Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht. Bestandsaufnahme aktueller Problemfelder


Seminar Paper, 2017

22 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A. Einführung

B. Aktuelle Problemfelder
I. Betriebsstättendefinitionen
1. Betriebsstätte und ständiger Vertreter nach § 12 f. AO
2. Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA
3. Änderungen des Betriebsstättenbegriffs und deren Auswirkungen
a. Bau- und Montagebetriebsstätte
b. Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände
c. Vertreterbetriebsstätte
II. Erfolgs- und Vermögensabgrenzung bei Betriebsstätten
1. Betriebsstättengewinnermittlung und Einkünftekorrektur
2. Zweistufige Gewinnabgrenzung
3. Hilfs- und Nebenrechnung
4. Auswirkungen in der Praxis

C. Schlussbemerkung

D. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einführung

Derzeit besteht gegenüber dem Thema „Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht“ erhöhte Aufmerksamkeit. Aufgrund der letzten Entwicklungen, vor allem durch die OECD im Zusammenhang mit dem BEPS-Projekt1, sind entscheidende Veränderungen in der Betriebsstättenbesteuerung zu erwarten. Von zentraler Bedeutung sind dabei die folgenden Fragen: Welchem Staat steht in welcher Höhe ein Besteuerungsrecht zu, wenn ein Unternehmen im Ausland tätig ist? Wie ist das steuerliche Ergebnis aus einer grenzübergreifenden Tätigkeit zu ermitteln und welche Dokumentationspflichten sind zu beachten?

Im Fokus der folgenden Abhandlung stehen zwei aktuelle Problemfelder und deren Auswirkungen in der Praxis.

Zunächst werden die Neuerungen der Betriebsstättendefinition des Art. 5 OECD-MA im Zuge des Aktionspunktes 7 des BEPS-Projekts, der als Grundlage für DBA von Bedeutung ist, betrachtet. Hier wird insbesondere auf die Änderung des Abs. 5 zur Vermeidung von Vertreterbetriebsstätten durch Kommissionärs-strukturen eingegangen.

Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Gewinnermittlung und Einkünftezurechnung der Betriebsstätten, insbesondere unter Bezugnahme auf die BsGaV und deren Verwaltungsgrundsätze. Der damit einhergehende Dokumentationsaufwand durch die künftige Änderung der GAufzV stellt ein weiteres Problemfeld dar, das jedoch aufgrund des beschränkten Umfangs dieser Abhandlung nicht detailliert bearbeitet wird.

B. Aktuelle Problemfelder

I. Betriebsstättendefinitionen

Aufgrund des in Art. 7 Abs. 1 OECD-MA verankerten Betriebsstättenprinzips steht grundsätzlich dem Staat das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne und Betriebsvermögen zu, in dem das Unternehmen ansässig ist.2 Jedoch gilt dies nicht für Einkünfte und Betriebsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte des Unternehmens.3 Deshalb kommt dem Begriff „Betriebsstätte“ die Funktion zu, Einkünfte und Vermögen räumlich zuzuordnen, sodass ein Staat als Quellenstaat anzusehen ist.4

Demnach stellt die Betriebsstätte ein zentrales Anknüpfungsmerkmal im internationalen Steuerrecht dar.5 Zugleich ist die Definition der Betriebsstätte und die Frage, ob diese überhaupt dem Grunde nach vorliegt, in der internationalen Steuerplanung ein grundlegendes und sehr aktuelles Problemfeld.6

Vor allem moderne Geschäftsmodelle und steigende digitalisierte Tätigkeiten bieten Möglichkeiten für grenzüberschreitende Strukturierungen der steuerlichen Gewinne, mit der Folge, dass der Quellenstaat steuerlich nicht auf die entstandenen Gewinne zugreifen kann.7 So steht das Konzept der Quellenbesteuerung nun vor Herausforderungen, da die Anzahl der grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten, die ohne klassische Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat auskommen, steigt.8

In den folgenden Unterkapiteln werden die Betriebsstättendefinitionen nach § 12 AO und Art. 5 OECD-MA, sowie deren Unterschiede betrachtet. Weiterhin wird die Neufassung des Betriebsstättenbegriffs in Art. 5 OECD-MA-E zur Verhinderung der künstlichen Umgehung einer Betriebsstätte aufgrund des BEPS-Aktionspunkts 7 und deren weitreichenden Folgen für die Praxis erläutert.

