Leseprobe
Gliederung
1.Einleitung
2.Definition Subkultur und Zusammenhang Videospiele
3.Entwicklung der Sicht auf Videospiele und ihre Spieler
3.1. Beginn und erste Perspektiven S.7-13
3.2. Weiterentwicklung der Sichtweisen bis heute S.13-17
3.3. Stand und Ausblick
4. Betrachtung des Genderaspekts
5. Fazit
6. Literatur
1.Einleitung
"Wenn Eltern ihre Kinder mit halb-geöffnetem Mund vor dem Rechner sitzen sehen und die Kleinen auf keinerlei Zuruf reagieren, ballern sie wahrscheinlich gerade im Netz die Nachbarjungen über den Haufen". 1
Diese Meinung/ Beobachtung in einem Zitat über ein Ego-Shooter Computerspiel aus dem Jahr 2000 könnte auch heute im Jahr 2015, ca. 15 Jahre nachdem diese Aussage getätigt wurde und rund 35 Jahre nach der Veröffentlichung der ersten Video,- oder wie sie in der Anfangszeit genannt wurden Telespiele, in großen Teilen der Gesellschaft immer noch vorrangig sein und würde wahrscheinlich große Zustimmung finden. Computer/Videospiele haben seit ihrer „Erfindung“ oder seit dem Zeitpunkt, zu dem sie massentauglich wurden, einen Prozess durchgemacht, den sicher jeder von Menschen erfundene Gegenstand hinter sich hat oder hatte, die Frage nämlich, ob das Produkt von der breiten Masse akzeptiert wird oder ob es keinen großen Erfolg haben und schnell wieder verschwinden wird oder folglich ein mögliches Nischendasein fristet. Will man ein Resultat dazu finden, ob Videospiele in diesem Prozess akzeptiert wurden, kann man zu der Erkenntnis kommen, dass Videospiele zwar akzeptiert worden sind, aber wie man an dem Zitat zu Beginn meiner Arbeit erkennen kann, meist negativ bewertet werden, denn allgemein stehen sie für unsinnige Beschäftigung im Sinne von vergeudeter Lebenszeit, übertriebener Gewaltdarstellung und emotionaler Abstumpfung. Positive Meinungen oder Einschätzungen zu Videospielen sind hingegen, selbst heutzutage,noch eher selten oder gar nicht zu finden, wobei man auch definieren müsste,was der Begriff „positiv“ im Zusammenhang mit Videospielen bedeuten könnte. In Verbindung mit dem Gegenstand der Videospielkonsole oder des PCs2, stehen die Personen, die diesen verwenden, im Mittelpunkt. Menschen, die sich mit einem Gegenstand auseinandersetzen und/oder diesen konsumieren, werden immer mit bestimmten Eigenschaften beschrieben und kategorisiert. Durch solche Kategorisierungen können bestimmte Gruppierungen oder Subkulturen entstehen, was bedeutet, dass Spieler von Videospielen somit Angehörige einer Subkultur sein könnten, der Subkultur der Videospiele. Diese Annahme ist für meine Arbeit essenziell, da ich davon ausgehe das ein bestimmter Teil der Gesellschaft, vorrangig männliche Jugendliche, durch einen Gegenstand definiert werden und ihnen dadurch bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden. Doch ist dies wirklich der Fall? Hat, provokant gefragt, ein Gegenstand eine eigene Subkultur geschaffen und seine Konsumenten „gesellschaftlich“ geprägt und in eine Subkultur gedrängt? Beispiele für Subkulturen, die maßgeblich von einem Gegenstand geprägt sind, ist die Motorradszene und deren Anhänger oder auch der Bereich der Tupperware, bei denen zu Beginn zumindest noch das Objekt selbst im Mittelpunkt stand und den „Anhängern“ bestimmte Eigenschaften zugeschrieben wurden.
