Heinrich der Löwe und die Stadt München. Eine Stadtgründung der besonderen Art


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

18 Seiten, Note: 1,3

B. R. (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Der Raum München vor der Stadtgründung
1.1 Archäologische Fundstellen im Münchner Raum
1.2 Die frühen Fern- und Handelswege

2 Eine Stadtgründung der besonderen Art - Der Rechtsstreit um München und Föhring
2.1 Der Streit zwischen Otto von Freising und Heinrich dem Löwen
2.2 Die gütliche Einigung statt einem Rechtsspruch - ein Sonderfall?
2.3 Der Streit zwischen Albert von Freising und Heinrich dem Löwen
2.4 Die Konsequenzen des Regensburger Urteils und die Frage: Wer ist im Recht gewesen?

3 Fazit

Literatur

Einleitung

Die Stadt München ist die Landeshauptstadt des Freistaates Bayern und die Heimat von ungefähr 1,5 Millionen Menschen.1 Nicht zu Unrecht gilt sie außerdem als eine der schönsten Städte weltweit. Die Lage ist geradezu malerisch. Mit der Isar, der Nähe zu vielen Seen, einen Katzensprung in die Berge oder den traumhaften Parks bietet München viele Optionen, welche die hohe Lebensqualität der Stadt unterstreichen. Die Gründung dieser schönen Metropole wird deshalb jedes Jahr gefeiert. Bereits zum 858. Mal war es auch dieses Jahr am 14. Juni 2016 wieder so weit. Das große Münchner Stadtgründungs- fest lockte zahlreiche Besucher an.2 Aber kennen die meisten dieser Besucher denn die historischen Hintergründe? Und von welcher Stadtgründung sprechen wir hier über- haupt?

Klar, die meisten Bürger sind schon einmal mit der geradezu mysteriösen Stadtgrün- dungsgeschichte in Kontakt gekommen. Die Geschichte der brennenden Brücke über die Isar bei Unterföhring ist besonders im Heimat und Sachkunde Unterricht ein Highlight in den Grundschulen. Die anschließende gewaltsame Verlegung des Marktes bei Oberföh- ring in den Raum den wir heute München nennen, klingt auch durchaus spannend. Viel- leicht spukt sogar noch der Name Heinrich der Löwe als Stadtgründer in so manchen Köpfen herum. Aber kann man diesen Akt wirklich Stadtgründung auffassen, oder steckt vielleicht mehr dahinter? Die Antwort auf diese rhetorische Frage liegt auf der Hand. Nein, das ist selbstverständlich nicht der Wahrheit ganzer Kern. Vielmehr haben wir es bei dem Datum, das die Mehrheit der Bürger als Stadtgründungsdatum kennt, mit dem Ausstellungstag eines Vergleichs zu tun, der gar nicht in München stattfand.

Augsburg ist sozusagen die Geburtsstätte der heutigen Landeshauptstadt. Und die Gründungsgeschichte lässt sich auch nicht mit einer einzigen Gewalthandlung erklären, sondern ist vielmehr ein komplizierter Rechtsstreit, der sich über Jahre hinzog. Denn eine zweite einschneidende Datierung, mit der wir bei der Gründungsgeschichte konfrontiert werden, ist der 13. Juli 1180. Die folgende Arbeit soll aufzeigen, welche Rolle der Welf Heinrich der Löwe bei der Stadtgründung gespielt hat und warum man mehr von einem Rechtsstreit, denn von einer „normalen“ Stadtgründung sprechen muss. Mit anderen Worten, warum München eine Stadtgründung der besonderen Art war.

1 Der Raum München vor der Stadtgründung

Das München wie wir es heute kennen, ist erst um 1158 entstanden. Doch selbstverständlich ist der Raum München schon viel älter und war auch bereits besiedelt. Der folgende Exkurs soll einen kurzen Überblick über die verkehrstopographische Lage liefern, um den in der Arbeit behandelten Raum kurz zu skizzieren und einzugrenzen.

