Der Richtervorbehalt - Umsetzung bei Maßnahmen nach Polizeirecht und Strafprozessrecht


Seminararbeit, 2005

26 Seiten, Note: 12


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Richtervorbehalt
2.1. Was versteht man unter dem Begriff „Richtervorbehalt“?
2.2. Behördenleitervorbehalt
2.3. Arten der Richtervorbehalte
2.3.1. Verfassungs- und einfachgesetzliche Richtervorbehalte
2.3.2. Primäre und sekundäre Richtervorbehalte

3. Rechtsprechung im Hinblick auf Richtervorbehalte
3.1. Urteil vom 20.02.2001 zu Art. 13 II GG
3.1.1. Sachverhalt
3.1.2. Leitsätze zur Entscheidung des BVerfG
3.2. Beschluss vom 15.05.2002 zu Art. 104 II GG
3.2.1. Sachverhalt
3.2.2. Leitsätze zur Entscheidung des BVerfG

4. Umsetzung des Richtervorbehaltes
4.1. Relevante Vorschriften
4.2. Wohnungsdurchsuchung gem. Art. 13 II GG
4.2.1. Anordnungskompetenzen
4.2.2. Gefahr im Verzug
4.2.3. Rolle der Exekutive
4.2.4. Vollstreckungsfristen
4.2.5. Übertragung der Entscheidung vom 20.02.2001 auf andere Richtervorbehalte?
4.2.6. Verwertungsverbot
4.3. Freiheitsentziehungen gem. Art. 104 II GG
4.3.1. Begriff der Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung
4.3.2. Gefahr im Verzug
4.3.3. Nachträgliche richterliche Entscheidung
4.4. Richtervorbehalt im Zusammenhang mit
Telefonüberwachungsmaßnahmen
4.4.1. Zustandekommen des Berichts
4.4.2. Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung
4.4.3. Rolleneinschätzung der Beteiligten
4.4.4. Fazit des Berichts
4.5. DNA-Analysen unter Richtervorbehalt
4.5.1. Der „gläserne“ Mensch?
4.5.2. Gleichsetzung der DNA-Maßnahmen mit § 81 b StPO
4.5.3. Freiwilligkeitserklärung der DNA-Abgabe
4.5.4. Justizministerkonferenz und die Strafrechtskommission des Deutschen Richterbundes
4.5.5. Fazit
4.5.6. Gesetzesinitiative von CDU/CSU
4.6. Anderweitige allgemeine Problembereiche
4.6.1. Der „unwillige“ Bereitschaftsrichter
4.6.2. Erreichbarkeit des Richters
4.6.3. Prüfung des Sachverhalts und Anordnung einer Maßnahme durch den Richter

5. Lösungsansätze
5.1. Zentraler Ermittlungsrichter
5.2. Verbesserte Geschäftsverteilung bei den Gerichten
5.3. Berichtspflichten auf Bezirksebene
5.4. Schlusswort / Stellungnahme des Verfassers

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit den Grundzügen des Rechtsinstituts „Richtervorbehalt“. Der Richtervorbehalt wird an sich kurz vorgestellt, in ver­schiedene Arten unterteilt und in einem weiteren Schritt der Praxisbezug herge­stellt. Viele Maßnahmen – sowohl polizeirechtlicher als auch strafrechtlicher Art – unterliegen einem Richtervorbehalt. Vier Maßnahmen, welche in der nahen Vergangenheit Schlagzeilen machten und gleichzeitig Alltagsgeschäft der ent­sprechenden Behörden sind, sollen erläutert werden. Ferner wird dargestellt, wel­che Probleme mit den entsprechenden Maßnahmen einhergehen und welche Möglichkeiten bestehen könnten, diesen Problemen Herr zu werden. Wird das Polizeigesetz angesprochen, so handelt es sich um das des Landes NRW.

