Extrait
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
1.2 Gang der Untersuchung
2 Variantenvielfalt und Komplexität in der Automobilindustrie
2.1 Definition zentraler Begriffe aus der Automobilwirtschaft
2.2 Entwicklung von Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus in der Automobilindustrie
2.3 Definition, Aufgaben und Ziele des Supply Managements
2.4 Relevanz von Variantenvielfalt und Komplexität für das Supply Management
3 Plattformkonzepte
3.1 Definition und Funktionsweise von Plattformkonzepten
3.2 Abgrenzung von Plattformkonzepten und Baukastensystemen
3.3 Einsatz von Plattformkonzepten in der Automobilindustrie
3.3.1 Der Volkswagen Konzern
3.3.2 Plattformstrategie des Volkswagen Konzerns
3.3.3 Einsatz des Modularen Querbaukastens im Volkswagen Konzern
3.3.4 Bedeutung des Plattformeinsatzes für das Variantenmanagement
4 Relevanz der Plattformkonzepte für das Supply Management
4.1 Auswirkungen der Plattformkonzepte aus der konzeminternen Perspektive
4.1.1 Plattformkonzepte als Treiber der Gleichteileverwendung
4.1.2 Plattformkonzepte im Eskalationsmanagement
4.1.3 Plattformkonzepte als Treiber eines standardisierten Produktionsprozesses
4.2 Auswirkungen der Plattformkonzepte aus der konzernexternen Perspektive
4.2.1 Plattformkonzepte als Treiber der Fremdbeschaffung
4.2.2 Plattformkonzepte als Treiber des Modular Sourcing
5 Schlussbetrachtung
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Entwicklung der Variantenvielfalt auf dem deutschen Automobilmarkt (Eigene Darstellung)
Abbildung 2-2: Die Prozesse des Supply Managements im Rahmen der Beschaffung und des Einkaufs bei Audi
Abbildung 2-3: Zielkonflikt des Supply Managements
Abbildung 2-4: Kostenstruktur von Automobilherstellern
Abbildung 3-1: Funktionsweise von Plattformkonzepten
Abbildung 3-2: Automobilabsatz des Volkswagen Konzerns in den Jahren 2010 bis 2013 nach Konzernmarken
Abbildung 3-3: Schematische Darstellung einer horizontalen Plattformstrategie
Abbildung 3-4: Entwicklungsstufen des Modularen Querbaukastens
Abbildung 4-1: Entwicklung der Motorenproduktion von Audi Hungaria Motor Kft
Abbildung 4-2: Größte Rückrufaktionen von Automobilherstellem im Zeitraum von 2010 bis 2014 (in Mio. Fahrzeugen)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 2-1: Auszug aus den Modellvarianten der Audi AG
Tabelle 2-2: Differierende Ansätze des konventionellen Einkaufs und des Supply Managements
Tabelle 3-1: Produktfamilie des Volkswagen Konzerns aufBasis des MQB (Stand: Mai 2014)
Tabelle 4-1: Voraussichtliche Änderung derEigen- bzw. Fremdfertigungsanteile an bestimmten Baugruppen im Zeitraum von 2002 bis 2015 (in Prozent)
Tabelle 5-1: Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse (Eigene Darstellung)
1 Einführung
1.1 Ausgangssituation und Problemstellung
Die fortschreitende Globalisierung der Märkte und die zunehmende Differenzierung von Kundenbedürfnissen stellen die heutige Automobilindustrie vor großen Herausforderungen. Zum einen müssen sich die Unternehmen mit völlig neuen, bisher unbekannten Konkurrenten auf teilweise stagnierenden Absatzmärkten auseinandersetzen; zum anderen resultiert die notwendige Orientierung an den Kundenwünschen in ein höchst individualisiertes Leistungsangebot.[1] Auf das so entstehende Spannungsfeld zwischen Kundenorientierung, Kosteneffizienz und Produktionsgeschwindigkeit reagieren die Produzenten, indem sie die Anzahl an Modellvarianten erhöhen und den Produktlebenszyklus von Fahrzeugen verkürzen.[2] Simultan steigt dadurchjedoch auch die interne Komplexität, die sich mittlerweile in zahlreichen Unternehmen zu einem erheblichen Kostenfaktor entwickelt hat.[3]
Um der wachsenden Variantenvielfalt nun möglichst kostengünstig zu begegnen, setzen zahlreiche Automobilhersteller auf die Verwendung von Plattformen. Die Konstruktion der Fahrzeuge erfolgt dabei unter der Verwendung einer speziellen Trägerstruktur, auf deren Basis eine Vielzahl unterschiedlicher Produkte entwickelt und produziert werden kann.[4] Obwohl dieses Konzept aus produktionstechnischer Hinsicht oftmals als revolutionär bezeichnet wird, sind die Auswirkungen der Plattformkonzepte auf das Supply Management bisher nur ansatzweise erforscht.[5] Dies erscheint verwunderlich, kommt der kostengünstigen und sicheren Materialversorgung von Automobilunternehmen doch speziell in dieser höchst dynamischen Industrie eine immer größere Bedeutung zu.
