Systemwechsel in Taiwan


Trabajo, 2001

21 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsangabe

1. Einführung

2. Rückblick: das autokratische Einparteienregime der Kuomintang auf Taiwan

3. Einblick: Taiwans friedliche Regimetransformation zur Demokratie
3.1 Merkmale und Hintergründe des Systemwechsels in Taiwan im Spiegelbild der politikwissenschaftlichen Transformationstheorie
3.2 Taiwanisierung, Liberalisierung und Demokratisierung als Folge elitengetragenem Handelns
3.3 Taiwan – eine konsolidierte Demokratie?

4. Ausblick: Chancen und Herausforderungen des demokratischen Taiwan

5. Zusammenfassung und Schlußbemerkungen

Anhang

Quellenverzeichnis

Den, der ja sagt zu Schicksal,

den führt es voran,

den Widerstrebenden aber schleift es mit.

- Seneca

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

- Michael Gorbatschow

1. Einführung

Gleich den Wogen einer stürmischen See zogen in der jüngeren Weltgeschichte mehrere Wellen der Demokratisierung über den Erdball hinweg. War Francis Fukuymas oft belächelte Prophezeiung über das ideologische Ende der Geschichte vielleicht übertrieben, so kann doch heute mit Recht zumindest vom scheinbaren Ende des Zeitalters der Autokratie und des Totalitarismus gesprochen werden.

Auch die Politikwissenschaft trug diesen bedeutenden Entwicklungen Rechnung. Spätestens seit Samuel P. Huntington im Jahre 1991 seine empirische Studie „The Third Wave“ vorlegte, hat die politikwissenschaftliche Forschung dem spannenden Thema der Systemtransformation zur Demokratie verstärkt ihre Aufmerksamkeit geschenkt.

Oft erregen jedoch die dramatischen politischen Umwälzungen in größeren Staaten, wie zum Beispiel das Abschütteln autokratisch-kommunistischer Herrschaft in der ehemaligen Sowjetunion oder in der früheren DDR, mehr Beachtung und Medieninteresse als entsprechende – nicht weniger erstaunliche – Transformationsprozesse in kleineren Ländern.

Ziel der vorliegenden Arbeit soll es sein, die Hintergründe und Besonderheiten der demokratischen Regimetransformation in Taiwan zu analysieren, einem kleinen südostasiatischen Inselstaat, der nach einer wechselvollen Geschichte zum Ende des 20. Jahrhundert in relativ kurzer Zeit einen in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten politischen – aber auch wirtschaftlichen und sozialen – Wandel durchlaufen hat.

Bei der Untersuchung der Hintergründe dieses Transformationsprozesses soll uns erkenntnisleitend die Frage beschäftigen, ob und in welchem Zusammenhang systemische, strukturelle, kulturelle und akteursbezogene Erklärungsansätze für den Zusammenbruch des autoritären Kuomintang-(KMT)-Regimes, für die Institutionalisierung und Konsolidierung der taiwanesischen Demokratie heranzuziehen sind.

Im folgenden Kapitel soll zunächst anhand eines kurzen Rückblicks die vordemokratische politische, wirtschaftliche und soziale Situation Taiwans unter der nationalchinesischen KMT-Herrschaft skizziert werden. Eine eingehende Analyse des Systemwechsels in Taiwan folgt im dritten Teil dieses Aufsatzes, in dem auf Merkmale, Hintergründe und derzeitigen Stand der Demokratisierungsprozesse einzugehen sein wird. Auch soll geklärt werden, inwieweit Taiwan heute bereits als eine konsolidierte Demokratie bezeichnet werden kann. Das vierte Kapitel befaßt sich mit den Chancen und Herausforderungen, denen sich Taiwan und seine noch junge Demokratie in den nächsten Jahren gegenübergestellt sehen wird. Das abschließende fünfte Kapitel will zugleich einen Überblick und eine Zusammenfassung der in dieser Arbeit behandelten thematischen Problem- und Fragestellungen ermöglichen.

2. Rückblick: das autokratische Einparteienregime der Kuomintang auf Taiwan

Taiwan, in seiner Größe in etwa Holland vergleichbar, kann zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf eine äußerst wechselvolle und stürmische jüngere Geschichte zurückblicken.

Nur wenige Jahre nach dem Ende 50-jähriger japanischer Kolonialherrschaft wurde die Insel 1949 durch das dramatische Finale des chinesischen Bürgerkrieges in den internationalen Blickpunkt gerückt. Als sich in jenem Jahr der Sieg der chinesischen Kommunisten unter Mao Zedong über die Nationalchinesen des Generalissimo Chiang Kai-shek abzeichnete, sah letzterer keinen anderen Ausweg als mit seiner etwa 2 Millionen starken Gefolgschaft auf der rund 160 Kilometer vom chinesischen Festland entfernten Insel Taiwan Zuflucht zu suchen.

