Latente Steuern. Ursachen und bilanzielle Behandlung nach HGB und IFRS in mittelständischen Unternehmen


Bachelor Thesis, 2014

54 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Gang der Untersuchung
1.2 Historische Entwicklung

2. Der deutsche Mittelstand

3. Latente Steuern
3.1 Definition
3.2 Entstehung
3.2.1 aktive latente Steuern
3.2.2 passive latente Steuern
3.3 Bilanzierungskonzepte zur Abbildung latenter Steuern
3.3.1 Überblick beider Konzepte
3.3.2 Das Temporary-Konzept
3.3.3 Das Timing-Konzept
3.4 Arten von Differenzen
3.4.1 permanent
3.4.2 quasi-permanent
3.4.3 temporär
3.4.4 erfolgswirksam und erfolgsneutral
3.5 Ansatz in der Bilanz
3.5.1 Liability-Methode
3.5.2 Deferred-Methode
3.6 einige Besonderheiten
3.6.1 Steuersatz
3.6.2 Abzinsung
3.7 Ziele latenter Steuern

4. Latente Steuern nach HGB
4.1 Anwendungsbereich
4.2 Abweichungen von Handels- und Steuerbilanz
4.3 Bilanzierung latenter Steuern
4.3.1 Behandlung von aktiven und passiven latenten Steuern
4.3.2 Verlustvorträge
4.3.3 Behandlung in der Gewinn- und Verlustrechnung

5. Latente Steuern nach IFRS
5.1 Anwendungsbereich
5.2 Abweichungen von IFRS-Abschlüssen und Steuerbilanz
5.3 Bilanzierung latenter Steuern
5.3.1 Behandlung von aktiven und passiven latenten Steuern
5.3.2 Verlustvorträge
5.3.3 Behandlung in der Gewinn- und Verlustrechnung

6. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
6.1 Gemeinsamkeiten
6.2 Unterschiede

7. IFRS für kleine und mittlere Unternehmen
7.1 IFRS for SME´s
7.2 Latente Steuern im Vergleich zum Full-IFRS

8. Fazit - Bedeutung für den Mittelstand

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 : Temporary-Konzept

Abbildung 2: Timing-Konzept

Abbildung 3: kombinierter Steuersatz

Abbildung 4: Prüfschema Ansatz aktiver latenter Steuer

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 : Größenklassen nach § 267 HGB

Tabelle 2: Größenklassen nach EU-Recht

Tabelle 3 : Rechtsformstruktur deutscher Unternehmen

Tabelle 4: Handelsbilanz ohne Ansatz latenter Steuer

Tabelle 5: Handelsbilanz mit Ansatz latenter Steuer

Tabelle 6: Übersicht Anwendung der IFRS-Vorschriften in Deutschland

Tabelle 7: Vergleich HGB und IFRS (Gemeinsamkeiten)

Tabelle 8: Vergleich HGB und IFRS (Unterschiede)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1 Problemstellung und Gang der Untersuchung

Latente Steuern haben in Deutschland vor einigen Jahren starken gesetzlichen Änderungen unterlegen und sind daher in Literatur und Praxis häufig Mittelpunkt kritischer Auseinandersetzungen. Ihre Entwicklung und gesetzlichen Regelungen sind angesichts einiger negativer Zusprüche gegenüber der derzeitigen Behandlung wohl noch nicht endgültig. Die folgende Arbeit befasst sich neben den Ursachen und bilanzieller Behandlung von latenten Steuern nach HGB[1] und IFRS auch mit den Folgen für mittel ständische Unternehmen. Es soll die Frage beantwortet werden, ob die derzeitige Behandlung latenter Steuern für mittel ständische Unternehmen wirtschaftlich tragbar ist oder ob ihre Anforderungen aufgrund zu hoher Komplexität nicht erfüllt werden können. Desweiteren, ob Deutschland durch die Einführung des BilMoG und der Annäherung im Bereich der latenten Steuern an die IFRS-Vorschriften für mittel ständische Unternehmen eine gute Alternative bietet und ob das beibehaltene Wahlrecht aktiver latenter Steuern eine wirkliche Vereinfachung darstellt.