1. Betriebsstätte und ständiger Vertreter nach § 12 f. AO

Der Begriff der Betriebsstätte ist im nationalen Steuerrecht in § 12 AO definiert und dient als sachlicher Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht.9

Gem. § 12 S. 1 AO ist „jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“ eine Betriebsstätte. Der Positivkatalog in S. 2 des § 12 AO zählt beispielhaft einzelne Einrichtungen auf, die stets als Betriebsstätten anzusehen sind.10 Dabei müssen die Tatbestandsmerkmale des Betriebsstättenbegriffs des S. 1 nicht allesamt erfüllt sein, was in § 12 S. 2 Nr. 8 deutlich wird, da hier keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage vorausgesetzt wird.11

Neben dem Betriebsstättenbegriff ist auch der Begriff des ständigen Vertreters nach § 13 AO zu betrachten, denn dieser dient subsidiär als personeller Anknüpfungspunkt für die Steuerpflicht.12

Laut § 13 S. 1 AO ist eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt, ständiger Vertreter. Beispiele dafür werden in S. 2 aufgezählt. Wesentliche Voraussetzung ist dabei die Nachhaltigkeit der Geschäftsbesorgung.13 Die Tätigkeit muss planmäßig, mit Wiederholungsabsicht und auf eine gewisse Dauer angelegt sein.14 Um einen gleichwertigen Bezug zu einer festen Einrichtung des Unternehmens i.S.v. § 12 AO herzustellen, ist es erforderlich, dass die Vertretung des Unternehmens langfristig erfolgt, also als „ständig“ wahrgenommen wird.15

Wann diese Nachhaltigkeit vorliegt, gibt das Gesetz jedoch nicht vor.16 Planmäßiges Handeln von Anfang an, welches vor allem in den Vertragsabsprachen der Beteiligten zum Ausdruck kommt, ist für dieses Kriterium entscheidend.17 Ob ein gewisser Zeitraum für das Vorliegen der Nachhaltigkeit überschritten werden muss, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet.18 Es sind daher stets einzelfallbezogene Entscheidungen zu treffen.19

2. Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-MA

Das OECD-Musterabkommen enthält in Art. 5 eine eigenständige, von der in § 12 AO abweichende, Betriebsstättendefinition, welche sich mit der Definition in der deutschen Verhandlungsgrundlage für DBA deckt.20

Laut Art. 5 Abs. 1 OECD-MA ist eine Betriebsstätte „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“. Es ist also erforderlich, dass eine unternehmerische Haupttätigkeit mit Hilfe der Geschäftseinrichtung ausgeübt wird, hingegen reicht es nach § 12 AO aus, dass die Betriebsstätte der Unternehmenstätigkeit dient.21 Folglich ist dieser Betriebsstättenbegriff im Vergleich zur deutschen Definition eher enger gefasst.22

Abs. 2 des Art. 5 OECD-MA enthält wie § 12 S. 2 AO eine nicht abschließende Aufzählung von Regelbeispielen.23 Im Unterschied zu § 12 S. 2 AO sind die Beispiele des Warenlagers und der Ein- und Verkaufsstellen nicht aufgeführt.

Bauausführungen und Montagen i.S.v. Abs. 3 sind als eine besondere Form der Betriebsstätte anzusehen, denn das Vorliegen einer solchen Betriebsstätte bemisst sich nach einer zwölfmonatigen Frist.24 Sie sind wie feste Geschäftseinrichtungen i.S.d. Abs. 1 zu behandeln, die allerdings einen Zeitraum von zwölf Monaten überschritten haben müssen.25 Nach § 12 S. 2 Nr. 8 AO reicht bereits ein Zeitraum von sechs Monaten für die Betriebsstättenbegründung aus.

