Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Vorwort
1.1 Schulsituation
1.2 Lehrplanbezug
1.3 Problemstellung
2. Sachanalyse
2.1 Die Theodizee
2.2 Forschungen zum Gottesbild Jugendlicher
2.2.1 Oser/ Gmünder
2.2.2 Ziebertz/ Riegel
2.3 Kompetenzen
2.3.1 Definition
2.3.2 Methoden
3. Theologisch-religionspädagogischer Hauptteil
3.1 Didaktische Erörterung
3.1.1 Muss man alles wissen? (elementare Zugänge)
3.1.2 Leiderfahrung bei Kinder und Jugendlichen (elementare Erfahrungen)
3.1.3 Ein endloses Thema (elementare Strukturen)
3.1.4 Gott erkennen (elementare Wahrheiten)
3.1.5 Gott erklären (elementare Methoden)
4. Reflexion des gehaltenen Unterrichts
5. Anhang
5.1 Kommentierter Unterrichtsverlauf
5.2 Arbeitsblatt (Placement)
6. Quellenverzeichnis
6.1 Literaturverzeichnis
6.2 Internetquellen
6.3 Bildquellen
1. Vorwort
Ich möchte im Verlauf dieser Ausarbeitung den Kompetenzerwerb im Religionsunterricht, anhand der Theodizee-Frage klären und beschreiben sowie eine beispielhafte Umsetzung für den Unterricht darstellen. Hierbei beziehe ich mich ausschließlich auf die christliche Glaubenserziehung. Ziel des Unterrichts ist es sich dieser Frage kompetenzorientiert zu näheren.
1.1 Schulsituation
An der Katholisch Freien HWRS , orientiert sich die schulische Erziehung und Bildung am Marchtaler Plan, welcher 1984 von der Diözese Rottenburg-Stuttgart für die Katholisch Freien Grund- und Hauptschulen eingeführt wurde. Der Marchtaler Plan, orientiert sich am baden- würrttembergischen Bildungsplan, mit dem kleinen Unterschied, dass er die staatlichen Vorgaben im Rahmen der katholischen Konfession behandelt. Die Grundlage ,,katholische[r] Erziehung und Bildung sind im Heilsauftrag der Kirche begründet, »allen Menschen den Heilsweg zu verkünden« und ihnen »das Leben Christi mitzuteilen«.[1] Dies ist die katholische Antwort auf die gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Außerdem werden Themen in möglichst großen Vernetzungsstrukturen erarbeitet, woraus sich ein fächerübergreifender Unterricht ergibt. Diese Vernetzungsstrukturen sollen vor allem den SuS ein ganzheitliches Lernen ermöglichen. Weitere Intentionen des Marchtaler Plans sind:
- „Vermittlung von Bildung und Wissen, die den Anforderungen genügen, die heute an eine gute Schule zu stellen sind. - Ganzheitliche personale und soziale Erziehung, die die harmonische Entfaltung und Förderung der körperlichen und geistigen Anlagen, soziales Engagement und Mitarbeit in der Gesellschaft anstrebt. - Religiöse und weltorientierte Bildung, die vertraut macht mit der Botschaft Jesu Christi, zu personal vollzogenem Glauben hinführt und die erfahren lässt, dass Menschsein auf Hoffnung hin angelegt ist.“[2]
Um eine Orientierung zu haben, was die SuS mit der behandelten Thematik erlernen sollen, werden Lernziele mit Hilfe der zu erlernende Kompetenzen formuliert. „[Kompetenzen sind] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernten kognitiven Fähigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie damit verbundene motivationale, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“[3]
Der Unterricht zum Thema Kompetenzerwerb anhand der Theodizeefrage wird in einer Schulklasse der 9. Jahrgangsstufe mit 24 Lernenden durchgeführt, davon neun Schülerinnen und 15 Schülern. Auch die Vernetzungsstruktur des Marchtaler Plans ist hierbei berücksichtigt, denn in Geschichte und Gemeinschaftskunde wird parallel der Erste Weltkrieg behandelt, wobei im Religionsunterricht das Leid des Menschen im Mittelpunkt steht.