Ist diese Subkultur auf freiwilliger Basis entstanden oder hat die breite Masse eine Ausgrenzung vorgenommen und wie wird diese Kultur, sowohl von sich selbst als auch von anderen Außenstehenden gesehen? Welche Art von Personen fühlen sich als Anhänger oder Mitglieder dieser Kultur, welche Eigenschaften werden ihnen zugeschrieben und wann gehört man dazu und wann nicht mehr? Gibt es eine Altersbegrenzung oder vielleicht sogar andere Begrenzungen, die beispielsweise bestimmten Klassen oder ethnischen Gruppen oder anderen Geschlechtern den Zutritt verwehrt? Diese Arbeit mit dem Titel „Videospiele und ihre Spieler. Sichtweisen, Probleme und Entwicklungen seit Mitte der 1980-er Jahre - Mit Schwierigkeiten von Subkultur zum Mainstream?“ soll nun den verschiedenen Aspekten rund um die „Kultur“ der Videospiele Beachtung schenken. Zuerst einmal wird, gestützt durch die Annahme, dass sich rund um das Thema Videospiele eine eigene Subkultur gebildet hat, der Begriff der Subkultur erklärt. Dies ist insofern wichtig, als dass eine Subkultur bestimmte Merkmale aufweist und sich durch bestimmte Sachverhalte von der „Mainstream“ Kultur abhebt. Es wird zu klären sein, inwiefern diese Merkmale auf die hier beschriebene Kultur zutreffen. Danach, zu Beginn des Hauptteils der Arbeit, wird die Entwicklung der Sichtweise auf die Videospiele und seine Spieler beleuchtet, diese Betrachtung findet chronologisch, angefangen mit den Beginnen der ersten kommerziell erfolgreichen Videospiele statt und hat Literatur aus den (späten) 1980er im Zentrum seiner Betrachtungen. Darauffolgend wird die weitere Entwicklung der Sichtweise auf das Medium bis heute hin zu einer „Zukunft der Spiele“ betrachtet, sowie der geschlechtliche Aspekt des Spielens und daran anschließend werde ich versuchen noch einen kleinen Ausblick zu geben wohin sich das Ganze hin entwickeln könnte, bevor ich zu meinem Fazit kommen werde ob sich die Sicht auf Videospiele, so verändert hat, dass man nicht mehr von Subkultur, sondern Mainstream sprechen sprechen muss.
2 . Definition Subkultur und Zusammenhang Videospiele
Wenn man von einer bestimmten „Kultur“ und von bestimmten Personen, die stellvertretend für diese Kultur stehen schreibt oder spricht, dann nimmt man durch diese Kategorisierung einiger Menschen, wenn auch nur zu analytischen Zwecken, eine Abgrenzung dieser Personen vor. Durch diese, auch von der Gesellschaft vorgenommene Kategorisierung entsteht eine Subkultur, welche sich vielen Bereichen w i e der Kommunikation, der Wiedersetzung gegen bestehende Strukturen, der Gleichförmigkeit oder auch der Kunst von der Gesellschaft abhebt und abgrenzt3.
"a cultural group within a larger culture, often having beliefs or interests at variance with those of the larger culture" 4
Wenn man den Begriff „Subkultur“ betrachtet, sieht man, dass dieser Begriff, neben dem Wort Kultur, aus dem lateinischen Präfix „Sub“, was soviel wie „unter“ bedeutet zusammengesetzt ist. Die Bedeutung von „unter“ in diesem Zusammenhang sollte jedoch nicht generell im Sinne von minderwertig oder unter bzw. neben der Norm verstanden werden, sondern eher als eine Nebenkultur zur massentauglichen Mainstreamkultur. Wenn man die Geschichte und Etablierung des Begriffs der Subkultur betrachtet dann muss man bedenken, dass dieser Begriff ursprünglich im Zusammenhang mit kriminellen Jugendlichen in Verbindung gebracht wurde, später dann auch für Lebensformen die sich von der Masse abgehoben haben und sich als Teil- oder Gegenkultur von der Gesamtkultur einer Gesellschaft unterscheiden5.
