Zusammenhänge zwischen habituellen Emotionsregulationsstrategien und externalisierendem und internalisierendem Verhalten im Jugendalter

Ein systematisches Review der aktuellen empirischen Forschungsliteratur


Thèse de Bachelor, 2017

68 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Emotion
2.1.1 Verwandte Begriffe der Emotion
2.2 Von der Emotion zu der Emotionsregulation
2.3 Emotionsregulation
2.3.1 Verwandte Begriffe der Emotionsregulation
2.3.2 Das Prozessmodell der Emotionsregulation
2.3.3 Emotionsregulation im Jugendalter
2.3.4 Emotionsdysregulation
2.4 Emotionsdysregulation und Psychopathologie
2.4.1 Depression
2.4.2 Aggressives Verhalten
2.4.3 Komorbidität internalisierender und externalisierender Störungen
2.5 Forschungsstand und Hypothesen
2.5.1 Kognitive Neubewertung und Psychopathologie
2.5.2 Expressive Suppression und Psychopathologie
2.5.3 Rumination und Psychopathologie

3 Methode
3.1 Suchprozess und Auswahl der Studien
3.2 Ein- und Ausschlusskriterien für die Literaturrecherche
3.3 Herausforderungen bei der Auswahl der Studien

4 Ergebnisse
4.1 Empirische Befunde zur Überprüfung der Hypothese 1
4.1.1 Kognitive Neubewertung und depressive Symptome (H1a)
4.1.2 Kognitive Neubewertung und aggressives Verhalten (H1b)
4.2 Empirische Befunde zur Überprüfung der Hypothese 2
4.2.1 Expressive Suppression und depressive Symptome (H2a)
4.2.2 Expressive Suppression und aggressives Verhalten (H2b)
4.3 Empirische Befunde zur Überprüfung der Hypothese 3
4.3.1 Rumination und depressive Symptome (H3a)
4.3.2 Rumination und aggressives Verhalten (H3b)

5 Diskussion
5.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2 Interpretation der Ergebnisse und Erkenntnisgewinn
5.2.1 Der Einfluss kognitiver Neubewertung auf depressive Symptome
5.2.2 Der Einfluss kognitiver Neubewertung auf aggressives Verhalten
5.2.3 Der Einfluss expressiver Suppression auf depressive Symptome
5.2.4 Der Einfluss expressiver Suppression auf aggressives Verhalten
5.2.5 Der Einfluss von Rumination auf depressive Symptome
5.2.6 Der Einfluss von Rumination auf aggressives Verhalten
5.2.7 Aggressives Verhalten und depressive Symptome
5.3 Wechselwirkung mit weiteren Faktoren
5.4. Limitationen
5.5 Fazit und Implikationen für die zukünftige Forschung

Literaturverzeichnis

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit verfolgte das Ziel, Zusammenhänge zwischen habituellen Emo­tionsregulationsstrategien und externalisierendem und internalisierendem Verhalten im Jugendalter anhand eines systematischen Reviews der aktuellen Forschungsliteratur zu identifizieren. Dabei wurde der Fokus auf die Emotionsregulationsstrategien kogni­tive Neubewertung, expressive Suppression und Rumination gelegt und ihre Funktion als Schutz- oder Risikofaktoren gegen/für depressive Symptome und aggressives Ver­halten beleuchtet. Hierzu wurden 20 Primärstudien betrachtet, deren Stichproben­größen zwischen 30 und 1753 Teilnehmenden variierte. Zusammengefasst deuteten die Befunde der Erhebungen darauf hin, dass die kognitive Neubewertung einen Schutzfaktor gegen depressive Symptome darstellt. Weiterhin erwiesen sich die ex­pressive Suppression und die Rumination als Risikofaktoren für depressive Symptome. Für aggressives Verhalten stellte anhand der betrachteten Primärstudien lediglich die Rumination einen relevanten Risikofaktor dar. Die Wechselwirkung mit weiteren Vari­ablen, der Kontext, das Geschlecht sowie die erlebte Emotion stellten sich zudem als wichtige Faktoren für die weitere Forschung heraus. Durch die unterschiedlichen methodischen Herangehensweisen der jeweiligen Autorenschaft und die unterschied­liche Beschaffenheit der Stichproben war eine eingeschränkte Vergleichbarkeit der Studien untereinander zu verzeichnen. Im Hinblick auf Präventions- und Interventions­maßnahmen bezüglich depressiver Symptome und aggressiven Verhaltens wurde die Förderung und Ausdifferenzierung funktionaler Emotionsregulationsstrategien als ziel­führend abgeleitet.

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht über die verwendeten Primärstudien

Tabelle 2 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 1a

Tabelle 3 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 1b

Tabelle 4 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 2a

Tabelle 5 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 2b

Tabelle 6 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 3a

Tabelle 7 Vergleich der Primärstudien zur Überprüfung von Hypothese 3b

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Für unser Leben und unser Verhalten sind positive wie negative Emotionen, wie zum Beispiel Freude, Trauer, Angst und Ärger von zentraler Bedeutung (In-Albon, 2013). Sie können hilfreich aber auch schmerzhaft sein, insbesondere wenn sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt und/oder in der falschen Intensität auftreten (Gross & Thompson, 2007). Das effektive Regulieren von Emotionen spielt daher eine wichtige Rolle für die psychische und physische Gesundheit (Berking & Wuppermann, 2012; Gross, 2002). Gemäß der Weltgesundheitsorganisation (WHO; 1946, S.1) definiert die­se sich als „Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlerge­hens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen". Barnow (2013) zufolge messen frühere Ideale von Weisheit dem Rationalen maßgebliche Bedeutung zu. Der damit einhergehende Versuch durchgehender Emotionskontrolle, welcher auch heute noch in asiatischen, zum Teil aber auch in modernen westlichen Kulturen anzutreffen ist, kann fatale Folgen für die psychische Gesundheit nach sich ziehen (Barnow, 2013). Die habituelle Emotionsregulation stellt daher einen wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaftsstruktur dar. Diese definiert sich Gross und Thompson (2007) zufolge durch soziale Austauschprozesse, die eine ständige Regulation der Erfahrung und des Ausdrucks unserer Emotionen erfordern.

Das Interesse für die Zusammenhänge zwischen Emotionsregulation und inter- nalisierendem und externalisierendem Verhalten hat sich in den letzten beiden Jahr­zehnten entwickelt und stark zugenommen (Staubmann, 2014). Kern der Untersuch­ungen ist hierbei der Zusammenhang zwischen Emotionsregulation und psychopatho- logischen Verhaltensweisen (Aldao, Nolen-Hoeksema, & Schweizer, 2010; Barnow, 2013; Berkin & Wuppermann, 2012). Insbesondere die Altersspanne von 12 bis 15 Jahren ist durch einen geringeren Gebrauch funktionaler und einen vermehrten Ge­brauch dysfunktionaler Emotionsregulationsstrategien gekennzeichnet (Cracco, Goos- sens, & Braet, 2017). Darüber hinaus sagen spezifische dysfunktionale Emotionsregu­lationsstrategien psychopathologische Symptome und deren Schwere in einigen Fällen um mehrere Jahre voraus (Barnow, 2013). Daher kommt der Frage nach Zusammen­hängen zwischen habituellen Emotionsregulationsstrategien und psychopathologisch- en Störungen im Jugendalter eine besondere Bedeutung zu.