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, die Auswirkungen der Plattformkonzepte auf das Supply Management zu bewerten. Die Analysen sollen den Leser dazu befähigen, den Plattformeinsatz nicht mehr nur aus der produktionstechnischen Perspektive, sondern auch aus der Sicht des Versorgungsmanagements zu beurteilen zu können. Im Laufe der Bearbeitung werden dabei auch folgende grundlegende Fragestellungen geklärt:
- Inwiefern haben sich Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus auf dem Automobilmarkt entwickelt?
- Wie gestaltet sich der praktische Einsatz von Plattformkonzepten in der Automobilindustrie?[6]
- Welchen Beitrag leistet der Plattformeinsatz zu einem effizienten Management von Variantenvielfalt und Komplexität?
1.2 Gang der Untersuchung
Ausgehend von den formulierten Zielsetzungen leitet sich der Aufbau der Arbeit mit insgesamt fünf Kapiteln ab.
Das Kapitel 2 stellt zunächst eine einleitende Situationsanalyse dar, die die Entwicklung von Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus auf dem Automobilmarkt untersucht. Dabei werden angesichts der ermittelten Veränderungen auch die Konsequenzen für das Supply Management beschrieben.
Im Hinblick auf das so entstandene Problemfeld führt das Kapitel 3 die Plattformkonzepte ein. Neben einer Begriffs- und Funktionsdefinition widmet sich dieser Teil vor allem der praktischen Verwendung von Plattformen. Dazu dient der Modulare Querbaukasten des Volkswagen Konzerns als exemplarisches Beispiel.
Das Kapitel 4 befasst sich schließlich mit dem Schwerpunkt dieser Arbeit und analysiert die Auswirkungen des Plattformeinsatzes auf das Supply Management. Die Untersuchung orientiert sich dabei an den Teilzielen des Supply Managements und versucht, sowohl eine konzeminterne als auch eine konzernexterne Perspektive aufzubauen.
Schließlich fasst das Kapitel 5 die Ergebnisse der Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick auf den weiteren Einsatz von Plattformkonzepten in der Automobilindustrie.
2 Variantenvielfalt und Komplexität in der Automobilindustrie
Um einen tieferen Einblick in die Ursachen des Einsatzes von Plattformkonzepten zu leisten, wird in diesem Kapitel die Entwicklung der Variantenvielfalt und des Produktlebenszyklus auf dem Automobilmarkt dargestellt. Nach einer kurzen Definition von zentralen Begriffen aus der Automobilwirtschaft wird dazu in Abschnitt 2.2 die Situation dieser beiden Faktoren anhand von fünf Fahrzeugherstellern dokumentiert. Anschließend definieren die nachfolgenden Abschnitte einerseits den Begriff und die Aufgaben des Supply Managements, um andererseits die Auswirkungen der vorhin aufgezeigten Entwicklungen auf speziell diesen Funktionsbereich zu untersuchen.
2.1 Definition zentraler Begriffe aus der Automobilwirtschaft
Das einheitliche Verständnis der Begriffe Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus erfordert es, zunächst die Termini des Produkts, der Variante und des Derivats zu konkretisieren.
