Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS). Diagnostik und Förderung im schulischen Alltag


Thèse de Bachelor, 2016

47 Pages, Note: 2,3

Eefke Peters (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

2 DER PROZESS DES ERWERBS VON LESEN UND SCHREIBEN
2.1 Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesen und Schreiben
2.2 Kognitive Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesen und Schreiben
2.3 Die metalinguistische Bewusstheit
2.3.1 Die phonologische Bewusstheit
2.4 Die Entwicklungsphasen des Schriftspracherwerbs
2.4.1 Die logographische Strategie
2.4.2 Die alphabetische Strategie
2.4.3 Die orthographische Strategie
2.4.4 Kritikám Entwicklungsphasenmodell des Schriftspracherwerbs

3 LESE- RECHTSCHREIBSCHWIERIGKEITEN BEIM ERWERB VON LESEN UND SCHREIBEN
3.1 Begriffsbestimmung
3.2 Die leistungsbezogene Definition

4 DIAGNOSTIK VON LESE- UND RECHTSCHREIBLEISTUNGEN
4.1 METHODEN DER FÖRDERDIAGNOSTIK
4.2 Beobachtung
4.3 Standardisierte Testverfahren
4.4 Überprüfung der Rechtschreibfähigkeit
4.4.1 Die Hamburger Schreib-Probe - HSP 1-9
4.4.2 Die Oldenburger Fehleranalyse - OLFA
4.5 Überprüfung der Lesefähigkeit
4.5.1 Knuspels Leseaufgaben - KNUSPEL-L
4.5.2 Ein Leseverständnistest für Erst- bis Sechstklässler - ELFE 1-6
4.5.3 Die Würzburger Leise Leseprobe - WLLP

5 FÖRDERMAßNAHMEN
5.1 FÖRDERUNG VON LESE- RECHTSCHREIBSCHWIERIGKEITEN
5.2 Erstellung eines Förderplans
5.3 Rechtschreibförderung
5.4 Leseförderung
5.5 Ein Trainingsprogramm zur Lese- und Rechtschreibförderung - Die lautgetreue

Lese- und Rechtschreibförderung

FAZIT

Literaturverzeichnis

Einleitung

Lesen und Schreiben ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit und wird in der Gesellschaft als eine Voraussetzung für die Teilhabe am Leben dieser erachtet. Daher zählt das Erlernen des Lesens und Schreibens in der Primarstufe als ein wesentliches Bildungsziel.[1]Unter Lesen wird hier nicht nur das Erkennen einzelner Worte verstanden, sondern vielmehr der Anspruch formuliert, sich Texte inhaltlich erschließen zu können. Ebenso gelten für die Rechtschreibung Ansprüche, die sowohl während der schulischen Laufbahn als auch im späteren Beruf von hoher Relevanz sind und damit Einfluss auf eine Vielzahl an Faktoren im gesellschaftlichen Leben haben.[2]Doch viele Kinder erleben bereits in der Primarstufe Schwierigkeiten beim Erwerb dieser Kompetenzen. Daraufhin fallen diese mit zunehmendem Alter durch Defizite im Lesen und Schreiben auf. Um solche Defizite zu schmälern oder ihr Zustandekommen möglichst vollständig zu unterbinden wird den Lehrkräften, besonders in der Primarstufe, eine große Aufgabe zuteil.[3]Welchen Inhalt diese Aufgabe hat, soll diese Arbeit näher beleuchten. Besonders wird darauf Bezug genommen, mit welchen Mitteln es den Lehrkräften gelingt Kinder zu erkennen, die Schwierigkeiten im Lesen und/oder Rechtschreiben aufweisen, um diese anschließend angemessen in ihrer Lernentwicklung zu unterstützen. Wie kann es Lehrkräften im schulischen Alltag gelingen, Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben zu diagnostizieren und anschließend zu fördern? Hierbei werden in der vorliegenden Arbeit verschiedene diagnostische Mittel herausgegriffen, die der daran anschließenden Erstellung von Förderkonzepten vorangehen sollen. Diese anschließende Erstellung von Förderkonzepten und die Mittel, die Lehrkräften hierfür zur Verfügung gestellt werden, sollen ebenfalls thematisiert werden.