Der Zeitabschnitt zwischen der späten Kindheit und dem Erwachsenenalter wird auch als Adoleszenz (lat. adolescere = heranwachsen) bezeichnet (Konrad, Firk & Uhl- haas, 2013) und umfasst neben der physischen Reifung die seelische, psychische Ent­wicklung zum selbstständigen und verantwortungsbewussten Erwachsenen (Konrad et al., 2013). Die Begriffe Adoleszenz und Jugendalter werden in der entwicklungspsycho­logischen Fachliteratur synonym verwendet (Köck & Ott, 1994). In vielen Theorien lässt sich eine Einteilung der Adoleszenz in verschiedene Stadien verzeichnen. Das vorlie­gende Review betrachtet die ersten beiden Phasen der Adoleszenz nach Buxbaum (1958, zitiert nach Remschmidt, 1992). Dieser postuliert drei Phasen der Adoleszenz: Die frühe Adoleszenz (11 bis 14 Jahre), die mittlere Adoleszenz (15 bis 17 Jahre) und die späte Adoleszenz (18 bis 21 Jahre).

Auffällig ist, dass die Emotionsregulationsforschung im Hinblick auf psycho­pathologische Verhaltensweisen in der Regel zwischen funktionaler und dysfunktio­naler Emotionsregulation unterscheidet. So bleibt häufig die Frage offen, welche spezi­fischen Emotionsregulationsstrategien insbesondere mit problematischem internalisie- rendem und externalisierendem Verhalten in Zusammenhang stehen. Dies zu beant­worten wäre für die Prävention und die Intervention im Hinblick auf dysfunktionale Emotionsregulation und damit verbundene psychopathologische Störungsbilder im Ju­gendalter von besonderer Relevanz. Ziel dieser Arbeit ist daher ein systematisches Re­view der aktuellen, empirischen Forschungsliteratur zu Zusammenhängen zwischen habituellen Emotionsregulationsstrategien und internalisierendem und externalisieren­dem Verhalten im Jugendalter, wobei psychopathologisches Verhalten fokussiert wird.

Unter habitueller Emotionsregulation wird die alltägliche Regulation von Emotio­nen verstanden. Dabei herrscht Unklarheit darüber, wie und wann Individuen ihre Emo­tionen im Alltag bewältigen und welche Emotionen hierbei am häufigsten reguliert wer­den (Gross, Richards & John, 2006). Studien hinsichtlich dieser Fragestellung ergaben, dass die am häufigsten regulierten Emotionen Trauer, Angst und Ärger sind. Die im All­tag am häufigsten verwendeten Emotionsregulationsstrategien sind Gross et al. (2006) zufolge die Neubewertung einer emotionalen Situation (kognitive Neubewertung) und die Unterdrückung des emotionalen Ausdrucks (expressive Suppression) (Gross et al., 2006). Der habituelle Gebrauch fortgesetzten Grübelns (Rumination) findet ebenfalls viel Beachtung in der Emotionsregulationsforschung (Joormann & Gotlib, 2010; Spin­hoven et al., 2015; Wolfradt, Oemler, Braun & Klement, 2014).

Internalisierendes Problemverhalten ist nach innen gerichtet und von außen nicht direkt beobachtbar. Zahlreichen Befunden zufolge zählt die Depression, zusammen mit der Angststörung, zu den häufigsten internalisierenden Störungsbildern im Jugendalter (Hamlat et al., 2015; Pine, Cohen, Gurley, Brook, & Ma, 1998; Stein et al., 2001; van Oort, Greaves-Lord, Verhulst, Ormel, & Huizink, 2009).

Externalisierendes Problemverhalten ist von außen sichtbar (Lohaus & Vierhaus, 2013) und unter anderem durch impulsives und aggressives Verhalten, Hyperaktivität sowie Substanzmissbrauch gekennzeichnet (Barnow, 2013). Aggressives Verhalten im Jugendalter zählt zu wichtigen Vorläufern für die Entwicklung verschiedener Störungen im Erwachsenenalter (Babcock et al., 2014).

Daher liegt der Fokus auf den habituellen Emotionsregulationsstrategien kogni­tive Neubewertung (cognitive reappraisal), expressive Suppression (expressive sup­pression) und Rumination im Zusammenhang mit depressiven Symptomen und ag­gressivem Verhalten im Jugendalter. Schlussendlich wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit die kognitive Neubewertung, die expressive Suppression und die Rumi­nation als Schutz- oder aber als Risikofaktoren für die Entwicklung depressiver Symp­tome und aggressiver Verhaltensweisen identifiziert werden können. Im Anschluss an die Erläuterung zentraler Begriffe wird im Folgenden der aktuelle Forschungsstand dargelegt, dem eine Ableitung dieser Arbeit zugrunde gelegter Hypothesen folgt.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Emotion

In definitorischer Hinsicht herrscht hinsichtlich des Begriffs Emotion weitgehend Unklarheit, nicht zuletzt weil die Vielzahl der Herangehensweisen an den Emotionsbe­griff an Übersichtlichkeit eingebüßt hat (Gross & Thompson, 2007; Klinkhammer & von Salisch, 2015). Begründet durch den Fakt, dass sich der Begriff Emotion auf eine er­staunlich große Anzahl an Ereignissen bezieht (mild vs. intensiv; von kurzer Dauer vs. langanhaltend; einfach vs. komplex; nichtöffentlich vs. öffentlich), scheitern etliche Ver­suche, eine einheitliche Definition abzuleiten (Gross & Thompson, 2007). Gross und Thompson (2007) definieren Emotion als "a person-situation transaction that compels attention, has particular meaning to an individual, and gives rise to a coordinated yet flexible multisystem response to the ongoing person-situation transaction" (S.5) und in­tegrieren in ihrem Modal-Modell der Emotionen die Kernelemente sämtlicher Definitio­nen des Emotionsbegriffs (Gross, 2008; Gross & Thompson, 2007). Das Modal-Modell der Emotionen beschreibt eine Sequenz der Emotionsentstehung bestehend aus Situa­tion, Aufmerksamkeit, Bewertung und Reaktion, wobei Aufmerksamkeit und die Bewer­tung als intraindividuell zu verstehen sind. Die aus mehreren Definitionen integrierten Kernelemente des Modells sind (a) Emotionen entstehen, wenn ein Individuum eine Situation als bedeutsam für sich oder seine persönlichen Ziele ansieht, (b) Emotionen lösen Reaktionen auf Verhaltens-, Wahrnehmungs- und physiologischer Ebene aus und (c) Emotionen sind modulierbar und besitzen die notwendige Eigenschaft, die Handlung des Individuums unterbrechen zu können und ihm bewusst zu werden (Gross & Thompson, 2007). Dem dritten Kernelement zufolge, vermag die emotionale Reaktion die ursprüngliche Situation zu ändern (Gross & Thompson, 2007). Daher ist insbesondere dieses Kernelement im Hinblick auf die Regulation von Emotionen von Bedeutung (Gross, 1998a, Klinkhammer & von Salisch, 2015).