1.1 Archäologische Fundstellen im Münchner Raum

Wie bereits eingangs erwähnt war der Münchener Raum schon weit vor 1158 besiedelt. Die Isar spielte dabei eine zentrale Rolle. Denn eine klassische Wasserstelle sichert die benötigte Wasserzufuhr und somit das Überleben. Sowohl links und rechts an ihren Fluss- läufen lassen sich deshalb früheste Siedlungsspuren erkennen. Auch im Tal des Hachin- ger Bachs, also östlich der Isar konnten Archäologen alte Siedlungen ausmachen. Dies lässt sich wohl auch damit erklären, dass dieser Teil zu einer wichtigen Wegverbindung gehörte. Vermutlich bereits seit der Bronzezeit führte dieser Weg vom südlichen Isartal über Siedlungen wie Unterhaching, Oberbiberg oder Perlach in nördliche Richtung bis zur Sempt. Ein Transportweg für die Erzgewinnung existierte wohl vom Salzburger Raum in die Mangfallgebiete und von dort aus weiter bis zur Sempt und Donau. Auch von den lokalen Wegverbindungen der Dörfer wie Grünwald, Harlaching oder Ismaning gibt es Funde.3

1.2 Die frühen Fern- und Handelswege

Zu den Römerzeiten kam es zu einer Ablösung der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Fernstraßen. Sie wurden ersetzt durch überregional bedeutende Ost-West-Verbindungen, die jedoch die frühen Siedlungen des heutigen Münchener Raumes nur noch selten kreuzten. Nach neueren Forschungen sollte jedoch auch das bisher gefestigte Bild von zwei Römerstraßen überarbeitet werden.4

Zusammenfassend kann man also festhalten, dass die Gebiete um München, während der Zeit des frühen Mittelalters, von alten Straßenverbindungen durchzogen waren, die sich in ihrem Bedeutungsgrad unterschieden5. Gerade die Fernverbindung von Salzburg nach

Augsburg änderte sich nach der Theorie von Klaus Schwarz 1158, da durch den vermeintlichen Münchner Brückenbau nun auch in dem forum apud munichen die Isar überquert werden konnte.6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Fundstellen in der Münchner Schotterebene bis zur frühen Bronzezeit.7

Wobei das genaue Datum des Brückenbaus in München nicht mehr eindeutig feststellbar ist, da in dem 1158 geschlossenen Vertrag lediglich von einer Aufhebung der Zollbrücke in Oberföhring die Rede ist, nicht jedoch von Brückenzollerträgen oder einer neuen Zollbrücke in München.8

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Mittelalterliche Fernstraßen und Römerstraßen im Münchner Raum9

Man kann also sagen, dass der Großraum München bereits seit dem 8. Jahrhundert getrost als „fiskalisch dicht besiedelt“ bezeichnet werden kann.10 Der Ort Munichen, die Früh- form unseres heutigen Münchens wird jedoch erst 1158 erwähnt. Die Jahreszahl stimmt also zumindest mit der allseits bekannten Geschichte überein. Dennoch zeigen uns die Funde dass es bereits weit vor dieser Erwähnung zahlreiche Siedlungen gab, die noch heute existieren und mittlerweile mit der Stadt München „verschmolzen“ sind, bezie- hungsweise als Stadtteile gelten. Es entstand also nicht zuerst die große Stadt und rund um sie herum einige Siedlungen, sondern die Entwicklung ging den umgekehrten Weg. Inwieweit es sich jedoch um eine tatsächliche Stadtgründung mit einem stolzen Stadt- gründer handelt, oder ob man eher von einem Rechtsstreit mit einer Stadt als Konsequenz sprechen muss, soll der folgende Hauptteil ergründen.

2 Eine Stadtgründung der besonderen Art - Der Rechtsstreit um Mün- chen und Föhring

Im Hauptteil dieser Arbeit soll nun untersucht werden, welche Quellen zur Stadtgründung wir heranziehen können, wie sich diese unterscheiden und was diese Stadtgründung von Heinrich dem Löwen so besonders macht. Grundlage hierfür bieten uns die 1158 und 1180 angefertigten Urkunden. Durch die Überlieferung der beiden Urkunden könnte man eine günstige Quellenlage erwarten. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Denn außer den beiden kaiserlichen Erlässen finden wir kein weiteres Material beziehungsweise Be- richte über die Vorgänge. Deshalb blieb der gängigen Forschung nichts anderes übrig als die vorliegenden Texte detailgenau zu analysieren und im zeitgenössischen Kontext zu interpretieren. Als Einstieg werden zunächst die Geschehnisse rund um das Jahr 1158 genauer beleuchtet.