Bevor die Diagnostik von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten näher erläutert wird, befasst sich die Arbeit zunächst mit dem Prozess des Erwerbs von Lesen und Schreiben. Dieses Kapitel soll dazu dienen, ein Verständnis über den Prozess zu erlangen, um die damit verbundenen Ansprüche an die Kinder besser verstehen und nachvollziehen zu können. Darauf folgt eine kurze Begriffsbestimmung und Definition von Lese- Rechtschreibschwierigkeiten. Deutlich herausgestellt wird an dieser Stelle die Schwierigkeit der Wahl des richtigen Begriffs für besondere Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben und die damit verbundene Vielfältigkeit der dazugehörigen Definitionen. Außerdem wird eine für diese Arbeit relevante Definition von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten formuliert. Die Förderdiagnostik schließt daran an. Sie gliedert sich in die Beobachtung von Kindern im schulischen Alltag und die Diagnostik mithilfe von standardisierten Testverfahren. Anschließend folgen mögliche Fördermaßnahmen. Diese werden eingeleitet mit allgemeinen Informationen zur Lese- und Rechtschreibförderung. Daran schließt ein Unterkapitel zur Erstellung von Förderplänen an. Folgend werden die Rechtschreib- und die Leseförderung getrennt voneinander genauer betrachtet. Den Abschluss des Kapitels bildet die Vorstellung eines Trainingsprogramms zur Förderung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Beendet wird die Arbeit mit einem Fazit, das die wichtigsten Erkenntnisse, insbesondere im Hinblick auf den Schwerpunkt dieser Arbeit, kurz darstellen soll. Eingeschlossen wird hier ein kleiner Ausblick, der Bezug auf die auf den folgenden Seiten implizierte Relevanz der vorliegenden Thematik für den schulischen Alltag nimmt.

2 Der Prozess des Erwerbs von Lesen und Schreiben

2.1 Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesen und Schreiben

Bevor im nachfolgenden Kapitel 2.2 die kognitiven Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesen und Schreiben näher erläutert werden, soll dieser Abschnitt einen kurzen Überblick über andere Faktoren geben, denen ebenfalls eine Rolle im Erwerbsprozess zukommt und derer sich diese Arbeit, trotz fehlender Vertiefung, bewusst ist. Neben allen Erkenntnissen dieser Arbeit sollten diese Einflussfaktoren ebenso Beachtung finden und nicht ausgeblendet werden bei der Beschäftigung mit Kindern mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben.

Der Schriftspracherwerb wird als ein Prozess verstanden, der dem des Spracherwerbs in seiner Struktur ähnelt. Ebenso wie beim Erwerb der Sprache wird auch der Erwerb der Schriftsprache durch bestimmte Faktoren beeinflusst.[4]Mit Bedacht wird an dieser Stelle nicht von Voraussetzungen für den Schriftspracherwerb gesprochen, da die hier angeführten Faktoren nicht in allen Fällen Ausschlag darüber geben, ob der Erwerbsprozess gelingt oder mit Schwierigkeiten verbunden ist. Trotzdem können diese Faktoren bei der Diagnostik bedeutsam sein, um die Schwierigkeiten eines jeweiligen Kindes besser nachzuvollziehen. Außerdem können sie unterstützend bei der Erstellung von Förderkonzepten wirken.[5]

Sozioökonomische und soziokulturelle Faktoren zeigten bereits in verschiedenen Studien Zusammenhänge zur schriftsprachlichen Leistung von Kindern. Dabei wird beispielsweise auf die Berufsklassen der Eltern eingegangen, ebenso auf den Besitz von Büchern in einem Haushalt und auf die innerfamiliäre Umwelt, in der die Kinder aufwachsen oder aufgewachsen sind.[6]Weitere Einflussfaktoren sind beispielsweise anatomische Voraussetzungen eines jeweiligen Kindes, visuelle oder auditive Wahrnehmungsfähigkeiten oder Besonderheiten im Verhalten.[7]Näher wird in dieser Arbeit auf diese Einflussfaktoren nicht eingegangen, da in der aktuellen Forschungsliteratur auf die Wichtigkeit der kognitiven Einflussfaktoren hingewiesen wird, die im Folgenden näher erläutert werden.[8]Des Weiteren kommt diesen im Praxisfeld der Schule die höchste Bedeutung zu und damit verfügen sie über den größten Bezug zur vorliegenden Arbeit.