2.1.1 Verwandte Begriffe der Emotion. Häufig, insbesondere im Alltagsge­brauch, wird der Begriff Emotion unter anderem mit Begriffen wie Affekt, Stimmung und Gefühl gleichgesetzt (Otto, Euler & Mandel, 2000b; Gross & Thompson, 2007; Seip, 2005; Klinkhammer & von Salisch, 2015). Da sich dieses Review zum Großteil auf eng­lischsprachige Literatur stützt, wird die häufige Gleichsetzung der Begriffe Affekt (inklu­sive der darunter subsummierten Begriffe) und Emotion berücksichtigt. Eine kurze Ab­grenzung dieser Begriffe zum Begriff Emotion wird im Folgenden dennoch skizziert.

Im deutschsprachigen Raum findet der Begriff Affekt kaum Verwendung. Im eng­lischsprachigen Raum werden darunter in erster Linie Emotionen, emotionsverwandte Zustände und Stimmungen subsumiert (Otto et al., 2000). Gross und Thompson (2007) konzeptualisieren den Begriff affect als Konstrukt und ordnen diesem unter anderem den Begriff Emotion zu, der sich ihnen zufolge sowohl auf positive als auch auf nega­tive affektive Zustände bezieht. Stimmungen sind langfristige, schwache und indirekte Ausprägungen qualitativ unterscheidbarer Erlebenszustände (Seip, 2005). Sie neigen eher zur Wahrnehmung während Emotionen zur Handlung neigen (Fiedler, 1988) und haben verglichen mit Emotionen eher allgemeinere Handlungstendenzen zur Folge, wie zum Beispiel eine Annäherung oder einen Rückzug (Lang, 1995). Gefühle be­schreiben die „subjektive Erlebensqualität als Teil der Emotion" (Otto et al., 2000, S. 13). Hodolynski und Friedlmeier (2006, zitiert nach Campos, 2006) verstehen Gefühle als „...Regulationssignale..., die die Qualität des nachfolgenden Verhaltens modulie­ren, intensivieren oder gänzlich verändern" (S. VII). Somit stellen Gefühle einen ent­scheidenden Aspekt der Emotion dar.

2.2 Von der Emotion zur Emotionsregulation

In der Emotionsforschung wurden drei theoretische Ansätze entwickelt: Der struk- turalistische Ansatz, der soziokulturelle Ansatz sowie der funktionalistische Ansatz (Lo- haus & Vierhaus, 2013). Der funktionalistische Ansatz ist für die Emotionsregulations­forschung von besonderer Relevanz und betont, dass sich Emotionen aus dem Ver­hältnis des Individuums zu seiner (sozialen) Umwelt ergeben und sich in dessen Be­mühen äußern, diese Beziehung zu bewahren, zu verändern oder zu beenden (Cam­pos, Campos, & Barrett, 1989). Hierbei werden drei Komponenten postuliert: (a) Die eigentliche Emotion wird ausgelöst durch die Bewertung (appraisal) eines Umweltrei­zes als subjektiv bedeutsam, (b) die ausgelöste Emotion mündet in einer Handlungs­bereitschaft (action readiness), welche wiederum (c) mit Handlungskonsequenzen in Verbindung steht (Lohaus & Vierhaus, 2013). Die Zielgerichtetheit der Regulation so­wie die Dynamik im Hinblick auf Aktivierbarkeit (Schwelle), Frequenz, Intensität, Verlauf und Dauer sind aus Sicht der Emotionsregulationsforschung von besonderer Bedeut­samkeit (Mohr, 2011; Thompson, 1994) und leiten das Konzept der Emotionen über in das Konzept der Emotionsregulation.

2.3 Emotionsregulation

Im Allgemeinen bezieht sich der Begriff Emotionsregulation auf diejenigen Pro­zesse, durch die ein Individuum beeinflussen kann, welche Emotionen erlebt werden, zu welchem Zeitpunkt sie auftreten und wie sie wahrgenommen und ausgedrückt wer­den (Gross, 1998b; Derntl & Habel, 2008). Dabei sind mehrere Prozesse an der Inten­sivierung, der Aufrechterhaltung und der Abschwächung positiver wie negativer Emo­tionen beteiligt (Gross, 2008; Gross & Thompson, 2007). Ähnlich beschreibt Thompson (1994) die Emotionsregulation als „.extrinsic and intrinsic processes responsible for monitoring, evaluating, and modifying reactions, especially their intensive and temporal features, to accomplish ones goals" (S. 27-28).

Die definitorische Abgrenzung der Begriffe Emotion und Emotionsregulation ist, bedingt durch die enge Verbundenheit beider Konzepte, Bestandteil kontroverser Dis­kussionen (In-Albon, 2013). Zudem sehen sich Forschende bei dem Versuch eine ein­heitliche Abgrenzung verschiedener Emotionsregulationsstrategien auszuarbeiten, vor eine große Herausforderung gestellt, da verschiedene Autorinnen und Autoren hierzu teils stark voneinander abweichende Klassifikationen vorgestellt haben (Gross, 1998b, 2002). Einer zusammenfassenden Einschätzung Barnows (2013) zufolge lassen sich Emotionsregulationsstrategien gemäß ihrer (a) Funktionalität (bedürfnis- vs. zielorien­tiert), (b) Bewusstheit (implizit vs. explizit; unwillkürlich vs. willkürlich; primär vs. se­kundär) und (c) zeitlichen Orientierung (kurz- vs. langfristig) klassifizieren. Koole (2009) unterscheidet Emotionsregulationsstrategien hinsichtlich drei wesentlicher Funktions­bereiche: (a) Die kurzfristige Vermeidung negativer Emotionen und Induzierung sofor­tiger Belohnung und damit verbundene positive Emotionen (Ablenkung, Vermeidung), (b) die Zielorientierung und (c) die Stabilisierung und Entwicklung der Persönlichkeit (Personenorientierung). Die Unterscheidung zwischen Personen- und Zielorientierung wird von Barnow (2013) allerdings kritisch beleuchtet mit der Begründung, dass sich eine längerfristige Zielerreichung ebenfalls auf die Persönlichkeit auswirkt.