2. Der Richtervorbehalt

2.1. Was versteht man unter dem Begriff „Richtervorbehalt“?

Richtervorbehalt bedeutet zunächst nichts anderes, als dass bestimmte Maßnah­men, die ihre Grundlage überwiegend in den Polizeigesetzen der Länder (PolG), in der Strafprozessordnung (StPO) und im Grundgesetz (GG) finden, zur Anord­nung einem Richter vorbehalten sind.

Richtervorbehalte sind seit ca. 120 Jahren in der StPO, seit ca. 20 Jahren in den Poli­zeigesetzen und seit rund 50 Jahren im GG zu finden.[1]

Durch den Richtervorbehalt sollen die Betroffenen bei missbrauchs­anfälli­gen und schwerwiegenden Maßnahmen, die regelmäßig bevor­stehen oder noch andauern[2], einen besonderen Grundrechtsschutz genießen. Dieser wird dadurch gewährleis­tet, da der Richter als unab­hängige und neutrale Kon­trollinstanz[3] völlig wertfrei die durch die Strafverfolgungsbehörden be­an­tragte Maßnahme bewerten und so­dann entweder anordnen oder ab­lehnen kann. Dies hat auch das Bundes­verfas­sungsgericht (BVerfG) in ei­ner seiner Entscheidungen deutlich gemacht.[4] Gerade auch weil bei den meisten Grund­rechtsein­griffen mit Richtervorbehalt der Betrof­fene von der beab­sichtigten Maßnahme vorher keine Kenntnis erlangt, stellt der Richtervor­behalt einen kompensatorischen Ersatz im Hinblick auf fehlen­des rechtli­ches Gehör dar.[5] Auf rechtliches Gehör hat vor Gericht gem. Art. 103 I GG im Regelfall je­der­mann Anspruch.

2.2. Behördenleitervorbehalt

Zur Abgrenzung an den Richtervorbehalt sei kurz erwähnt, dass bestimmte Maß­nahmen in Polizeigesetzen auch einem sogenannten Behördenleitervorbehalt unterliegen. In diesem Falle gibt es Vorschriften im Gesetz, die dem Behördenleiter entweder die allei­nige Kompetenz zur Anordnung einer Maßnahme über­tragen (z.B. § 16 II PolG zur längerfristigen Observation) oder auch dass ein Antrag an den Richter nur durch den Behördenleiter vorgenommen werden darf (z.B. § 31 IV PolG zur Ras­terfahndung).

2.3. Arten der Richtervorbehalte

2.3.1. Verfassungs- und einfachgesetzliche Richtervorbehalte

Grundsätzlich lassen sich die Richtervorbehalte zunächst in jene von ver­fassungs­rechtlicher und einfachgesetzlicher Art unterteilen.[6] Ver­fassungs­rechtliche Richter­vorbehalte, wie der Name schon sagt, ergeben sich aus dem GG selbst und schlagen sich in den Artikeln 13 II, III – V, 104 II nie­der. Richtervorbehalte ein­fachgesetzlicher Art sind durch das gängige Ge­setz­gebungsverfahren in die Ge­setze des Bundes und der Länder ein­geflossen (StPO, PolG u.a.).

2.3.2. Primäre und sekundäre Richtervorbehalte

Eine weitere Unterteilung lässt sich in die Sparte der primären und sekun­dären Richtervorbehalte vornehmen.

So sind primäre Richtervorbehalte diejenigen, bei der der Richter ent­schei­det, bevor eine entsprechende Maßnahme vollzogen wird und sekundäre solche, bei der eine Mitwirkung des Richters nach einer getroffenen Maß­nahme durch die Strafverfolgungsbehörden stattfin­det.[7]

Auch diese lassen sich weiter aufschlüsseln. So gehören zu den primären Richter­vorbehalten die ausschließlichen Richtervorbehalte, bei denen der Richter ohne Ausnahme für die Anordnung der Maßnahme zuständig ist (z.B. § 98 I 2 StPO zur Beschlagnahme in Räumen von Verlagen etc.), sowie der Richtervorbehalt mit Ausnahmekompetenz im Eilfall (z.B. § 105 I StPO zur Durchsuchung und Gefahr im Verzug), der Richtervorbehalt mit Delegationsbefug­nis (z.B. § 100 III StPO zur Postbeschlagnahme) und die richterliche Zustimmung (z.B. § 110 b II 1 StPO zum Einsatz verdeckter Ermittler), die auf die besondere An­tragsabhängigkeit der richterlichen Ent­scheidung hinweist.[8]