2.2 Kognitive Einflussfaktoren auf den Erwerb von Lesen und Schreiben

Das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die phonologische Bewusstheit bilden nach heutigem Forschungsstand die wichtigsten Einflussfaktoren auf einen gelingenden Schriftspracherwerb, mit dem auch das Lernen des Lesens einhergeht.[9]Anders als beim Erwerb der mündlichen Sprache gelingt der Erwerb des Rechtschreibens und Lesens mit gezielten Instruktionen. Diese Instruktionen beziehen sich nicht auf die ersten Kontakte und Erfahrungen mit der Schriftsprache, welche die Kinder für gewöhnlich schon vor ihrem Schuleintritt sammeln.[10]Da die phonologische Bewusstheit in der Literatur überwiegend als die wichtigste kognitive Lernvoraussetzung für den Schriftspracherwerb betrachtet wird, erfolgt im Folgenden vorrangig eine Erläuterung der Bedeutung dieser. Auf die übergeordnete metalinguistische Bewusstheit wird kurz eingegangen, um die gegebenen Zusammenhänge ersichtlich darzustellen. Dieses Vorgehen lässt sich damit begründen, dass der phonologischen Bewusstheit eine Prognosekraft im Hinblick auf die Entwicklung des Schriftspracherwerbs zugesprochen wird. Kinder, die bereits im Vorschulalter über eine ausgeprägte phonologische Bewusstheit verfügen, leiden in den meisten Fällen unter keinen oder wenigen Schwierigkeiten während des Erwerbs der Schriftsprache.[11]

2.3 Die metalinguistische Bewusstheit

Die metalinguistische Bewusstheit setzt sich aus verschiedenen Einsichten zusammen. Dazu gehört unter anderem auch die phonologische Bewusstheit, die im nächsten Abschnitt wegen ihrer hohen Bedeutung gesondert betrachtet wird. Etwa ab dem fünften Lebensjahr beginnen Kinder sprachliche Vorgänge zu reflektieren. Dabei entsteht schrittweise die Wortbewusstheit, die sie dazu befähigt, Wörter als eigenständige Grundeinheiten wahrzunehmen. Kindern ist bei Schulbeginn häufig erst teilweise bewusst, dass Sätze aus einzelnen Wörtern bestehen, diese Einsicht bildet sich erst in einem Erwerbsprozess heraus. Weiterhin erlangen die Kinder eine syntaktische Bewusstheit. Mithilfe dieser gelingt ihnen das Umstellen von Sätzen, oder das Bilden von Sätzen mit vorgegebenen Wörtern mit der Zeit leichter. Die pragmatische Bewusstheit befähigt die Kinder dazu, sich mit der Verständlichkeit eines Textes oder einer Nachricht zu befassen.[12]

2.3.1 Die phonologische Bewusstheit

Unter der phonologischen Bewusstheit ist das Erkennen von Sprachsegmenten zu verstehen.[13]Dabei wird die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne und die phonologische Bewusstheit im engeren Sinne unterschieden. Die Definition im weiteren Sinne verlangt, dass ein Kind Reime erkennt, Silben segmentiert und diese daraufhin wieder korrekt zusammensetzen kann.[14]Damit ist beispielsweise die Zerlegung eines Wortes wie „Papa" in die Silben „Pa-pa" gemeint. Ebenso das Zusammensetzen von Silben, die Erkenntnis, dass die Silben „Pa" und „pa" das Wort „Papa" ergeben.[15]Im engeren Sinne wird die phonologische Bewusstheit so definiert, dass die Fähigkeit das Wort in seine lautlichen Bestandteile zu zerlegen vom Kind erworben wird. Dieser Prozess wird als Phonemanalyse bezeichnet.[16]Um am obigen Beispiel anzuknüpfen wird beim vorliegenden Wort die Erkennung des Anlautes vom Kind verlangt. Genauer bedeutet das, das Erkennen vom „P" beim Wort „Papa". Weiterführend soll die Phonemsynthese gelingen. Das heißt es wird die Einsicht gewonnen, dass „P", „a", „p" und „a" zusammengesetzt „Papa" ergeben. Wird über die phonologische Bewusstheit verfügt, ist es dem lernenden Kind möglich, die Sprache bewusster zu nutzen. Die Sprache wird manipulierbar für das Kind, da es die lautlichen Aspekte gezielt erkennt und diese daraufhin miteinander in Bezug setzen kann.[17]