Art. 5 Abs. 4 OECD-MA enthält einen Ausnahmekatalog, dessen Einrichtungen und Bestände nicht als Betriebsstätten angesehen werden, da Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten nicht unmittelbar der Erzielung von Einkünften dienen und es außerdem schwierig ist, den auf diese Tätigkeiten entfallenden Unternehmenserfolg zu bemessen.26 Hier sind Warenlager und Ein- oder Verkaufsstellen, welche hingegen nach § 12 S. 2 AO eine Betriebsstätte darstellen, explizit aufgeführt.

Gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA wird eine Betriebsstätte begründet, wenn eine Person für ein Unternehmen in einem anderen Staat tätig ist und die Vollmacht, im Namen des Unternehmens Verträge abzuschließen, besitzt und diese Vollmacht gewöhnlich ausübt. Eingeschränkt wird die Annahme einer Vertreterbetriebsstätte durch Art. 5 Abs. 5 letzter Hs. OECD-MA in den Fällen, in denen der Vertreter lediglich Hilfstätigkeiten i.S.d. Abs. 4 erbringt.27

Bei wörtlicher Auslegung dieser Definition ist für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte lediglich das Vorliegen einer formellen Abschlussvollmacht erforderlich.28 Die Auslegung dieser Vollmacht ist jedoch umstritten. Folgt man dem OECD-MK29, reicht zur Betriebsstättenbegründung bereits eine faktische und nicht notwendigerweise zivilrechtliche Abschlussvollmacht aus.30 Diese liegt nach Art. 5 Tz. 32.1 OECD-MK auch dann vor, wenn der Vertreter die „Verträge mit rechtsverbindlicher Wirkung für das Unternehmen abschließt, auch wenn diese Verträge tatsächlich nicht im Namen des Unternehmens abgeschlossen werden“.31 Folglich könnten nach dieser Formulierung des OECD-MK generell auch Kommissionäre eine Betriebsstätte gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA begründen.32

Bei einer streng zivilrechtlichen Auslegung hingegen wird von einem Kommissionär, der keine Vollmacht zum Vertragsschluss besitzt, da er gem. § 383 Abs. 1 HGB im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Kommittenten Verträge abschließt, keine Betriebsstätte begründet.33 Dafür spricht auch dessen ausdrückliche Erwähnung in Abs. 6 OECD-MA, nach dem unabhängige Vertreter aus dem Vertreterbegriff herausgenommen werden, sofern diese im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit handeln. Daher wird von solchen Vertretern explizit keine Betriebsstätte begründet.34

In Art. 5 Abs. 7 OECD-MA ist schließlich noch die sog. Anti-Organ-Klausel enthalten.35 Die besagt, dass das Beherrschungsverhältnis gegenüber einer Gesellschaft weder eine Betriebsstätte der beherrschenden Gesellschaft, noch eine Betriebsstätte der beherrschten Gesellschaft begründet.36

Noch ist es dem Steuerpflichtigen ohne Weiteres möglich, durch gestalterische Maßnahmen, wie bspw. den Einsatz eines Kommissionärs, die Betriebsstättenqualifikation zu vermeiden.37 Auf diese künstliche Vermeidung der Vertreterbetriebsstättenfiktion hat die OECD reagiert und im Aktionspunkt 7 ihrer BEPS-Initiative die Definition von Vertreterbetriebsstätten unter stärkerer wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausgeweitet.38

Die Neuerungen des Art. 5 OECD-MA und deren Auswirkungen in der Praxis werden im folgenden Abschnitt näher betrachtet.