Ulrich/ Eppinger definieren ein Produkt als die Summe aller materiellen und immateriellen Outputleistungen eines Unternehmens.[7] Im Sinne dieser Arbeit ist ein Produkt daher das Automobil, das als materielles Endprodukt mit einem bestimmten Produktnamen auf dem Markt angeboten wird. Unterscheidet sich ein Produkt in signifikanten materiellen oder immateriellen Merkmalen von anderen Produkten, so wird es ferner als Variante bzw. Modellvariante bezeichnet.[8] Als Praxisbeispiel dient hier der Hersteller Audi. Während etwa das Modell des Audi A3 ein bestimmtes Produkt darstellt, ist eine Variante dieses Produkts das Modell des Audi A8.[9] Die Abweichung der Variante vom ursprünglichen Produkt liegt an dieser Stelle in dem unterschiedlichen technischen Standard und dem unterschiedlichen Produktnamen der beiden Fahrzeuge. Innerhalb einer Variante, die in der Praxis auch als Baureihe bezeichnet wird, werden die einzelnen Automobile zudem in Derivate unterteilt. Diese differenzieren sich in der jeweiligen Karosserieform oder in den Ausstattungspaketen.[10] So wird beispielsweise bei Audi innerhalb einer Baureihe zwischen den Derivaten des Audi A3, A3 Limousine, A3 Sportback und A3 Cabriolet unterschieden.
Letztlich wird die Anzahl an Varianten, die ein Automobilhersteller zu einem bestimmten
Zeitpunkt auf dem Markt anbietet, als Variantenvielfalt definiert.[11] Im Zeitverlauf ändern die Herstellerjedoch ihre angebotenen Modellvarianten. Der immer wiederkehrende Prozess zwischen einer Produkteinführung („Start of Production“) und seiner Entfernung aus dem Markt („End ofProduction“) wird dabei als Produktlebenszyklus bezeichnet.[12]
2.2 Entwicklung von Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus in der Automobilindustrie
Um einen umfassenden Einblick in den Automobilmarkt und der Entwicklung von Variantenvielfalt und Produktlebenszyklus zu generieren, dient die Schwacke Liste 2014 als primäre Quelle. Diese listet sämtliche auf dem deutschen Fahrzeugmarkt erhältlichen Automobilmodelle chronologisch auf. Aus den Informationen über die aufgelisteten SOPs und EOPs kann somit abgeleitet werden, wie viele Modellvarianten zu einem bestimmten Zeitpunkt auf dem Markt angeboten wurden. Zur möglichst repräsentativen Analyse der Entwicklung wurden dabei speziell diejenigen Automobilhersteller ausgewählt, die die größten Marktanteile auf dem deutschen Fahrzeugmarkt besitzen und zeitgleich die breiteste Modellvielfalt anbieten.[13] [14] Dies sind die Hersteller Volkswagen, BMW, Mercedes-Benz, Audi und Opel. Exemplarisch am Beispiel von Audi zeigt die Tabelle 2-1 einen Auszug aus den Daten der Schwacke Liste 2014.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2-1 : Auszug aus den Modellvarianten der Audi AG14
Mithilfe dieser Informationen lässt sich nun die Entwicklung der Variantenvielfalt rekonstruieren. Die Abbildung 2-2 zeigt diese für die oben genannten Hersteller im Beobachtungszeitraum zwischen 2000 und 2014.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Entwicklung der Variantenvielfalt auf dem deutschen Automobilmarkt
(Eigene Darstellung)
Es wird deutlich, dass nahezu alle untersuchten OEMs die Variantenvielfalt innerhalb von 14 Jahren signifikant erhöht haben.[15] Der markenübergreifende Anstieg von 70 Prozent erscheint dabei umso bemerkenswerter wenn man bedenkt, dass auch der deutsche Automobilmarkt in den Jahren 2008/ 2009 durch die weltweite Absatzkrise geprägt war. Lediglich bei Opel führten die daraus resultierenden Einsparungen in der Forschung und Entwicklung offensichtlich zu einer kaum merklichen Variantenerhöhung. Auf der anderen Seite ist insbesondere die Entwicklung von Audi und BMW bemerkenswert, wo sich die Modellvielfalt jeweils mehr als verdoppelt hat. Unterdessen hat sich der Produktlebenszyklus bei Automobilen tendenziell verkürzt. Insbesondere in Form von Facelifts bringen die Hersteller in immer kürzeren Abständen neue Derivate auf den Markt. Während etwa ein Fahrzeug im Jahr 2006 durchschnittlich fünf bis sechs Jahre auf dem Markt angeboten wurde, vergehen im Jahr 2011 nur noch zwei bis drei Jahre, bis ein neues Derivat erscheint.[16] Die Gründe für diese Entwicklungen lassen sich dabei sowohl hersteller- als auch abnehmerseitig finden. Während sich die Automobilhersteller einerseits durch eine Segmentierung ihres Angebots von der zunehmenden Anzahl an Mitbewerbern differenzieren wollen, hat vor allem der Kundenwunsch nach immer individuelleren Fahrzeugen zu einer differenzierten Nachfragestruktur und somit zu einer höheren Variantenvielfalt geführt.[17] Zudem versuchen die OEMs gezielt, die Nachfrage auf bereits gesättigten Absatzmärkten durch immer kürzere Produktlebenszyklen weiter zu stimulieren.