2.3.1. Verwandte Begriffe der Emotionsregulation.

Gross und Thompson (2007) zufolge sind die Wurzeln heutiger Emotionsregulationsforschung in Untersu­chungen zu psychologischem Stress und Coping (Lazarus, 1966; Selye, 1956), der Bindungstheorie nach Bowlby (1969), der Konzeption psychologischer Abwehrmecha­nismen (Freud, 1926/1977) sowie der Emotionstheorie verortet (Frijda, 1988). Trotz ei­niger inhaltlicher Überschneidungen sprechen sich Gross et al. (2006) jedoch für eine Abgrenzung der Begriffe Coping, Regulation der Stimmung (mood regulation) und psy­chologische Abwehrreaktion (psychological defenses) aus, die sie ebenfalls unter dem Konstrukt affect subsumieren (Gross, 1998b; Gross & Thompson, 2007).

Coping fokussiert in erster Linie die Minderung negativer Affekte und beinhaltet auch nicht emotionale Handlungen zur Erreichung eines nicht-emotionalen Ziels (Gross & Thompson, 2007; Klinkhammer & von Salisch, 2015). Die Regulation der Stimmung beinhaltet Aktivitäten zur Verbesserung schlechter Stimmung und zeichnet sich, im Vergleich zur Emotionsregulation, durch eine geringere Objektbezogenheit und eine längere Dauer von geringerer Intensität aus (Klinkhammer & von Salisch, 2015; Parkinson et al., zitiert nach Gross & Thompson, 2007). Die psychologische Abwehr­reaktion umfasst eher stabile Merkmale von Individuen, fokussiert typischerweise die Regulation aggressiver oder sexueller Impulse, die mit der Erfahrung negativer Emo­tion einhergehen und findet außerhalb des Bewusstseins statt (Gross & Thompson, 2007; Klinkhammer & von Salisch, 2015). In der englischsprachigen Literatur werden die Begriffe häufig synonym verwendet. Da sich diese Arbeit hauptsächlich auf englis­chsprachige Literatur stützt, wird dies im Folgenden berücksichtigt.

2.3.2 Das Prozessmodell der Emotionsregulation.

In den letzten 10 bis 20 Jahren hat sich die Emotionsregulationsforschung zu einem eigenen Forschungsgebiet entwickelt (Staubmann, 2014), das sich insbesondere kognitiven Emotionsregulations­strategien beziehungsweise kontrollierten Prozessen der Emotionsregulation widmet (Barnow, 2013; In-Albon, 2013). Besondere Beachtung erfährt hierbei das Prozess­modell der Emotionsregulation nach Gross (1998a, 2001). Es beschreibt spezifische Strategien, die entlang des zeitlichen Verlaufs während der Emotionsentstehung diffe­renziert werden können (Gross, 2001, 2002). Das wesentliche Postulat dieses Modells ist, dass Emotionsregulationsstrategien sich hinsichtlich des Zeitpunkts ihrer primären Auswirkungen auf den Prozess der Emotionsentstehung unterscheiden (Gross, 2002). Dementsprechend beschreibt Gross (2001, 2002) die antizipatorische und die reaktive Emotionsregulation und hebt hierbei insbesondere die kognitive Neubewertung und die expressive Suppression als spezifische antizipatorische sowie reaktive Emotionsregu­lationsstrategien hervor (siehe Abbildung 1). Bei der antizipatorischen Emotionsregula­tion wird die Emotion reguliert, bevor sie sich entfaltet; es wird also der Input zur Emo­tionsentstehung manipuliert (Gross 1998a, 2001, 2002). Die reaktive Emotionsregula­tion ist dadurch gekennzeichnet, dass der Output der Emotionsentstehung, also das Erleben der Emotion, das Verhalten sowie physiologische Reaktionen manipuliert wer­den (Gross, 1998a, 2001, 2002). Sie fokussiert somit die unmittelbare emotionale Re­aktion. Die antizipatorische und die reaktive Emotionsregulation enthalten fünf überge­ordnete, an bestimmte Zeitpunkte gekoppelte Emotionsregulationsstrategien, die je­weils eine Reihe spezifischer Reaktionen enthalten. Die antizipatorische Emotionsre­gulation beinhaltet die Situationsauswahl, die Situationsmodifikation, die Aufmerksam­keitslenkung und die kognitive Veränderung; die reaktive Emotionsregulation beinhaltet die Reaktionsveränderung (Gross, 1998a, 2001, 2002). Die kognitive Neubewertung stellt eine spezifische Reaktion der kognitiven Veränderung dar; die expressive Sup­pression ist der Reaktionsveränderung zuzuordnen.

2.3.3 Emotionsregulation im Jugendalter.

Das emotionale Erleben verändert sich mit dem Übergang ins Jugendalter insofern, als Jugendliche im Vergleich zu Kin­dern und Erwachsenen häufiger positive und negative Emotionen im schnellen Wech­sel erleben (Klinkhammer & von Salisch, 2015). Zudem konnten Längsschnittstudien darlegen, dass es im Jugendalter zu einer grundlegenden, mit tiefgreifenden emotio­nalen und kognitiven Veränderungen verbundenen, Reorganisation des Gehirns kommt (Konrad et al., 2013). Folglich spielt die Emotionsregulation in diesem Lebensabschnitt eine besondere Rolle.

Die Fähigkeit zur Emotionsregulation entwickelt sich in den ersten Lebensjahren, wobei das Repertoire an Strategien im frühesten Kindesalter hauptsächlich auf Fremd- regulation begrenzt ist (Petermann & Wiedebusch, 2008; In-Albon, 2013). Bereits in der späten Kindheit ist eine wachsende Vielfalt und Nutzungsflexibilität von Emotions­regulationsstrategien zu beobachten, die sich im Jugendalter weiter diversifiziert (Fields & Prinz, 1997). Mit dieser wachsenden Flexibilität geht neben der steigenden Anzahl an verfügbaren Emotionsregulationsstrategien ein vermehrtes Wissen über die Passung der Strategien zur Situation einher (In-Albon, 2013). Jedoch können mit stei­gender Anzahl an verfügbaren Strategien nicht automatisch mehr eingesetzt werden. Es besteht vielmehr eine größere Auswahl an Strategien mit qualitativ unterschiedlicher Passung von Situation und Strategie. Emotionsregulationsstrategien können somit ef­fektiver eingesetzt werden (In-Albon, 2013).