3. Änderungen des Betriebsstättenbegriffs und deren Auswirkungen

Seit einigen Jahren tendieren viele Staaten dazu, den Begriff der Betriebsstätte auszuweiten, mit der Folge, dass schon geringe Merkmale ausreichen, um eine Betriebsstätte zu begründen, sodass in der Praxis mit deutlich mehr, ggf. ungewollten, Betriebsstätten zu rechnen ist.39 Auf internationaler Ebene wird diese Tendenz zum Herabsetzen der Betriebsstättenschwelle durch den BEPS-Aktionsplan verdeutlicht.40

Die strategische Verhinderung von Betriebsstättenbegründungen soll zukünftig vermieden werden.41 Dazu hat die OECD am 05.10.2015 den finalen Abschlussbericht zum BEPS-Aktionspunkt 7 veröffentlicht, in dessen Mittelpunkt die Ausweitung der Betriebsstättendefinition des Art. 5 OECD-MA steht.42

Im Fokus stehen dabei die Vermeidung der Vertreterbetriebsstättenfiktion gem. Abs. 5 und 6, die Vermeidung von Betriebsstätten durch die Strukturierung entlang des Ausnahmekatalogs in Abs. 4 sowie die Vermeidung von Bau- und Montagebetriebsstätten gem. Abs. 3 durch Aufsplittung von Vertrags- und Rechtsverhältnissen.43

Damit die Maßnahmen der OECD rechtlich bindend sind, muss in vielen DBA der Betriebsstättenbegriff angepasst werden, was mit einem multilateralen Instrument44 zwischen den beteiligten Staaten gleichzeitig und in einem Schritt erfolgt.45 Deutschland hat die erweiterte Definition bereits proaktiv in das DBA mit Australien aufgenommen.46

a. Bau- und Montagebetriebsstätte

Die Überschreitung der Zwölf-Monats-Frist zur Begründung einer Betriebsstätte konnte bisher vermieden werden, indem Verträge künstlich aufgeteilt wurden und so jeder Vertrag einen Zeitraum von weniger als zwölf Monaten umfasste und jeweils einer anderen Gesellschaft zugewiesen war.47

Um dem zu entgegnen, hat die OECD im BEPS-Aktionspunkt 7 Änderungen der

Regelung in Art. 5 Abs. 3 OECD-MA erarbeitet. Als allgemeine Missbrauchsregelung soll die Einführung eines Principal Purpose Test die künstliche Aufsplittung von Verträgen verhindern.48

Die OECD verweist in diesem Zusammenhang auf die allgemeine Antimissbrauchsregel, die laut Abschlussbericht des BEPS-Aktion 6 zur Neufassung von Art. 10 Abs. 7 OECD-MA führt.49 Demzufolge soll eine Abkommensvergünstigung, was auch die Nichterfüllung der Zwölf-Monats-Grenze nach Art. 5 Abs. 3 darstellt, nicht gewährt werden, wenn die Gestaltung wesentlich darauf abzielt, den Vorteil, eine Betriebsstättenbegründung zu verhindern, zu erlangen.50 Um dies zu verdeutlichen soll ein Beispiel einer solchen missbräuchlichen Vertragsaufteilung in den Kommentar zu Art. 5 aufgenommen werden.51

Für Länder, die den PPT nicht in ihre Abkommen übernehmen oder diese Problematik direkt ansprechen wollen, soll eine Automatic Rule in Art. 5 des jeweiligen DBA implementiert werden.52 Dies orientiert sich an der Formulierung für Dienstleistungsbetriebsstätten in Tz. 42.45 OECD-MK. Demnach soll die Tätigkeitsdauer eines Unternehmens an einem Bau- und Montageprojekt im Ausland mit zusammenhängenden Aktivitäten eines eng verbundenen Unternehmens an demselben Bau- und Montageprojekt, wenn sie jeweils 30 Tage überschreiten, zusammengerechnet werden.53 Die Definition von eng verbundenen Unternehmen ist in Art. 5 Abs. 6 Buchst. b OECD-MA-E enthalten.54