Um die Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit besser verstehen zu können, wird zunächst in Abschnitt 1.2 auf die historische Entwicklung der IFRS- und HGB- Vorschriften eingegangen, wodurch die derzeitige Relevanz latenter Steuern erklärt werden soll. Kapitel 2 definiert den deutschen Mittelstand nach qualitativen und quantitativen Kriterien und zeigt Unterschiede der deutschen zur europäischen Abgrenzung auf. Die Bedeutung des Mittelstands für Deutschland wird an einigen Zahlen belegt.

In Kapitel 3 werden latente Steuern allgemein dargestellt. Ihre Bedeutung wird anhand einiger Beispiele erläutert und verschiedene Möglichkeiten, sie bilanziell darzustellen, aufgezeigt. Dabei wird neben den derzeitig geltenden Regelungen auch auf alternative Möglichkeiten eingegangen, wie sie Z.B. im HGB aF (vor Einführung des BilMoG' ร) anzuwenden waren. Der Abschnitt 3.7 zeigt neben den Zielen auch die derzeitige Bedeutung von latenten Steuern noch einmal auf.

Kapitel 4 und 5 beschreiben die Behandlung latenter Steuern nach HGB sowie IFRS und gehen auf ihre Ursachen und bilanzielle Behandlung genauer ein. Neben der Darstellung aktiver und passiver latenter Steuern allgemein, wird ebenfalls die Behandlung bei Verlustvorträgen behandelt. Kapitel 6 stellt Gemeinsamkeiten und Unterschiede beider Rechnungslegungsvorschriften gegenüber und erläutert in einigen abweichenden Punkten, weshalb das BilMoG im Bereich der latenten Steuern nicht vollständig an die IFRS-Vorschriften angepasst wurde.

Da der IASB neben den IFRS-Vorschriften (auch Full-IFRS genannt) ein eigenes Regelwerk für kleine und mittlere Unternehmen herausgegeben hat, erläutert Kapitel 7 die Gründe zu dieser Entscheidung und vergleicht die Behandlung latenter Steuern zu den Full-IFRS.

Das abschließende Kapitel 8 stellt die Auswirkungen der Behandlung latenter Steuern für mittel ständische Unternehmen dar. Gesetzliche Unterschiede beider Rechnungs­legungssysteme werden kritisch hinterfragt und Verbesserungsvorschläge dargestellt. Zudem wird auf die derzeitige Entwicklung eingegangen.

Aufgrund der Komplexität von latenten Steuern kann nicht auf alle Themengebiete eingegangen werden. Unter anderem wird auf eine detaillierte Beschreibung von Anhangangaben sowie einer Überleitungsrechnung, die das Verhältnis zwischen Ertragssteueraufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung (G+V) und dem IFRS- Ergebnis vor Steuern erklären soll[2], verzichtet. Desweiteren wird auf die Erklärung von Inside und Outside Basis Differencen sowie den Einfluss von Sonderbilanzen nicht eingegangen.

1.2 Hi stori sehe Entwi cklung

Eine zunehmende Globalisierung von Unternehmenstätigkeiten sowie verstärkte Inanspruchnahme ausländischer Kapitalmärkte führte zu dem Wunsch nach einheitlichen internationalen Rechnungslegungsvorschriften, damit vor allem Kapitalmarktteilnehmer ihre Anlageentscheidungen zuverlässig und vergleichbar treffen konnten.[3] Aus diesem Grund erließ der europäische Gesetzgeber im Juni 2002 eine Verordnung über die Anwendung der internationalen Rechnungslegungsstandards: die

International Accounting Standards (IAS). Diese werden heute von den International Financial Reporting Standards (IFRS) ersetzt und vom International Accounting Standards Board (IASB) weiter entwickelt. Sie verpflichteten kapitalmarktorientierte Muttergesellschaften mit Sitz in der Europäischen Union ab 2005 zu einem Abschluss nach internationalem Recht und beinhalteten ein zusätzliches Wahlrecht für andere Gesellschaftsformen, welches auf nationaler Ebene geregelt werden sollte. Deutschland führte dieses Wahlrecht für Informationszwecke ein, von dem in den letzten Jahren zunehmend mehr Unternehmen Gebrauch machten und freiwillig ihre Abschlüsse nach IAS/IFRS oder den US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards (บ.ร. GAAP)[4] aufstellten.