1.2 Lehrplanbezug
Die Bildungsstandards im bildungspolitischen Kontext beschreiben welche Kompetenzen „bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einer Lernentwicklung aufgebaut“[4] werden sollen. „Darüber hinaus ist die Ausarbeitung inhaltsspezifischer Kompetenzen nicht nur für die Ermittlung von Wirksamkeiten des Unterrichts bezogen auf eine ganze Lerngruppe nützlich, sondern ebenso für individualdiagnostische Zwecke erforderlich.“[5]
Im Bildungsplan wird des Weiteren zwischen prozessbezogenen und inhaltsbezogenen Kompetenzen unterschieden. Prozessbezogene Kompetenzen meinen personale und soziale, kommunikative, reflexive sowie ästhetische und methodische Fähigkeiten, welche sich Schülerinnen und Schüler im Laufe ihrer Schulzeit anhand des Religionsunterrichts aneignen sollen. Sie lassen sich in fünf Kompetenzbereiche gliedern: Wahrnehmung und Darstellung, Deuten, Urteilen sowie dem Kommunizieren und Gestalten. Jeder dieser Kompetenzbereiche lässt sich in Teilkompetenzen konkretisieren, welche näher beschreiben, wie die Kompetenz erworben werden kann und was sie beinhaltet. Inhaltsbezogenen Kompetenzen beschreiben jene Fähigkeiten und Kenntnisse die innerhalb der Klasse aufbauend erworben und nachhaltig zu sichern sind, um die in den prozessbezogenen Kompetenzen formulierten Ziele zu erreichen. Hierzu sind im Lehrplan der katholischen Glaubenslehre folgende sieben Bereiche augelistet: Mensch, Welt und Verantwortung, Bibel, Gott, Jesus Christus, Kirche, Religion und Weltanschauung. Diese wiederholen sich alle zwei Jahre und steigern zunehmend ihr Kompetenzniveau.[6]
1.3 Problemstellung
In der vorliegenden Arbeit, als auch in der dazu konzipierten Unterrichtstunde soll das Gottesbild der Jugendlichen, am Beispiel der Frage nach dem Leid in der Welt, thematisiert und möglichst kompetenzorientiert behandelt werden. Da es eine Vielzahl von Leiderfahrungen gibt, beschränkt sich diese Arbeit ausschließlich auf das nicht (direkt) selbstverschuldete Leid, am Beispiel von Naturkatastrophen. Das selbstverschuldete und durch Menschen verursachte Leid, könnte in einem weiteren Schritt behandelt und thematisiert werden, wird im Weiteren jedoch außen vor gelassen. Anhand der Theodizee-Frage, welche im Mittelpunkt des Unterrichts steht, sollen Kompetenzen aufgebaut werden. Dieser Kompetenzerwerb konzentriert sich hierbei auf die aus dem Bildungsplan entnommenen personalen und sozialen, kommunikativen und reflexiven Kompetenzen.
2. Sachanalyse
2.1 Die Theodizee
Der Begriff Theodizee kommt aus dem altgriechischen und setzt sich zusammen aus theós = Gott und dike = Gerechtigkeit, übersetzt bedeutet es also die Gerechtigkeit Gottes.[7] Doch woran genau ist die Gerechtigkeit Gottes zu erfahren und wie lässt sich diese mit den Leiderfahrungen in der Welt vereinbaren. Daraus ergibt sich viel mehr eine Reihe von Fragen, wobei die Gerechtigkeit Gottes selbst zur Frage, wenn nicht sogar in Frage gestellt wird. Die Theodizee-Frage: wie kann es Leid in der Welt geben, wenn es doch einen Gott gibt, bzw., wie kann ein guter Gott das physische und moralische Übel in der Welt zulassen, oder auch wie kann es zu so viel Leid in der Welt kommen, trotz eines allmächtigen und guten Gottes.