2.3 Definition, Aufgaben und Ziele des Supply Managements
Bevor der nachfolgende Abschnitt die Effekte der aufgezeigten Entwicklungen für den Unternehmenserfolg und speziell für das Supply Management beschreibt, soll zunächst auf den Begriff, den Aufgaben und den Zielen dieses Funktionsbereichs eingegangen werden.
Kaufmann definiert das Supply Management als eine unternehmensübergreifende Prozesskette, die die operative und strategische Versorgung eines Unternehmens mit sämtlichen direkten und indirekten Materialien gewährleisten soll.[18] Verglichen mit dem konventionellen Einkauf, der eine ausschließlich operative und lokale Sicht auf die Versorgung eines Unternehmens hatte, versucht das moderne Konzept des Supply Managements nun, eine langfristige und unternehmensweite Perspektive aufzubauen. Dies verdeutlicht auch die Tabelle 22, die die wichtigsten Unterschiede der beiden Ansätze konkretisiert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 2-2: Differierende Ansätze des konventionellen Einkaufs und des Supply Managements[19]
Anhand der Gegenüberstellung wird es ersichtlich, dass das Supply Management speziell in der dynamischen und globalisierten Branche der Automobilindustrie zu einem wettbewerbsentscheidenden Faktor für die Unternehmung werden kann. Um sich von der steigenden Anzahl an direkten Konkurrenten zu differenzieren, wird eine kostengünstige, schnelle und sichere Materialversorgung eines Unternehmens essentiell. Um dies zu realisieren, versucht das Supply Management zum einen, die Lieferanten als tatsächliche Wertschöpfungspartner zu betrachten und zum anderen, innerhalb von Unternehmen bzw. Konzernen ein bereichsübergreifendes Versorgungskonzept aufzubauen. Dieses Umdenken von einem geschäftsbereichsindividuellen Maximieren zu einer untemehmensweiten Gesamtsicht führt automatisch dazu, dass sich die einzelnen Prozesse des Supply Managements über mehrere Funktionsbereiche eines Unternehmens erstrecken.[20] Bei Audi beispielsweise verläuft diese Prozesskette sowohl im Geschäftsbereich der Beschaffung als auch in dem der Logistik. Das hat zur Folge, dass sich die jeweiligen Aufgabenfelder auch durchaus ergänzen bzw. überschneiden können, wie die Abbildung 2-2 veranschaulicht.[21]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2: Die Prozesse des Supply Managements im Rahmen der Beschaffung und des Einkaufs bei Audi
Das überragende Ziel des Supply Managements ist es, dem Unternehmen einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Konkurrenten zu sichern.[22] Ohne an dieser Stelle auf die einzelnen dafür notwendigen Prozesse genauer einzugehen, erfordert die augenscheinlich hohe Komplexität der Prozesskette esjedoch, dass aus diesem Globalziel kleinere und operationalisierbare Teilziele abgeleitet werden, die im Rahmen der nachfolgenden Analyse eine systematische Bewertung des Plattformeinsatzes ermöglichen. Die Literatur und die unternehmerische Praxis erachten dabei folgende Zielgrößen als besonders relevant.[23]
