Performativität oder "Doing Gender"? Subjektkonstitution bei West/Zimmerman und Butler


Term Paper (Advanced seminar), 2017

18 Pages

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Rahmen: Die Dekonstruktion von Geschlecht
2.1 West/Zimmermann: Konzeption des „doing gender“
2.1.1. Subjektkonstitution bei „doing gender“
2.2 Judith Butler: Konzeption der Performativität und die Subjektkritik

3 Theorievergleich der Subjektkonstitutionen

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Der Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit ist ein Theorievergleich der zwei einflussreichsten konstruktivistisch orientierten Kritiken der Zweigeschlechtlichkeit. Dabei wird das Konzept des „doing gender“ von Candace West und Don Zimmerman mit dem Konzept der Performativität von Judith Butler verglichen. Das Ziel dieser antibiologistischen Ansätze ist die Dekonstruktion des Geschlechts. Die dichotom, heteronormativ strukturierte Gesellschaft bringt sozialstrukturelle geschlechtsspezifische Ungleichheiten hervor. Diese Ungleichheiten manifestieren sich neben den asymmetrischen Macht- und Hierarchieverhältnissen zwischen Männern und Frauen unter anderem in Gestalt von Gender Pay Gaps, in den Zuschreibungen von Männer- und Frauenrollen und auch in Identitätszwängen, wodurch die Aktualität der Thematik deutlich wird (vgl. Gildemeister/Wetterer 1992, Aulenbacher 2010, Lenz 1995, Busch 2013). Dieses Missverhältnis, bestehend aus Hierarchie und Differenz, ist Bestandteil der hier zugrundeliegenden Dualismen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ihnen eine „Natur der Dinge“ (Bourdieu 2005, 19) anhaftet. Aufgrund von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und willkürlichen Charakter- und Eigenschaftszuschreibungen, wurde die Kategorie „Geschlecht“ durch feministische Debatten zweigeteilt. So entstand die sex/gender-Trennung, wobei gender als soziale Konstruktion entlarvt wurde. Auf diese Weise wurden der Determinismus der Geschlechter und die geschlechtsspezifischen Ungleichwertigkeiten zum Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Gildemeister hält fest, dass durch die Einführung des gender-Begriffs „die kulturelle Variabilität der an Frauen gerichteten Verhaltenserwartungen, Eigenschaftszuschreibungen, sozialen Positionierungen etc. herausgestellt [wurde] und insofern richtete sich diese Unterscheidung zunächst gegen die in Gesellschaft, Politik und Wissenschaft verankerte ,Natur der Frau’ Argumentation“ (Gildemeister 2001, 65; Hervorh. im Orig.). So etablierte sich die sex/gender-Differenzierung, deren Vorhaben darin bestand, biologistische Erklärungsansätze abzuwehren. Die damit entstandene analytische Trennung von sex und gender legte zwar die soziale Konstruktion von Geschlecht offen, entkoppelte aber die Verbindung zwischen Biologie und Sozialisation. Die Frauenforschung kritisierte den traditionellen Geschlechterdualismus und die beliebigen kategorialen Zuschreibungen geschlechtsspezifischer Eigenschaften, verblieb aber an einer binären Differenzierung der biologischen Zweigeschlechtlichkeit von Frauen und Männern haften. Die damit einhergehende und stillschweigende Naturalisierung des biologischen Geschlechts sex stellte die binäre Geschlechterdifferenz in feministischen Theorien nicht in Frage (Gildemeister/Wetterer 1992, 205f.). Vielmehr sorgte sie für den Fortbestand der heteronormativ strukturierten Gesellschaft und somit auch für die Reifizierung des biologischen Geschlechts und des hegemonialen Diskurses (ebd.). Die Problematik, die mit der Trennung einhergeht, „besteht darin, dass sex als irrelevant ausgeklammert wird und damit außerhalb der Geschichte zu stehen scheint. Damit wird die Biologie (sex) – als Grundlage von gender – weiter mitgeführt, zugleich aber dem Zuständigkeitsbereich feministischer Theorie entzogen“ (Meissner 2008, 4). Gildemeister und Wetterer sprechen in diesem Zusammenhang von einem „ verlagerten“ und „latenten“ Biologismus (ebd., 206f.; Hervorh. im Orig.), der die verborgene Mitführung des biologischen Geschlechts in den feministischen Theorien benennt. Die alltägliche Selbstverständlichkeit der Zweigeschlechtlichkeit im Alltag wurde auf diese Weise in der Wissenschaft stillschweigend übernommen und reproduziert (ebd., 214).