2.3.4 Emotionsdysregulation.

Die Fähigkeit, emotionale Reaktionen auf (insbe­sondere belastende) Lebensereignisse zu regulieren, bestimmt die Auswirkungen auf das psychische und physische Wohlergehen oftmals mehr als die Auslöser selbst (In- Albon, 2013; Ochsner & Gross, 2005). Thompson (1994) nennt als zentrale Funktion von Emotionsregulationsstrategien die Verbesserung und Aufrechterhaltung des sub­jektiven emotionalen Erlebens und dessen Ausdruck innerhalb der sozialen und phy­sischen Umwelt, welche zufrieden stellende und mit den persönlichen Zielen des Indi­viduums übereinstimmende Konsequenzen zur Folge hat. Um innerhalb seiner Umge­bung funktionieren zu können, muss das Individuum also in der Lage sein, seine Emo­tionen adäquat zu regulieren. Die Interaktionen zwischen dem Individuum und seinem sozialen Umfeld bilden die Grundlage für die Entwicklung eigener stabiler Emotions­regulationsstrategien (Bridges, Dunham & Ganiban, 2004, Thompson, 1994). Ist das Individuum mit der Anwendung dieser Strategien nicht in der Lage, flexibel auf Verän­derungen in der Umgebung zu reagieren, kann eine Dysregulation auftreten (Bridges et al., 2004).

Cicchetti, Ackerman und Izard (1995) unterscheiden zwischen Emotionsdysregu­lation und Emotionsregulationsproblemen: Emotionsdysregulation umfasst die mal­adaptive Implementierung einer Emotionsregulationsstrategie, die ansonsten ange­messen genutzt werden kann. Demnach kann jede Emotionsregulationsstrategie adap­tiv oder maladaptiv sein. Emotionsregulationsprobleme beschreiben die Abwesenheit oder Defizite im Hinblick auf eine oder mehrere Emotionsregulationsstrategien. Die weitgehend synonyme Behandlung der beiden Konzepte (Barnow, 2013) wird auch in diesem Review dahingehend berücksichtigt, dass Emotionsdysregulation im Folgenden auch die Aspekte von Emotionsregulationsproblemen beinhaltet.

Sieht sich ein Individuum mit einer schwierigen Emotionserfahrung konfrontiert und kann diese nicht adaptiv bewältigen, können zwei Formen einer maladaptiven Emotionsregulation auftreten. Die erste Form beschreibt eine Unterregulierung der Emotion: Hierbei ist das Individuum nicht in der Lage, das Emotionserlebnis ausrei­chend einzudämmen, um zielgerichtete Verhaltensweisen aufzunehmen (Roberton, Daffern & Bucks, 2012). Bei der zweiten Form, der Überregulierung, ist es dem Indivi­duum nicht möglich, die Emotion zuzulassen und vorbeiziehen zu lassen (Roberton et al., 2012). Negative Emotionen werden sowohl bei internalisierenden als auch bei ex- ternalisierenden Störungen unterreguliert, während positive Emotionen bei internalisie­renden Störungen zusätzlich überreguliert werden (Barnow, 2013). Häufige maladaptiv implementierte Emotionsregulationsstrategien sind beispielsweise die expressive Sup­pression (Überregulierung) und Rumination (Unterregulierung).

2.4 Emotions(dys)regulation und Psychopathologie

In der Psychopathologie, die typischerweise durch exzessive, negative Emotio­nen gekennzeichnet ist, spielt die Regulation, insbesondere von negativen und aversi- ven Emotionen eine entscheidende Rolle (Horn & Pössel, 2013; Huber et al., 2016; In- Albon, 2013). Adaptive Emotionsregulationsstrategien gelten daher als protektiver Fak­tor für psychische Störungen, da sie unangenehme Folgen von Emotionen mindern, ei­ne bessere Qualität in sozialen Beziehungen ermöglichen und so mit einer längerfristi­gen Ziel-und Bedürfnisbefriedigung einhergehen (Barnow, 2013; In-Albon, 2013). Die Bedeutsamkeit der Emotionsregulation für psychische Störungen spiegelt sich in aktu­ellen Klassifikationssystemen psychischer Störungen (DSM-IV-TR) wider, da die Diag­nosekriterien für Achse-I-Störungen und für Achse-II-Störungen eine Vielzahl an Symp­tomen beinhalten, die auf Störungen der Emotionsregulation beruhen oder aber damit assoziiert sind (Barnow, 2013; Gross, 2007; In-Albon, 2013). Zudem weisen zahlreiche Befunde eindeutige Zusammenhänge zwischen Emotionsregulation und psychopatho- logischen internalisierenden und externalisierenden Störungen auf (Aldao & Nolen- Hoeksema, 2012; Brockmeyer, Bents, Holtforth, Pfeiffer, Herzog, Friederich, 2012; Bunford, Evans, Becker, & Langberg, 2015; Eftekhari, Zoellner, & Virgil, 2009; In-Albon, 2013; McLaughlin, Hatzenbuehler, Mennin, & Nolen-Hoeksema, 2011; Moritz et al., 2016; Seymour et al., 2014; van Meter & Youngstrom, 2016).

2.4.1 Depression.

Die Depression gehört zu den häufigsten und folgenreichsten psychischen Störungen und ist durch anhaltende negative Emotionen und Stimmungen sowie Schwierigkeiten im Erleben positiver Emotionen und Stimmungen gekennzeich­net (Joormann & Vanderlind, 2014). Es wird davon ausgegangen, dass depressive In­dividuen nicht fähig sind, negative Emotionen adäquat zu regulieren (Van Meter & Youngstrom, 2016).

Nach der International Classification of Diseases (ICD) müssen mindestens zwei der drei folgenden Kernsymptome einer Depression über einen Zeitraum von mindes­tens zwei Wochen vorliegen, um als depressive Störung diagnostiziert zu werden: (a) eine depressive Verstimmung, d.h. eine deutliche emotionale Niedergeschlagenheit be­ziehungsweise Traurigkeit, (b) eine eingeschränkte Möglichkeit, Lust, Freude, Spaß und Interesse zu erleben (Anhedonie) und (c) ein verminderter Antrieb, weniger Aktivi­tät und leichtere Erschöpfung (Horn & Pössel, 2013).

Besonders häufig zu beobachten sind zudem Leistungsprobleme, sozialer Rück­zug, Antriebs- und Interessenverlust, Zukunftsängste und Selbstwertprobleme (Mehler- Wex & Kölsch, 2008). Weitere Symptome einer Depression in der Adoleszenz sind Apathie, Schlaf- und Angststörungen, Konzentrationsmangel, zirkadiane Schwankung­en des Befindens, Suizidgedanken, psychosomatische Kriterien sowie Kriterien der depressiven Episode (DGKJP, zitiert nach Horn & Pössel, 2013; Horn & Pössel, 2013). Eine durch diese Symptome verursachte Nichtteilnahme am altersentsprechenden All­tag kann mit Entwicklungsverzögerungen im sprachlichen, (psycho-) motorischen, kog­nitiven und sozialen Bereich einhergehen (Mehler-Wex & Kölsch, 2008).