Die phonologische Bewusstheit wird als wichtiger Einflussfaktor für einen gelingenden Verlauf des Erwerbs von Lesen und Schreiben angesehen. Für den Erwerb des Lesens ist diese Fähigkeit von hoher Bedeutung, um beim Lesen eines Wortes die verschriftlichten Grapheme in die dazugehörigen Phoneme umzuwandeln. Daraufhin findet die Zusammensetzung des Wortes im Kopf statt, was dem Kind die anschließende Versprachlichung dessen ermöglicht. Andersherum ist sie ebenfalls wichtig im Bezug auf den Erwerb des Schreibens. Die Phoneme müssen dabei im gesprochenen Wort zerlegt werden, damit sie mit den dazugehörigen Graphemen verschriftlicht werden können.[18]Diese Einsicht in die Sprache ist als eine wichtige Fähigkeit zu betrachten, sie sollte dabei von der Lehrperson keinesfalls als Selbstverständlichkeit bei Schuleintritt angesehen und abverlangt werden. Einige Kinder können diesen Entwicklungsschritt ohne Anstrengungen abschließen, während er von anderen Kindern einige Mühen fordert.[19]

2.4 Die Entwicklungsphasen des Schriftspracherwerbs

Die Entwicklungsphasen des Schriftspracherwerbs sind nicht exakt festzulegen, da diese auf der individuellen Entwicklung eines jeweiligen Kindes basieren. In den letzten Jahren hat sich eine Vielzahl von Didaktikern damit auseinandergesetzt, wie sich die Entwicklung trotzdem detailliert darstellen lässt. Die meisten dieser Entwicklungsverläufe ähneln sich in ihrer Struktur. Einer der Populärsten, von Uta Frith (1985), soll im Folgenden den in einem Modell dargestellten Verlauf des Schriftspracherwerbs genauer erläutern. Dieses Modell eignet sich für diese Arbeit, da Frith ein Modell entworfen hat, welches sich sowohl der Entwicklung des Rechtschreibens, als auch des Lesens widmet. Teilweise ist das Modell in den letzten fünfzehn Jahren von Gerheid Scheerer-Neumann um kleine Ausdifferenzierungen der Phasen ergänzt worden.[20]Es gilt als das Ausgangsmodell des Schriftspracherwerbs in Deutschland. Sowohl die diagnostische Arbeit, als auch die anschließende Ausarbeitung von Förderkonzepten lässt sich mithilfe des Modells einfacher gestalten. Die Entwicklungsphasen können einen Richtwert über den Grad der Schwierigkeiten eines Kindes markieren und ermöglichen der Lehrperson eine gezieltere Förderung.[21]

Das ursprüngliche Modell von Frith besteht aus den drei Hauptstrategien des Schriftspracherwerbs, die im Folgenden auch als Phasen betitelt werden. Begonnen wird mit der logographischen Strategie, darauf folgen die alphabetische Strategie und anschließend die orthographische Strategie.[22]Um aufzuzeigen, dass es sich bei den vorgestellten Strategien ausschließlich um ein Modell mit gewissen Grenzen handelt, endet das Kapitel mit einem kurzen Abschnitt mit kritischen Betrachtungen des vorliegenden Modells.[23]

2.4.1 Die logographische Strategie

Ein erstes Verständnis für die Schrift erlangen Kinder über die logographische Strategie, welche sich durch ein ausschließlich visuelles Verständnis der Kinder auszeichnet. Dabei erkennt das Kind Wörter anhand auffälliger visuell wahrnehmbarer Merkmale, wie beispielsweise bei ihm bekannten Werbe- oder Firmenlogos (Coca Cola, Sesamstraße).[24]Diese Merkmale prägt sich ein Kind ein, als würde es sich um ein Bild mit Buchstaben handeln, es kann dabei noch nicht auf eine vorhandene Buchstabenkenntnis zurückgreifen. Ebenso zeichnet sich das anfängliche Schreiben durch bereits bekannte, oder auswendig gelernte Buchstabenfolgen aus. Das kann der Name des Kindes oder ein anderes Wort sein, dem eine Bedeutung im Leben des Kindes zukommt.[25]Hierbei haben Buchstaben einen Signalcharakter, der die Worterkennung beeinflusst und vereinfacht. Wird diese Strategie nicht weitergeführt in eine nächste Strategie, führt sie die Kinder nicht besonders weit. Das visuelle Gedächtnis ist nach einer bestimmten Zeit ausgeschöpft und unbekannte Wörter können mit dieser Strategie nicht gelesen, oder verschriftlicht werden. Die Reproduktion eines Wortes erfolgt in seinem Ganzen, da die Fähigkeit den Lautcharakter von Buchstaben zu entschlüsseln an diesem Zeitpunkt noch nicht erlernt wird.[26]