West/Zimmermann und Butler kritisieren mit ihren konstruktionstheoretisch ausgerichteten Arbeiten die Weiterführung der universellen biologischen Zweigeschlechtlichkeit. Ausgehend von der Problematik der Naturalisierung von Geschlecht, entwickeln sie konstruktivistische Theorien, die die Herstellungsprozesse der Geschlechterdifferenz selbst in Frage stellen. So stellen sie nicht nur die binäre Differenz in Frage, sondern postulieren auch, dass das biologische Geschlecht (sex) ebenfalls eine soziale Konstruktion sei (Gildemeister 2001, 69). Dabei gehen sie jeweils von zwei unterschiedlichen Identitätsbegriffen aus, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen sollen. Wests/Zimmermans Arbeiten sind eher interaktionistisch, essentialistisch ausgerichtet, wohingegen Butlers Arbeiten poststrukturalistisch orientiert sind, wodurch auch ein unterschiedliches Verständnis von Subjekt und Identität entsteht. Das Anliegen der Arbeit wird, vor dem Hintergrund der dargestellten Problematisierung, die Klärung folgender Fragestellung sein: Durch welche Unterschiede und Analogien zeichnen sich die Subjektkonstitutionen bei West/Zimmerman und Butler aus? Ein besonderer Fokus wird dabei auf dem Verhältnis zwischen der Konstruktion von (Geschlechts-)Identität und mögliche Veränderungsvorschläge von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten liegen. Zunächst wird im Überblick das Konzept „doing gender“ dargelegt. Im darauffolgenden Unterkapitel wird speziell auf das Subjektverständnis von West/Zimmerman innerhalb der „doing gender“-Theorie eingegangen. Anschließend wird das Konzept der Performativität von Butler und ihre Subjektkritik vorgestellt. Abschließend werden die unterschiedlichen Subjektkonstitutionen miteinander verglichen und vor dem Hintergrund geschlechtsspezifischer Ungleichheiten und deren mögliche Lösung reflektiert.