Die Anwendung und Bedeutung des deutschen Handelsgesetzbuches (HGB) sank im internationalen Vergleich immer stärker ab.[5] Grund dafür waren vor allem die Bedeutung des Gläubigerschutzgedankens und das Maßgeblichkeitsprinzip der Handels- zur Steuerbilanz, die einen genauen Einblick in die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens erschwerten.[6] Um Deutschland im internationalen Wettbewerb wieder vergleichbarer zu machen, wurden in den letzten Jahren einige gesetzliche Änderungen erlassen, von denen eine der bedeutensten das am 29.05.2009 in Kraft getretene Bilanzrechtsmodemisierungsgesetz (BilMoG) war.

Latente Steuern resultieren aus Differenzen von Steuerbilanz und Jahresabschluss. Vor Einführung des BilMoG hatten sie eher nebensächlichen Charakter, da aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzip's Abweichungen zwischen Steuer- und Handelsbilanz selten waren und zudem für den Überhang aktiver latenter Steuern ein Ansatzwahlrecht bestand. Zur Bilanzierung wurde das sog. Timing-Konzept verwendet, welches lediglich zeitlich begrenzte und erfolgswirksam entstandene Differenzen berücksichtigt.[7] Das BilMoG regelte die Behandlung von latenten Steuern völlig neu, da es unter anderem das Maßgeblichkeitsprinzip aufhob, wodurch Handels- und Steuerbilanz stärker von einander abweichen und latenten Steuern so eine größere Bedeutung zukommt. Deutschland schloss sich damit Z.T. den anglo-amerikanischen Rechnungslegungsvorschriften an, die eine eigenständige Handelsbilanz losgelöst von der Steuerbilanz befürworten.[8] Das HGB in der Fassung nach dem BilMoG (HGB nF) sollte im Gegensatz zu den IFRS-Vorschriften eine vollwertige, aber dennoch einfacherer und kostengünstigere Alternative bieten, die zwar verstärkt einer Informationsfunktion folgt, aber dennoch Grundprinzipien wie den Gläubigerschutz­gedanken beibehält.[9] Gerade im Bereich latenter Steuern hat sich der deutsche Gesetzgeber daher nicht vollständig an die IFRS-Vorschriften angeglichen, sodass es hierbei zu einigen Unterschieden kommt.

2. Der deutsche Mittelstand

Der Begriff „deutscher“ oder „wirtschaftlicher Mittelstand“ wird nur in Deutschland verwendet und ist ein Synonym für „Klein- und Mittlere Unternehmen“ (KMU). Auf internationaler Ebene spricht man von „Small and Medium-sized Entities“ (SME). Merkmale für die Einordnung in Klein, Mittel oder Groß lassen sich sowohl an quantitativen als auch qualitativen Kriterien feststellen.[10]

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) gibt folgende Daten für den deutschen Mittelstand an:

- 99,6% der Unternehmen sind KMU (2013)
- 35,9% des deutschen Umsatzes wurden von KMU erwirtschaftet (2011)
- beschäftigen 59,4% aller Arbeitnehmer (2011).[11]

KMU stellen den größten Teil der Unternehmen dar, weshalb sie auch als „Motor der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet werden.[12]

Bei den quantitativen Kriterien handelt es sich um Mengen- und Wertgrößen. Eine einheitliche Definition gibt es derzeit nicht.[13] Die nachfolgenden Tabellen zeigen zwei gebräuchliche Definitionen für die Einordnung einmal nach deutschem Handelsrecht sowie gern, der Definition der Europäischen Einion.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 : Größenklassen nach § 267 HGB

Die Einordnung gern. § 267 HGB bezieht sich auf Kapitalgesellschaften, die der jeweiligen Kategorie einzuordnen sind, wenn zwei der drei Merkmale nicht an zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- oder unterschritten werden.[14]

Seit dem 0E0E2005 gibt es auch eine europäische Definition. Sie unterscheidet sich zur deutschen zum einen durch andere Schwellenwerte und zum anderen können Elmsatz und Bilanzsumme alternativ verwendet werden.[15] [16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Größenklassen nach EU-Recht (Quelle: Pottgießer (2006), ร. 74; eigene Änderungen16)

Eine Einordnung in die jeweilige Kategorie erfolgt ebenfalls, wenn das Unternehmen die Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren unter- oder überschreitet.[17]

Neben den quantitativen stellen qualitative Merkmale eine große Bedeutung dar. Sie unterscheiden lediglich nach KMU und Großunternehmen; innerhalb der KMU erfolgt keine Gliederung in klein und mittel. Ihre Schwerpunkte zeigen sich beispielsweise in folgenden Ansatzkriterien:

- Selbständigkeit und Unabhängigkeit
- Identität von Eigentum und Unternehmensleitung
- Haftung und Risiko der Unternehmen liegen allein beim Eigentümer[18]

Mittel ständische Unternehmen zeichnen sich oft durch Familienuntemehmen aus, bei denen eine enge Verbindung von wirtschaftlicher Existenz und Schicksal des Unternehmens besteht. Das Gegenstück sind managergeführte Publikumsaktien­gesellschaften, die sich durch Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht definieren.[19] [20] Ein großer Unterschied liegt daher in der Wahl der Rechtsform. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Rechtsformstruktur von kleinen und mittleren Unternehmen im Gegensatz zu Großunternehmen in Deutschland auf (2011):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3 : Rechtsformstruktur deutscher Unternehmen (Quelle: IfM (2011), eigene Änderungen)20

3. Latente Steuern

3.1 Definition

Latente Steuern werden in der Handelsbilanz bzw. im IFRS-Abschluss gebildet und stellen Abweichungen zur Steuerbilanz aufgrund unterschiedlicher Bewertungs­vorschriften von Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten dar. Sie zeigen zukünftige Steuerlasten oder -vorteile auf, die zwar rechtlich noch nicht entstanden sind, aber durch Geschäftsvorfälle bereits begründet wurden und sich in der Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgleichen werden. Passive latente Steuern bilden ergebene Steuerbelastungen und aktive ergebene Steuerentlastungen ab.[21]

3.2 Entstehung

Weichen aufgrund unterschiedlicher Bewertungs- und Bilanzierungsvorschriften Handelsbilanz bzw. IFRS-Abschluss von der Steuerbilanz ab, werden in ihnen latente Steuern gebildet[22], um den Zusammenhang der erklärten Steuer in der Handelsbilanz bzw. im IFRS-Abschluss und dem jeweils ausgewiesenem Ergebnis wieder herzustellen. Latenten Steuern wird deshalb eine so große Bedeutung zugewiesen, da es bei einer Nichtberücksichtigung zu erheblichen Abweichungen in der Steuerquote kommen kann.[23]

Im folgenden wird zwischen vier Fällen unterschieden, die durch Abweichungen der Handels- mit der Steuerbilanz auftreten können. Analog gilt dies für IFRS-Abschlüsse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Fälle 1. und 4. führen zu einer latenten Steuerschuld (passive latente Steuer). Die Fälle 2. und 3. zu einem latenten Steueranspruch (aktive latente Steuer).

3.2.1 aktive latente Steuern

Aktive latente Steuern werden auf der Aktivseite in der Bilanz gebildet, sobald das Ergebnis der Handelsbilanz geringer ist als das der Steuerbilanz. Dies kann entweder durch geringeren Ansatz von Vermögensgegenständen oder durch höheren von Schulden in der Handels- zur Steuerbilanz geschehen. Die Bildung von latenten Steueransprüchen stellt zukünftige Steuerentlastungen dar.

Beispiele für aktive latente Steuern sind:

- Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in der Handelsbilanz gern. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, Ansatzverbot gern. § 5 Abs. 4a Satz 1 EStG für die Steuerbilanz

- Aktivierung eines Vermögensgegenstandes in beiden Bilanzen auf der Aktivseite mit Anschaffungskosten von 500 €. Lineare Abschreibung mit unterschiedlichen Nutzungsdauern beider Bilanzen (Nutzungsdauer HB < Nutzungsdauer StB).

Die Auswirkung von aktiven latenten Steuern auf die Steuerquote wird durch folgendes Beispiel dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Handelsbilanz ohne Ansatz latenter Steuern (Quelle: Heuser/Theile (2009), ร. 523 RZ. 2612, eigene Änderungen)

Es wird deutlich, dass bei Nichtberücksichtigung einer latenten Steuer die Steuerquote in der Handelsbilanz von 60% weit über dem tatsächlichem Steueraufkommen von 30% liegt. Dies könnte Anleger verschrecken und ist außerdem an Bilanzadressaten kaum zu vermitteln.[24]

Durch den Ansatz einer latenten Steuerbilanz wieder ergebnisrichtig machen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 5: Handelsbilanz mit Ansatz latenter Steuern (Quelle: Heuser/Theile (2009), ร. 523 RZ. 2613, eigene Änderungen)