Das primäre Teilziel ist es, durch niedrige Beschaffungskosten eine hohe Versorgungswirtschaftlichkeit zu erzielen {Kostenminimierung). Dafür müssen sowohl die Anschaffungs-, Bestellabwicklungs-, Lagerhaltungs- als auch die Fehlmengenkosten in allen Prozessen des Supply Managements möglichst gering gehalten werden.[24] Neben den typischen Kostenzielen ist des Weiteren eine hohe Versorgungssicherheit von Bedeutung. Es muss das Ziel sein, dass die Lieferanten quantitativ vereinbarte Lieferverträge einhalten bzw. einhalten können. Dies ist insbesondere für die Automobilindustrie von Bedeutung, da heutzutage zahlreiche Umfänge in einem Just-in-Time-Verfahren bezogen werden und insofern eine überproportionale Abhängigkeit von der Liefertreue der Zulieferer besteht {Versorgungssicherheit).[25] Schließlich ist es in dieser Branche vor allem für die Premium- und Luxushersteller relevant, dass die Montagelinie mit qualitativ angemessenen Bauteilen versorgt wird {Qualitätssicherung). Dem Supply Management kommt deswegen die Aufgabe zu, bereits in der Phase des Produktentstehungsprozesses die Lieferanten unter anderem auch nach qualitätsbedingten Kriterien zu nominieren. Anschließend vollzieht sich die Qualitätssicherung sowohl über den externen Transportweg, über den Wareneingang bis hin zum internen Transport der Waren an den Verbauort.
Da es sich bei diesen drei Zielgrößen um teilweise gegenläufige Kriterien handelt, entsteht durch ihre Interdependenzen ein Zielkonflikt, der im Rahmen der Bewertung der Plattformkonzepte beachtet werden muss. Die Abbildung 2-3 stellt diesen Zielkonflikt zusammenfassend dar.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-3 : Zielkonflikt des Supply Managements[26]
2.4 Relevanz von Variantenvielfalt und Komplexität für das Supply Management
Wenngleich eine hohe Variantenvielfalt und ein kurzer Produktlebenszyklus die Wettbewerbsposition im Kampf um neue Kunden stärkt, ist insbesondere die Maßnahme zur Erhöhung der Variantenvielfalt mit erheblichen Kosten verbunden. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass eine steigende Variantenvielfalt zu einer exponentiell anwachsenden Teilevielfalt führt.[27] Nimmt man die Anzahl der Teilenummem als einen Indikator für die Teilevielfalt, so hat sich diese bei Audi beispielsweise im Zeitraum zwischen 2008 und 2013 um insgesamt 150 Prozent erhöht.[28] Die Folge ist eine wachsende Vielschichtigkeit der unternehmensinternen Prozesse und wird allgemein auch als eine wachsende interne Komplexität beschrieben.[29] Das Resultat sind signifikante Komplexitätskosten, wie sich unter anderem anhand der Prozesskette des Supply Managements dokumentieren lässt:[30]
- Eine erhöhte Teilevielfalt führt zu einem größeren Aufwand bei der Planung, Steuerung und Kontrolle der Lieferungen. Dies impliziert höhere Kosten in den Prozessen der Disposition und des Wareneingangs.
- Aufgrund einer hohen Variantenvielfalt werden tendenziell weniger Automobile einer gleichen Variante bzw. eines gleichen Derivats verkauft. Dies reduziert die bestellten Stückzahlen pro Teilevariante und beeinträchtigt die Verhandlungskonditionen im Rahmen der Lieferantenvertragsgestaltung. Die Gründe hierfür sind Kleinmengenaufschläge bzw. Verluste von Mengenrabatten.
- Bei einer Zunahme der Teilevielfalt wächst die Gefahr von qualitativ minderwertigen Lieferungen. Als Folge dieser bestehenden Unsicherheit entsteht ein höherer Aufwand bei der Wareneingangs- und Qualitätskontrolle.
- Angesichts einer steigenden Anzahl an Teilevarianten werden zusätzliche Lager- und Sicherheitsbestände aufgebaut, die in höheren Kapitalbindungskosten resultieren.