2.4.2 Die alphabetische Strategie

Die alphabetische Strategie ist ein wichtiger und bedeutender Schritt im Schriftspracherwerb. Diese Entwicklungsphase ist von der Lehrkraft besonders gut zu beobachten, da Kinder mit besonderen Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb an dieser Stelle häufig das erste Mal auffällig werden. Die in dieser Phase, als wichtige Fähigkeiten für den weiteren Erwerb geltende Phonemanalyse und Phonemsynthese, gehen einher mit dem Erlangen der phonologischen Bewusstheit im engeren Sinne.[27]Dass das Erlangen dieser Bewusstheit einigen Kindern große Mühen abverlangt, wurde bereits im dafür vorgesehenen Kapitel näher erläutert. Bisher wahrgenommene Buchstabenbilder müssen in der Phase der alphabetischen Strategie umgewandelt werden zu aneinandergereihten Buchstaben, die verschiedene Laute repräsentieren.[28]Darauf folgt die Einsicht, dass mehrere dieser Laute ein Wort ergeben. Häufig beginnen Kinder zu raten, sobald sie beispielsweise den Anfangsbuchstaben eines Wortes erkennen. Erst später konzentrieren sie sich darauf, Worte einzellautlich zu erlesen. Bei Kindern mit einem bereits groß angelegten Wortschatz ist zu erkennen, dass die Bedeutung von Worten schneller erfasst wird. Viele Kinder lesen zu Beginn, ohne dabei die Bedeutung des Wortes beim Lesen erfassen zu können.[29]Dieses Aufschlüsseln der einzelnen Laute eines Wortes von links nach rechts wird als „phonetisches Rekodieren" bezeichnet.[30]

Das Schreiben in dieser Phase erfolgt zum ersten Mal lautorientiert. Diesbezüglich spielen orthographische Regeln zunächst keine Rolle.[31]Da die Kinder in dieser Phase erkannt haben, dass das Gesprochene durch die Schrift in Form von Buchstaben repräsentiert wird, können sie damit beginnen die eigene Artikulationen abzuhören. Auditiv wahrgenommene Laute können daraufhin verschriftlicht werden.[32]Dies setzt die Fähigkeit voraus, Laute auditiv wahrzunehmen, worauf in dieser Arbeit aufgrund der Schwerpunktauswahl nicht näher eingegangen wird.[33]Die Artikulation eines Wortes dient den Kindern als erste Orientierungshilfe für die Rechtschreibung. Daher spielen die Muttersprache, oder der Dialekt eines Kindes eine Rolle bei der Eigenproduktion von Worten im Schriftspracherwerb. Infolge der unterschiedlichen Aussprache von Kindern, werden die wahrgenommenen Laute häufig nicht konform zur deutschen Rechtschreibung zu Papier gebracht.[34]Die ersten Verschriftlichungen zeigen, dass Schreibanfänger nicht alle Laute eines Wortes sofort schriftlich wiedergeben. Häufig kommt es zu sogenannten konsonantischen Skelettschreibungen. Dabei wird beispielsweise für das Wort „Wolke" die Skelettschreibung „WK" von den Kindern verwendet. Vokale kommen in diesen Schreibungen seltener vor, da Konsonanten von Kindern in ihrer eigenen Artikulation verständlicher ausgesprochen werden.[35]Fehlschreibungen im Bezug auf die Reihenfolge der verschriftlichten Laute kommen im Vergleich zur logographischen Strategie seltener vor.[36]Im Laufe der Phase der alphabetischen Strategie verbessern die Kinder ihre Kenntnisse über die Phonem-Graphem-Zuordnungen und werden bereits durch das Üben zunehmend kompetenter beim Verschriftlichen von Worten.[37]Umgangsartikulationen wie beispielsweise „HUNT" für „Hund" gelingen den Kindern immer häufiger und gelten zunächst als richtig verschriftet und phonetisch vollständig.[38]Um die orthographischen Regeln einzuhalten, tendieren Kinder im Laufe der Phase zu Übergeneralisierungen. Durch das Bemühen, die phonetisch orientierte Schreibung durch die phonologisch orientierte Schreibung abzulösen kommt es dabei zum Beispiel zu Worten wie „OPER" für Opa, da das Kind sich zu diesem Zeitpunkt intensiver mit der Endung „-er" beschäftigt. Solche noch nicht orthographisch korrekten Schreibungen sind als positiv zu werten und können in dieser Phase einem Entwicklungsprozess zugeschrieben werden.[39]