Zu den sekundären Richtervorbehalten gehören die richterliche Bestäti­gung nach erfolgter Eilmaßnahme (z.B. § 98 II StPO zur Beschlagnahme), die Verlänge­rung einer bestehen­den Maßnahme (§ 28 III BGSG zur Observation u.a.) und wiederum die nachträgliche richterliche Zu­stimmung (§ 110 b II 4 StPO zum Einsatz verdeckter Ermittler).[9]

Diese grobe Gliederung über die Bedeutung des Richtervorbehalts und des­sen Einteilung in verschiedene Arten soll an dieser Stelle zur Verschaf­fung eines Überblicks über dieses Rechtsinstitut genügen.

3. Rechtsprechung im Hinblick auf Richtervorbehalte

Der Richtervorbehalt war in der längeren Vergangenheit eher weniger Diskussio­nen ausge­setzt und in Frage gestellt worden. Jedoch hatte dies durch Urteile des BVerfG eine Wende genommen und es wurde von Rechtsprechungs­seite einiges im Hin­blick auf den Richtervorbehalt hervorgehoben und klarge­stellt.

Zwei bedeutende Urteile sollen an dieser Stelle zunächst mit den Sach­verhalts­schilde­rungen sowie den veröf­fent­lichten Leitsätzen der Entscheidungen darge­stellt werden.

3.1. Urteil vom 20.02.2001 zu Art. 13 II GG

3.1.1. Sachverhalt

„Eine Dienststelle der Polizei hatte im Zuge von Ermittlungen in anderer Sa­che den Verdacht geschöpft, einer ihrer Kollegen könne Dienstgeheim­nisse verletzt haben und korrupt sein. Sie setzte die zuständige Staatsan­waltschaft davon in Kenntnis, welche eine richterliche Vernehmung der Belastungs­zeugin veranlasste. Die Vernehmung fand schon 50 Minuten nach der Be­antragung statt. Aus organi­satorischen Gründen übernahm eine andere Dienststelle der Polizei die weiteren polizeilichen Ermittlungen. Diese hielt es am Folgetag für erforderlich, bei dem verdächtigen Polizei­beamten un­verzüglich zu durchsuchen, weil anzunehmen sei, dass sich beweiserhebli­che Daten auf dessen PC befänden und jederzeit gelöscht werden könnten. Nach telefonischer Rücksprache ordnete die Staatsan­waltschaft in dieser Lage gegen Mittag die Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug an. Sie wurde noch am selben Tag durchgeführt und verlief er­gebnislos. Der Be­schul­digte wandte sich nachträglich an Amts- und Land­gericht, welche die Durchsu­chung nicht für rechtswidrig erklärten. Das zu­ständige Landgericht führte in sei­ner Entscheidung aus, dass es die An­nahme von Gefahr im Verzug nicht überprü­fen werde. Darüber hätten aus­schließlich und endgül­tig die Ermittlungsorgane zu befinden.“[11] [10]