Obwohl Chiang irrtümlicherweise davon überzeugt war, schon bald seine Herrschaft auf dem mainland wieder herstellen zu können, verlangten die augenblicklichen Gegebenheiten rasches Handeln. Es kann somit nicht überraschen, daß Chiang und seine Kuomintang auf Taiwan in der Folgezeit „ein äußerst stabiles und institutionell ausdifferenziertes autoritäres Regime“[1] errichteten, um über die nötigen Machtressourcen zur Abwehr der sich stellenden wirtschaftlichen und politischen Bedrohungen zu verfügen.

Wirtschaftlich erwiesen sich sowohl die ökonomische Randlage als auch die agrarische Struktur Taiwans als potentiell regimedestabilisierende Probleme. Politisch entstand der KMT eine ständige Bedrohung durch eine mögliche Invasion des kommunistischen China, das Taiwan lediglich als eine abtrünnige Provinz betrachtete, dessen rasche Wiederangliederung es mit allen Mitteln zu erreichen galt.

Durch den großen Pragmatismus und die weitsichtige Planung der technokratischen KMT-Eliten auf Taiwan konnten die ökonomischen Problemkomplexe des Landes, basierend auf einer erfolgreichen Landreform, in relativ kurzer Zeit behoben werden. Jährliche wirtschaftliche Wachstumsraten von 8-10% in den 1950er bis 80er Jahren, im wesentlichen Ergebnis einer erfolgreichen Industrialisierungspolitik und einer extrem exportorientierten Wirtschaft, bescherten Taiwan nahezu Vollbeschäftigung und nie gekannte Prosperität. Es handelte sich hierbei zudem um Wohlstand, der sich auf fast alle Bevölkerungsschichten verteilte. Der Economist resümiert: „the people of Taiwan were among the poorest in the world. Today, they are among the richest“.[2]

Unbestrittenen wirtschaftlichen Erfolgen (siehe Tabelle 1 im Anhang) standen jedoch politisch die Auswüchse eines autokratischen und quasi-leninistisch organisierten Einparteienregimes gegenüber, das den Taiwanesen die Ausübung von demokratischen Freiheits- und Wahlrechten versagte. Nur auf der lokalen Ebene wurden bereits seit den 1950er Jahren freie Wahlen gestattet, zu denen auch Nicht-KMT-Kandidaten zugelassen wurden. Auf der nationalen Ebene blieben die 1947 auf dem Festland demokratisch gewählten nationalchinesischen Volksvertreter auf unbestimmte Zeit an der Macht, da die KMT sie als alleinige legitime Vertretung der gesamtchinesischen Bevölkerung, die das Regime zu vertreten glaubte, ansah.

So sehr sich die KMT stets vom kommunistischen China abzugrenzen versuchte, so wurden dennoch bereits früh große Ähnlichkeiten zwischen dem autokratischen Regime Chiang Kai-sheks auf Taiwan und dem rotchinesischen Festlandsregime augenscheinlich. Die Zeitschrift Economist weist auf diese Parallelen in seinem Leitartikel aus dem Jahre 1992 mit den Worten hin: „for most of this century, the Kuomintang has resembled nothing so much as the Chinese Communist Party: same Leninist structures, same intolerance for dissent, same reverence for gerontocrats“.[3]

Abgesehen von den bereits angesprochenen offensichtlichen Wahlrechtseinschränkungen griff die Kuomintang auch auf weitere Repressionsmechanismen zurück, um Opposition gegen das Regime entweder gar nicht erst aufkommen zu lassen oder diese gleich im Keim zu ersticken. Hierzu zählten Einschränkungen bei der Presse- und Meinungsfreiheit, das Verbot von alternativen Parteigründungen, die Untersagung jeglichen Kontakts und jeder Reiseaktivitäten zwischen Taiwan und dem chinesischen Festland und die Beibehaltung des Kriegsrechts, das bereits seit 1949 galt. Die meisten Einschränkungen liberaler Freiheitsrechte wurden durch die „Aushöhlung der demokratischen Nanking-Verfassung von 1947 durch ein dichtes Geflecht an Ausnahme- und Notstandsbestimmungen“[4] durchgesetzt.