Ähnlich wie das Schreiben, erfolgt das Lesen in dieser Phase noch sehr zögerlich. Wie bereits erwähnt müssen die Kinder die einzelnen Worte auflautieren und benötigen dafür teilweise noch viel Zeit. Dieser Vorgang, also ein Wort in die einzelnen Laute zu zerlegen, wird auch als Lautsynthese bezeichnet. Bei der ersten Aussprache ist jeder Laut im Wort hörbar, da die Kinder diese einzeln erlesen. Häufig erfolgt danach eine Korrektur durch eine zweite Aussprache, insofern das Wort bereits in seinem Sinn erfasst werden konnte.[40]

[...]


[1]vgl. Reber, 2009, S. 9

[2]vgl. Scheerer- Neumann, 2015, S. 11 f.

[3]vgl. Mayer, 2010, S. 7

[4]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 30

[5]vgl. Naegele, 2014, S. 31

[6]vgl. Scheerer-Neumann, 2015, S. 35 f.

[7]vgl. Reber, 2009, S. 28

[8]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 34

[9]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 34

[10]vgl. Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera, 2010, S. 23

[11]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 35

[12]vgl. Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera, 2010, S. 23 f.

[13]vgl. Klicpera, Schabmann & Gasteiger-Klicpera, 2010, S. 24

[14]vgl. Schründer- Lenzen, 2009, S. 34

[15]vgl. Steinbrink & Lachmann, 2014, S.20

[16]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 34

[17]vgl. Steinbrink & Lachmann, 2014, S. 20

[18]vgl. Steinbrink & Lachmann, 2014, S. 20

[19]vgl. Klicpera, Schabmann und Gasteiger-Klicpera, 2010, S. 24

[20]vgl. Füssenich & Löffler, 2005, S. 73 f.

[21]vgl. Günther, 2007, S. 23 f.

[22]vgl. Naegele, 2014, S. 61

[23]vgl. Hanert-Möller, 2007, S.31

[24]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 30

[25]vgl. Scheerer-Neumann, 2015, S. 59 f.

[26]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 31

[27]vgl. Naegele, 2014, S. 62

[28]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 31

[29]vgl. Naegele, 2014, S. 62

[30]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 31

[31]ebd.S. 31

[32]vgl. Naegele, 2014, S. 63

[33]vgl. Kapitel 2.1 dieser Arbeit

[34]vgl. Naegele, 2014, S. 63

[35]vgl. Scheerer-Neumann, 2015, S. 114

[36]vgl. Klicpera, Schabmann und Gasteiger-Klicpera, 2010, S. 36

[37]vgl. Scheerer-Neumann, 2015, S. 114

[38]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 31

[39]vgl. Füssenich & Löffler, 2005, S. 76

[40]vgl. Schründer-Lenzen, 2009, S. 32

Fin de l'extrait de 47 pages

Résumé des informations

Titre
Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS). Diagnostik und Förderung im schulischen Alltag
Université
University of Bremen
Note
2,3
Auteur
Année
2016
Pages
47
N° de catalogue
V364437
ISBN (ebook)
9783668443648
ISBN (Livre)
9783668443655
Taille d'un fichier
527 KB
Langue
allemand
Mots clés
LRS, Lese- Rechtschreibschwierigkeiten, Deutschdidaktik, Diagnostik, Förderung
Citation du texte
Eefke Peters (Auteur), 2016, Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS). Diagnostik und Förderung im schulischen Alltag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/364437

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