Entscheidend ist also die Gesamtdauer der Unternehmensgruppe an dem Bau- und Montageprojekt, sodass Vertragsaufteilungen nicht mehr zur Vermeidung einer Betriebsstätte führen können.55

Im Rahmen des PPT hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit nachzuweisen, dass nicht allein steuerliche Gründe für die Vertragsaufsplittung maßgeblich waren.56 Diese Möglichkeit besteht bei der Automatic Rule jedoch nur begrenzt.57 Laut Art. 5 Tz. 18.2 OECD-MK-E ist zu ermitteln, ob die Tätigkeiten unter Außerachtlassung von Steuerplanungsüberlegungen nur in einem einzelnen Vertrag geregelt worden wären.58

Dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend sollte dem Steuerpflichtigen jedoch stets die Möglichkeit gegeben werden, einen Nachweis darüber zu erbringen, dass seine gewählte Gestaltung unter den gegebenen Umständen auch von einem fremden Dritten gewählt worden wäre.59

b. Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände

Den Gestaltungen, die sich entlang des Negativkatalogs des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA bewegen um keine Betriebsstätte zu begründen, droht künftig das Aus.60 Insbesondere durch das Ausnutzen von Auslieferungslagern zur Vermeidung einer Betriebsstätte ist diese Vorschrift in den Fokus des BEPS-Aktion 7 gerückt.61 Der Negativkatalog soll dahingehend angepasst werden, dass alle Tätigkeiten der Ausnahmetatbestände lediglich vorbereitender Art oder eine Hilfstätigkeit sein dürfen.62

Das bedeutet, dass bspw. ein multinationales Unternehmen, welches ein großes

Warenlager zur Aufbewahrung und Auslieferung seiner im Internet angebotenen Waren unter Einsatz von Personal im Ausland betreibt, künftig eine Betriebsstätte im Quellenstaat begründet, da dieses Warenlager einen erheblichen Wertschöpfungsfaktor darstellt, z.B. durch enorme Kosteneinsparungen und schnellere Lieferzeiten.63

Folglich ergeben sich für den Steuerpflichtigen tendenziell erhöhte Dokumentations- und Nachweispflichten. Zum einen weil er, sofern er die Begründung einer Betriebsstätte vermeiden will, den Nachweis erbringen muss, dass die in der festen Einrichtung ausgeübten Tätigkeiten lediglich vorbereitender Art bzw. Hilfstätigkeiten sind. Aber auch im Falle einer Betriebsstättenbegründung, da dann eine gesonderte Buchführung für die Betriebsstätte einzurichten ist und ein angemessener Teil des Gesamtunternehmensgewinns der Betriebsstätte zuzuordnen ist.64

c. Vertreterbetriebsstätte

Vertreibt ein selbstständiger Vertreter die Produkte eines Unternehmens, kann zukünftig ggf. ungewollt eine Vertreterbetriebsstätte begründet werden.65

Im Zuge des BEPS-Aktionspunkt 7 wird Art. 5 Abs. 5 OECD-MA dahingehend geändert, dass das Erfordernis der formellen Abschlussvollmacht nicht mehr gegeben ist.66 Gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA-E ist es für eine Betriebsstättenqualifikation ausreichend, wenn der Vertreter gewöhnlich eine entscheidende Rolle beim Abschluss der Verträge übernimmt und das vertretene Unternehmen diese Verträge ohne wesentliche Modifikationen routinemäßig unterzeichnet.67 Die Verträge müssen dabei entweder im Namen des Unternehmens geschlossen werden, oder die Eigentumsübertragung oder Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern des Unternehmens beinhalten, oder zur Erbringung von Dienstleistungen durch das Unternehmen geschlossen werden. Folglich wird die aus Art. 5 Tz. 33 OECD-MK hervorgehende wirtschaftliche bzw. faktische Abschlussvollmacht direkt in Art. 5 Abs. 5 OECD-MA-E geregelt.68