2 Theoretischer Rahmen: Die Dekonstruktion von Geschlecht

2.1 West/Zimmermann: Konzeption des „doing gender“

Innerhalb der Debatten um die Konstruktion von Geschlecht griffen West und Zimmermann die Problematik der sex/gender-Trennung auf und konzipierten ein neues Verständnis von Geschlecht, welches keiner Biologisierung mehr folgen sollte. Das entwickelte Konzept des „doing gender“ (West/Zimmerman 1987) begreift die Konstruktion von Geschlecht als interaktionistischen Herstellungsprozess. Der Theoretische Kern der Konzeption zeichnet sich durch die stetige interaktive Produktion und Konstruktion von Geschlecht aus. Demnach sei Geschlecht nichts, was wir aufgrund einer vermeintlich existierenden Biologie besäßen, sondern beruhe vornehmlich auf sozialen und kulturellen Übereinkünften und konstituiere sich in jeder erdenklichen Alltagssituation. Folglich sei Geschlecht immer ein interaktives, reflexives, an Situationen gebundenes „Tun“ und resultiere nicht aus einer biologischen Tatsache heraus (ebd., 126). So behaupten West und Zimmermann: „[A] person’s gender is not simply an aspect of what one is, but, more fundamentally, it is something that one does, and does recurrently, in interaction with others“ (ebd., 140). Die Begrifflichkeit der Interaktion innerhalb der zu denkenden Tradition bedeutet, “dass [sie] einen formenden Prozess eigener Art darstellt, Zwänge impliziert, in die die Akteur*innen involviert sind und denen sie nicht ausweichen können. Interaktion entsteht zwangsläufig immer dann, wenn Personen physisch präsent sind und sich wechselseitig wahrnehmen und aufeinander reagieren (können)” (Gildemeister 2001, 73). Der hier erwähnte Zwang sei ein immanenter Bestandteil sozialer Interaktionsprozesse, Kategorisierungen (in bspw. männlich, weiblich) vorzunehmen. „Doing gender“ ist somit ein Gegenmodell zur der vorangegangenen sex/gender-Differenzierung. Die dreiteilige Differenzierung der Kategorie Geschlecht in „ sex “, „ sex category “ und „ gender “ (ebd., 127, Hervorh. im Orig.), verdeutlicht die Abgrenzung zum sex/gender-Konzept. Dabei verbirgt sich diese Dreiteilung hinter dem sogenannte „ gender display “, welche eine „ongoing activity embedded in everyday interaction“ verkörpert (ebd., 130). West und Zimmermann verstehen sex als eine soziale Übereinkunft, die auf Entscheidungen beruht, welche anhand von determinierten und determinierenden Kriterien bei der Geburt getroffen werden. Die biologische Zweigeschlechtlichkeit, ob „männlich“ oder „weiblich“, so West/Zimmermann, sei eine determinierende Kategorisierung basierend auf sozialen Vereinbarungen. Die sex category, auch als die „social membership“ (Gildemeister/Wetterer 1992, 212) bezeichnet, ist die soziale Zuschreibung eines Geschlechts aufgrund von Äußerlichkeiten, die auf die Anwesenheit der jeweiligen Genitalien schließen lassen. Die Vermutung oder vielmehr die Annahme des Geschlechts durch Äußerlichkeiten, beruhe ebenfalls auf sozialen Regeln und wird durch die Einbettung in Institutionen manifestiert. Die dritte Kategorie gender beschreibt das soziale Geschlecht, die prozesshafte, interaktive Angleichung an die „soziale Mitgliedschaft“ des jeweiligen Geschlechts. Es seien die aktiven Herstellungsprozesse der vereinbarten Normen von Geschlecht, die die Begrifflichkeit gender beschreibe (z.B. Gestik, Mimik, Kleidung etc.) (ebd.). Das Verhältnis der analytisch getrennt voneinander zu verstehenden Kategorien verdeutlicht zum einen die reflexive Beziehung zwischen den drei Kategorien und zum anderen die interaktiven Herstellungsprozesse, die es bei „doing gender“ zu untersuchen gilt. So können sex und sex category miteinander übereinstimmen, gleichwohl sich auch konträr zueinander verhalten. Ein von der Umwelt wahrgenommener „Mann“ muss nicht zwangsläufig die dafür vorgeschriebenen Genitalien per biologischer Definition besitzen. Wird das Verhältnis zwischen gender und sex category betrachtet, so wird erkennbar, dass diese zwei Kategorien sich ebenfalls nicht kontingent zueinander verhalten müssen. „Women can be seen as unfeminine, but that does not make them ‘unfemale’” (ebd., 134). Die Fallstudie „Agnes“ von Garfinkel (1967; zitiert in West/Zimmermann 1987, 181), auf die sich die Autorinnen beziehen, veranschaulicht insbesondere den Konstruktionsprozess von Geschlecht, der in jeder alltäglichen Interaktion vollzogen werden muss. Agnes ist eine Transfrau und agiert innerhalb der Binarität der Geschlechter. Obwohl sie sich stetig wie eine Frau verhält und interagiert (gender), wird Agnes innerhalb der Gesellschaft als solche nicht anerkannt (sex category). Sie gilt als Mann-zu-Frau Transsexuelle und wird nicht der social membership (social category) der Frauen zugeordnet. So fassen Gildemeister und Wetterer zusammen: „Die Geschlecht-Kategorisierung ist ein notwendiger Hintergrund für die andauernde Selbstpräsentation als »weiblich«, sie ist aber nicht hinreichend – verlangt werden darüber hinaus Verhaltens-, Handlungs-, und Erlebensweisen, die in einem normativen Sinn als »weiblich« angesehen werden“ (Gildemeister/Wetterer 1992, 232). Diese Notwendigkeit stellt insbesondere für Personen, welche sich in ihrem von Geburt aus zugewiesenen Geschlecht nicht wohl fühlen, eine Herausforderung dar, stetig den Ansprüchen der Geschlechterrolle zu entsprechen. Gleichwohl offenbart Transsexualität die Inszenierung und die prozesshafte Hervorbringung von Geschlecht. Diese „Omnirelevanz“ (West/Zimmerman 1987, 136) der binären Geschlechtlichkeit lässt West und Zimmermann zu dem Schluss kommen: „[D]oing gender is unavoidable“ (ebd., 137).