Es entwickeln sich zwischen den einzelnen Gruppierungen Arten von Abgrenzungen und Kompensationsverhältnissen, was wiederum dazu führt, dass sich die gesamte Gesellschaft auch in der Pluralität unterschiedlicher Subkulturen verstehen und ausdrücken lässt6. Diese Vergleichsebene ist insofern wichtig, als dass man sich zwangsweise mit anderen vergleichen muss, um sich von ihnen positiv, als auch negativ abzugrenzen. Größe der Subkulturen, wie auch die Organisation der Gleichen kann schwanken, ebenso wie die Art, wie eine Subkultur vom Rest der Gesellschaft aufgefasst werden kann, was meist auch neben dem „Thema“, d.h. der Art der Gruppe, auch von der „Preisklasse“7, sprich dem finanziellen Stand dieser Gruppierung innerhalb der Gesellschaft abhängt. Bei vielen Subkulturen kann beobachtet werden, dass sich kulturelle Muster, die zunächst noch in der Gesellschaft verankert und akzeptiert sind, so abwandeln, dass die sie befolgenden Menschen schließlich zu Angehörigen einer Subkultur werden. Diese Entwicklung ist auch in der umgekehrten Art und Weise möglich, dass Muster und bestimmte Verhaltensweise zuerst als widersprüchlich und nicht gesellschaftlich angesehen wurden und dann im Laufe der Zeit ihren Subkulturellen Stand verloren haben8.Ein anderes Beispiel für diese Umkehrungen wäre auch: Das nicht verheiratete Zusammenleben zweier Menschen und im Gegensatz dazu das fast komplett verschwundene Tabu der unehelichen Kinder. Eine weitere Unterscheidung einer Subkultur ist die, ob die Aus - oder Abgrenzung der Zugehörigen freiwillig oder unfreiwillig stattgefunden hat9. „Unfreiwillige“ werden durch ihre Lebensweise nicht von der Gesellschaft akzeptiert und teilweise wie Verbrecher behandelt. Im Gegensatz dazu steht die Gruppe derer, die sich mit ihrer Kultur freiwillig ausgegrenzt haben und durch ihre Lebenskultur eine Gegenkultur zur Masse bilden und die allgemeine Masse vielleicht sogar verändern wollen. In bestimmten Fällen können Subkulturen zur Veränderung einer Gesellschaft führen, siehe Arbeiter oder Studentenbewegung,wobei es in diesem Fall vielleicht noch besser ist zwischen Sub- und Protestkultur zu trennen10. Subkulturen werden als kurzlebig betrachtet, da sie irgendwann von der Gesellschaft akzeptiert werden und damit quasi von dieser einverleibt werden, falls dies nicht der Fall ist und Subkultur immer abgegrenzt bleibt, sind sie damit bedroht, nicht von der Gesellschaft akzeptiert zu werden und möglicherweise vernichtet zu werden. Diese beschriebenen Merkmale einer Subkultur treffen auch auf Videospiele und die darum entstandene Kultur zu. Den Spielern von Videospielen werden Eigenschaften und Verhaltensweisen zugeschrieben, die sich von der Masse abheben, sie gelten als wenig sozialisiert, aggressiv und introvertiert, wobei diese Eigenschaften von außerhalb der „Gamerkultur“ auferlegt werden bzw. wurden. Dies grenzt sie in einem gewissen Maße vom Rest der Gesellschaft ab, was ihre Einstellung betrifft. Sie werden als Gruppe innerhalb der Gesellschaft gesehen, sind aber nicht offenkundig erkennbar, wie beispielsweise Punks, die durch ihr bloßes Aussehen auffallen. Wie ist diese Beurteilung zu erklären und wo hat sie ihre Ursprünge? Einen Blick darauf soll im Folgenden Forschungs- und Fachliteratur aus der Anfangszeit der ersten kommerziell erfolgreichen Videospiele geben, da in dieser schon klare Tendenzen feststellbar sind. Den Spielen und Spielern werden bestimmte Merkmale zugeschrieben mit dem Hintergrund, in welcher Art und Weise sich das neue Unterhaltungsmedium auf die Spieler auswirkt. Im Laufe der Jahre sollte sich der Umgang mit den Videospielen noch einmal in eine andere extremere Richtung entwickeln, bis sie dann schließlich als Teil der Mainstreamkultur gelten konnten.