Wie unschwer zu erkennen, handelt es sich um eine für das Gottesverständnis wichtige Frage, denn würde Gott nicht das Prädikat der Allmacht verliehen werden, käme solch eine Frage nicht zustande.[8] Voraussetzung dieser Frage ist es, das Geschehen in der Welt als problematisch zu erkennen, ohne die Negativität des Übels als eine Art der Perspektive auf die Welt zu beschreiben. Gewalt und Leid war schon immer in der Welt vertreten, aber wieso kommt es immer wieder zu Umweltkatastrophen und wieso müssen unschuldige Menschen so schwere Schicksalsschläge ertragen. Und wie kann es sein, dass ein guter Gott dieses Leid zulässt und nichts unternimmt.[9] Diese Frage stellt sich nicht nur im christlichen Glauben. Es werden sogar in manchen Religionen, bspw. in Untergruppen des Islams, konkrete Antworten auf die Theodizee-Frage gegeben. Leid und Katastrophen stehen in anderen Glaubensrichtungen als Zeichen, wenn nicht als Strafe Gottes gegen das sündhafte Wesen des Menschen. Zwar wäre dies eine Möglichkeit der Beantwortung dieser Frage, allerdings nicht für Christen, welche an einen guten und liebenden Gott glauben, der den Menschen nicht zu Leid handelt, sondern im Leid den Menschen liebevoll zur Seite steht und ihnen immer wieder neue Hoffnung schenkt.
Besonders für Jugendliche gestaltet sich diese Angelegenheit als höchst kompliziert, denn das Gottesbild ist i.d.R. noch nicht ausgeprägt genug, um eigene Antworten auf solche problematischen Fragen zu finden. Es besteht eine große Unsicherheit in der Glaubensauslegung und -auslebung. Aufgrund der großen Verwirrung über richtig und falsch, kreieren sich viele junge Menschen daher eine eigene, individuelle Glaubensansicht, entweder ohne einen Gott, beruhend auf einer rein spiritueller Ebene, oder sie glauben an einen Gott, ohne diesen in eine bestimmte Glaubensrichtung zu verorten. Für einen Gottesglauben ist die Theodizee allerdings unverzichtbar. Der Grund warum die Frage nach der höheren Macht jedoch nicht abreißt, ist die Hoffnung die darin steckt und die Suche nach einer Erklärung für das Leid, dass die Welt erfährt. Infolgedessen entstehen für monotheistische Religionen immer mehr Fragen, nach dem allmächtigen Gott, der dieses Leid in der Welt zulässt und ob es vielleicht Gott ist, von dem dieses ausgeht. Schule hat hierbei die Aufgabe die nach Gewissheit und Sicherheit suchenden Schülerinnen und Schüler zu begleiten und gemeinsam mit ihnen Antworten zu suchen um das Geschehen in der Welt besser erschließen zu können.10 Ziel ist es letztlich nicht argumentativ für Gott einzustehen, sondern Akzeptanz für das Geschehen zu entwickeln, welches nur mit dem Glauben und der Hoffnung an das Gute überwunden werden kann.
Es gibt vier Grundannahmen, welche die Voraussetzung für eine Klärung der Theodizeefrage bilden, nämlich:
1. Es gibt sowohlphysisches, als auch moralisches Übel in derWelt.
2. Gott existiert.
3. Gott ist allmächtig.
4. Gottistgut.11
Wie schon in der Einführung zur Fragestellung angesprochen wurde, kann das Leid in der Welt, außer von einer subjektiven Position, welche es als Notwendigkeit oder Normalität im Machtgefälle ansieht, nicht verleugnet werden. Problematischer gestaltet sich daraufhin die Frage nach der Existenz eines guten Gottes der Allmacht besitzt. Denn wieso sollte eine übernatürliche Macht, welche gute Absichten verfolgt so ein Übel gewähren ohne einzuschreiten? Diese Frage ergibt sich nur aus der Annahme eines allmächtigen Gottes, denn sonst wäre die Frage schnell und einfach gerechtfertigt mit - es liegt nicht in Gottes Hand. Oder eine weitere Frage die hieraus resultiert12 - „Kann es angesichts des Übels in der Welt (überhaupt) einen guten Gott geben?“13
2.2 Forschungen zum Gottesbild Jugendlicher
