität. Barrierefreiheit ist für 10 Prozent der Bevölkerung absolut erforderlich, für 30 bis 40 Prozent notwendig und für 100 Prozent komfortabel. Neben Menschen mit Beeinträchtigungen sind beispielsweise ältere Menschen oder Familien mit kleinen Kindern Nutznießer von entsprechenden Maßnahmen. Angesichts der zu erwartenden demographischen Entwicklung steigt die Bedeutung von diesem Thema kontinuierlich. (vgl. Salzburg Research Forschungsgesellschaft 2008: online)

Um den Fokus auf blinde und sehbeeinträchtigte Personen in Österreich zu lenken, be- darf es aussagekräftiger Zahlen und Statistiken über die potenzielle Zielgruppe. Das Sozialministerium erteilte der Statistik Austria den Auftrag zur Durchführung einer Befragung zu dem Thema „Menschen mit Beeinträchtigungen“. Ziel war es neueste Da- ten über die Anzahl von Menschen mit Beeinträchtigungen und auch Informationen über deren Probleme im Alltag zu erlangen. Die Mikrozensuserhebung wurde im Zeit- raum von Oktober 2007 bis Februar 2008 bei insgesamt 8.195 zufällig ausgewählten Personen durchgeführt (hochgerechnet auf rund 8,2 Millionen Einwohner). (vgl. Bun- desministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2008: online)

Als Ausgangspunkt dieser Erhebung dienten zwei Fragen, welche die lang andauernden Beeinträchtigungen der befragten Personen identifizieren und bestimmen sollten: „Sind Sie im Alltagsleben aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung eingeschränkt?“ und „Haben Sie diese Beeinträchtigung schon länger als ein halbes Jahr?“ Weitere spe- zifische Fragen wurden nur denjenigen Personen gestellt, welche die vorangegangenen Einstiegsfragen mit „ja“ beantworteten. Die Erhebung bezog sich nur auf Personen in Privathaushalten. Die Folge daraus ist, dass Personen in Anstaltshaushalten nicht be- fragt wurden und demzufolge auch die Anzahl der schwer beeinträchtigten Probanden in dieser Befragung unterschätzt wird. So sind laut dieser Erhebungsmethode rund 318.000 Personen (3,9% der Gesamtbevölkerung) mit dauerhaften Sehproblemen kon- frontiert. Zu dauerhaften Sehproblemen werden Sehbeeinträchtigungen gezählt, welche trotz Brille, Kontaktlinsen oder anderen Sehhilfen bestehen. Frauen sind davon eher betroffen als Männer(4,3% vs. 3,4%). (vgl. Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz 2008: online)

Neben Erhebungen über die Anzahl von Personen mit Sehbeeinträchtigungen gibt es zudem Studien über bestimmte positive Effekte, welche diese Zielgruppe für den öster- reichischen Tourismus mit sich bringen kann. Als Grundlage dafür zeigt der Autor Ergebnisse einer Diplomarbeit verfasst an der Universität Trier. Dabei wird mittels einer Situationsanalyse auf Herausforderungen und Chancen bei der Umsetzung eines barri- erefreien Tourismus in Oberbayern eingegangen. Als positive Effekte werden unter an- derem angeführt:

Zus ä tzliche Nachfragepotenziale durch Begleitpersonen:

Mehr als die Hälfte der Menschen mit Beeinträchtigung verreisen mit einer Person oh- ne Beeinträchtigung, welche in den meisten Fällen bei der Bewältigung von alltäglichen Problemen und Herausforderungen der beeinträchtigten Person Hilfestellung gibt. Dadurch entsteht ein Multiplikatoreffekt, da die Begleitung durch eine barrierefreie Gestaltung auch als Neukunde gewonnen werden kann. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19 und Neumann et. al. 2003:11)

Hohe Kundenbindung:

Beeinträchtigte Personen haben weiterhin mit erschwerten Reisebedingungen zu kämpfen und kommen deshalb eher in eine bewährte Destination oder in eine Unterkunft mit entsprechendem Angebot zurück. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19)

Hohe Auslastung in der Nebensaison:

Die untersuchte Zielgruppe verbringt öfter den Urlaub in den Nebensaisonen. Können entsprechende Angebote geschaffen werden, erhöht sich die Chance auf eine Saisonver- längerung und eine Steigerung der Auslastung in den Nebensaisonen. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19)

Synergieeffekte:

Von einer barrierefreien Gestaltung profitiert nicht nur die Hauptzielgruppe. Es können zudem andere Zielgruppen, wie beispielsweise Familien mit Kindern, aus einer leicht zugänglichen Umwelt positive Erfahrungen erzielen. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19)

Steigerung des Bekanntheitsgrades:

Vor allem bei beeinträchtigten Menschen ist eine sehr ausgeprägte „Mundpropaganda“ vorhanden. Über zahlreiche Betroffenenverbände (beispielsweise Blinden-und Sehbehindertenverband) sowie entsprechende Plattformen im Internet und den sozialen Medien verbreiten sich Bewertungen und Kritiken schnell und mit einer hohen Reichweite. Dadurch können mit entsprechenden Angeboten ausschlaggebende und kostengünstige werbliche Effekte erreicht werden. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19)

Profilierung und Wettbewerbsvorteile:

Ein weiteres Thema ist ebenso der Imagegewinn und die Verbesserung der Wettbewerbssituation, welche eine Destination oder ein Unterkunftsgeber durch barrierefreie Angebote erreichen könnte. Dies könnte in der nahen Zukunft ein wesentliches Qualitätsmerkmal für touristische Leistungsträger werden. (vgl. Klugbauer 2010: online, zitiert nach Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V. (ADAC) 2003: 19)

Ergänzend zu den erläuterten Potenzialen dieser Diplomarbeit an der Universität Trier sieht die Salzburg Research Forschungsgesellschaft in einer Studie über Barrierefrei- heit im Salzburger Tourismus weitere tourismusrelevante Aspekte bezugnehmend auf die Zielgruppe „Menschen mit Behinderungen“. (vgl. Salzburg Research Forschungsge- sellschaft 2008: online)

So charakterisiert sich das Reiseverhalten von mobilitätseingeschränkten Personen da- hingehend, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer am Urlaubsort ca. 13,9 Tage beträgt, bei einem Kurzurlaub beträgt diese ca. 3,6 Tage. Dadurch zeigt sich, dass diese Zielgruppe überdurchschnittliche lange Aufenthaltszeiten in einer Destination mit sich bringen. Die Reisemotive sind vorwiegend Erholung und Gesundheit für sich selbst zu erreichen. Bei der Reiseform zeigt sich deutlich ein Trend zum Individualtourismus. Auch bei den Reiseausgaben ist eine verhältnismäßig hohe Bereitschaft zu erkennen. So verfügen laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Deutschland Men- schen mit Behinderungen über ein mittleres Haushaltseinkommen von 2.250 Euro. (vgl. Salzburg Research Forschungsgesellschaft 2008: online zitiert nach BMWA 2003: onli- ne)

3. Touristische Angebote für Blinde und Sehbeeinträchtigte

Die Entwicklung von barrierefreien Angeboten im Tourismus wird laut Neumann von drei wesentlichen Interessensgruppen geprägt.

Nachfrageebene

Qualitätsansprüche, Anforderungen und Bedürfnisse der Zielgruppe an einen Urlaub

Anbieterebene

Wirtschaftlicher Nutzen für die privaten Anbieter

Politische Ebene

Gesetzliche Bestimmungen, Vorgaben, Regelungen aber auch Fördermöglichkeiten und Subventionen. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Dabei zeigen sich folgerichtig weitere Zusammenhänge die zu beachten sind.

Die alleinige Nachfrage von Gästen mit körperlichen Einschränkungen reicht oftmals nicht aus, um touristische Anbieter zu einer ganzheitlichen Umgestal- tung in barrierefreie Angebote zu überzeugen. (vgl. Neumann, Reuber 2003: on- line)