Vor dem theoretischen Hintergrund der Ethnomethodologie, die davon ausgeht, „dass Menschen in der Regel auf der Basis unhinterfragbarer kultureller Grundgewissheiten operieren“ (Meissner 2008, 9), ist die Zweigeschlechtlichkeit als naturgegebene Erscheinung ein konstitutives Element der Konstruktion von Wirklichkeit. Die Konstruktion derselben findet im alltäglichen „doing“ statt, wobei der eigentliche Prozess der Herstellung meist weder bewusst noch freiwillig seitens der Akteur*innen stattfindet. Der ethnomethodologischen Logik zufolge ist demnach nicht nur Geschlecht, sondern auch die jeweilige „Wirklichkeit“ eine soziale Konstruktion. „Sozial ist diese Konstruktion, da sie vor dem Hintergrund eines intersubjektiv geteilten Wissens und einer darauf beruhenden gemeinsamen Methode der Hervorbringung beruht“ (ebd.). Insofern wird die Differenzierung der Geschlechter nicht als Basis der Analysen verstanden, sondern der Anspruch des Ansatzes liegt darin begründet, jene Prozesse zu untersuchen, welche die Differenzierungen die unsere Wirklichkeit bestimmen, hervorbringen. Der Fokus des Ansatzes liegt folglich in der Untersuchung, wie „die Wirklichkeit“ konstruiert und dadurch eine soziale Realität naturalisiert wird (Gildemeister 2001, 75).

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass „Geschlecht“ zwischen zwei Personen interaktiv konstruiert, validiert und manifestiert wird. Der Kategorisierungsprozess, der seitens der Akteur*innen vollzogen wird, dient der Herstellung von Realität und sozialer Ordnung und erfährt seine Persistenz durch Institutionalisierungen, die wiederum der Legitimation von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten dienen. Stabilisierend wirkt dabei die Naturhaftigkeit, die den Kategorien zugeschrieben wird. Durch die stetige, dauerhafte Wiederholung von Verhaltensmustern kommt es zu einer „Objektivierung sozialer Ordnung“ (Gildemeister 2001, 75). Die dynamischen Prozesse, welche zur Objektivierung und Naturalisierung der konstruierten Wirklichkeit führen, ist Hauptgegenstand der hier beschriebenen Theorie. Die systematische Einordnung der Geschlechter kann somit als ein „generatives Muster der Herstellung sozialer Ordnung“ (Gildemeister/Wettere 1992, 229) betrachtet werden. „Doing gender“ ist ein der Gesellschaft immanenter Prozess, dem die Akteur*innen sich nicht entziehen können. Im Folgenden soll das Verständnis des Subjekts des ethnometodologisch geprägten „doing gender“ herausgearbeitet werden.

2.1.1. Subjektkonstitution bei „doing gender“

Das Grundgerüst von „doing gender“, welches sich auf die Ethnomethologie von Erwin Goffman beruft, beschränkt sich auf die sozialen, interaktiven Prozesse, welche nicht nur das Verständnis von Geschlecht hervorbringen, sondern auch die jeweilige Geschlechtsidentität (gender idenity). Zwar wird betont, dass die (Geschlechts-)Identität einer Person dieser nicht vorausgeht und somit nicht vorsozial ist, doch gehen die in Kontakt tretenden Personen von einer Natürlichkeit des Wesens der Menschen aus, welches es zu erkennen gilt (West/Zimmerman 1991, 129). Die in Erkenntnis zu bringende Natürlichkeit des Wesens sei, so Goffmann, ein „natürlicher Wesenszug“ des Menschen (ebd.). So impliziert dieses Verständnis, dass hinter dem sozialen Setting der Produktion von Zweigeschlechtlichkeit, eine Ursprünglichkeit, eine natürliche, ahistorische, außerhalb der Kultur liegende Identität des Menschen existiere. Erst durch das Eintreten in Interaktion formt sich das Subjekt durch sein „Tun“. Mit anderen Worte: Das Subjekt geht der Interaktion, dem Handlungsprozess voraus. Durch den bestehenden Zwang der Kategorisierungen übernimmt das Subjekt in Interkation dann die jeweilige von ihm erwartete Geschlechtsidentität. Zwar verpflichtet sich „doing gender“ einer antibiologistischen Grundhaltung, doch die Annahme eines unausweichlichen interaktiv, formenden sozialen Prozesses eigener heteronormativer Art, dem das Subjekt vorgelagert sei, (vgl. Gildemeister/Wetterer 230) birgt statt einem Biologismus einen Essentialismus. Die Problematisierung solch einer Schlussfolgerung besteht zum einen in dem nicht beachteten Verhältnis zwischen Subjektkonstitution und gesellschaftlich strukturellen Bedingungen. Damit ist gemeint, dass die Perspektive auf die interaktiven Prozesse, die gesellschaftlichen Strukturen als feste Konstante begreift und nicht versucht, sie in einem historischen, dynamischen Kontext zu begreifen. Auf diese Weise entsteht eine unzureichende Betrachtung von historischen und kulturellen Entwicklungen von Gesellschaft und die damit zusammenhängende Konstitution des Selbstverständnisses der Mitglieder dieser Gesellschaft (Meißner 2008, 12). Angesichts des ahistorischen Verständnisses von gesellschaftlichen Strukturen, wird das interaktive Setting immer schon in einer Zweigeschlechtlichkeit vorzufinden sein. In dieses Setting tritt dann das sich selbst als frei und autonom begreifende Subjekt ein. Hannah Meißner (2008) fasst das hier zugrundeliegende Problem wie folgt zusammen:

„Inwiefern die Form der Person jedoch ein historisch spezifisches Selbstverhältnis darstellt, kann aus dieser Perspektive nicht weiter thematisiert werden. Damit kann auch nicht geklärt werden, inwiefern Interaktionsprozesse in historisch spezifischer Weise funktionieren. Die wichtige Erkenntnis, dass die Grundannahme einer körperlich begründeten Zweigeschlechtlichkeit kulturspezifisch ist, kann somit nicht in seiner analytischen Tiefe ausgeschöpft werden“ (12).

Die Problematik des Schwerpunktes von „doing gender“, danach zu fragen, „wie“ Geschlechter interaktiv konstruiert werden, führt zu einer Verhinderung eben jene historischen, kulturellen und strukturellen Prozesse der Analyse zugänglich zu machen, welche zur Schaffung gesellschaftlicher Hierarchien und Differenzierungen führen (Schütze 2010, 40). Die an dem symbolischen Interaktionismus ausgerichtete „doing-gender“-Analyse fokussiert primär die Untersuchung der einzelnen Individuen im interaktiven Handlungsverfahren miteinander. Die strukturellen und kulturellen Dimensionen werden dabei an die Peripherie des theoretischen Konzepts gedrängt (ebd. 41f.). Gleichzeitig wird die dichotome Geschlechterdifferenz immer schon als etwas Gegebenes vorausgesetzt, auf die sich die Akteur*innen beziehen müssen. Durch die unausweichliche Bezugnahme bringen die Akteur*innen durch ihr aktives „Tun“ die Geschlechterdifferenzen hervor. So entsteht „die Vorstellung eines selbstständigen Erzeugers sowie eines von diesem isoliert identifizierbaren Produktes [...] und vermittelt somit ein weitestgehend autonomes Verhältnis von Subjekt und Geschlechtsposition“ (ebd., 44).

Bezogen auf die Forschungsfrage lässt sich resümieren, dass der Subjektbegriff des „doing gender“-Konzeptes wenig ausdifferenziert ist. Die Frage danach, wie das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft begriffen wird, lässt sich nicht eindeutig beantworten, da weiterhin die Ungewissheit besteht, inwiefern das Subjekt im gesellschaftlichen Kontext als ein selbstbestimmtes begriffen wird. Die verwendeten Begrifflichkeiten, bspw. jene, die die Aktionsprozesse der Herstellungsprozesse beschreiben und die Bezugnahme auf die Ethnomethodologie, den symbolischen Interaktionismus und das Auslassen von strukturellen, kulturellen und historischen Dimensionen beschreiben, lassen allerdings darauf schließen, dass vielmehr von einem aktiv handelnden, sich selbst als autonom verstehenden Subjekt ausgegangen werden muss. Noch bevor es in Interkation tritt, ist das Subjekt zum einen als eine klar von der Geschlechterkonstruktion abzugrenzende Einheit zu verstehen. Zum anderen ist das Subjekt mit den Geschlechterkonstruktionen verwoben (ebd., 43). Die binäre Geschlechterdifferenz stellt einen starren, äußeren Rahmen dar, ein obligatorisches Orientierungsmuster, auf das sich bezogen werden muss. Durch das Eintreten in Interaktion generieren und erzeugen die Subjekte durch ihr „Tun“ die schon immer existierende Zweigeschlechtlichkeit. Das schon immer Dagewesene wird zwar nicht biologistisch erklärt, aber beinhaltet durch den ahistorischen Kontext essentialistische Züge.

[...]

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Details

Title
Performativität oder "Doing Gender"? Subjektkonstitution bei West/Zimmerman und Butler
Year
2017
Pages
18
Catalog Number
V373125
ISBN (eBook)
9783668516144
ISBN (Book)
9783668516151
File size
456 KB
Language
German
Keywords
gender, performativität, judith butler, subjektkonstitution, dekonstruktion, candace west, don zimmerman
Quote paper
Anonymous, 2017, Performativität oder "Doing Gender"? Subjektkonstitution bei West/Zimmerman und Butler, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/373125

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