Ist Mathe eher so ein Jungs-Ding? Geschlechtsspezifische Sozialisation an Mittelschulen

Wege zur Stärkung der Gleichbehandlung und Entkräftung von Rollenbildern


Hausarbeit, 2016

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Was meint Geschlecht
2.1 Doing Gender - Was wir tun um Geschlecht zu sein
2.2 Sozialisation
2.3 Und was ist mit der Biologie?

3. Konstruktionen im Schulkontext
3.1 Die (indirekte) Thematisierung von Geschlecht in der Schule
3.1.1 „We don’t want insulting questions“
3.1.2 „kleine Süße“
3.2 Mathe und Technik - nichts für Mädchen

4. Geschlechtsneutrale Erziehung in der Vorschule

5. Fazit

6. Literatur

Anmerkung: Ich werde stereotype und überspitzte Aussagen kursiv markieren um deutlich zu machen, dass diese nicht meinen Ansichten entsprechen, außerdem werde ich das Gender_Gap benutzen um alle Geschlechter, auch jenseits der hegemonialen Zweigeschlechtlichkeit, einbeziehen zu können.

1. Einleitung

„In allen OECD-Ländern (OECD=Organisation for Economic Co-operation and Development) schnitten die Mädchen in PISA 2006 in Lesekompetenz im Durchschnitt besser ab als die Jungen“, „In 35 der 57 an PISA 2006 teilnehmenden Länder schnitten die Jungen deutlich besser [in Mathematik] ab als die Mädchen“ (Quelle: oecd.org).

Solche und ähnliche Ergebnisse sind immer wieder zu lesen, auch die PISA-Studien in den Jahren zuvor zeigten ähnliche Ergebnisse auf: Jungen besitzen eine schlechtere Lesekompetenz als Mädchen und Mädchen sind schlechter in Mathematik als Jungs. Wie kann es zu solchen Ergebnissen kommen? Kann unser Geschlecht etwa darüber bestimmen wie gut wir rechnen und welchen Beruf wir folglich ergreifen können?

Mädchen und Jungen haben eben verschiedene Interessen, wird unbekümmert gesagt. Das Menschen verschiedene Interessen haben und nicht jeder eine Vorliebe für Mathe haben kann ist verständlich, aber wie kommt es zu diesen signifikanten Unterschieden zwischen den Geschlechtern?

Das Geschlecht eines Menschen hat keinen Einfluss auf dessen Intelligenz (oder auf dessen Mathematik-Verständnis) und es sollte auch niemanden daran hindern das zu tun was ihm oder ihr gefällt. Jedoch werden wir in unserem alltäglichen tun, bei großen und kleinen Entscheidungen immer wieder von unserem Geschlecht beeinflusst, bzw. davon was mit dem jeweiligen Geschlecht in unserer Gesellschaft verbunden wird.

An Frauen und an Männer werden im Leben unterschiedliche Erwartungen gestellt und sie werden unterschiedlich attribuiert: Frauen sind warmherzig, mitfühlend, zurückhaltend und Männer sind stark, aggressiv und rational. Männer sind Jäger und haben die Familie zu versorgen, Frauen hingegen bleiben zuhause, kümmern sich um den Haushalt und um die Kinder. Solche und ähnliche Ansichten waren im letzten Jahrhundert noch weit verbreitet (sind es teilweise immer noch) und waren teilweise gesetzlich verankert.

Aber was bedeutet es denn nun ein Mann oder eine Frau zu sein, was bedeutet Geschlecht und welche Auswirkungen hat es auf uns? Sind wir nicht alle einfach nur Menschen, müssen wir uns entsprechend unserer Geschlechtsmerkmale verhalten oder ist sind das doch nur Körperlichkeiten und haben mit unserem sozialen Wesen nichts zu tun?

In meiner folgenden Arbeit möchte ich zunächst klären was eigentlich mit Geschlecht gemeint ist und warum sich Frauen wie Frauen und Männer wie Männer benehmen. Weiter möchte ich herausfinden in wie fern das Geschlecht eines Kindes bereits im Schulkontext thematisiert wird, ob Kinder geschlechtsspezifisch erzogen werden und welche Folgen dies haben kann, auch in Bezug auf Mädchen und ihr Interesse für Mathematik. Zum Schluss möchte ich noch ein Vorschulkonzept vorstellen, welches den Kindern ausreichend Freiraum lassen möchte damit sie ihre wirklichen Interessen entdecken können, auch wenn es Mathe ist.

2. Was meint Geschlecht

Wenn davon gesprochen wird, dass bzw. ob Kinder geschlechtsspezifisch erzogen und sozialisiert werden, muss zunächst erst einmal geklärt werden was nun mit „Geschlecht“ oder Sozialisation gemeint ist. Menschen ordnen andere Menschen nicht nur anhand ihrer primären und sekundären Geschlechtsmerkmale dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht zu. Wir bewerten auf vielen anderen Ebenen wie wir unser Gegenüber wahrnehmen und wie wir mit ihr oder eben ihm umgehen. Wir Menschen können in sekundenschnelle erkennen ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelt. Die Person läuft breitbeinig, hat keinen Busen und eine tiefe Stimme? Es muss sich um einen Mann handeln. Solche und ähnliche Gedanken laufen, zwar nicht ausformuliert, sondern automatisiert permanent in unseren Köpfen ab. Nachfolgend werde ich, anhand des „doing gender“-Konzepts und des Sozialisationsansatzes, erläutern wie Geschlecht produziert und reproduziert wird. In den folgenden Abschnitten werde ich eine Grundlage schaffen um dann in den nachkommenden Kapiteln den Bezug zu Schule und Unterricht herstellen zu können.

