Förderung des sprachlichen Individualstils durch das Beurteilen


Term Paper, 2016

18 Pages, Grade: 1,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was versteht man unter Individualstil?

3. Förderung des Individualstils durch das Beurteilen
3.1. Bewerten – Beurteilen – Benoten
3.2. Beurteilungsprozesse
3.2.1. Förderung durch Lehrkraftbeurteilung
3.2.2. Förderung durch Schülerselbstbeurteilung

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Kaum von einem Mädchen mit 13 Jahren geschrieben.“ So lautet ein Lehrkraftkommentar, den die Untersuchung zum Korrekturhandeln der Deutschlehrkräfte von Ulf Abraham (1993, S. 166) hervorgebracht hat. Dieser durchaus negativ konnotierte Kommentar ist vor allem auf solche Stellen des vorgelegten Schülertextes wie „Angelegentlich der Diskussion“, „die Erhaltung der Hausaufgabe“, „Aufgrund dessen“ zurück zu führen, die von den Probanden als künstlich, geschwollen, gestelzt oder hochgestochen moniert worden sind (Vgl. ebd., S. 166/174).[1] Ist diese Beurteilung aber angesichts der gestellten Aufgabe, einen argumentativen Brief für oder gegen die Abschaffung der Hausaufgaben an einen Professor zu schreiben, und der Tatsache, dass die dreizehnjährige Schülerin keinen der Lehrkräfte bekannt war, gerechtfertigt? Muss ‚die Nachahmung der Erwachsenensprache‘ gleich etwas Negatives wie z. B. das Nichtvorhandensein jeglicher Individualität oder keine Selbständigkeit der Schülerin implizieren? Wohl kaum!

Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, dass die Schülerin bewusst aufgrund der Adressatenorientierung auf die ‚künstlichen‘, ‚geschwollenen‘ und ‚gestelzten‘, also erwachsenen Sprachmuster zurückgegriffen hat. Dabei wählte sie entsprechend ihrer Persönlichkeit die von ihr am sinnvollsten erachteten Sprachbausteine. So entschied sie sich z. B. für den Sprachbaustein „Aufgrund dessen“ und nicht für andere möglichen Synonyme wie „infolgedessen“, „aus diesem Grund“, „dementsprechend“ usw. Außerdem spiegelt bereits die Struktur des Schülertextes, die Wahl und die Reihenfolge der Argumente, die nebenbei bemerkt, der Schülerin sehr gelungen sind, ihre Individualität und somit das Vorhandensein eines Individualstils wieder. Alle diese positiven Merkmale des Schülertextes werden aber durch den Eingangskommentar zunichte gemacht. Kann also solch eine Beurteilung, die keinen Hinweis darüber liefert, wie die Schülerin ihr Brief optimieren kann oder was ihr besonders gut gelungen ist, förderlich sein? Nein! Das Gegenteil kann sogar der Fall sein.

Gerechterweise muss an dieser Stelle aber auch das Bewertungs- bzw. Beurteilungsdilemma, vor dem eine Lehrkraft aufgrund der Vielfältigkeit der Funktionen, die eine Beurteilung haben kann, ständig gestellt wird, angesprochen werden. Herbert Glötzl (2000, S. 453 ff.) fast z. B. die Funktionen der Beurteilung auf folgende vier zusammen: informierende, motivierende, anzeigende und selektive. Damit informiert die Beurteilung die Schüler aber auch die Eltern über den jeweiligen Lernstand. Wenn die Beurteilung förderlich erfolgt, kann sie die Schüler sogar zur Leistungssteigerung motivieren und so der Lehrkraft den jeweiligen Erfolg ihres Unterrichts anzeigen. Darüber hinaus hat die Beurteilung z. B. in Form von Leseleistungs- oder Schreibleistungsbeurteilung auch eine selektive Funktion, die mit über Versetzung, Schullaufbahnempfehlung und Abschluss entscheidet. Dadurch befinden sich die Lehrkräfte, wie schon angesprochen, im ständigen Dilemma zwischen Auslese und Förderung (Vgl. Bauermann/Dehn 2004, S. 7), im Falle dieser Arbeit zwischen der Stilkorrektur bzw. –prüfung und Stilerziehung bzw. –förderung. Aufgrund der aufgestellten Rahmenbedingungen können die Ausführungen dieser Arbeit sich nur auf einen Aspekt des Dilemmas konzentrieren, nämlich der Frage der Förderung.[2] Die zentrale Frage, der in der vorliegenden Arbeit nachgegangen wird, lautet also: Wie kann bzw. soll eine Beurteilung ausfallen, um zur Förderung des Individualstils des Schülers[3] beitragen zu können?