2.1 Der Streit zwischen Otto von Freising und Heinrich dem Löwen 1158

In gewisser Art und Weise handelt sich bei den Streitigkeiten um eine Familienangele- genheit. Denn die beteiligten Protagonisten waren durch familiäre Banden miteinander verknüpft. Otto von Freising war Heinrichs Stief-Onkel. Denn Gertrud, die Mutter des Löwen, hatte sich in zweiter Ehe mit Heinrich, dem Bruder von Otto von Freising, ver- mählt. Doch damit nicht genug war auch der Richter, oder besser gesagt der Schlichter, Friedrich Barbarossa mit den beiden verwandt. Er war der Cousin von Heinrich dem Lö- wen und Otto war sein Onkel.11 Vielleicht wurde er auch deshalb als Schlichter oder Ver- mittler der beiden Parteien für geeignet befunden. Denn zum einen galt er durch die Be- ziehung zu beiden als nicht parteiisch, zum anderen verfügte er als kaiserliche Autorität über die nötigen Machtmittel um ein Urteil oder eine Einigung auszusprechen.

Der Inhalt des Streits war die gewaltsame Verlegung des Marktes bei Föhring in den neuen Markt München einhergehend mit der gewaltsamen Zerstörung der Isarbrücke bei Föhring. So kennt es zumindest der Laie. Interessanterweise verrät uns die erste Urkunde darüber herzlich wenig.

Zweifellos ist in dem Streit zwischen den beiden von einer controversia die Rede.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Urkunde von 115812

Wie Roman Deutinger richtig feststellt, es aber auch für jeden klar erkennbar ist, wird zwar von einem Streit gesprochen, wie lange die Fehde zurückreicht, ob Gewalt einge- setzt wurde oder in welcher Form sie sich geäußert hat, wird aber nicht erwähnt.13

Beschrieben wird stattdessen auf welche Weise man den Konflikt schließlich beilegen konnte, nämlich durch eine conventio. Damit ist ein Vertrag der beiden Konfliktpartner gemeint, der außerdem die Einzelregelungen der Nutzung von Zoll und Münze festlegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Urkunde 1158

Da der Vertrag also in beidseitiger Übereinkunft geschlossen worden ist, kann man nicht davon ausgehen dass Kaiser Friedrich Barbarossa die Entscheidung im Alleingang gefällt hat. Er wird sie wohl mit in die Wege geleitet haben, schreibt jedoch sich und den übrigen anwesenden Fürsten auf dem Augsburger Hoftag nur eine passive sprich die bloße Anwesenheit zu, wie Abbildung 5 belegt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Urkunde 1158

Deutinger stellt zwar die These auf, dass Kaiser Friedrich stärker in die Verhandlungen involviert war als es uns die Quellen aufzeigen, jedoch sieht auch er in ihm keinen Rich- ter, ja noch nicht einmal einen Schiedsrichter. Vielmehr schreibt er ihm die Rolle eines Vermittlers zu, der seinen beiden Verwandten mögliche Lösungsvorschläge für einen Kompromiss unterbreitet hat.14 Zu der Übereinkunft, also einer conventio kommt es aber immer erst durch die Vereinbarung von zwei Parteien. In diesem Fall handelt sich also um einen Vertragsschluss zwischen Bischof Otto von Freising und Herzog Heinrich dem Löwen, der somit die Ansicht, es handelt sich bei der Urkunde um einen Rechtsspruch des Kaiser, ausschließt. Deutinger sieht deshalb auch die allseits bekannte Bezeichnung Augsburger Schied15 als nicht korrekt beziehungsweise irreführend an, und spricht des- halb bevorzugt von einem Vergleich.16 Des Weiteren deckt die genaue Analyse auf, dass es sich bei der Urkunde nicht um eine kaiserliche Entscheidung handelt, da die Vertrags- bedingungen nicht in der Disposito, sondern in Narratio aufgeführt werden. Eine kaiser- liche Verpflichtung findet man also nur in der Verpflichtung der Einhaltung des Vertrags der beiden Parteien, der auch über den Tod der Vertragspartner hinaus Bestand haben soll. Friedrich fungiert also lediglich als Garant für die Einhaltung.17

Damit ein Vertrag zustande kommt muss er von beiden Parteien unterzeichnet werden. Das ist hier geschehen. Man kann also davon ausgehen, dass sowohl Bischof Otto von Freising, als auch der Welfenherzog Heinrich der Löwe mit dem Vertragsinhalt einver- standen war. Somit kann man bei der Einzeluntersuchung dieser Urkunde weder davon ausgehen, dass Friedrich Untaten von Heinrich gedeckt hat, noch mit Sicherheit sagen dass die neue Regelung den Freisinger Bischof in irgendeiner Weise benachteiligt hat.