Die Erweiterung des Tatbestands wird durch die Ausführungen im OECD-MK-E noch einmal verdeutlicht.69 Demnach ist es für einen Abschluss im Namen eines Unternehmens bereits ausreichend, wenn Standardverträge durch eine einfache Erklärung, z.B. über das Internet, angenommen werden, der Vertrag außerhalb des Vertragsstaates abgeschlossen wird oder die wesentlichen Vertrags-bedingungen vom Vertreter ausgehandelt werden, sodass das Unternehmen daran gebunden ist.70 Unschädlich sind laut OECD-MK-E jedoch reine Werbe- und Marketingtätigkeiten, welche nicht direkt zum Vertragsabschluss führen.71

Nach der Neufassung ist also der Grat der Überzeugungsarbeit des Vertreters, den Kunden zum Vertragsschluss zu bewegen, bedeutend für die Qualifikation als Vertreterbetriebsstätte.72 International agierende Unternehmen müssen sich also nun die Frage stellen, wie sie künftig ihre Vertriebsstrukturen im Ausland, insbesondere Kommissionärsstrukturen, gestalten können, ohne Vertreterbetriebsstätten zu begründen.73

Unsicherheit besteht trotz der Auslegungshilfe des Musterkommentars in Bezug auf die Aktivität des Vertreters. Wo wird die Grenze der Überzeugungsarbeit überschritten? Darf der Vertreter dem Kunden nach der Produktvorstellung noch Preislisten oder Broschüren mit weiteren Informationen überlassen oder ist dies schon betriebsstättenqualifizierend?74

Eine Alternative, die Betriebsstättenbegründung zu umgehen, ist, die Vertriebswege im Ausland einzudämmen, d.h. dass die Kunden in anderen Staaten sich die Informationen hinsichtlich der Vertragsbedingungen, wie bspw. Preise, Zahlungs- oder Liefermodalitäten, selbst beschaffen müssten.75 Dadurch könnten sich jedoch Nachteile in Bezug auf die vor Ort ansässigen Anbieter ergeben, da die Unternehmen bisherige Serviceleistungen, wie die Informations- und Verhandlungsfunktion des Vertreters, einschränken müssten.76

[...]


1 Ziel des BEPS-Projektes ist es, gegen den schädlichen Steuerwettbewerb der Staaten und aggressive Steuerplanungen international tätiger Konzerne vorzugehen.

2 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 1.

3 vgl. Ebenda.

4 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 1; H/H/Sp/ Musil, § 12 AO Rn. 5, § 13 AO Rn 3.

5 vgl. Hilbert/Engel, IWB 2016, 740; Cortez, IWB 2016, 814.

6 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 816.

7 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815; Endres/Brunsbach, PIStB 2016, 159, 162; van Lück, IWB 2015, 758, 759.

8 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815; Endres/Brunsbach, PIStB 2016, 159.

9 vgl. Koenig/ Koenig, § 12 AO Rn. 1.

10 vgl. Koenig/ Koenig, § 12 AO Rn. 23; Hilbert/Engel, IWB 2016, 740; Cortez, IWB 2016, 814, 817.

11 vgl. Ebenda.

12 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 817; Klein/ Gersch, § 13 AO Rn. 1; Jacobs/Endres/Spengel, 327; H/H/Sp/ Musil, § 12 AO Rn. 4, § 13 AO Rn. 3; T/K/ Drüen, § 13 AO Rn. 1; Schaumburg, Rn. 6.176.

13 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 817.

14 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 817; H/H/Sp/ Musil, § 13 AO Rn. 9; T/K/ Drüen, § 13 AO Rn. 7.

15 vgl. H/H/Sp/ Musil, § 13 AO Rn. 9.

16 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 817; Mössner, Rn. 2.164; T/K/ Drüen, § 13 AO Rn. 7.

17 vgl. Ebenda.

18 vgl. H/H/Sp/ Musil, § 13 AO Rn. 10; Jacobs/Endres/Spengel, 330.