Um diese Frage umfassend beantworten zu können, müssen zunächst zwei für diese Arbeit zentrale Begriffe geklärt werden. Dabei wird in erster Linie der Individualstil definiert sowie dessen Merkmale und Grenzen diskutiert. Anschließend wird zwischen den in der Fachliteratur unterschiedlich und vielfältig verwendeten Begriffen Bewerten, Beurteilen und Benoten differenziert, wobei im Kontext dieser Arbeit das Beurteilen sowie die jeweiligen Beurteilungsprozesse im Vordergrund stehen. Mit Hilfe dieser theoretischen Grundlage kann schließlich die Förderung durch Fremdbeurteilungen bzw. Lehrerbeurteilungen und Selbstbeurteilungen bzw. Schülerselbstbeurteilungen diskutiert werden.

2. Was versteht man unter Individualstil?

Keiner wird wohl der Tatsache widersprechen, dass Stilerziehung eine Aufgabe des Deutschunterrichts ist und bleibt. Ebenso kann niemand ernstlich bestreiten, dass die Erziehung zu einem Stilempfinden nicht ohne Respektierung individueller Eigenheiten des Schreibers erfolgen kann. Wie kann man aber diese Eigenheiten des Schreibers bei Schülern ausmachen? Kann man sie sogar in Kategorien fassen und den verschiedenen Schreibtypen zuordnen? Würde aber genau diese Zuschreibung nicht der ‚Unantastbarkeit des Individuellen‘[4] widersprechen?

Annemarie Saxalber (1994, S. 51) spricht in diesem Zusammenhang von Stiltendenzen, „die innere Verbindung zwischen sprachlichen und textuellen Eigentümlichkeit mit einer bestimmten Art des Jugendlichen, sich mitzuteilen.“ Diese sind in dem Individualstil der Schüler je nach Persönlichkeit unterschiedlich stark verankert und machen ihn schlussendlich aus. Dadurch umgeht Saxalber die feste Zuordnung des Individualstils zu Stilebenen oder etwa die Festschreibung von geschlossenen Stilen und lässt somit keine denkbaren Kritikpunkte bezüglich des Steckens der Schüler in mögliche ‚Stilschubladen‘ zu. Außerdem betont sie, dass diese Stiltendenzen nur einen bestimmten Punkt in einem langwierigen Prozess abbilden, der lange über die Pubertät hinaus anhält und auch von Gegebenheiten abhängt, in denen solches stattfindet (Vgl. ebd.). Damit ändern sich die Stiltendenzen ebenso wie die Schreibentwicklung des jeweiligen Schreibers fortlaufend, sodass auch hier der Verdacht auf mögliche Reduktion der Schüler nur auf bestimmte Stiltendenzen unberechtigt wäre.

Ein weiteres Merkmal des Individualstils ist, dass er nicht auf eine bestimmte Textsorte beschränkt ist. Im Gegenteil repräsentiert Individualstil Erscheinungen, „die mehr oder weniger stark ausgeprägt in allen Texten eines Schreibers sichtbar werden“ (Ebd.). Natürlich variiert die Stärke der Intensität individueller Stilerscheinungen oder Stiltendenzen je nach Aufgabenstellung und Textsorte. An dieser Stelle lohnt es sich erneut, auf das Eingangszitat der Einleitung aufmerksam zu machen, das dem besagten Mädchen Individualität, Authentizität und Selbstständigkeit abspricht. Im Hinblick auf die Überlegungen von Saxalber kann es jetzt unter anderem auch bedeuten, dass die gestellte Aufgabe und die vorgegebene Textsorte es dem Mädchen nicht erlaubt haben, ihren Individualstil in vollen Zügen zum Vorschein zu bringen. Womöglich endschied sich das Mädchen also nur aus der Unsicherheit heraus dazu, sich so stark an die Normen der Erwachsenensprache zu halten. So oder so muss die Nachahmung der Erwachsenensprache von der Lehrkraft in beiden Fällen[5] gewürdigt werden. Diese bildet nämlich die Basis oder die Vorstufe aus der sich schlussendlich Individualstil entwickeln kann und muss deswegen als Teil der Stilkompetenz nicht nur akzeptiert, sondern anerkannt und sogar unterstützt werden. Die Stilkompetenz setzt sich dabei aus den Kenntnissen von Textsortennormen, dem Verfügen über Ausdrucksalternativen und dem Reflektieren früherer Kommunikationserfahrungen zusammen (Abraham 2009, S.63). Die Abweichungen von den verfügbaren Ausdrucksalternativen im Form von bewussten Normverstößen, Wortschöpfungen usw. werden in diesem Sinne ebenfalls als individuelle Stilerscheinungen oder Stiltendenzen und demnach gleichzeitig als Signale des Individualstils verstanden. Überraschenderweise werden aber die überwiegenden Normabweichungen, die eigentlich das Beherrschen der Anforderungen der jeweiligen Textsorte und der jeweiligen Adressatenorientierung implizieren, genauso wie das Nachahmen der Erwachsenensprache, also das Einhalten der Norm von den meisten Lehrkräften negativ bewertet (Vgl. Abraham 1993, S. 166 f. /175).

