Thematische Hinführung
Das Urteilen ist der Dritte, durch den plötzlichen Tod Hannah Arendts unvollendete Teil ihres Gesamtwerkes Vom Leben des Geistes. Nach Beendigung des Zweiten Bandes, Das Wollen, hinterließ Hannah Arendt vor ihrem Tod neben dem Postskriptum des ersten Bandes Das Denken, nur eine einzige leere Seite mit dem Titel Das Urteilen, sowie zwei Leitsätze, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen wird. Um das von Hannah Arendt dreiteilig geplante Gesamtwerk Vom Leben des Geistes abzuschließen, gibt Mary McCarthy 1982 mit Hilfe von Seminaraufzeichnungen sowie früheren Essays und wissenschaftlichen Beiträgen von Hannah Arendt über die Theorie des Urteilens den Dritten Band heraus.1
Im Mittelpunkt des posthumen veröffentlichten dritten Bandes steht die dreizehnstündige Vorlesung von Hannah Arendt über die Politische Philosophie von Immanuel Kant, die sie 1970/71 an der Universität in New York gehalten hat. Aufzeichnungen aus ihrem parallel zur Vorlesung an der New School for Social Research abgehaltenen Seminar „Kritik der Urteilskraft“ unterstreichen ihre Stellungnahmen über das menschliche Urteil und veranschaulichen diese am Beispiel der „Einbildungskraft“ und des „sensus communis“, die als Begriffe für das weitere Verständnis der Reflexionen Hannah Arendts von großer Bedeutung sind.2
Neben dem Aufkommen des Totalitarismus, der Hannah Arendts Blick für die Komplexität des menschlichen Urteils schärfte, sowie dem Bewusstsein für die aufkommenden Gefahren, die dem menschlichen Urteil von Seiten der modernen Gesellschaft drohten, war ihre Anwesenheit bei dem Prozess von Adolf Eichmann 1961 in Jerusalem für ihre Beschäftigung mit der Theorie des Urteilens wesentlich. Unter Bezugnahme auf ihren Bericht von der Eichmann-Verhandlung, der 1963 im „New Yorker“ erschien, gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass das, was Hannah Arendt besonders beschäftigte, als sie anfing über das Urteil nachzudenken, die Notwendigkeit war, im Falle Adolf Eichmanns ein Urteil zu sprechen. 3 ...
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1 Beiner, Ronald (1982): „Hannah Arendt über das Urteilen“, in: Arendt, Hannah (1985): Das Urteilen. Texte zu Kants Politischer Philosophie, München, Piper, S. 115
2 ebenda, S. 7f.
3 Beiner, Ronald (1982): „Hannah Arendt über das Urteilen“, in: Arendt, Hannah (1985): Das Urteilen. Texte zu Kants Politischer Philosophie, München, Piper, S. 125f.
Inhaltsverzeichnis
- I. EINLEITUNG
- A. THEMATISCHE HINFÜHRUNG
- B. METHODISCHER ZUGANG ZUR VORLIEGENDEN ARBEIT
- II. POLITISCHE PHILOSOPHIE IMMANUEL KANTS
- A. REFLEXIONEN VON IMMANUEL KANT
- 1. VOM „VERLAUF DER GESCHICHTE“ ZUR „THEORIE DES URTEILS“
- 2. ENTWICKLUNG DER MENSCHLICHEN URTEILSKRAFT
- B. KRITISCHES UND REPRÄSENTATIVES DENKEN
- 1. KRITISCHES DENKEN
- 2. REPRÄSENTATIVES DENKEN
- 3. „KRITIK DER URTEILSKRAFT“ UND „EINBILDUNGSKRAFT“
- III. REFLEXIONEN VON HANNAH ARENDT
- A. „AUSWEG AUS EINER SACKGASSE“
- B. ABHANDLUNG UND KRITISCHE FRAGEN DES URTEILENS
- 1. PROBLEM DER MENSCHLICHEN FREIHEIT
- 2. ARENDTS REFLEXIONEN ALS „KANT-KOMMENTAR“
- IV. THEMATISCHES UND PERSÖNLICHES FAZIT
- A. THEMATISCHES FAZIT
- B. PERSÖNLICHE STELLUNGNAHME
- V. LITERATURVERZEICHNIS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit Hannah Arendts posthum veröffentlichtem Werk „Das Urteilen“, dem dritten Teil ihres Gesamtwerks „Vom Leben des Geistes“. Die Arbeit analysiert die Verbindung zwischen Arendts Reflexionen über das Urteilen und Immanuel Kants politischer Philosophie. Der Fokus liegt dabei auf der Bedeutung des menschlichen Urteils in der modernen Gesellschaft, insbesondere im Kontext von Totalitarismus und der Bedrohung der objektiven Wahrnehmung.
- Das menschliche Urteilen als entscheidender Bestandteil von Hannah Arendts „Vom Leben des Geistes“
- Die Verbindung zwischen Kants politischer Philosophie und Arendts Reflexionen über das Urteilen
- Die Rolle des „sensus communis“ und der „Einbildungskraft“ im Kontext des menschlichen Urteilens
- Die Gefahren, die dem menschlichen Urteil in der modernen Gesellschaft drohen
- Die Bedeutung des Urteilens im Zusammenhang mit dem Totalitarismus
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel liefert eine thematische Hinführung zum Thema des Urteilens, indem es Hannah Arendts Gesamtwerk „Vom Leben des Geistes“ in den Kontext ihrer Beschäftigung mit dem Totalitarismus und der Eichmann-Verhandlung stellt.
Das zweite Kapitel behandelt die politischen Philosophien von Immanuel Kant, insbesondere seine Gedanken zum „Verlauf der Geschichte“ und zur „Theorie des Urteils“.
Das dritte Kapitel widmet sich Hannah Arendts Reflexionen über das Urteilen. Es beleuchtet ihre Kritik an den Gefahren, die dem menschlichen Urteil in der modernen Gesellschaft drohen, und untersucht die Bedeutung des Urteilens im Kontext von Totalitarismus.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen des menschlichen Urteilens, der „Einbildungskraft“, dem „sensus communis“, der „Kritik der Urteilskraft“ und der politischen Philosophie von Immanuel Kant. Im Kontext des Totalitarismus und der modernen Gesellschaft werden die Gefahren für die objektive Wahrnehmung und die Bedeutung des Urteils als Grundlage der menschlichen Freiheit beleuchtet.
- Citar trabajo
- M.A. Claudia Haslauer (Autor), 2005, Hannah Arendt - Das Urteilen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/37366