Die Politik kann mittels gesetzlichen Vorgaben und Förderungen bei bestimmten baulichen Veränderungen teilweise Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen. Die Durchsetzbarkeit von gesetzlichen Vorgaben ist stark abhängig davon, ob diese auch aus unternehmerischer Sicht betriebswirtschaftlich tragbar ist. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Auch die Gefahr, dass bei dem Abbau von baulichen Barrieren „mentale“ Barrie- ren bei den Anbietern entstehen können, muss bedacht werden, um kein gegen- teiliges Ziel zu erreichen. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online) Nach den Behindertengleichstellungsgesetzen des Bundes und der Länder und den jeweiligen Landesbauordnungen sollen öffentliche Neubauten und große Um- oder Erweiterungsbauten barrierefrei gestaltet werden. Entscheidend sind dabei die finanziellen Möglichkeiten der Gemeinden. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Laut Neumann lässt sich zusammenfassend sagen, dass der Markt selbst eine vollstän- dige Barrierefreiheit nicht von selbst herstellt. Mittels externer Regelungen, wie bei- spielsweise Eingriffe durch den Staat durch gesetzliche Bestimmungen, kann die Grundlage für Barrierefreiheit geschaffen werden. Staatliche Investitionen und das Set- zen von Investitionsanreizen können weitere Eingriffe zur Implementierung von Barrie- refreiheit sein. Um diese in Verbindung mit zugänglichen Angeboten einer Destination für alle Menschen zu erreichen, müssen vor allem gesellschaftspolitische Fragen geklärt werden. Die Realisierung von Maßnahmen für eine zukünftige barrierefreie Entwick- lung einer Destination erfordert die Auseinandersetzung mit einer entscheidenden Fra- gestellung. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Wie kann unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche mobilitäts- oder aktivitätseingeschränkter Men- schen, der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten auf der Anbieterseite und der Gestaltungsmöglichkeiten der Politik, ein möglichst hoher Grad an Barrierefreiheit realisiert werden.

Dabei wird von Neumann ein verständnisvolles Zusammenspiel zwischen Nachfrageund Anbieterseite unter aktiver Beteiligung des Bundes gefordert. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

3.1. Anforderungen aus der Nachfragersicht

Wie in Kapitel 2 in der Studie einer Diplomarbeit von Manuela Klugbauer dargelegt wurde, unterscheiden sich Menschen mit Behinderung in einigen Faktoren wie bei- spielsweise Reisewünsche, Ansprüche und Verhalten am Urlaubsort. Sie unterscheiden sich nicht zwangsläufig mit den Bedürfnissen von Menschen ohne Beeinträchtigung. Oberstes Ziel ist eine gleichberechtigte Teilnahme am gesamten Prozess der touristischen Dienstleistungskette. Wie bereits in Kapitel 2 erläutert, bringt eine verstärkte Umsetzung von barrierefreien Angeboten allen Menschen einen positiven Nutzen und vor allem auch wirtschaftliche Synergieeffekte für die Destinationen. Zu bedenken ist allerdings, dass eingeschränkte Menschen keine Spezialangebote fordern, sondern dieselben Angebote wahrnehmen möchten wie nicht beeinträchtigte Menschen auch. Dies ist allerdings nur möglich, wenn die gesamte touristische Servicekette durchgehend barrierefrei ist. (vgl. Klugbauer 2009: online)

Dazu gehören folgende Punkte:

Vor der Reise/des Urlaubs

Anreise

Informationsbeschaffung

W ä hrend der Reise/ des Urlaubs

Orientierung

Unterkunft Assistenz Essen

Freizeit

Unterhaltung Einkaufen

Nach der Reise/des Urlaubs

Follow-up Anruf (Feedback der Gäste einholen), Kundenbindung (vgl. Klugbauer 2009: online)

Grundsätzlich ist die Servicekette für alle Menschen, unwesentlich ob mit oder ohne

Einschränkung gleichermaßen anwendbar. Doch Reisende mit Einschränkungen haben jedoch aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse meist andere Anforderungen an die ein- zelnen Elemente. Die Servicekette (häufig auch Dienstleistungskette genannt) stellt das Bindeglied zwischen einer touristischen Destination und den einzelnen Anbietern dar. Da die Elemente der Servicekette nahtlos ineinander übergehen, sind eine intensive Kooperation unter allen Beteiligten, sowie ganzheitliches Denken und ständiger gegen- seitiger Austausch unerlässlich. Kommt es zu Lücken in einzelnen Bereichen, kann sich eine Region nicht als ganzheitlich barrierefrei bezeichnen, und das fehlende Element der gesamten Kette bestimmt somit die Qualität einer ganzen Region. Derzeit gibt es in nahezu jedem touristischen Bereich bereits Angebote, welche für Menschen mit Ein- schränkungen geeignet sind. Das besondere Problemdabei ist, dass diese Angebot meis- tens sehr begrenzt und auch nicht überall in genügender Qualität verfügbar ist Aus die- sem Grund ist es für Menschen mit einer Beeinträchtigung nahezu unmöglich, spontan und unbeschwert zu verreisen. Es gibt immer noch zu viele Hindernisse, die im Alltag und auf Reisen zu überwinden sind. (vgl. Klugbauer 2009: online)