Insgesamt unterscheidet Saxalber zwischen drei großen Gruppen von Individualstil, die einer Lehrkraft in einer Klasse begegnen können. Da gibt es die mehr kommunikativ, die mehr expressiv und die mehr sachorientiert ausgeprägten Schreibstile (Vgl. Saxalber 1991/1994). Jeder dieser Schreibstile wirkt je nachdem, wie der Schüler mit seinen Stil-Stärken umgehen kann, geschlossen, passend oder unausgereift, uneinheitlich usw. (Vgl. Saxalber 1991, 54). Alle drei Individualstile werden anhand eines konkreten Beispiels in folgender Reihenfolge vorgestellt: 1) kurze Beschreibung der Persönlichkeit mit einer leichten Gewichtung auf die Mündlichkeit, 2) Vorstellung der Textpassagen, in denen sich die Persönlichkeit durch individuelle Stilerscheinungen wiederspiegelt, 3) von Texten ausgehende Ableitung der Stärken und Schwächen des Schreibers (Vgl. ebd., S. 54 ff.). Solch ein Vorgehen stellt einen zunächst vor ein Dilemma: Einerseits leuchtet es ein, dass der individuelle Stil „nicht erst beim Schreiben, sondern schon im Bereich der Mündlichkeit nicht nur sach- und situationsangemessen ist, sondern allererst ein Persönlichkeitsmerkmal“ (Abraham 2009, S. 59). Andererseits, wie von Abraham und Launer (1999, S. 43) betont, darf zur Beurteilung nie die Persönlichkeit, sondern in erster Linie gestaltete Sprache und zwar in ihrer Funktion für die Entwicklung Heranwachsender stehen. Beim näheren Betrachten der Konzipierung dieser drei Stilgruppen wird aber klar, dass Saxalber es durchaus schafft, das Dilemma aufzulösen und die Einschätzung der Persönlichkeit in die Beurteilung der sprachlichen Leistung ohne Abwertung des Schülers oder der Textqualität einfließen zu lassen. Natürlich gelingt es ihr nur, weil sie trotz der anfänglichen Beschreibung der Persönlichkeit im weiteren Verlauf ausschließlich von den Texten und den darin enthalten individuellen Stilerscheinungen, die sich eben aus der Persönlichkeit des jeweiligen Schülers ergeben, ausgeht.

Abschließend sollen die wichtigsten Gründe, warum die Unterstützung des Individualstils so bedeutend für die Schreibentwicklung des Schülers ist und die ersten Überlegungen bezüglich der Förderung des Individualstils zusammengefasst werden. In erster Linie trägt die Förderung des Individualstils zur Entwicklung der sprachlichen Identität der Schüler bei (Vgl. Saxalber 1994, S.54). Dadurch lernen die Schüler nicht nur mit dem eigenen Stil umzugehen oder sich von ihm zu distanzieren, sonder auch hinter eigenem Stil zu stehen. Dies führt wiederum zur Stärkung des Selbstwertgefühls gegenüber den eigenen sprachlichen Fertigkeiten. Darüber hinaus kann Stilerziehung dazu beitragen, „den möglichen Gegensatz zwischen individuellem und funktionalem Stil zu verringern“ (Ebd.). Dabei betont Saxalber (1991, S. 53), dass dies aber nur erreicht werden kann, wenn das, was als funktionaler Stil[6] angestrebt wird, im Voraus gemeinsam mit den Schülern definiert wurde. Des Weiteren sollten die Schüler die Möglichkeit dazu erhalten:

- mit dem eigenen Stil umgehen zu lernen,
- diesen selbst analysieren, über ihn reflektieren zu lernen,
- diesen für die Anforderungen, die von „außen“ kommen (z.B. Leseerwartungen, Textsorte) variabel genug zu machen. (Vgl. ebd., S. 54)

Eine wichtige Rolle kommt dabei der Lehrkraft zu. Diese soll:

- die eigene Schreibbiographie überdenken und über die der Schüler möglichst gut Bescheid zu wissen,
- den Unterricht so gestalten können, dass innere Differenzierung bzw. individuelle Schreibberatung in organisatorischer Hinsicht möglich ist,
- ein entwickeltes Stilempfinden (das sich allerdings nicht nur an eine Norm orientiert) besitzen und in der Beurteilung von Stilfragen weitere Leser – nach Möglichkeit die Klasse – (mit)einbeziehen wollen,
- einige Hilfen bereit haben, die zum einen die individuelle Lernstrategie des Schülers stützen, zum anderen aber auch als didaktische Schleifen im Unterricht der ganzen Klasse angeboten werden. (Vgl. ebd.)

Wie und ob die angeführten Punkte mit der Förderung des Individualstils durch die Beurteilung korrespondieren oder durch diese unterstützt werden können, wird in den nachfolgenden Kapiteln gezeigt. Zunächst soll aber kurz die Stellung des Beurteilens in der didaktischen Diskussion skizziert werden.

3. Förderung des Individualstils durch das Beurteilen

Im Zuge der Prozessorientierung kommt dem Beurteilen eine immer mehr größere Rolle zu. Nun steht nicht nur das Endprodukt, sondern zunehmend das entstehende oder entstandene Zwischenprodukt im Zentrum, was unteranderem in der didaktischen Diskussion dazu geführt hat, Schreiben, Überarbeiten und Beurteilen eng auf einander zu beziehen (Bauermann 2002, S. 5). Eines der aktuellsten Modelle, das den Vorgang der Textproduktion darzustellen versucht und die Dreigliedrigkeit des Prozesses berücksichtigt, stammt von Peter Sieber (2003). Sein Drei-Säulen-Modell der Schreibförderung ist, wie der Name schon sagt, auf drei Säulen 1) Schreibprozesse, 2) Überarbeitungsprozesse, 3) Beurteilungsprozesse aufgebaut (Vgl. ebd., S. S. 208 ff.). Jede dieser drei Säulen ist nochmals in seiner Meinung nach drei wichtige Ebenen bzw. Prozesse untergliedert. Wenn für die erste Säule der Schreibprozesse dank der Schreibforschung und den gesammelten Erfahrungen in der Schreibdidaktik genug Erkenntnisse vorliegen, steht die Schreibforschung bezüglich der letzen Säule der Beurteilungsprozesse relativ am Anfang. Die bisherige produktivorientierte Beurteilungsforschung hat z. B. ambivalente Ergebnisse hervorgebracht: Neben ermutigenden Befunden wurden ebenso hinsichtlich unverzichtbarer Standards Schwierigkeiten und Grenzen aufgezeigt (Bauermann 2003, S. 54). Demnach bleibt Siebert in seinen Überlegungen das Drei-Säulen-Modell der Schreibförderung betreffend vor allem im Bezug auf die letzen beiden Säulen zunächst auf der theoretischen Ebene. Dies wertet das Modell aber keinesfalls ab, schon deswegen nicht, weil dadurch die Bereiche aufgezeigt werden, in welchen noch besonderer Bedarf an Weiterentwicklung besteht. Bevor man sich aber den drei Ebenen der Beurteilungsprozesse im Einzelnen zuwenden kann, ist es erforderlich die Begriffe Bewerten, Beurteilen und Benoten zu definieren, um diese voneinander abzugrenzen.