2.4.2 Aggressives Verhalten.

Aggressives Verhalten wird definiert als eine Rei­he zielgerichteter Verhaltensweisen, die die Schädigung anderer zum Ziel haben und gehen mit einer reduzierten Kontrolle der Emotionen Ärger, Wut, Hass und Zorn (Loh­beck, Petermann, & Petermann, 2015; Myschker, 2008) sowie mangelnder Impulskon­trolle (DeWall, Finkel, & Denson, 2011) einher. Dementsprechend spielt die Emo- tions(dys)regulation eine entscheidende Rolle für aggressive Verhaltensweisen (Herts, McLaughlin, & Hatzenbuehler, 2012; McLaughlin et al., 2011; Orobio de Castro, Merk, Koops, Veerman, & Bosch, 2005).

Des Weiteren stellt aggressives Verhalten eines der häufigsten Symptome be­ziehungsweise Begleiterscheinungen verschiedener externalisierender Verhaltensstö­rungen im Kindes- und Jugendalter dar (Myschker, 2008) und es lassen sich mehrere Formen aggressiven Verhaltens unterscheiden. Die offenkundige Aggression bezieht sich auf direkte Verhaltensweisen, die andere verletzen sollen, einschließlich Beleidi­gungen und Drohungen (verbal) sowie körperlichen Missbrauch (physisch). Die rela­tionale Aggression bezieht sich auf indirekte, sozialbasierte Verhaltensweisen, die an­dere beeinträchtigen sollen, wie zum Beispiel die Verbreitung von Gerüchten oder die Ausgrenzung von Individuen aus sozialen Gruppen (Little, Jones, Henrich, & Hawley, 2003). Weiterhin kann jede Form der Aggression proaktiv oder reaktiv sein (Lohbeck et al., 2015; Orobio de Castro et al., 2005). Die proaktive („kalte") Aggression bezeichnet manipulative, zielgerichtete und offensiv-orientierte aggressive Verhaltensweisen, die der Erfüllung eigener Bedürfnisse dienen, ohne die Bedürfnisse und Rechte anderer zu berücksichtigen (Babcock, Tharp, Sharp, Heppner, & Stanford, 2014; Orobio de Castro et al., 2005). Demgegenüber steht die reaktive („heiße") Aggression, die als defensive Reaktion auf eine wahrgenommene Bedrohung beziehungsweise Provokation definiert ist (Babcock et al., 2014; Lohbeck et al., 2015). Insbesondere der reaktiven Aggression wird eine geringere Fähigkeit zur Impulskontrolle zugeschrieben (Raine et al., 2006).

Häufige externalisierende Störungen im Jugendalter sind das Aufmerksamkeits- defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), die Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS), Substanzmissbrauch und Störungen des Sozialverhaltens (Petermann, 2005; Taubner, Wiswede, Nolte, & Roth, 2010). Zahlreichen Befunden zufolge, tritt aggressives Verhal- ten häufig bei dem ADHS, Störungen des Sozialverhaltens und der BPS auf (Cha et al., 2015; Döpfner, Frölich, & Lehmkuhl, 2013; Du Bois, 2007; Ende et al., 2016; Meh- ler-Wex, Warnke, & Romanos, 2016; Northover, Thapar, Langley, & van Goozen, 2015; Petermann & Petermann, 2013; Scott, Stepp, & Pilkonis, 2014; Stadler & Danielsson, 2013, Witthöft, Koglin & Petermann, 2010). Des Weiteren ist ein komorbides Auftreten von ADHS und der Störung des Sozialverhaltens, die sich unter anderem durch ag­gressive Verhaltensweisen definiert (Barnow, 2013; Stadler & Danielsson, 2013; Pe­termann & Petermann, 2013), sehr häufig anzutreffen. Daher wird auch von der Exis­tenz eines „Hybrids" beider Störungen gesprochen (Schmidt & Petermann, 2015; Vloet, Günther, Konrad, Herpertz, & Herpertz-Dahlmann, 2008).

2.4.3 Komorbidität internalisierender und externalisierender Störungen.

Ei­nige Befunde legen nahe, dass eine hohe Komorbidität zwischen internalisierenden und externalisierenden Störungen besteht. So weisen Personen mit externalisierenden Störungen häufig auch internalisierende Symptome wie beispielsweise Depressionen oder Angststörungen auf (Legenbauer & Holtmann, 2013; Seymour, Chronis-Tuscano, Iwamoto, Kurdziel, & MacPherson, 2014). Darüber hinaus macht eine erste Sichtung der aktuellen Forschungsliteratur deutlich, dass die Befundlage zum Zusammenhang von Emotionsregulation und externalisierenden Störungen im Vergleich zu internalisie­renden Störungen deutlich geringer ausfällt. Einen möglichen Grund liefert die Erkennt­nis, dass Emotionsdysregulation stärker mit internalisierenden Problemen und Störun­gen assoziiert ist (Aldao, Nolen-Hoeksema, 2010). Das wirft die Frage auf, ob die Zu­sammenhänge von Emotionsregulationsstrategien und externalisierenden Störungen auf einen eigentlichen Zusammenhang mit komorbiden internalisierenden Symptomen zurückzuführen sind. Dieser Umstand wird in dieser Arbeit berücksichtigt, indem mit aggressivem Verhalten eine einzelne externalisierende Symptomatik betrachtet wird, die verschiedenen externalisierenden Störungen gemein ist.

2.5 Forschungsstand und Hypothesen

Im Folgenden werden die Emotionsregulationsstrategien kognitive Neubewer­tung, expressive Suppression und Rumination erläutert. Des Weitern wird der aktuelle Forschungsstand zu den Emotionsregulationsstrategien aufgezeigt und Hypothesen werden abgeleitet. Hierbei wird der Fokus auf Zusammenhänge zwischen den genann­ten Emotionsregulationsstrategien mit depressiven Symptomen und aggressivem Ver­halten gelegt.

2.5.1 Kognitive Neubewertung und Psychopathologie.

Die kognitive Neube­wertung beschreibt die Neubewertung einer emotionsauslösenden Situation auf die die Zuweisung einer anderen Bedeutsamkeit folgt, sodass ihre emotionale Auswirkung mo­difiziert wird (Gross, 2001; Gross & Thompson, 2007; In-Albon, 2013). Da sie sehr früh im Generierungsprozess der Emotionsreaktion einsetzt, ist sie in der Lage, die Emo­tionsreaktionstendenzen zu beeinflussen, bevor sie und die Emotion selbst aktiviert werden (John & Gross, 2004).