Die ganzheitliche touristische Servicekette kann unter anderem durch eine umfassende Zugänglichkeit in allen Bereichen des Urlaubs gewährleistet werden. Aufgrund spezifischer Bedürfnisse an einen Urlaub hat diese Zielgruppe, wie bereits erwähnt, andere Anforderungen. Bestimmte Qualitätskriterien, welche für Menschen ohne Beeinträchtigung „nur“ ein Merkmal des Komforts sind, sind für die angehende Zielgruppe eine Mindestvoraussetzung für einen möglichst unabhängigen und selbstbestimmten Urlaub. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Für Neumann lassen sich die Anforderungen an einen barrierefreien Urlaub mit vier Grundelementen darstellen:

1. Information
2. Service
3. Mobilität
4. Erlebbarkeit

Um dies besser zu veranschaulichen schuf Neumann die sogenannten 4 Säulen eines barrierefreien Urlaubserlebnisses für Alle. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2:Zentrale Säulen eines barrierefreien Urlaubserlebnisses für Alle

Quelle: Neumann/Reuber, 2003, onl.

Information:

Zugang zu essentiellen Informationen für Reiseplanung und während der Reisedurch- führung:

Einfachheit: die Informationen sind für die Nutzer leicht auffindbar

Informationsbreite: die Informationen betreffen die gesamte Dienstleistungsket- te.

Verständlichkeit: die Informationen orientieren sich in Bezug auf Gestaltung und Begrifflichkeit an generalisierten Festlegungen; durchgehende Transparenz für Nutzer

Informationssicherheit: die Informationen sind geprüft und verlässlich

Zugänglichkeit: die Informationen sowie die Informationsstellen vor Ort sind für die Gäste leicht zugänglich. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Service:

Anerkennung als gleichberechtigte touristische Zielgruppe: freundlicher und serviceorientierter Umgang

Die potentiellen Gäste treffen vor Ort auf kompetente, qualifizierte Ansprech- partner

Individuelle Lösungsansätze und Hilfestellungen sind von den Ansprechpersonen zu erwarten. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Mobilit ä t:

Selbstbestimmte und möglichst unabhängige Bewegungsmöglichkeiten am Urlaubsort: Für die Gäste besteht Barrierefreiheit im öffentlichen Raum sowie eine barriere- freie Verkehrsinfrastruktur.

Für die Reisenden ist eine Erreichbarkeit der touristischen Angebote und Anziehungspunkte gegeben sowie eine freie Bewegungsmöglichkeit in den touristischen Attraktionen vorhanden. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

Erlebbarkeit:

Erlebbarkeit des touristischen Angebots am Urlaubsort: barrierefreie Übernachtungs- und Gastronomieangebote

barrierefreier Zugang für die Gäste zu den regions- und ortsspezifischen Themenschwerpunkten. (vgl. Neumann, Reuber 2003: online)

3.2. ÖNORM B 1600 für Blinde und Sehbeeinträchtigte

Für die Zugänglichkeit, welche sich durch nahezu alle 4 Grundelemente durchzieht, bedarf es wie bereits erwähnt, auch Eingriffe auf politischer Ebene.

Wie in Deutschland, wo sich die Deutsche Industrienorm (DIN) mit der baulichen Um- setzung von Barrierefreiheit auseinandersetzt, regelt in Österreich die „Österreichische Norm B 1600“ (ÖNORM B 1600) etwaige Bestimmungen. Die genaue Bezeichnung der Norm lautet „Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen“ und definiert unter anderem die Norm bei Außenanlagen (Rampen, PKW-Stellplätze), in Gebäuden (Eingangsbe- reich, Türen, Rampen) oder in Garagen. Neben dieser gibt es auch für Tourismus- und Freizeiteinrichtungen die ÖNORM B 1603. Weitere Normen mit Bezug zur Barriere- freiheit müssen jedoch immer gemeinsam mit der Basis ÖNORM B 1600 angewendet

[...]

Fin de l'extrait de 80 pages

Résumé des informations

Titre
Touristische Angebotsoptimierung für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in Österreich
Université
Fachhochschule Salzburg
Note
3,0
Auteur
Année
2016
Pages
80
N° de catalogue
V358669
ISBN (ebook)
9783668439344
Taille d'un fichier
950 KB
Langue
allemand
Mots clés
touristische, angebotsoptimierung, menschen, österreich
Citation du texte
Andreas Knogler (Auteur), 2016, Touristische Angebotsoptimierung für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen in Österreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/358669

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