3.1.2. Leitsätze zur Entscheidung des BVerfG

1. a) Der Begriff „Gefahr im Verzug“ in Art. 13 Abs. 2 GG ist eng auszule­gen; die richterliche Anordnung einer Durchsuchung ist die Regel, die nichtrichterliche die Ausnahme.
b) „Gefahr im Verzug“ muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzel­fall bezogen sind. Reine Spekulationen, hypothetische Er­wägungen oder lediglich auf kriminalistische Alltagserfahrung ge­stützte, fallunab­hängige Vermutungen reichen nicht aus.
2. Gerichte und Strafverfolgungsbehörden haben im Rahmen des Mögli­chen tat­sächliche und rechtliche Vorkehrungen zu treffen, damit die in der Ver­fassung vorgesehene Regelzuständigkeit des Richters auch in der Masse der Alltagsfälle gewahrt bleibt.
3. a) Auslegung und Anwendung des Begriffs „Gefahr im Verzug“ unterlie­gen einer unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die Gerichte sind aller­dings gehalten, der besonderen Entscheidungssituation der nichtrichterli­chen Organe mit ihren situa­tionsbedingten Grenzen von Erkenntnismög­lichkeiten Rechnung zu tragen.
b) Eine wirksame gerichtliche Nachprüfung der Annahme von „Gefahr im Ver­zug“ setzt voraus, dass sowohl das Ergebnis als auch die Grundlagen der Ent­scheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammen­hang mit der Durchsuchungs­maßnahme in den Ermittlungsakten dar­gelegt werden.

3.2. Beschluss vom 15.05.2002 zu Art. 104 II GG

3.2.1. Sachverhalt

„Der Betroffene war unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundes­republik Deutschland ausgewiesen, außerdem war ihm die Abschie­bung ange­droht worden, falls er die Bundesrepublik Deutschland nicht bis zum 31.12.1998 verlassen haben sollte. Zwei Polizeibeamte brachten ihn am Nachmittag des 20.01.1999 auf ihre Dienststelle, weil sie seine Inge­wahrsamnahme zur Sicherung der für den nächsten Morgen ge­planten Ab­schiebung als notwendig ansahen. Sie versuchten gegen 16 Uhr – vergeb­lich – beim Amtsgericht einen Haftrichter zu erreichen. Der Be­troffene wurde bis gegen drei Uhr des folgenden Tages in Poli­zeigewahr­sam fest­gehalten, dann dem Bundesgrenzschutz übergeben und gegen 7:30 Uhr nach Gambia abgeschoben. Seinen Antrag, festzustellen, dass seine Fest­nahme und die daran anschließende Ingewahrsamnahme ohne richter­liche Bestätigung rechtswidrig gewesen seien, wies das Amtsgericht zu­rück. Die sofor­tige Beschwerde sowie die sofortige weitere Beschwerde blieben er­folglos. Der Verfassungsbeschwerde gab das BVerfG statt.“[13] [12]

[...]


[1] vgl. Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA 2002, 11, 637, 637, 638

[2] vgl. Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA 2002, 11, 637, 638, 639

[3] Art. 97 I GG

[4] BVerfG, Az. 2 BvR 1444/00 vom 20. Februar 2001, Abs. 27, http//www.bverfg.de

[5] Kintzi, Heinrich: Die Tätigkeit des Ermittlungsrichters im Ermittlungsverfahren und Richtervorbehalt. In: DRiZ 2004, 3, 83, 83

[6] Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA, 11, 2002, 637, 639, 641

[7] Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA, 11, 2002, 637, 643, 644

[8] Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA, 11, 2002, 637, 643

[9] vgl. Rabe von Kühlewein, Malte: Normative Grundlagen der Richtervorbehalte.

In: GA, 11, 2002, 637, 643

[10] BVerfGE 103, 142 ff.; altern. veröffentlicht auf http://www.bverfg.de

[11] König, Josef: Richtervorbehalt im Strafverfahrens- und Polizeirecht. In: Kriminalistik 2003, 8-9, 513, 513

[12] BVerfGE 105, 239 ff.; altern. veröffentlicht auf http://www.bverfg.de

[13] König, Josef: Richtervorbehalt im Strafverfahrens- und Polizeirecht. In: Kriminalistik 2003, 8-9, 513, 514

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Der Richtervorbehalt - Umsetzung bei Maßnahmen nach Polizeirecht und Strafprozessrecht
Hochschule
Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen; Köln
Note
12
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V36464
ISBN (eBook)
9783638360814
ISBN (Buch)
9783638940429
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Richtervorbehalt, Umsetzung, Maßnahmen, Polizeirecht, Strafprozessrecht
Arbeit zitieren
Michael Schäfer (Autor:in), 2005, Der Richtervorbehalt - Umsetzung bei Maßnahmen nach Polizeirecht und Strafprozessrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36464

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