19 vgl. H/H/Sp/Musil, § 13 AO Rn. 9.

20 vgl. Ver­hand­lungs­grund­la­ge für DBA im Be­reich der Steu­ern vom Ein­kom­men und Ver­mö­gen vom 22.08.2013, Art. 5 Abs. 1; Jacobs/Endres/Spengel, 309.

21 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 10; Cortez, IWB 2016, 814, 818.

22 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 817; Schaumburg, Rn. 6.163; Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 9.

23 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 61.

24 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 91.

25 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 94.

26 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 152.

27 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 191.

28 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 750; Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 201.

29 Zu beachten ist jedoch, dass der OECD-MK lediglich eine Auslegungshilfe ist und keine Rechtsbindungswirkung entfaltet.

30 vgl. Art. 5 Tz. 33 OECD-MK; van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 750.

31 Art. 5 Tz. 32.1 OECD-MK.

32 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 750.

33 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 751.

34 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 818.

35 vgl. Wassermeyer/ Wassermeyer, Art. 5 MA Rn. 241.

36 vgl. Ebenda.

37 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 751; Rehfeld, IWB 2017, 209, 210.

38 vgl. Ebenda.

39 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815; Hilbert/Engel, IWB 2016, 740, 741.

40 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815; Endres/Brunsbach, PIStB 2016, 159, 162; Hilbert/Engel, IWB 2016, 740, 741.

41 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815, 819; Wagemann, IWB 2016, 14.

42 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815, 819; van Lück, IWB 2015, 758, 763; Hilbert/Engel, IWB 2016, 740, 741.

43 vgl. Rehfeld, IWB 2017, 209.

44 Die OECD hat die Unterzeichnung des MLI für den 07.06.2017 angekündigt.

45 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 815.

46 Art. 5 Abs. 8 DBA-Australien.

47 vgl. Art. 5 Tz. 18 OECD-MK.

48 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 756.

49 vgl. Ebenda.

50 vgl. Ebenda; OECD, Abschlussbericht Aktion 6, Tz. 25.

51 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 756.

52 vgl. Ebenda.

53 vgl. Ebenda; Schmidt-Heß, IStR 2016, 165, 170.

54 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 756.

55 vgl. Ebenda; Art. 5 Abs. 6 OECD-MA-E.

56 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 756.

57 vgl. Ebenda.

58 vgl. Ebenda.

59 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 757.

60 vgl. Cortez, IWB 2016, 814, 820.

61 vgl. Ebenda.

62 vgl. Ebenda.

63 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 754; Art. 5 Tz. 22 OECD-MK-E.

64 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 755.

65 vgl. Ringwald, PIStB 2016, 326.

66 vgl. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA-E

67 vgl. Ebenda.

68 vgl. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749, 751.

69 vgl. Demleitner, BB 2016, 599.

70 vgl. Demleitner, BB 2016, 599, 600; Art. 5 Tz. 32.4, 32.6 OECD-MK-E.

71 vgl. Art. 5 Tz. 32.5 OECD-MK-E.

72 vgl. Wagemann, IWB 2016, 14, 16; Art. 5 Tz. 32.5 OECD-MK-E.

73 vgl. Ebenda.

74 vgl. Wagemann, IWB 2016, 14, 16.

75 vgl. Wagemann, IWB 2016, 14, 17.

76 vgl. Ebenda.

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Details

Title
Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht. Bestandsaufnahme aktueller Problemfelder
College
Schmalkalden University of Applied Sciences  (Fakultät Wirtschaftsrecht)
Course
Schwerpunkt Steuerrecht
Grade
1,3
Author
Year
2017
Pages
22
Catalog Number
V367013
ISBN (eBook)
9783668458130
ISBN (Book)
9783668458147
File size
498 KB
Language
German
Keywords
Betriebsstätten, international, Steuerrecht, Probleme, aktuell
Quote paper
Christina Hagedorn (Author), 2017, Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht. Bestandsaufnahme aktueller Problemfelder, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367013

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