Durch Bildung einer aktiven latenten Steuer in Höhe von 300 € (Droh­verlustrückstellung 1000 € X 30%) wird das Missverhältnis vermieden und in beiden Bilanzen eine Steuerquote von 30% dargestellt, die mit dem tatsächlichem Steueraufwand übereinstimmt.[25]

3.2.2 passive latente Steuern

Analog zu aktiven latenten Steuern werden passive auf der Passivseite in der Bilanz gebildet, wenn das Handelsbilanzergebnis höher als das der Steuerbilanz ist. Dies entsteht entweder durch einen höheren Ansatz von Vermögensgegenständen oder geringeren von Schulden in der Handelsbilanz im Gegensatz zur Steuerbilanz. Die Bildung von latenten Steuerschulden stellt zukünftige Steuerbelastungen dar.[26] Beispiele für passive latente Steuern sind:

- Aktivierung von Entwicklungskosten gern. § 248 Abs. 2 HGB in der Handelsbilanz, steuerrechtlich ist dieser Ansatz gern. § 5 Abs. 2 EStG verboten
- steuerfreie Rücklage: Passivierungsverbot nach HGB, Passivierungswahlrecht gern. § 6b EStG, R 6.6 EStR

Auf ein detailliertes Beispiel zu passiven latenten Steuern wird an dieser Stelle verzichtet.

3.3 Bilanzierungskonzepte zur Abbildung latenter Steuern

3.3.1 Überblick beider Konzepte

Um die Frage zu beantworten, unter welchen Umständen latente Steuern erfasst werden müssen, gibt es zwei verschiedene Konzepte. Zum einen können Unterschiede der Bilanzen auf Basis von Ergebnisdifferenzen (G+V orientiert) zum anderen auf Basis von Bilanzpostendifferenzen (bilanzorientiert) gemessen werden.[27] Entscheidend für beide Konzepte ist, dass sich die Differenzen in der Zukunft wieder ausgleichen müssen, denn bei permanenten Differenzen werden generell keine latenten Steuern gebildet.[28]

3.3.2 Das Temporary-Konzept

Hierbei steht die bilanzorientierte Sichtweise im Vordergrund. Entscheidend für einen Ansatz latenter Steuern ist nicht ein Unterschied im Jahresergebnis, sondern in einzelnen Bilanzposten. Ob sich die Differenzen erfolgswirksam auswirken spielt hierbei im Gegensatz zum Timing-Konzept zunächst keine Rolle.[29] Lediglich für die Berücksichtigung erfolgsneutraler Differenzen ist Voraussetzung, dass sie bei ihrem Abbau zu einem Aufwand oder Ertrag führen. Ziel ist vor allem der richtige Ausweis der Vermögenslage eines Unternehmens, um Adressaten über künftige Steuermehr- oder -minderbelastung zu informieren.[30]

Abbildung 1 soll den Ansatz von latenten Steuern nach dem Temporary-Konzept noch einmal verdeutlichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : Temporary-Konzept

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Stelzer/Bolik (2009), ร. 6)

3.3.3 Das Timing-Konzept

Die Steuerabgrenzung erfolgt hierbei G+V-orientiert und bezieht sich damit stark auf eine periodengenauen Erfassung aller Aufwendungen und Erträge.[31] Latente Steuern werden nach diesem Konzept nur dann berücksichtigt, wenn sie ergebniswirksam entstanden sind und sich in der Zukunft wieder erfolgswirksam umkehren werden, also zeitlich begrenzt sind und sich in der G+V niederschlagen. Differenzen, die nicht zu einer Auswirkung im Ergebnis führen, werden nicht durch latente Steuern abgebildet (vgl. Abb. 2).[32] Ziel des Timing-Konzeptes ist die Darstellung der korrekten Ertragslage eines Elntemehmens.[33]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Timing-Konzept

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an: Stelzer/Bolik (2009), ร. 4)

Auffällig ist, dass bei Anwendung des Temporary-Konzept's häufiger latente Steuern gebildet werden müssen als beim Timing-Konzept, da zusätzlich auch quasi-permanente zeitliche Differenzen betrachtet werden. Dies wird im nächsten Abschnitt genauer behandelt. Das Timing-Konzept stellt somit eine Teilmenge des Temporary-Konzeptes dar.[34]

3.4 Arten von Differenzen

Nachfolgend werden verschiedene Erfolgsdifferenzen dargestellt, die sich aus dem Temporary- und Timing-Konzept ableiten. Es können folgende Differenzen entstehen: zeitlich unbegrenzt (permanente Differenzen), quasi zeitlich unbegrenzt (quasi­permanente Differenzen) und zeitlich begrenzt (temporäre Differenzen).