3.Entwicklung der Sicht auf Videospiele
3.1. Anfänge und erste Perspektiven
Wenn man von den frühen Anfängen der Videospiele oder Computerspiele spricht, muss man für sich festlegen, wo der Anfang der Geschichte der Videospiele für einen selbst liegt und was ein Computerspiel grundsätzlich überhaupt ist. Man muss einerseits unterscheiden zwischen den ersten Spielen die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind und im Prinzip nichts anderes darstellten als simple Rechenaufgaben und andererseits was für meine Arbeit von Bedeutung sein wird, die Zeit in der Videospiele Massen tauglich und zu einem weitverbreitetem Konsumgut wurden. Eine andere Komponente, die mit diesem zeitlichen Faktor zusammenhängt, ist die Unterscheidung zwischen den Spielautomaten und den dazugehörigen Spielhallen oder auch anders bezeichnet „Arcadehallen“, die vor allem in den USA beliebt waren11. Zwar ergibt der Blick darauf, ob Jugendliche in einer Spielhalle oder an einer Heimkonsole in Kontakt mit Videospielen kommen, keinen Unterschied, da aber in einigen literarischen Werken, vor allem wenn sie in dieser ersten Hochzeit der Spielhallen verfasst wurden, die Beschäftigung der Kinder mit Videospielen vor allem in diesen Hallen im Vordergrund steht, scheint es wichtig diese Unterscheidung dennoch zu erwähnen12. Zur Frage was ein Computer oder Videospiel ist, scheint mir die folgende Definition am schlüssigsten:
" Any forms of computer based entertainment software, either textual or imagebased, using any electronic platform such as the personal Computer or consoles and involving one or multiple players in a physical or networked environment". 13
Die erste Hochzeit der Videospiele ist ca. Mitte der 1980-er Jahre zu verorten. Heimkonsolen und Heimcomputer sind in dieser Zeit noch eine ziemliche Besonderheit und scheinen für viele eine absolute Neuheit darzustellen und hatten dementsprechend auch noch einen großen Eindruck auf die Gesellschaft hinterlassen. Dieser Blick auf eine technologische Neuheit ist wohl am ehesten mit dem Blick und den Auswirkungen der Fernsehgeräts zu vergleichen. Das Fernsehgerät stellte zu der Zeit, als dieser Massen tauglich und auch für „normale“ Familien erschwinglich wurde, eine nicht immer nur positiv gesehene Neuheit dar. Auf der einen Seite bot das Fernsehgerät einen Blick in die so fern erscheinende Welt, außerhalb der eigenen Wände und der eigenen (Klein-) Stadt, doch andererseits wurden ihm teils hypnotische Fähigkeiten im Hinblick auf seine Zuschauer und deren Fernsehverhalten zugesprochen14. Diese Vorstellung der kompletten Vereinnahme des Fernsehgeräts schien besonders bei Kindern gefährlich, da diese verhältnismäßig einfach und schnell den Anreizen und der Unterhaltung „verfallen“ konnten und anstatt draußen mit anderen Kindern zu spielen lieber im Haus vor dem Fernsehgerät saßen15. Diese „Horrorversion“ blieb natürlich auch in der Zeit, als Videospiele kommerziell größeren Erfolg, erzielten nicht aus. Einen guten Blick auf diese „Anfangszeit“ und die Jahre danach bietet die, wenn auch nicht allzu zahlreiche wissenschaftliche Literatur aus dieser Zeit.
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1 Zit.: Rainer FROMM: Digital spielen- real morden?, Shooter,Clans und Fragger, Computerspiele in der Jugendszene, Marburg 2003, S.7.
2 Immer wenn das Wort der Computer- oder Videospiel in meiner Arbeit erwähnt wird, beziehe ich mich nicht explizit auf eine bestimmte Spielekonsole oder den PC/Heimcomputer, sondern fasse den Gegenstand allgemein und alles was zu diesem Medium gehört, darunter auf.
3 Vgl. Dick HEBRIDGE, Subculture, the meaning of Style, New York 1979, S.73.
4 Zit: http://www.oxforddictionaries.com/us/definition/american_english/subculture.
5 Vgl .Art. „Subkultur“, Brockhaus,Bd. 21 , 20. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Leipzig,Mannheim,1998, S.324.
6 Vgl. Ebd., S.324.
7 Zit.: Dieter BAAKE, Jugend und Jugendkulturen, Darstellung und Deutung, Weinheim/ München1987, S.11.
8 Vgl .Art. „Subkultur“ Brockhaus, S.324.
9 Vgl. Ebd., S.324.
10 Vgl. BAAKE, Jugend und Jugendkulturen S.16. 6
11 Diese Spielhallenkultur stellt einen starken Unterschied zum deutschen Umgang mit den Spielautomaten und Jugendlichen dar, da Spielautomaten in Deutschland generell erst von Volljährigen benutzt werden dürfen und somit auch nicht für jüngere Personen zugänglich waren.
12 Vgl. Patricia MARKS GREENFIELD, Kinder und neue Medien. Die Wirkung von Fernsehen, Videospielen und Computern, hg. von H Jürgen KAGELMANN, München Weinheim 1987, S. 91- 118.
13 Zit.: Jeffrey Wimmer, Massenphänomen Computerspiele, soziale, kulturelle und wirtschaftliche Aspekte, Konstanz/München 2013, S.14.
14 Dazu: Lynn Spiegel, “Der suburbane Hausfreund.Fernsehen und das Nachbarschaftsideal im Nachkriegsamerika,in: Mit den Dingen leben. Zu r Geschichte der Alltagsgegenstände, hg. von Anke Ortlepp/ Christoph Ribbat, Stuttgart 2009,S. 187-217.
15 Dazu: edb.