2.1 Doing Gender - Was wir tun um Geschlecht zu sein

Was also bedeutet es eine Frau oder ein Mann zu sein? Frau- oder Mann-sein ist nicht nur allein mit dem Besitz einer Vagina oder eines Penis verbunden, weitere geschlechtsspezifische Eigenschaften werden von außen wahrgenommen, um einen Menschen einem Geschlecht zuordnen zu können. Was sind das also für Eigenschaften und wie kommt es, dass Menschen sich entweder „weiblich“ oder „männlich“ verhalten?

Zu dieser Thematik stößt man in der Literatur immer wieder auf den Begriff „doing gender“, also das Machen bzw. Herstellen von Geschlecht. Das Konzept des doing gender ist zunächst in der amerikanischen Frauenbewegung und -forschung der 1970er Jahre entstanden. Erst 1987 wurde es von Candance West und Don Zimmerman in der Zeitschrift „Gender & Society“ zum ersten Mal publiziert. (vgl. Faulstich-Wieland 2015: 154 )

Kernaussage des Konzepts ist es, dass Geschlechtszugehörigkeit und -identität als fortlaufender Herstellungsprozess zu sehen ist, welcher faktisch mit jeder menschlichen Handlung ausgeübt wird. (vgl. Gildemeister 2010: 137)

Zudem ist Geschlecht als ein Element zu sehen, welches in sozialen Situationen entsteht, es ist „das Ergebnis wie auch Rechtfertigung verschiedener sozialen Arrangements sowie ein Mittel, eine der grundlegenden Teilungen der Gesellschaft zu legitimieren“ (Gildemeister 2010: 137).

Somit ist die Geschlechtszugehörigkeit ein Ergebnis komplexer sozialer Prozesse. Anders als bei der gängigen „sex-gender-Unterscheidung“, in der Gender lediglich als gesellschaftlicher Reflex auf Natur gefasst wurde und Geschlechtszugehörigkeit als natürlicher Ausgangspunkt für Unterscheidung im menschlichen Handeln betrachtet wird.

Um diese klassische „sex-gender-Unterscheidung“ zu überwinden entwickelten West und Zimmerman mit dem Konzept des „doing gender“ eine dreigliedrige Neufassung (vgl. Gildemeister 2010: 138):

- Sex ist die Geburtstklassifikation, diese wird anhand von sozial vereinbarten biologischen Kriterien bestimmt

- Sex-Category muss nicht der Geburtsklassifikation entsprechen, es ist die soziale Zuordnung zu einem Geschlecht (männlich oder weiblich)

- Gender ist „die intersubjektive Validierung in Interaktionsprozessen durch ein situationsadäquates Verhalten und Handeln im Lichte normativer Vorgaben und unter Berücksichtigung der Tätigkeiten, welche der in Anspruch genommenen Geschlechtskategorie angemessen sind“ (Gildemeister 2010: 138)

Diesem Konzept zu folge wird das eigene Geschlecht in jeder sozialen Interaktion immer wieder neu her- und dargestellt. Interaktion ist in diesem Zusammenhang soziologisch zu verstehen, sie entsteht also sobald Personen physisch präsent sind und sich wahrnehmen und aufeinander reagieren (können) (vgl. Gildemeister 2010: 138).

Diese Her- und Darstellung von Geschlecht orientiert sich an festgelegten Kriterien, Personen versuchen in ihrem Handeln so viele Kriterien wie möglich zu kontrollieren und entscheiden wie geschlechtsadäquat sie auftreten möchten. Sprache, Auftreten, Kleidung, Mimik und Gestik können zu diesen Kriterien gehören.

Am Beispiel von Agnes (vgl. Gildemeister 2010: 139) kann man die Dreigliedrigkeit der Theorie verdeutlichen:

Agnes wuchs als Junge auf und entschied sich im Alter von 17 Jahren die Identität einer Frau anzunehmen, dies wurde einige Jahre später mit einer Geschlechtsangleichung abgeschlossen. Anhand ihres ursprünglichen biologischen Geschlechts (eine Änderung des Geburtenbuches war zu dieser Zeit nicht üblich) wird sie in die männliche Geschlechter- Kategorie eingeordnet (sex), Agnes selbst ordnet sich dem weiblichen Geschlecht zu, dies unterstützt sie mit Kleidung und Styling um auch von außen als weiblich angesehen zu werden (sex-category) und auch normatives weibliches Verhalten gilt als angemessen, will man als weiblich wahrgenommen werden. Indem Agnes lernt sich wie eine Frau zu verhalten und wie eine Frau auszusehen, schafft sie sich eine weibliche Identität die auch für Außenstehende zu erkennen ist.

Diese Kategorien, wie eine Frau oder wie ein Mann auszusehen und sich zu verhalten hat, sind einer heteronormativen Gesellschaft zuzuordnen. Wir wachsen mit ihnen auf, sehen in unserer Umwelt wie sie immer wieder reproduziert werden und lernen selbst sie umzusetzen. Diesen Prozess bezeichnet man als Sozialisation.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Ist Mathe eher so ein Jungs-Ding? Geschlechtsspezifische Sozialisation an Mittelschulen
Untertitel
Wege zur Stärkung der Gleichbehandlung und Entkräftung von Rollenbildern
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
14
Katalognummer
V370015
ISBN (eBook)
9783668501096
ISBN (Buch)
9783668501102
Dateigröße
877 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mathe, jungs-ding, geschlechtsspezifische, sozialisation, mittelschulen, wege, stärkung, gleichbehandlung, entkräftung, rollenbildern
Arbeit zitieren
Victoria Maiwald (Autor:in), 2016, Ist Mathe eher so ein Jungs-Ding? Geschlechtsspezifische Sozialisation an Mittelschulen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/370015

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