Das Temporary-Konzept kennt keine permanenten Ergebnisdifferenzen, da es sich erstens an Bilanzdifferenzen orientiert und zweitens jede Bilanzdifferenz sich spätestens bei Liquidation des Unternehmens abbauen wird.[35] Im Folgenden wird daher zwischen erfolgswirksamen und erfolgsneutralen Differenzen nochmals genauer unterschieden.

3.4.1 permanent

Werden Vermögenswerte oder Schulden nur in einer Bilanz erfasst, gleichen sich die Differenzen im Zeitablauf nicht aus. Sie bestehen also dauerhaft und heißen permanente Differenzen.[36] Latente Steuern werden hierbei sowohl nach dem Timing- als auch nach dem Temporary-Konzept nicht angesetzt, da sie Wertunterschiede betreffen, die keinen Einfluss auf das steuerliche Ergebnis haben und somit keine steuerliche Auswirkung besteht. Beispiele sind steuerfreie Erträge wie die Investitionszulage gern. § 10 InvZulG oder steuerrechtlich nicht abzugsfähige Betriebsausgaben gern. § 4 Abs. 5 EStG, wobei diese nach dem Temporary-Konzept wie bereits erwähnt generell nicht durch eine latente Steuer dargestellt werden, da kein Unterschied in den Bilanzposten besteht.[37]

3.4.2 quasi-permanent

Hierbei besteht der größte Unterschied zwischen den Bilanzierungskonzepten, da sie beim Timing-Konzept generell keine Anwendungen finden, aber beim Temporary unter bestimmten Umständen.

Quasi-permanente Differenzen gleichen sich zwar in der Zukunft wieder aus, aber nicht in einem konkreten Planungshorizont während des gewöhnlichen Geschäfts­betriebes.[38] Der Zeitpunkt der Umkehrung ist von einem bestimmten Ereignis abhängig und wird durch das Unternehmen selbst bestimmt, wie ein Grundstück, was nach Handels- und Steuerrecht unterschiedlich bewertet wurde und erst bei Veräußerung oder Liquidation des Unternehmens eine Bewertungsdifferenz darstellt.[39] Nach dem Timing-Konzept werden quasi-permanente Differenzen nicht erfasst, da sie faktisch eine zeitlich unbegrenzte Differenz darstellen, die in späteren Perioden des Planungshorizontes keine steuerliche Auswirkung haben.[40]

Ein Ansatz nach dem Temporary-Konzept kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Differenzen in der Zukunft umkehren. Auf die Zeitdauer der Umkehrung kommt es hierbei nicht an und somit schließt weder § 274 HGB nF noch IAS 12 den Ansatz quasi­permanenter Differenzen aus.[41] Entscheidend für einen Ansatz ist aber nicht nur, dass eine Bilanzdifferenz vorliegt, sondern auch eine erfolgswirksame Auflösung.

3.4.3 temporär

Temporäre Differenzen sind zeitlich begrenzt und gleichen sich innerhalb eines konkreten Planungszeitraums wieder aus; dies kann auch die Totalperiode sein[42] Sie entstehen durch, in der Summe zwar gleicher Höhe, aber unterschiedlichen zeitlichen Erfassung von Aufwendungen und Erträgen in den Bilanzen[43], die Z.B. aus dem Ansatz unterschiedlicher Abschreibungsbeträge resultiert.

3.4.4 erfolgswirksam und erfolgsneutral

Wie bereits erwähnt können beim Temporary-Konzept Differenzen auch anders klassifiziert werden: erfolgswirksam und erfolgsneutral. Dies liegt darin begründet, weil nach IAS 12 kein zeitlicher Planungshorizont festgelegt wird.[44]

Latente Steuern werden bei allen erfolgswirksamen Differenzen gebildet und können nach dem Temporary-Konzept auch unter Umständen bei erfolgsneutralen Differenzen entstehen, was nach dem Timing-Konzept wegen fehlender Auswirkung in der G+V nicht möglich wäre.