3.1. Bewerten – Beurteilen – Benoten

In der Schule werden die Begriffe Bewerten, Beurteilen und Benoten erfahrungsgemäß synonym verwendet. In der didaktischen Diskussion werden diese im Gegenteil dazu mit ganz unterschiedlichen Nuancen definiert (z. B. Bauermann 2002, Becker-Mrotzek/Böttcher 2012, Fix 2008). Um eine gemeinsame Basis für weitere Diskussionen hinsichtlich der Förderung des Individualstils zu haben, ist es also notwendig, sich in der verwirrenden Definitionsvielfalt für eine Variante zu entscheiden. Die folgenden Ausführungen greifen dabei die Differenzierung von Michael Becker-Mrotzek und Ingrid Böttcher (2012, S. 123 f.) auf:

Das Bewerten bildet die Basis für das Beurteilen und das Benoten. Es ist ein rein mentaler Prozess des Einschätzens, der sich auf (verbale sowie schriftliche) Schülertexte bezieht. Dabei wird bewusst oder unbewusst auf einen Wertemaßstab zurückgegriffen, der sich in Form von Kriterien beschreiben lässt. Dem Bewerten geht in jedem Fall ein Verstehensprozess voraus, der eine Grundlage für Revisionen aller Art bildet.

[...]


[1] Allgemein haben die Ergebnisse der Untersuchung gezeigt, dass die Konsensfähigkeit negativer Urteile sehr stark überwiegt (Vgl. dazu ebd., S. 166 ff.).

[2] Ansonsten bietet die Fachdidaktik mittlerweile kriterienorientierte Konzepte der Bewertungan an, die den anderen Aspekt des Dilemmas zwar nicht vollständig auflösen, aber wenigstens in ihrer Problematik mildern (z. B. Bauermann 2002, Becker-Mrotzek/Böttcher 2012, Rupp 1999, Wermke 1993).

[3] Aus Gründen der Ökonomie wird durchgängig die maskuline Form benutzt.

[4] Darunter ist vor allem die Problematik der Bewertung des kreativen Produkts gemeint, die eben mit der Vorstellung verbunden ist, dass solche Texte unvergleichlich sind und deswegen eine Art Immunität genießen. In einem Beitrag für Praxis Deutsch 155 widersprechen aber Ulf Abraham und Christoph Launer (1999, S. 43-46) dieser Legende und legen nahe, dass die Bewertung nicht der Persönlichkeit sondern in erster Linie der sprachlichen Leistung unterliegt.

[5] Die erste Interpretationsmöglichkeit wurde in der Einleitung dargelegt, nämlich die bewusste Nachahmung der Erwachsenensprache aufgrund der Aufgabenstellung und der Adressatenorientierung. Die zweite Interpretationsmöglichkeit basiert auf den Überlegungen von Saxalber und schließt eben die Möglichkeit nicht aus, dass das Mädchen sich aus der Unsicherheit so stark an die Normen gehalten hat. Natürlich kann es sich bei einzelnen Stellen des Schülertextes durchaus um ‚ungewollte‘ Stilerscheinungen, also Elemente einer Lernsprache handeln, die erst durch eine bewusstere Stilanalyse zum Vorschein gebraucht und auf ihre Angemessenheit hinterfragt werden können.

[6] Unter funktionalem Stil versteht man dabei die in der Schule als konsensfähig angesehene mittlere Zielsetzung, „die auf Qualifikation für verschiedene pragmatische relevante Textsorten orientiert ist und doch auch den Ausdruck persönlicher Empfindungen, Auffassungen, Meinungen miteinschließt“ (Bleckwenn 1990, S. 18).

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Details

Title
Förderung des sprachlichen Individualstils durch das Beurteilen
College
Humboldt-University of Berlin  (Institut für deutsche Literatur)
Course
Fachdidaktikseminar (Modul: Textkompetenz)
Grade
1,0
Author
Year
2016
Pages
18
Catalog Number
V359073
ISBN (eBook)
9783668443020
ISBN (Book)
9783668443037
File size
552 KB
Language
German
Keywords
Individualstil der Schüler, Schreibstil, Beurteilungsprozesse, Beurteilen, Bewerten, Benoten, Korrigieren, Korrekturverhalten, Schülerbeurteilung, Lehrkraftbeurteilung
Quote paper
Sofia Gutjahr (Author), 2016, Förderung des sprachlichen Individualstils durch das Beurteilen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/359073

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