All diese Entwicklungen führen dazu, dass insbesondere das Versorgungsmanagement von einer erhöhten Komplexität des Produktionsprogramms, und somit von der Anzahl der produzierten Teile und Varianten betroffen ist. So sind rund 30 Prozent der in einer OEM anfallenden Komplexitätskosten allein in den Geschäftsbereichen der Beschaffung und der Logistik vorzufinden. Die Abbildung 2-3 verdeutlicht diesen Zustand, indem die Kostenstruktur von Automobilherstellern dargestellt ist.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-4: Kostenstruktur von Automobilherstellem31
Dabei wird zudem sichtbar, dass sich eine hohe Variantenvielfalt auch auf eine Vielzahl anderer Funktionsbereiche in der Unternehmung auswirkt; angefangen von der Fertigung über den Vertrieb bis hin zur Forschung und Entwicklung steigen die Kosten infolge einer erhöhten Komplexität.[31] [32] Laut einer Studie von McKinsey ist diese für somit etwa 20 Prozent der Gesamtkosten eines Automobilherstellers verantwortlich, was zu einem entscheidenden Nachteil in der Wettbewerbsfähigkeit der Hersteller werden kann.[33]
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass zwarjede neu entwickelte Modellvariante einen Kundengewinn in neuen Absatzmärkten und somit zusätzliche Erlöse bedeutet;jedoch wird es hinsichtlich der beträchtlichen Kosten, die durch eine hohe Variantenvielfalt entstehen, zur Kemaufgabe jedes Automobilherstellers, den variantenbezogenen Komplexitätsgrad so weit zu reduzieren, dass die Erlöse größer sind als die Zusatzkosten der Komplexität.[34] Das Variantenmanagement widmet sich dieser Problematik und versucht, durch eine komplexitätsreduzierende Produktgestaltung die zunächst konträren Ziele von Variantenvielfalt und Wirtschaftlichkeit zu vereinigen.[35] Als Instrument haben sich dafür die Plattformkonzepte etabliert, die heutzutage bei zahlreichen Automobilherstellern zum Einsatz kommen. Inwiefern sich deren Verwendung in der Automobilindustrie gestaltet und welche Auswirkungen dies speziell auf das Supply Management hat, wird in den folgenden Teilen der Arbeit analysiert.
3 Plattformkonzepte
Der Abschnitt 3.1 geht zunächst auf den Begriff und auf die Funktionsweise von Plattformen ein. Dazu anknüpfend vergleicht der Abschnitt 3.2 die Plattformkonzepte mit den Baukastensystemen. Im nächsten Teil der Arbeit wird der theoretische Rahmen verlassen und zunächst anhand des Begriffs der Plattformstrategie erklärt, wie sich komplette Produktfamilien auf der Basis von Plattformen entwickeln lassen. Anschließend veranschaulicht das Beispiel des Volkswagen Konzerns, wie sich der praktische Einsatz von Plattformkonzepten in Automobiluntemehmen gestaltet und welchen Einfluss dieser auf das eingangs erwähnte Problem einer steigenden Komplexität hat.
3.1 Definition und Funktionsweise von Plattformkonzepten
Ein Blick auf das Marktumfeld in der Automobilindustrie lässt erkennen, dass die meisten Fahrzeuge eine Vielzahl identischer Merkmalsausprägungen aufweisen.
[...]
[1] Vgl. Piller/ Waringer (1999), S.l, Comet (2002), S.lf. und Wissmann (2013).
[2] Vgl. Comet (2002), S.l.
[3] Vgl. Piller/ Waringer (1999), S.20 und S.26.
[4] Vgl. Sawhney/Herrmann (2000), S.204.
[5] Vgl. Preiss (2012).
[6] Die empirische Analyse entstand im Rahmen von Experteninterviews und praktischen Einsätzen bei der Audi AG. Sie enthält insofern eine Vielzahl an untemehmensintemen Informationen, die nicht öffentlich zugänglich sind. Aus Gründen wissenschaftlicher Redlichkeit werden diese Daten im weiteren Verlauf als „Interne Quelle“ gekennzeichnet.
[7] Vgl. Ulrich/Eppinger (1996)
[8] Vgl. Deutsches Institut fürNormung (1977), S.9.
[9] Vgl. Diez (1996a), S.37.
[10] Vgl. Diez (1996b), S.37.
[11] Vgl. Buchholz/ Souren (2008), S.16.