Voraussetzung für die Bildung latenter Steuern bei erfolgsneutralen Differenzen ist, dass sie sich beim Abbau erfolgswirksam auswirken müssen. In diesem Fall gelten die gleichen Anforderungen wie für erfolgswirksame Differenzen.[45]

3.5 Ansatz in der Bilanz

Bestehen Abweichungen in Handelsbilanz bzw. IFRS-Ab Schluss zur Steuerbilanz und folgt daraus ein Ansatz latenter Steuern gemäß der verschiedenen Bilanzierungs­konzepte, stellt sich demnach die Frage, in welcher Höhe sie angesetzt werden müssen, da die erklärten Konzepte lediglich die Bemessungsgrundlage für die Berechnung darstellen.[46] Aus anglo-amerikanischen Rechtskreisen haben sich dazu verschiedene Methoden entwickelt, von denen zwei genauer betrachtet werden. „[Sie legen fest], auf Basis welcher steuerlichen Verhältnisse (z.B. Steuersätze) latente Steuern zu ermitteln sind und wie sich Änder ungen des Steuerrechts oder Steuersatzes auf die in vorherigen Perioden gebildeten latenten Steuern auswirken. “[47].

3.5.1 Liability-Methode

Die Liability-Methode ist bilanzorientiert und steht somit in engem Zusammenhang mit dem Temporary-Konzept. Auch als Verbindlichkeitsmethode bezeichnet, dient sie der Darstellung einer zutreffenden Vermögenslage des Unternehmens, weshalb aktive latente Steuern als Forderungen (künftige Steuerminderzahlungen) und passive latente Steuern als Verbindlichkeiten (künftige Steuermehrlasten) bezeichnet werden. Dadurch soll auf künftige Zahlungswirkungen gegenüber der Finanzverwaltung abgestellt werden.[48]

Für den korrekten Ausweis der Vermögenslage gelten die Steuersätze, die voraus­sichtlich zum Zeitpunkt des Abbaus der Differenz zur Anwendung kommen. Steuerabgrenzungsposten müssen demnach zeitlich angepasst werden und stellen so die richtige Höhe des Ausweis einer künftigen Steuerbe- oder -entlastung am Bilanzstichtag sicher.[49] Beim Abbau der latenten Steuern wird der Steuersatz angewendet, der zu diesem Zeitpunkt gesetzlich gilt.[50]

3.5.2 Deferred-Methode

Die Deferred-Methode wird auch als Abgrenzungsmethode bezeichnet, da sie einen periodengerechten Erfolgsausweis des jeweiligen Geschäftsjahres als Ziel verfolgt. Sie zeigt den Steueraufwand auf, der dem Handelsbilanzergebnis der abgelaufenen Periode entspricht und betrachtet latente Steuern als Abgrenzungsposten.[51] Hierbei werden die Steuersätze angewendet, die zum Zeitpunkt der Entstehung der Differenz gelten. Späterer Änderungen von Gesetzen führen nicht rückwirkend zu Änderungen der gebildeten latenten Steuern, weshalb gesetzliche Änderungen sich erst bei deren Auflösen bemerkbarmachen. Dies stellt auch den größten Unterschied zur Liability- Methode dar, welche Steuersatzänderungen durch Anpassung der Bilanzposten berücksichtig. Aufgrund des Ziels eines periodengerechten Erfolgsausweises, besitzt die Deferred-Methode einen Bezug zum G+V-orientierten Timing-Konzept.[52]

3.6 einige Besonderheiten 3.6.1 Steuersatz

Gern. § 274 Abs. 2 Satz 1 HGB und IAS 12.47 sind sowohl nach deutschem als auch nach internationalem Recht die Steuersätze anzuwenden, die im Zeitpunkt des Abbaus der latenten Steuern gelten, was die Anwendung der Liability-Methode mit sich bringt. Da diese aber schwer zu bestimmen sind, können auch die zum Bilanzstichtag geltenden Steuersätze angewendet werden. Im Sinne des HGB ist der untemehmensindividuelle

[...]


[1] ) nach Einführung des BilMoG

[2] ) Vgl. Meyer/Loitz/Quella/Zerwas (2009), ร. 53, RZ. 63

[3] ) Vgl. Pottgießer (2006), ร. 1

[4] ) United States Generally Accepted Accounting Principles

[5] ) Vgl. Mandler (2004), ร. 1 ff., sowie Lülır (2010), ร. 1

[6] ) Vgl. Winkeljohann (2004), ร. 1

[7] ) Vgl Herzig/Fuhnnann (2012), ร. 64, RZ. 160, sowie ร. 72f„ RZ. 181 ff.