Im Folgenden sind zwei Untersuchungen zum Gottesbild Jugendlicher angeführt, um die Voraussetzung für eine Behandlung der Theodizee-Frage zu klären. Um einen Geltungsstatus, der subjektiven Theorien zu schaffen, wurde schon eine Reihe von empirischen Untersuchungen zum Gottesbild Jugendlicher durchgeführt. Diese Geltungsansprüche beziehen sich jedoch auf den methodischen Referenzrahmen, denn alle erhobenen Ergebnisse sind durch die Methoden bedingt. Bei der Ermittlung der Gotteskonzeptionen Jugendlicher handelt es sich ausschließlich um deskriptive Aussagen, welche mit Hilfe des gewählten methodischen Instrumentariums ermittelt werden.[10] [11] [12] [13] [14]
2.2.1 OserI Gmünder
Oser/Gmünders Forschungen (1984) suchten im entwicklungspsychologischen Bereich nach Tendenzen, welche das Entstehen eines Gottesbildes, ebenfalls wie bei Jeans Piagets oder auch Lawrence Kohlbergs Forschungen, in eine strukturierte Abfolge von Stadien/ Phasen gliedern lässt. Für diese Ermittlung wurden den Probanden (im Alter von acht bis 75 Jahren) jeweils acht verschiedene Dilemmata mit religiösen Inhalten vorgelegt, über welche diese dann ein religiöses Urteil, welches das eigene Gottesverständnis ausdrückt, abgeben mussten. Der Umfang der Stichprobe umfasste hierbei 112 Personen.[15] Diese Ergebnisse wurden dann letztlich „in Bezug auf die strukturgenetischen Hypothesen ausgewertet, die auf der Grundlage der schon durchgeführten Studien aufgestellt werden konnten.“[16] Die Darstellung der Studie beschränkt sich auf die Beschreibung der 3. Stufe, da über 80% der Menschen bei dieser Stufe der Entwicklung eines Gotteskonzepts zum Stillstand kommen. Während in Stufe 2 das Leid als Strafe Gottes für Fehlverhalten angesehen wird, gerät dieses im Übergang zur Stufe 3 in eine kognitive Krise, welche zunächst von irritierenden Erfahrungen zu einer kohärenten Integration führen. Daraufhin kann der Mensch sein Weltbild in zwei Bereiche teilen. Der Mensch hat einen autonomen Teil, in dem das Leben selbstbestimmt geführt werden kann'und Gott zunehmend in den Hintergrund rückt. In dem anderen Teil führt Gott seine Handlungskompetenz aus, die auf vieles Einfluss nehmen kann. Somit liegt die Ursache des Leides und des Leidens hauptsächlich im menschlichen Leben selbst und nicht in der Transzendenz verankert. Aus dieser Annahme wiederum resultiert, dass das Theodizee-Problem für die normalen lebensweltlichen Situationen an Relevanz verliert.[17] Doch diese 3. Stufe der Gottesbild- und Gottesbeziehungsentwicklung hat „eine hohe religionspädagogische Relevanz, wenn es um einen entwicklungsorientierten Religionsunterricht im Jugendaltergeht. [...] Zum einen ist es möglich, dass sich das deistische Gottesbewusstsein zu einer personalen Gottesbeziehung ausbaut. So kann sich dann auf der Stufe 4 eine neue Vermittlung zwischen der Entscheidungsautonomie des Subjekts und einem angenommenen Letztgültigen bilden.“[18]
2.2.2 ZiebertzI Riegel
Ziebertz und Riegel führten empirischen Forschungen mit Hilfe von Befragung knapp 2.000 Jugendlicher durch, zu der Frage nach der Existenz Gottes und dem Gott im Weltbild Jugendlicher durch. Hierbei geht es nicht mehr um die Frage, ob Jugendliche an die Existenz Gottes glauben, sondern „wie junge Menschen ihre Gotteskonstrukte in ihrer Weltbildkonzepte einbauen.“[19]
[...]
[1] Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart (2015) S. 9
[2] Stiftung Katholische Freie Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart (2015) S. 10
[3] Weinert (2001) S. 27f
[4] Www.comenius.de (21.01.2016)
[5] Www.comenius.de (21.01.2016)
[6] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2004) S. 7
[7] Vgl. www.kath.de
[8] Vgl. Rommel, H. (2011) S. 17
[9] Vgl. Rommel, H. (2011) S. 12
[10] Vgl. Rommel (2011) S. 13
[11] Vgl. Rommel (2011) S. 16
[12] Vgl. Rommel (2011) S. 17
[13] Rommel (2011) S. 18
[14] Vgl. Rommel, S. 27
[15] Vgl. Rommel (2011) S. 33
[16] Rommel (2011) S.34
[17] Vgl. Rommel (2011) S. 35
[18] Rommel (2011) S. 36
[19] Rommel (2011) S. 47