Eine allumfassende Kontrolle übte die KMT ebenso mittels ihrer Strategie des „inklusive[n] Staatskorporatismus“ aus, mit dem sie „die großen Kapitalverbände, Gewerkschaften und anderen funktionale[n] Repräsentationsorgane einer strikten und effektiven Kontrolle des Regimes unterstellte“.[5]

Der Einsatz der Wehrpflicht entsprang für die KMT zugleich aus gegebenen militärischen Notwendigkeiten als auch aus dem Interesse, bereits junge Generationen an die nationalistischen Staatswerte und -ziele Taiwans (insbesondere natürlich die Verteidigung des Staatsgebietes gegen die ständige kommunistische Bedrohung) zu binden.

Eine Gefahr für den monopolisierten Führungsanspruch der KMT entstand nicht nur vom Festland sondern auch aus der Zusammensetzung der Bevölkerung Taiwans, welche ein deutliches subethnisches cleavage zwischen der zahlenmäßigen Übermacht der auf Taiwan geborenen Chinesen (denen hier auch die Ureinwohner der Insel hinzuzuzählen sind) und den 1949 nach Taiwan geflüchteten Festlandchinesen aufwies. Zudem war Chiang Kai-sheks Regime bei vielen Einheimischen aufgrund eines Massakers, das seine Truppen 1947 auf der Insel angerichtet hatten, äußerst unbeliebt, sodaß „Taiwan´s ´Taiwanese´, some 85% of the population, still harbour bitter feelings towards Taiwan´s ´mainlanders´“.[6] Die KMT begegnete diesem Problem lange Zeit durch den weitgehenden Ausschluß einheimischer Taiwanesen von den wichtigen Schaltstellen in Partei, Bürokratie und Gesellschaft.

Da Chiang Kai-shek und seine Kuomintang-Partei auf Taiwan über keine durch allgemeine und freie Wahlen bestätigte demokratische Legitimität verfügten, berief sich das Regime substitutiv auf außerdemokratische ideologische, pragmatische und wirtschaftliche Legitimationsquellen. Neben den bereits erwähnten wirtschaftlichen Erfolgen, die das Regime für sich verbuchen konnte, vertrat – wie bereits oben angesprochen – die KMT den „Anspruch, die einzige legitime Regierung und völkerrechtliche Vertretung Gesamtchinas zu sein“.[7] Dieser mit den Jahren vollständig an den politischen Realitäten vorbeigehende Repräsentationsanspruch wurde sowohl unter der Führung von Chiang Kai-shek (1949-1975) als auch unter der seines Sohnes und Nachfolgers Chiang Ching-kuo vertreten (1975-1987).

Ideologisch zog das Regime Legitimität aus dem Rückgriff auf Dr. Sun Yat-sen, dem reformorientierten Begründer der KMT und der Republik China, die er 1912 kurzzeitig als Präsident anführte. Sun “was a true believer in multi-party democracy (whose) ideology for the KMT was encapsulated in 1923 in the ´Three Principles of the People´: namely Nationalism, Democracy, and the People’s Livelihood”.[8]

Eine nationalistische Ausrichtung und die Sorge um das Wohl des taiwanesischen Volkes konnte dem KMT-Regime in den Jahrzehnten nach der Flucht auf Taiwan wahrlich nicht abgesprochen werden. Lediglich das in Suns Katalog geforderte Element der Demokratie fand sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht in dem von Chiang Kai-shek errichteten taiwanesischen Staats- und Gemeinwesen.

Im Zuge der bereits angesprochenen dritten Demokratisierungswelle sollte sich jedoch auch Taiwan mit der Demokratie auseinandersetzen müssen. Die Umstände, unter denen Taiwan in den 1980er und 90er Jahren einen tiefgreifenden Systemwechsel durchlief, welcher zur Institutionalisierung der Demokratie auf der Insel führte, sollen Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein.

[...]


[1] Merkel, S. 321.

[2] Economist, S. 4.

[3] Economist, S. 5.

[4] Merkel, S. 313.

[5] ibid, S. 312.

[6] Economist, S. 5.

[7] Merkel, S. 312.

[8] Economist, S. 5.

Final del extracto de 21 páginas

Detalles

Título
Systemwechsel in Taiwan
Universidad
University of Freiburg  (Politische Wissenschaften)
Curso
Systemwechsel in Europa und Asien: Eine vergleichende Betrachtung
Calificación
1,3
Autor
Año
2001
Páginas
21
No. de catálogo
V36070
ISBN (Ebook)
9783638358088
Tamaño de fichero
827 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Systemwechsel, Taiwan, Systemwechsel, Europa, Asien, Eine, Betrachtung
Citar trabajo
Christian Jacobi (Autor), 2001, Systemwechsel in Taiwan, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36070

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