Die Befundlage zur kognitiven Neubewertung stimmt weitgehend darin überein, dass der habituelle Gebrauch kognitiver Neubewertung in höherem Maße mit der Er­fahrung positiver Emotionen einhergeht (Brans, Koval, Verduyn, Lim, & Kuppens, 2013; Gross et al., 2006, Haga, Kraft, & Corby, 2009), während negative Emotionen und de­pressive Stimmungen seltener erfahren beziehungsweise reduziert werden (Denson, Moulds & Grisham, 2012; Gross et al., 2006; Gross & John, 2003, Haga et al., 2009). Zudem führen Individuen, die diese Form der Emotionsregulation häufig anwenden, engere Beziehungen zu Freunden und sind bei ihren Mitmenschen beliebter als jene, die seltener auf die kognitive Neubewertung zur Emotionsregulation zurückgreifen (Gross et al., 2006; Gross & John, 2003). Darüber hinaus sind sie optimistischer, ver­spüren eine höhere allgemeine Zufriedenheit, Persönlichkeitsentwicklung und Selbst­akzeptanz, haben klarere Lebensziele, ein erhöhtes Bewusstsein für Autonomie (Gross et al., 2006; Gross & John, 2003, Haga et al., 2009) und neigen zu einer erhöhten Im­pulskontrolle (DeWall et al., 2011). Diese Befunde deuten an, dass die kognitive Neu­bewertung die Funktion der Personenorientierung gemäß Koole (2006) erfüllt. Umge­kehrt konnte gezeigt werden, dass Individuen, die unter psychopathologischen Stö­rungen leiden, diese Strategie seltener bis gar nicht anwenden (Joormann & Gotlib, 2010). Aus diesen Befunden ließe sich die Vermutung ableiten, dass ein erhöhtes Aus­maß an kognitiver Neubewertung mit weniger depressiven Symptomen und aggressiv­en Verhaltensweisen einhergeht. Somit ließe sich die kognitive Neubewertung als Schutzfaktor gegen die Entwicklung psychopathologischer Störungen konzeptual- isieren:

Hypothese 1: Die kognitive Neubewertung fungiert als Schutzfaktor gegen depressive Symptome (H1a) und aggressives Verhalten (H1b)

2.5.2 Expressive Suppression und Psychopathologie.

Die expressive Sup­pression wird definiert als die Hemmung beziehungsweise die Unterbindung des bere­its aktivierten, anhaltenden emotionalen Ausdrucks (Gross, 2001; Gross et al., 2006; John & Gross, 2004). Die erfolgreiche Abwärtsregulierung des emotionalen Ausdrucks infolge eines negativen Emotionserlebens trägt jedoch nicht zu einer Abwärtsregu­lierung des subjektiven emotionalen Erlebens bei (Gross, 1998a). Um diesen „Schein" zu wahren wird dem Individuum im gesamten Emotionsprozess ein hohes Maß an Selbstüberwachung abverlangt, das mit erheblichen physiologischen und kognitiven Kosten einhergeht (Gross, et al., 2006). Da bei der expressiven Suppression ei-ner ne­gativen Emotion lediglich der emotionale Ausdruck, nicht jedoch das subjektive Erleben der Emotion selbst reguliert wird (Gross, 2001; Gross et al., 2006; In-Albon, 2013; John & Gross, 2004), wird diese Emotionsregulationsstrategie als maladaptiv bewertet.

Im Gegensatz zur kognitiven Neubewertung fällt das Erleben von positiven Emo­tionen bei der expressiven Suppression insgesamt geringer aus (Brans et al., 2013; Gross & John, 2003; Haga et al., 2009), während negative emotionale Zustände an­steigen (Brans et al., 2013). Weiterhin geht die expressive Suppression damit einher, dass das Individuum sowohl mit sich selbst als auch mit seinen Beziehungen weniger zufrieden, pessimistischer in Bezug auf seine Zukunft und anfälliger für Depressionen ist, was auf eine allumfassende und fundamentale Beeinträchtigung des Wohlbefin­dens hinweist (Gross & John, 2003; Haga et al., 2009). Da die expressive Suppression der Reduzierung des emotionalen Ausdrucks und des Verhaltens dient, das subjektive Erleben selbst aber nicht reduziert wird (Gross, 2001; Gross et al., 2006; In-Albon, 2013; John & Gross, 2004; Haga et al., 2009), wird erwartet, dass depressive Sympto­me durch die expressive Suppression verstärkt werden und aggressives Verhalten re­duziert wird. Da das Erleben von Ärger jedoch nicht reduziert wird, sondern gegebe­nenfalls zunimmt, wird in diesem Fall nicht von einer Schutzfunktion der expressiven Suppression ausgegangen.

Hypothese 2: Die expressive Suppression fungiert als Risikofaktor für erhöhte depressive Symptome (H2a) und reduziert aggressives Verhal­ten (H2b)

2.5.3 Rumination und Psychopathologie.

Rumination beschreibt die Neigung, zum fortgesetzten Grübeln über emotionsauslösende Situationen und Ereignisse, de­ren Ursachen und Konsequenzen sowie den eigenen damit verbundenen Gefühlen und Reaktionen (Nolen-Hoeksema, 2004; Nolen-Hoeksema & Morrow, 1991; Weber & Rammsayer, 2011). Als habituelle Form der Emotionsregulation wird Rumination vor al­lem im Zusammenhang mit den Emotionen Traurigkeit beziehungsweise Niederge­schlagenheit und Ärger untersucht (Weber & Rammsayer, 2011). Eine verwandte Form der Rumination ist die Tendenz zur Sorge (Worry), die sich auf die Emotion Angst be­zieht (Papageorgiou & Wells, 2004; Weber & Rammsayer, 2011). Im Rahmen des Pro­zessmodells der Emotionsregulation nach Gross (1998a, 2001) ließe sich Rumination den antizipatorischen Strategien der Emotionsregulation, genauer gesagt der Aufmerk­samkeitslenkung zuordnen. Da sie jedoch auch im Anschluss an die Emotionsentsteh­ung auftreten kann, ließe sich die Rumination gleichermaßen als reaktive Emotions­regulationsstrategie konzeptualisieren.

In ihrer Response Styles Theory argumentiert Nolen-Hoeksema (1991), dass Ru­mination einen depressiven Zustand unabhängig von deren Ursprung verlängert und Individuen, die sich dieser Strategie bedienen, auf negative Erfahrungen mit länger an­haltenden und schwerwiegenden depressiven Reaktionen reagieren. Das fortgesetzte Grübeln in Verbindung mit Traurigkeit, Ärger und Angst, hält diese negativen Emotio­nen aufrecht oder verstärkt sie sogar und reduziert dabei zur Problemlösung beitragen­de Verhaltensweisen sowie positive emotionale Zustände (Brans, Koval, Verduyn, Lim, & Kuppens, 2013; Denson et al., 2012; Nolen-Hoeksema et al., 2008; Nolen-Hoekse- ma & Morrow, 1991). Zudem existieren mehrere Formen von Rumination. So konnten Peled und Moretti (2010) nachweisen, dass es zwar einen generellen Ruminationsfak- tor gibt, dieser jedoch, je nach regulierter Emotion, zwei weitere, voneinander unab­hängige Faktoren, nämlich traurige Rumination (sadness rumination) und ärgerliche Rumination (anger rumination) beinhaltet. Traurige Rumination beschreibt das Grübeln über negative Situationen in Verbindung mit Traurigkeit und fungiert als Prädiktor für depressive Stimmungen, während ärgerliche Rumination stetiges Grübeln über nega­tive Situationen, die Ärger im Individuum hervorrufen, beschreibt und weiteren Ärger sowie Aggressionen auslöst (Peled & Moretti, 2010).