Zusammenfassend lässt sich also sagen dass der Augsburger Vergleich kein kaiserliches Urteil war, sondern vielmehr eine gütliche Einigung zwischen zwei miteinander verwand- ten Parteien. Bemerkenswert ist natürlich, dass diese Urkunde als Münchener Gründungs- urkunde gilt, obwohl in keinster Weise von einer Stadtgründung gesprochen wird. Der Name der heutigen Landeshauptstadt wird eigentlich nur nebenbei erstmals schriftlich erwähnt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Urkunde 1158

[...]


1 https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtinfos/Statistik/Bev-lkerung.html (aufgerufen am 10.08.16).

2 http://www.muenchen.de/veranstaltungen/event/8060.html (aufgerufen am 10.08.16).

3 Behrer, Christian: Das unterirdische München. Stadtkernarchäologie in der bayerischen Landeshauptstadt. München 2001, S. 22-23.

4 Vgl. ebd., S. 18.

5 Rädlinger, Christine: Münchens verkehrstopographische Lage. Verkehrswege und Isarübergänge in der Frühzeit. In: Hubertus Seibert/Alois Schmid: München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven. München 2008, S. 27-60, hier S. 28.

6 Rädlinger: Münchens verkehrstopologische Lage, S. 35.

7 Behrer, Christian: Münchens Frühzeit. Neueste Ergebnisse der Stadtarchäologie. In: Hubertus Seibert/Alois Schmid: München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven. München 2008, S. 3-26, hier S. 18.

8 Rädlinger: Münchens verkehrstopologische Lage, S. 46-47.

9 Rädlinger: Münchens verkehrstopologische Lage, S. 54-55.

10 Maier, Lorenz: Vom Markt zur Stadt - Herrschaftsinhaber und Führungsschichten 1158 bis 1294. In: Richard Bauer (Hrsg.): Geschichte der Stadt München. München 1992, S. 19.

11 Schneidmüller, Bernd: Die Welfen. Herrschaft und Erinnerung (819-1252). Stuttgart u. A. 2000, S. 182- 183.

12 MGH D F I. 218, (online abrufbar unter http://www.dmgh.de/de/fs1/object/dis- play/bsb00000456_00379.html?sortIndex=030%3A040%3A0010%3A010%3A01%3A00&zoom=0.75, zuletzt aufgerufen am 20.08.16). Aus Platzgründen werden nachfolgend die Abbildungen mit Urkunde 1158 skizziert, die Abrufadresse und Quelle bleibt gleich.

13 Deutinger, Roman: Conventio und sententia principum. Der Rechtsstreit um München und Föhring 1158 und 1180. In: Hubertus Seibert/Alois Schmid: München, Bayern und das Reich im 12. und 13. Jahrhundert. Lokale Befunde und überregionale Perspektiven. München 2008, S.125-140, hier S. 126.

14 Deutinger: Der Rechtsstreit, S. 127.

15 Stahleder, Helmut: Herzogs- und Bürgerstadt. Die Jahre 1157-1505. In: Richard Bauer/Stadtarchiv München (Hrsg.): Chronik der Stadt München. Bd. 1, München 1995, S. 9.

16 Vgl. Deutinger: Der Rechtsstreit, S. 127.

17 Vgl. Ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Heinrich der Löwe und die Stadt München. Eine Stadtgründung der besonderen Art
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V364521
ISBN (eBook)
9783668438088
ISBN (Buch)
9783668438095
Dateigröße
2106 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
heinrich, löwe, stadt, münchen, eine, stadtgründung
Arbeit zitieren
B. R. (Autor:in), 2016, Heinrich der Löwe und die Stadt München. Eine Stadtgründung der besonderen Art, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/364521

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