[12] Vgl. Eigner (2008), S.8. In der Praxis wird der Zeitpunkt der Produkteinführung (Start ofProduction) auch abgekürzt als „SOP“ und der Zeitpunkt der Produktentfemung (End ofProduction) als “EOP“ bezeichnet.
[13] Vgl. Kraftfahrt-Bundesamt (2014).
[14] Eigene Darstellung der in Schwacke (2014) wiedergegebenen Daten.
[15] Der Begriff OEM (Original Equipment Manufacturer) wird in der Automobilindustrie üblicherweise für all diejenigen Hersteller verwendet, die ihre Ware unter dem eigenem Markennamen anbieten.
[16] Vgl. Ihme (2006), S.10, Scheimann (2011) und Schwacke (2014).
[17] Vgl. Piller/Warmger (1999a), S.l und S.9f.
[18] Vgl. Kaufmann (1999), S. 12. und Interne Quelle (2014). Dabei werden die Materialien, die bei der Herstellung zum Bestandteil des Produkts werden, als direkte Materialien bezeichnet, währenddessen von indirekten Materialien gesprochen wird, wenn diese lediglich der Aufrechterhaltung der Produktionsleistung dienen. In der Automobilindustrie umfassen die direkten Materialien die Baugruppen und Bauteile wie die Karosserie, das Fahrwerk oder einzelne Schrauben. Indirekte Materialien beziehen sich andererseits auf die Maschinen und Werkzeuge, die zur Automobilherstellung benötigt werden. Vgl. Weber (2014). Aufgrund der charakteristischen Versorgungsfunktion wird das Supply Management deswegen auch als Versorgungsmanagement bezeichnet.
[19] In Anlehnung an: Karsch (1999), S.695.
[20] Vgl. Karsch (1999), S.695.
[21] Vgl. Interne Quelle (2014).
[22] Vgl. Kaufmann (1999), S.12.
[23] Vgl. für den folgenden Absatz Interne Quelle (2014), Karsch (1999), S.695f., Kaufmann (1999), S.12 und Arnolds (2010), S.7-11.
[24] Die Anschaffungskosten beschreiben dabei die Kosten für das eingekaufte Material, gemessen an einem bestimmten Einstandspreis. Unterdessen umfassen die Bestellabwicklungskosten die Personal- und Sachkosten zum Zweck der Beschaffung von neuem Material. Zu den Lagerhaltungskosten gehören anschließend die Kosten für die Miete, Beleuchtung, Instandhaltung und für das Personal, das die Verwaltung der Läger leitet. Unter Fehlmengenkosten werden schließlich all diejenigen Aufwendungen verstanden, die dadurch entstehen, dass bestimmte Materialien am Verbauort zum Bedarfszeitpunkt fehlen. Vgl. Arnolds (2010), S.8f.
[25] Die Just-in-Time-Beschaffung strebt die Reduzierung einer Vorratshaltung und der Durchlaufzeiten durch eine bedarfssynchrone Anlieferung des Materials an den jeweiligen Verbauort an. Dafür ist der Lieferant verpflichtet, die zuvor vertraglich festgelegten Materialmengen jeweils kurzfristig auf Abruf anzuliefem. Es sind also durchaus mehrmals tägliche Belieferungen möglich, die im Rahmen des Supply Managements garantiert sein müssen. Vgl. Vahrenkamp (2007), S.324-344.
[26] In Anlehnung an: Comet (2002), S.15.
[27] Vgl. Piller/ Wannger (1999b), S.6.
[28] Vgl. Interne Quelle (2014).
[29] Vgl. Piller/ Waringer (1999b), S.6.
[30] Vgl. Piller/ Waringer (1999c), S.24 und S.26 und für den folgenden Absatz Bliss (1998), S.36, Sawhney/ Herrmann (2000), S.198, Lasch (2008),S. 201 und Interne Quelle (2014).
[31] In Anlehnung an: Rommel (1993), S.24.
[32] Vgl. Lackes/ Schnödt (1998), S.28.
[33] Vgl. Rommel (1993), S.23f.
[34] Vgl. Picot/Freudenberg (1998), S.69.
[35] Vgl. Lasch (2009), S.199
- Citation du texte
- Darius Scurtu (Auteur), 2014, Plattformkonzepte in der Automobilindustrie. Chancen und Risiken für das Supply Management, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369493
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