Hypothese 3: Rumination fungiert als Risikofaktor für depressive Symptome

(H3a) und aggressives Verhalten (H3b)

3 Methode

Um die Nachvollziehbarkeit des Suchprozesses und der für dieses Review he­rangezogenen Studien zu gewährleisten, wird im Folgenden das methodische Vorge­hen bei der Ermittlung relevanter Forschungsliteratur zur Überprüfung der aufgestellten Hypothesen erläutert. Dabei wird auf die Ein- und Ausschlusskriterien innerhalb des Suchprozesses eingegangen und die in die finale Auswahl eingegangenen Studien werden vorgestellt.

3.1 Suchprozess und Auswahl der Studien

In einem Zeitraum zwischen Januar und März 2017 wurde über den VPN-Client der Universitätsbibliothek Hagen eine EBSCOhost® Datenbanksuche durchgeführt. Hierbei wurden die Datenbanken PsycARTICLES®, PsycINFO®, Psychology and Be­havioral Sciences Collection und PSYNDEX® (Literature and Audiovisual Media with PSYNDEX® Tests) durchsucht. Bei jeder Suche wurde die Trefferliste auf Studien, die über das Peer-Review-Verfahren publiziert wurden und sich auf die Adoleszenz (13 bis 17 Jahre) bezogen, begrenzt. Die Schlagwörter wurden jeweils mit dem Booleschen Operator AND verbunden. Insgesamt wurden mehrere Kombinationen der Schlagwör­ter emotion regulation, emotion regulation strategies, coping, depression, depressive symptoms, aggression, aggressive behaviour, psychopathology, cognitive reappraisal, expressive suppression und rumination ausprobiert. Die Schlagwörter emotion regula­tion und depressive symptoms lieferten 159 Ergebnisse. Das erste Ergebnis war ein metaanalytisches Review von Schäfer, Naumann, Holmes, Tuschen-Caffie und Sam­son (2016) in Bezug auf Emotionsregulation und depressive beziehungsweise ängst­liche Symptome im Jugendalter. Diesem wurden über eine Rückwärtssuche acht Stu­dien entnommen. Die Schlagwörter emotion regulation, depression und adolescence, lieferten 148 Ergebnisse. Insgesamt fünf davon wurden zur Hypothesenprüfung aus­ gewählt. Die Suche nach Studien, die Emotionsregulation und aggressives Verhalten im Jugendalter behandeln, gestaltete sich deutlich schwieriger. Die Schlagworte emo­tion regulation und aggression lieferten 100 Ergebnisse, von denen letztlich drei in die Thematik dieses Reviews passten. Während die Schlagworte cognitive reappraisal und expressive suppression jeweils zusammen mit aggression nur fünf Ergebnisse liefer­ten, die nicht brauchbar waren, brachte die Kombination von rumination und aggres­sion 36 Ergebnisse hervor, von denen vier Studien den Eingang in dieses Review fan­den. Sofern die PDF-Datei einer Studie nicht über die EBSCOhost® Datenbanksuche bezogen werden konnte, wurde sie über GoogleScholar® bezogen. Die endgültig aus­gewählten Primärstudien werden in Tabelle 1 in der Reihenfolge gemäß ihrer ersten Nennung im Text überblicksartig dargestellt. Die Darstellung der Ergebnisse be­schränkt sich hierbei auf für dieses Review relevante Erkenntnisse.

3.2 Ein- und Ausschlusskriterien in der Literaturrecherche

Es wurde beachtet, dass die Untersuchung der Zusammenhänge der für dieses Review relevanten erhobenen Emotionsregulationsstrategien mit depressiven Sympto­men und/oder aggressivem Verhalten zumindest ein Teil des Hauptanliegens der aus­gewählten Erhebungen war. Studien wurden in der Regel ausgeschlossen wenn (a) die Stichprobe älter als 18 Jahre oder jünger als 11 Jahre war, (b) die Stichprobe rein klin­isch war (hierbei wurden zwei Studien zugelassen, in denen die Stichprobe auffälliges, aggressives Verhalten zeigte) und (c) spezifisches, nur auf bestimmte Personen ge­richtetes, aggressives Verhalten erhoben wurde, wie zum Beispiel Aggressionen inner­halb intimer Partnerschaften. Des Weiteren wurde beachtet, dass die Ergebnisse die­ses Reviews nicht durch kulturell bedingte Unterschiede in den Ergebnissen verfälscht werden. Daher wurden Stichproben aus dem asiatischen Kulturkreis außen vor gelas­sen. Lediglich die Erhebung von Park, Kim, Cheung und Kim (2010) legt ihren Fokus auf koreanisch-amerikanische Jugendliche. Da diese aber zum Großteil in den USA geboren und aufgewachsen sind wurde die Studie zugelassen.

Die Erhebung von Sullivan, Helms, Kliewer und Goodman (2010) fokussierte ex­pressive Zurückhaltung. Die von den Autoren beispielhaft genannten Items "I prefer to keep my feelings to myself” und "When I get upset, I am afraid to show it” weisen die Eigenschaften der expressiven Suppression auf. Daher wurde die Studie zugelassen.

3.3 Herausforderungen bei der Auswahl der Studien

Infolge einer ersten Sichtung der Trefferlisten wurde festgestellt, dass sich nur eine begrenzte Anzahl für dieses Review eignet. Die Beschaffenheit der Stichproben oder aber die Fragestellungen, in deren Kontext die Emotionsregulationsstrategien und depressive Symptomen und/oder aggressives Verhalten erhoben wurden, waren häufig zu spezifisch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 Übersicht über die verwendeten Primärstudien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Fin de l'extrait de 68 pages

Résumé des informations

Titre
Zusammenhänge zwischen habituellen Emotionsregulationsstrategien und externalisierendem und internalisierendem Verhalten im Jugendalter
Sous-titre
Ein systematisches Review der aktuellen empirischen Forschungsliteratur
Université
University of Hagen
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
68
N° de catalogue
V372108
ISBN (ebook)
9783668497962
ISBN (Livre)
9783668497979
Taille d'un fichier
17387 KB
Langue
allemand
Mots clés
Emotion, Emotionsregulation, Emotionsregulationsstrategien, kognitive Neubewertung, expressive Suppression, Rumination, Jugendalter, Depression, Aggression
Citation du texte
Friederike Helle (Auteur), 2017, Zusammenhänge zwischen habituellen Emotionsregulationsstrategien und externalisierendem und internalisierendem Verhalten im Jugendalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372108

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