[8] ) Vgl. Steinbach (2012), ร. lf.

[9] ) Vgl. Heuser/Theile (2009), ร. 40. RZ. 156

[10] ) Vgl. Salditi (2010), ร. 23 sowie Pottgießer (2006), ร. 71

[11] ) Vgl. IfM (2014), URL siehe Literaturverzeichnis

[12] ) Pottgießer (2006), ร. 71

[13] ) Salditi (2010), ร. 24

[14] ) § 267 HGB

[15] ) Vgl. Salditi (2010), ร. 26

[16] ) abrufbar unter: http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sme/facts-figures-analysis/sme-definition/ index_de.htm, letzter Abruf 26.05.2014 ) \ ul. Lühr (2010), ร. 30

[18] ) Salditi (2010), ร. 28

[19] ) Vgl. Pottgießer (2006), ร. 78

[20] ) abrufbar unter: http://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/statistik/mittelstand_im_einzelnen/ dokumente/Untreg_KMบ_und_GU_2011_RF-STR.pdf .letzter Abruf: 26.05.2014

[21] ) Vgl. Herzig/Fuhrmann (2012), ร. 1 RZ.l sowie § 274 HGB

[22] ) Vgl. Meyer, Loitz, Quella, Zerwas (2009) ร. 34 RZ. 14

[23] ) Vgl l.iilir (2010), ร. 280

[24] ) Vgl. Heuser/Theile (2009) ร. 522 RZ. 2612 Beispiel 8

[25] ) Vgl. Heuser/Theile (2009), ร. 523 RZ. 2613

[26] ) Vgl Steinbach (2012), ร. 42

[27] ) Vgl. Halm (2011), ร. 59

[28] ) Vgl. Heuser/Theile (2009), ร. 519, RZ. 2605

[29] ) Vgl Herzig/Fuhrmann (2012), ร. 50, RZ. 113

[30] ) Vgl Steinbach (2012), ร. 50, 57

[31] ) Vgl. Tinerne (2004), ร. 8

[32] ) Vgl Herzig/Fuhrmann (2012), ร. 49, RZ. 112

[33] ) Vgl Stelzer/Bolik (2009) ร. 3

[34] ) Vgl. Stelzer/Bolik (2009), ร. 6

[35] ) Vgl. Steinbach (2012), ร. 54

[36] ) Vgl. Tinerne (2004), ร. 9

[37] ) Herzig/Fuhrmann (2012), ร. 51 f., Rz. 117 f.

[38] ) Vgl. Tliieme (2004), ร. 10

[39] ) Vgl Stelzer/Bolik (2009) ร. 3

[40] ) Karrenbrock (1991), ร. 7

[41] ) Vgl. Herzig/Fuhrmann (2012), ร. 53, RZ. 124

[42] ) Vgl Heuser/Theile (2009), ร. 524, RZ. 2615

[43] ) Karrenbrock (1991), ร. 6

[44] ) Vgl. Meyer/Loitz/Quella/Zerwas (2009), ร. 64, RZ. 6

[45] ) Vgl. Steinbach (2012), ร. 57

[46] ) Vgl. Steinbach (2012) ร. 63

[47] ) Herzig/Fulmnann (2012), ร. 56, RZ. 134

[48] ) Vgl. Steinbach (2012), S.63 f.

[49] ) Vgl. Herzig/Fuhnnaim (2012), ร. 57, RZ. 136

[50] ) Vgl. Karrenbrock (1991), ร. 128

[51] ) Vgl Tíñeme (2004), ร. 13

[52] ) Vgl Herzig/Fuhnnann (2012), ร. 56 f. RZ. 135, 137 15

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Details

Title
Latente Steuern. Ursachen und bilanzielle Behandlung nach HGB und IFRS in mittelständischen Unternehmen
College
University of Kassel
Grade
1,7
Author
Year
2014
Pages
54
Catalog Number
V367883
ISBN (eBook)
9783668467972
ISBN (Book)
9783668467989
File size
545 KB
Language
German
Keywords
Steuern, HGB, IFRS, Unternehmen, Bilanzen, Latente Steuern, IAS, IASB, GAAP
Quote paper
Anke Höhmann (Author), 2014, Latente Steuern. Ursachen und bilanzielle Behandlung nach HGB und IFRS in mittelständischen Unternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/367883

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